TE OGH 1980/1/29 10Os11/80

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Veröffentlicht am 29.01.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Leopoldine A wegen des Vergehens der Entwendung nach § 141 Abs. 1 StGB. über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Amstetten vom 10. Oktober 1979, GZ. U 306/79-5, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Erlassung der Strafverfügung vom 10. Oktober 1979, GZ. U 306/79-5, durch das Bezirksgericht Amstetten verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 42 StGB. und des § 451 Abs. 2 StPO. Diese Strafverfügung und alle darauf beruhenden Verfügungen werden aufgehoben; das Strafverfahren wird gemäß § 451 Abs. 2 StPO. eingestellt.

Text

Gründe:

Aus den Akten U 306/79 des Bezirksgerichtes Amstetten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die am 25. Oktober 1910 geborene, in Ysper wohnhafte Rentnerin Leopoldine A wurde am 12. Mai 1979

im Konsummarkt Hofer in Amstetten dabei betreten, als sie außer den ordnungsgemäß bezahlten Waren noch mit verschiedenen Waren geringen Wertes, nämlich Krachmandeln, Neapolitanerschnitten und je einer Dose Körper-Lanolin-Creme sowie Kamillen-Haut-Creme im Gesamtwert von 73,40 S, die sie bei sich verborgen hatte, die Kasse passierte.

Nach ihrer Anhaltung bezahlte sie im Beisein des herbeigerufenen Gendarmeriebeamten den Kaufpreis.

Auf Grund des mit Ermächtigung der geschädigten Firma vom öffentlichen Ankläger gestellten Strafantrages erließ das Bezirksgericht Amstetten, nachdem durch Leopoldine A unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bekanntgegeben worden war, daß sie der Vorladung zu der für den 9. August 1979 angeordneten Hauptverhandlung nicht entsprechen könne, und sie zwei Vorladungen des bestellten medizinischen Sachverständigen zur Untersuchung auf ihre Verhandlungsfähigkeit (nach Linz) nicht Folge geleistet hatte, am 10. Oktober 1979 unter der GZ. U 306/79-5 eine Strafverfügung, womit über die Genannte, welcher das Gericht Unbesonnenheit zubilligte, wegen des Vergehens der Entwendung gemäß § 141 StGB. eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20 S, im Nichteinbringungsfall zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wurde. Diese Strafverfügung ist in Rechtskraft erwachsen. Die Geldstrafe, hinsichtlich deren ihr das Gericht die Begleichung in zwei Raten (am 1. Dezember 1979 und am 1. Jänner 1980) bewilligte (ON. 8), ist (gleich den - mit 300 S bestimmten - Kosten) nach der Aktenlage bisher nicht bezahlt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Erlassung dieser Strafverfügung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 451 Abs. 2 StPO. hat der Richter des Bezirksgerichtes das Verfahren mit Beschluß einzustellen, wenn er sich überzeugt, daß die Voraussetzungen des § 42 StGB. vorliegen. Nach dieser Gesetzesstelle ist eine von Amts wegen zu verfolgende, nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohte Tat nicht strafbar, wenn 1. die Schuld des Täters gering ist, 2. die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies 3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Im vorliegenden Fall hat die gemäß § 141 StGB. mit Freiheitsstrafe bis zu einem Monat oder Geldstrafe bis zu 60 Tagessätzen bedrohte Tat, die an sich nur auf Zufügung eines geringen Schadens (in der Höhe von 73,40 S) gerichtet war, faktisch (letztlich) keine Folgen nach sich gezogen. Die weggenommenen Waren wurden durch die Beschuldigte nach ihrer Anhaltung bezahlt.

Die Schuld der nunmehr 69-jährigen Leopoldine A, die bis zur Tat (also nahezu 7 Jahrzehnte hindurch) einen untadeligen Wandel führte und nach ihrer unwiderlegten Verantwortung bei einem monatlichen Rentenbezug von 1.000 S anläßlich der Wegnahme der (den Hauptanteil der entwendeten Sachen ausmachenden) Süßigkeiten von dem Motiv bestimmt war, ihren Enkelkindern am nächsten Tag, dem Muttertag, ihren Dank für (erwartete) Glückwünsche durch ein kleines Geschenk zum Ausdruck zu bringen, ist (nach dem sich auch für die Beantwortung dieser Frage aus den §§ 32

ff StGB. ergebenden Maßstab) auf Grund der besonderen Lagerung des konkreten Falles durchaus als gering zu werten (vgl. auch ÖJZ-LSK. 1979/307).

Unter den vorangeführten Umständen stehen schließlich spezialpräventive Bedenken der Anwendung des § 42

StGB. ebenfalls nicht entgegen. Die angesichts der zunehmenden Häufigkeit von Ladendiebstählen bei solchen Delikten besonders sorgfältig zu prüfenden Belange der Generalprävention können die Anwendung der mehrfach genannten Gesetzesstelle dann nicht hindern, wenn der Schuldgehalt der Tat, ihre Sozialschädlichkeit und ihr Störwert für die Umwelt - wie hier - kraft der besonderen Aspekte des Einzelfalles deutlich unter der Norm liegen (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/346 = EvBl. 1977/102 = RZ. 1976/125), wobei im Rahmen dieser Beurteilung, da Privilegierungen nicht zum Nachteil des Täters ausschlagen dürfen, in Ansehung der als Norm heranzuziehenden Vergleichstaten nicht auf das privilegierte Delikt (vorliegend Entwendung nach § 141 StGB.), sondern auf das allgemeine (also Diebstahl nach § 127 StGB.) abzustellen ist. Zubilligung der Straflosigkeit in einem (jedermann als solcher erkennbaren) Sonderfall - wie dem gegebenen -

tut dem Erfordernis der Anwendung des Strafrechts zur Abhaltung anderer potentieller Täter von gleichgelagerten strafbaren Handlungen keinen Abbruch (und zwar ganz unabhängig von der seitens der Generalprokuratur in diesem Zusammenhang abschließend angestellten Überlegung, ob und inwieweit 'einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20 S, insgesamt somit von 400 S, (überhaupt) besonders abhaltende Kraft zugebilligt werden könnte'). Es war daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, ohne daß noch auf die dort im Zuge der Erörterung der Tatfolgen (unter Hinweis auf SSt. 46/9) angeschnittene Frage, ob das Vorgehen der Leopoldine A nicht (zumindestens teilweise) bloß als Deliktsversuch anzusehen sei, eingegangen zu werden brauchte, i.S. des letzten Satzes des § 292 StPO.

spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E02451

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00011.8.0129.000

Dokumentnummer

JJT_19800129_OGH0002_0100OS00011_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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