Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 22. August 1979, GZ. 23 Vr 180/79-31, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das ansonst unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die (bisherigen) Kosten des Rechtsmittelverfahrens, soweit sie den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffen, zur Last.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht hat den Schneidergehilfen Friedrich A (neben einem unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch) der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB., der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB., der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB. und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und überdies gemäß § 21 Abs. 2 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen (S. 205).
Inhaltlich des Schuldspruchs hatte er in Linz am 2.Jänner 1979 (zu Punkt 1 a) Irene B wiederholt mit dem Umbringen, sohin mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, sie ferner (zu Punkt 1 b) durch Versetzen von Faustschlägen und Ohrfeigen sowie durch Werfen eines Glassplitters gegen sie (durch Abbruch eines Schneidezahns, Zufügung von Blutergüssen an Händen und Beinen sowie einer Schnittwunde am Hals, verbunden mit Schmerzen im linken Ohr, am Kopf und in der Bauchgegend) am Körper verletzt, (zu Punkt 1 c) zum Nachteil der Irene B (durch Zerschlagen eines Nachtkästchens, einer Glastür, eines Spiegelkastens, einer Fensterscheibe, einer Sprechanlage, einer Vase sowie durch Beschädigung eines Gasofens, eines Radiorecorders, einer Hose und von Wäsche) fremde Sachen zerstört und beschädigt und dadurch an diesen Sachen einen Schaden von zusammen 12.100 S herbeigeführt sowie am 25.Jänner 1979 (zu Punkt 2 a) durch die Äußerung, er werde mit dem von ihm eben gelenkten PKW.
gegen eine Hauswand fahren, um seine Beifahrerin Irene B zu töten, diese (abermals) mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und schließlich (zu Punkt 2 b) ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW. der Irene B, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen (S. 204 und 205).
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5, 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs. 1 StPO.
gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den (bloß) die Verhängung der Freiheitsstrafe betreffenden Teil des Strafausspruchs ficht er mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Eine im Sinne des erstangerufenen Nichtigkeitsgrunds unvollständige Urteilsbegründung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß eine in der Hauptverhandlung erörterte Passage des schriftlichen psychologischen Zusatzgutachtens Dris. Irene C, auf welchem (unter anderem) das im Vorverfahren nach stationärer Untersuchung des Angeklagten im Wagner-Jauregg-Krankenhaus in Linz schriftlich erstattete nervenfachärztliche Gutachten des nachfolgend auch in der Hauptverhandlung als Sachverständigen zugezogenen Univ.Prof. Dr. Gustav D beruhte, obwohl der vom Erstgericht bejahten Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten entgegenstehend, in den Urteilsgründen mit Stillschweigen übergangen worden sei. Der gerügte Mangel liegt indes nicht vor.
Zu der im psychologischen Zusatzgutachten vertretenen Auffassung, daß infolge der sehr geringen Frustationstoleranz beim Angeklagten der affektiv-reizbare Pol stark erhöht sei und die Affekte sowie Affekthandlungen wenig bis nicht gehemmt werden können (S. 111), wurde nämlich in der Hauptverhandlung vom zugezogenen Sachverständigen (sinngemäß) dahin Stellung genommen, daß für die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in erster Linie die klinisch-psychiatrische Untersuchung entscheidend sei, nach welcher aber beim Angeklagten medizinisch faßbare Vorgänge ausgeschlossen werden können, welche dessen (allein strittige) Dispositionsfähigkeit ausschalten könnten, wobei - wie der Sachverständige zu Recht hinzufügte - die Frage der Dispositionsfähigkeit (und damit der Zurechnungsfähigkeit) selbst einzig der Beurteilung des erkennenden Gerichts unterliege (S. 198). Das zu bloß gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe verpflichtete (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) Erstgericht war demnach nicht dazu verhalten, auf das im Gutachten des beigezogenen Sachverständigen solcherart (gerade in der von der Beschwerde relevierten Passage) ausdrücklich mitberücksichtigte psychologische Zusatzgutachten eigens einzugehen. Es wäre dem Angeklagten freigestanden, die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zu beantragen, wenn seine Bedenken trotz nochmaliger Vernehmung des Sachverständigen zur wiedergegebenen Passage des psychologischen Zusatzgutachtens nicht beseitigt worden sein sollten und sich so die Möglichkeit der allfälligen Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds nach Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. für den Fall zu sichern, daß seinem Antrag nicht entsprochen worden wäre. Der Rechtsmittelinstanz ist jedoch die Beurteilung, ob ein Gutachten - wie vom Erstgericht befunden - ausreichend und schlüssig ist, entzogen (SSt. 45/23), sodaß die behauptete Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. hiezu nicht vorliegt.
