Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Jänner 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerrit A wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2
(zweiter Fall) StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Mai 1979, GZ 6 c Vr 2088/79-48, erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Roland und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, gemäß § 290 Abs 1 StPO in seinem Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft dahingehend ergänzt, daß dem Angeklagten Gerrit A gemäß § 38 Abs 1 StGB auch die Untersuchungshaft vom 7. November 1978, 10,45 Uhr, bis 19. November 1978, 12,00 Uhr, auf die Freiheitsstrafe angerechnet wird. Der Berufung des Angeklagten wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt wird. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19. September 1949 geborene Drogist Gerrit A wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2, zweiter Fall, StGB, des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt.
Das Erstgericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, die Wiederholung gleichartigen strafbaren Verhaltens, das Zusammentreffen von Delikten, die Straffälligkeit innerhalb mit bedingter Strafnachsicht verbundener Probezeiten und einen raschen Rückfall, als mildernd das Geständnis des Angeklagten und sein gegenüber zwei Privatbeteiligten abgegebenes Schadensanerkenntnis.
Der Angeklagte bekämpft das erstgerichtliche Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde - mit welcher er allein den Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB anficht - und mit Berufung, mit der er die Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe anstrebt. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit dem Beschluß vom 11. Dezember 1979, GZ 9 Os 178/79-6, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen. In diesem Beschluß behielt sich der Oberste Gerichtshof für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung die Ausübung der ihm gemäß § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis vor.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof vom Vorliegen des durch Unterlassung der Anrechnung einer ausländischen Untersuchungshaft verwirklichten, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeitsgrundes im Sinne der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO.
Aus den erstgerichtlichen Akten und den Akten AZ 6 c Vr 9714/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich hiezu:
Der Angeklagte stand im gegenständlichen Verfahren unter anderem unter der Anklage des Verbrechens der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs 1
StGB, begangen am 2. November 1978 in Boulders Farm (Rhodesien). In der vor dem Erstgericht abgeführten Hauptverhandlung vom 9. Mai 1979 wurde die Ausscheidung des Verfahrens wegen dieses Anklagepunktes (gemäß dem § 57 StPO) beschlossen und das Verfahren insoweit zum AZ 6 c Vr 9714/79
des Landesgerichtes für Strafsachen Wien weitergeführt, in welchem am 19. Dezember 1979 ein freisprechendes Urteil gefällt wurde, das - nach einem Bericht des Erstgerichtes -
in Rechtskraft erwuchs.
Der Angeklagte wurde wegen des erwähnten Sprengstoffdeliktes von den rhodesischen Polizeibehörden am 7. November 1978 um ca 10,45 Uhr in Haft genommen (Aussagen der Polizeibeamten B, C und D, Beilagen ./13, ./14 und ./15 in dem von den rhodesischen Behörden übermittelten Aktenkonvolut Beilage ./A zu ON 19 im Akt AZ 6 c Vr 9714/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien). Er wurde in der Folge von den rhodesischen Behörden aus der Untersuchungshaft entlassen, worauf - allerdings ohne Anführung des Zeitpunktes der Enthaftung - in einer Note vom 1. Dezember 1978 Bezug genommen wird (Beilage ./9 im erwähnten Aktenkonvolut).
Aus der Aussage des Polizeibeamten B (Beilage ./13 des erwähnten Konvolutes) geht hervor, daß dieser den Angeklagten am Abend des 20. November 1978 - bereits auf freiem Fuß - in einem Gastlokal getroffen hatte. Der Angeklagte selbst behauptete vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, in Rhodesien 12 Tage - demnach bis zum 19. November 1978 - in Untersuchungshaft gewesen zu sein (S 137 a verso).
Rechtliche Beurteilung
Unter Zugrundelegung dieser Verfahrensergebnisse war von Amts wegen gemäß § 290 Abs 1 StPO eine im erstgerichtlichen Urteil unterbliebene Anrechnung der Untersuchungshaft vom 7. November 1978 bis 19. November 1978
vorzunehmen (ÖJZ-LSK 1976/389, 1975/38), zumal die beiden erwähnten Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Verhältnis des § 56 StPO zueinander standen und es keinen Unterschied macht, ob es sich bei den Vorhaftzeiten um ausländische oder inländische handelt (ÖJZ-LSK 1978/41, 1976/122).
Auch der Berufung kommt Berechtigung zu.
Unzutreffend ist die im erstgerichtlichen Urteil erfolgte Annahme einer Tatbegehung innerhalb von mit bedingten Strafnachsichten verbundener Probezeiten als erschwerend. Ein Umstand dieser Art kann zum Widerruf der bedingten Strafnachsicht führen, ist aber nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers kein Erschwerungsgrund (Dokumentation zum StGB 88; ÖJZ-LSK 1975/263).
Anderseits stellt das dem Angeklagten als mildernd zugutegehaltene Schadensanerkenntnis keinen Milderungsgrund dar (ÖJZ-LSK 1978/276). Mit Recht bemängelt der Berufungswerber, daß ihm das Verhalten des Josef E nicht als mildernd zugerechnet wurde, der durch sein deliktisches Verhalten die mißliche wirtschaftliche Lage des gemeinsam geführten Unternehmens (F - M.B.H.) im wesentlichen herbeigeführt hat, worauf erst der Angeklagte hauptsächlich zum Zwecke der Weiterführung des Betriebes die von ihm zu verantwortenden Vermögensdelikte begangen hat. Zutreffend ist auch, daß die Schadenssumme beim Verbrechen der Untreue die den angewendeten Strafsatz bedingende Wertgrenze von 100.000 S nicht in einem allzu hohen Ausmaß übersteigt. Unter Abwägung der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe erscheint dem Obersten Gerichtshof die Berufung des Angeklagten berechtigt und eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe auf das im Spruche angegebene Ausmaß angebracht. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02417European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00178.79.0115.000Dokumentnummer
JJT_19800115_OGH0002_0090OS00178_7900000_000