Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Februar 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 28.September 1979, GZ. 3 a Vr 3048/79-47, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.Mai 1946 geborene Gemüsehändler Walter A des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB.
schuldig erkannt, weil er am 27.Juli 1977 in Wien ein Fahrzeug, das mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich einen Volkswagen der Inge B ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch nahm. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Ablehnung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung seiner ehemaligen Lebensgefährtin Edeltraud C zum Beweis dafür, daß er zu der in Betracht kommenden Tatzeit nicht in Wien (sondern in Laa an der Thaya: S. 277) gewesen sei (S. 291).
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge ist unbegründet. Richtig ist zwar, daß weder das abweisliche Zwischenerkenntnis des Erstgerichts selbst noch die Urteilsgründe eine der Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO. entsprechende Begründung enthalten.
Aus dem Akteninhalt ist jedoch unzweifelhaft zu erkennen, daß diese Formverletzung keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluß ausüben konnte. Die beantragte Zeugin Edeltraud (Traude) C konnte bereits vom Untersuchungsrichter nicht ausgeforscht werden, weil sie polizeilich nicht gemeldet und seit der Auflösung ihres Gemüsegeschäfts in Wien 6., Gumpendorfer Straße 123, unbekannten Aufenthalts ist. Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung war ihre Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung in einem gegen sie anhängigen Strafverfahren nach wie vor aufrecht (S. 111 ff.). Damit wurde dieses Beweismittel für das Schöffengericht unerreichbar. Das Unterbleiben der angebotenen Beweiserhebung kann daher dem Schöffensenat unter dem Gesichtspunkt der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht zum Vorwurf gemacht werden (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 20 a zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.). Zum Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. bemängelt der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe bei seinem Ausspruch über entscheidende Tatsachen wesentliche im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände mit Stillschweigen übergangen, bei deren Berücksichtigung eine andere Lösung der Beweisfrage denkbar gewesen wäre.
Auch die Mängelrüge versagt. Das Erstgericht stützte den bekämpften Schuldspruch vor allem auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin Inge B, welche (auch) bei Gegenüberstellung vor dem erkennenden Gericht den Angeklagten eindeutig als Täter identifizieren konnte (S. 290 in Verbindung mit S. 45, 52 und 73), sowie auf die gleichfalls seine Täterschaft erhärtenden polizeilichen Erhebungen und begründete damit - in der Aktenlage gedeckt -
zureichend und denkfolgerichtig, auf Grund welcher Erwägungen es der Verantwortung des Angeklagten, er sei gar nicht am Tatort gewesen und habe zur Tatzeit weder den VW-Bus der Traude C gelenkt noch den Kraftwagen der Inge B in Gebrauch genommen, keinen Glauben schenkte. Soweit der Beschwerdeführer die Beweiskraft der Angaben der Inge B mit dem Hinweis in Zweifel zieht, daß deren Mutter Herta D (eine 75- jährige Pensionistin), die sich am Beifahrersitz des Volkswagens befunden hatte, sich an das Aussehen des Täters nicht erinnern konnte und daß er von Inge B zunächst nur nach Vorzeigen von Lichtbildern und in der Hauptverhandlung nicht in der Form einer Wahlkonfrontation mit mehreren Personen identifiziert worden sei, bekämpft er in unzulässiger Weise die erstrichterliche Beweiswürdigung. Unzutreffend ist aber auch der Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe sich nicht ausreichend mit den entlastenden Angaben des Zeugen Walter E auseinandergesetzt, der ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß er keinen Grund habe, dem Angeklagten zu helfen. Wenn das Erstgericht diese Zeugenaussage, nicht der Angeklagte, sondern ein gewisser 'Peter' wäre damals im VW-Bus der Traude C mitgefahren, durch die Polizeierhebungen und Personsbeschreibungen (vgl. hiezu insbesondere S. 22 unten und S. 32) als widerlegt erachtete, so stellt dies gleichfalls einen Akt freier Beweiswürdigung dar, der im Nichtigkeitsverfahren gegen ein schöffengerichtliches Urteil der Anfechtung entzogen ist. In Ausführung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. macht der Beschwerdeführer dem Urteil Feststellungsmängel mit der Behauptung zum Vorwurf, das Erstgericht hätte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob er, weil er keinem ausdrücklichen Verbot der Inge B zuwidergehandelt habe, mit einer stillschweigend gegebenen Einwilligung der Berechtigten zum Gebrauch ihres Fahrzeugs rechnen konnte und sein Verhalten demnach nur eine straflose Überschreitung einer rite erteilten Ermächtigung darstellte.