Auch der Beschwerdevorwurf, daß in den Urteilsgründen nicht im einzelnen ausgeführt werde, welche Beweismittel verwertet wurden, trifft nicht zu. Das Schöffengericht hat nämlich auf die 'unbedenklichen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen' Univ.Prof. Dr. Gustav D, der in der Hauptverhandlung ausführlich vernommen (S. 193 bis 198) und dessen im Vorverfahren erstattetes nervenfachärztliches Gutachten ON. 16 überdies auch in der Hauptverhandlung verlesen wurde (S. 199), in den Urteilsgründen ausdrücklich Bezug genommen (S. 212) und nach diesem nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten in Verbindung mit dem von der sehr glaubwürdig befundenen Zeugin Irene B geschilderten Benehmen des Angeklagten (zur Tatzeit) als erwiesen angenommen, daß dieser nicht voll berauscht war. Auf dieser Grundlage kam das Schöffengericht aber auch zu den in den Beweisergebnissen sohin gedeckten Sachverhaltsannahmen, die die der Sache nach mängelfrei getroffene Konstatierung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ermöglichen.
In Ausführung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. geht der Beschwerdeführer mit der Behauptung, er sei zur Tatzeit nicht in der Lage gewesen, gemäß der Einsicht in das Unrecht seiner Tat zu handeln, nicht von der gegenteiligen Urteilsfeststellung aus und bringt sohin seine Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Sein Vorbringen ist daher insoweit unbeachtlich.
Berechtigt hingegen ist die bloß gegen den Schuldspruch (zu Punkt 2 b) wegen Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. gerichtete Mängelrüge.
Nach den hiezu wesentlichen Urteilsannahmen brachte Irene B am 25. Jänner 1979 den Angeklagten in ihrem PKW. zu seiner Wohnung; er stieg aus, wobei er die Beifahrertür weit offen ließ; während Irene B nach ihr langte, um sie zu schließen, öffnete der Angeklagte, der inzwischen um das Auto herumgegangen war, die Fahrertür, drängte Irene B auf den Beifahrersitz und nahm den PKW. in Betrieb (S. 210). Wie das Schöffengericht hiezu ausführte, sei eine Einwilligung der Irene B zum Gebrauch ihres Fahrzeugs durch den Angeklagten deshalb nicht anzunehmen, weil die Zeugin lebendig und mit den Lebenserfahrungen im Einklang geschildert habe, wie der Angeklagte den Umstand, daß sie sich zur offenen Beifahrertür hinüberbeugte, ausnützte, um auf der anderen Seite des Fahrzeugs einzusteigen und sie hinüberzudrängen und weil auch kein Anlaß für sie bestanden hätte, beim (späteren) ... Umkehren aus dem Auto zu springen, wenn der Angeklagte, wie er glauben machen wolle, lediglich über das Versagen der Bremsen theoretisiert hätte (S. 212).
Abgesehen davon, daß aus dem geschilderten Verhalten des Angeklagten und der Reaktion der Zeugin auf sein Benehmen während der gemeinsamen Fahrt Rückschlüsse auf eine mangelnde Einwilligung der Irene B zum Gebrauch ihres Fahrzeugs von Anbeginn füglich nicht zu ziehen sind, hat das Erstgericht, von der Beschwerde zu Recht bemängelt, ihre Zeugenaussage insoweit, als sie angab, daß sie über Aufforderung des Angeklagten, sich auf den Beifahrersitz zu setzen, 'hinüber' (gerutscht) sei und auch gegen das Wegfahren deshalb nicht protestiert habe, weil sie sich nicht getraut habe (S. 192), unberücksichtigt gelassen, obwohl sich daraus Rückschlüsse auf die subjektive Einstellung der Zeugin B zu diesen Vorgängen, insbesondere aber auf deren Erkennbarkeit für den Angeklagten, ergeben können, die eine materiellrechtliche Voraussetzung für eine Unterstellung des festgestellten Verhaltens unter den Tatbestand der Bestimmung des § 136 Abs. 1 StGB.
in subjektiver Hinsicht betreffen. Denn nur dann, wenn dem Angeklagten bewußt geworden wäre, gegen die Einwilligung der (anders als bei diesem Delikt ansonsten üblich) anwesenden Berechtigten deren Fahrzeug in Gebrauch zu nehmen, wäre die erforderliche subjektive Tatseite für diesen Schuldspruch erfüllt, der insoferne, als eine solche Feststellung mangelt, wie von der Beschwerde gleichfalls zutreffend gerügt, auch mit einer Nichtigkeit nach der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet ist. Diesbezüglich war daher, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung zur Klarstellung des Sachverhaltes nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 e StPO. i.d.F. d. BGBl. Nr. 28/1980 bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. und demgemäß auch im (u.a. den Ausspruch über die Einweisung des Angeklagten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher umfassenden) Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Im übrigen aber war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO., teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02461European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00184.79.0207.000Dokumentnummer
JJT_19800207_OGH0002_0130OS00184_7900000_000