Auch damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht; denn nach den Urteilsfeststellungen hatte Inge B über Ersuchen des Walter E bereits vergebens versucht, mit ihrem Auto den VW-Bus anzuschieben, um dessen Motor in Gang zu bringen, und den beiden Männern erklärt, daß sie dies nicht könne. Während Inge B aus ihrem Wagen ausgestiegen war, nahm nun der Angeklagte, ohne zu fragen, ihren Platz in ihrem Personenkraftwagen ein und fuhr los, worauf Inge B noch versuchte, ihm nachzulaufen, und ihm nachrief. Kurz darauf fand sie einige Gassen weiter ihr Fahrzeug beschädigt wieder (S. 301 f.). Schon aus diesen Tatsachenannahmen konnte das Erstgericht - auch rechtlich zutreffend - ableiten, daß weder Inge B in einen Gebrauch ihres Fahrzeugs seitens des Angeklagten tatsächlich einwilligte noch daß der Angeklagte eine solche Einwilligung irrtümlich als gegeben annahm. Die Auffassung, daß es zur Strafbarkeit des inkriminierten Tatverhaltens eines ausdrücklichen Verbots der Inge B, das Fahrzeug zu benützen, bedurft hätte, findet im Gesetz keine Stütze; genug daran, daß der Angeklagte eigenmächtig handelte und sein Verhalten auch aus dem Grund einer mutmaßlichen Einwilligung nicht gerechtfertigt war. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte Walter A unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB. auf das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 1.Februar 1978, 11 a Vr 869/77
(sieben Monate Freiheitsstrafe wegen § 287 StGB. im Grund der §§ 15, 83 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB.), gemäß § 136 Abs. 1
StGB. zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von drei Monaten. Dabei waren die Vorstrafen erschwerend, mildernd war nichts. Die Berufung des Walter A wendet sich gegen die Strafhöhe mit dem Antrag auf Abstandnahme von einer Zusatzstrafe.
Die Berufung ist unbegründet.
Der Tathergang zeigt ein ungewöhnliches Maß deliktischer Kühnheit, was gemäß § 32 Abs. 3 Ende StGB. nicht außer Betracht bleiben darf. An die Seite dieses signifikaten Faktums treten nicht weniger als elf frühere Abstrafungen, die gemäß § 71 StGB. auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, weil sie allesamt Verletzungen des Rechtsguts des Vermögens betrafen. Darnach liegt es auf der Hand, wie gleichgültig oder ablehnend, um den Wortlaut des § 32 Abs. 2 StGB. zu gebrauchen, der Berufungswerber gegenüber diesem Rechtsgut eingestellt ist.
Entgegen einer Berufungsbehauptung steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien 1 b E Vr 1752/77 zu dem angefochtenen nicht im Verhältnis des § 31 StGB., weil es am 25. Mai 1977 ergangen ist. Wägt man die zuvor aufgezeigten Umstände mit der am 1.Februar 1978 vom Kreisgericht Korneuburg verhängten Strafe gemäß der Vorschrift des § 40 StGB. ab, so erweist sich, daß der sehr hohe Schuldgehalt, den der Berufungswerber zu vertreten hat, nur mit einem Strafzusatz ausgeschöpft werden kann, den die Richter der ersten Instanz in spezialpräventiv durchaus zweckmäßiger Höhe gefunden haben.
Anmerkung
E02468European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00185.79.0207.000Dokumentnummer
JJT_19800207_OGH0002_0130OS00185_7900000_000