TE OGH 1980/2/14 13Os178/79

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Veröffentlicht am 14.02.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Februar 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christa A wegen des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach dem § 79 StGB. über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 4.Oktober 1979, GZ. 28 Vr 968/79-36, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wukowitz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Strafe auf 1 (ein)

Jahr herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem §§ 390 a StPO. fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 27.April 1945 geborene beschäftigungslose Christa A des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach dem § 79 StGB. schuldig erkannt. Gegen diese Entscheidung wendet sie sich mit einer auf den Grund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in deren Ausführung sie mit der Rüge, das Erstgericht habe es unterlassen, auf Grund entsprechender Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Heinz B (ON. 29) festzustellen, daß sie sich im Zeitpunkt der Geburt des sodann getöteten Kindes in einer unentschlossenen und ratlosen Verfassung befunden habe und sehr belastende Milieuumstände vorgelegen seien, den erwähnten Nichtigkeitsgrund zur Darstellung bringt.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu. Das Erstgericht war nämlich zu derartigen Feststellungen deshalb nicht verhalten, weil es ohnedies als erwiesen annahm, daß die Angeklagte die Tat beging, als sie noch unter der - eben durch schuldmindernde Zustände dieser und ähnlicher Art gekennzeichneten - Einwirkung des Geburtsvorgangs stand. Diese Feststellung war die Voraussetzung für die Beurteilung der Tat als Verbrechen der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach dem § 79 StGB. anstatt als Verbrechen des Mordes nach dem § 75 StGB. Die zusätzliche Feststellung von Einzelheiten der oberwähnten, die psychische und soziale Situation der Angeklagten zum Zeitpunkt der Geburt bzw. unmittelbar darnach betreffenden Art wäre nicht geeignet gewesen, die Entscheidung über die Schuld der Angeklagten oder die rechtliche Beurteilung der Tat zum Vorteil der Beschwerdeführerin zu beeinflussen.

Soweit sie dem Erstgericht aber weiters zum Vorwurf macht, es habe eine Prüfung unterlassen, ob sie das Kind allenfalls - ihrer Verantwortung in der Hauptverhandlung entsprechend - fahrlässig getötet habe, bringt sie den damit sachlich angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil sie nicht von den mängelfreien, auf ihre eigene Verantwortung vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter (vgl. S. 1, 5 und 55) in Verbindung mit dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Rainer C (ON. 26) gestützten Feststellungen des Erstgerichts ausgeht, wonach sie das Kind vorsätzlich tötete. Solcherart wird bloß versucht, diese Feststellung des Schöffengerichts, welche für eine Beurteilung der Tat nach dem § 80 StGB.

keinen Raum läßt, in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Weise zu bekämpfen; insoweit sind die Beschwerdeausführungen daher unbeachtlich. Mithin war die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach dem § 79 StGB. eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten. Es nahm bei der Strafbemessung keinen Erschwerungsumstand an, berücksichtigte jedoch die Unbescholtenheit und den wesentlichen Beitrag der Angeklagten zur Wahrheitsfindung infolge des Geständnisses im Vorverfahren als mildernd.

Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte unter Hinweis auf die vom Schöffengericht angenommenen Strafzumessungsgründe, die bei Tatverübung bestandene Konfliktsituation und den Umstand, daß sie nunmehr bei ihren Eltern, sohin in geordneten Verhältnissen lebe, die Gewährung der bedingten Strafnachsicht und 'allenfalls auch' die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Das Begehren um Herabsetzung der Freiheitsstrafe ist berechtigt:

Auf der Basis der vom Erstgericht zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafzumessung normierten Grundsätze (§ 32 StGB.) erscheint wegen des Gewichts der Milderungsumstände, denen - wie erwähnt - ein Erschwerungsgrund nicht gegenübersteht, die Verhängung der im Gesetz angedrohten Mindeststrafe von einem Jahr gerechtfertigt. In diesem Sinne war der Berufung (teilweise) Folge zu geben. Zu bemerken ist, daß die von der Berufungswerberin angeführte Konfliktsituation zur Tatzeit im Tatbestand nach dem § 79 StGB. (generell) Berücksichtigung findet, stellt dieser doch einen gerade wegen der Einwirkungen des Geburtsvorgangs auf den Geistes- und Gemütszustand der Mutter privilegierten Sonderfall der vorsätzlichen Tötung dar. Hingegen ist die Gewährung der bedingten Strafnachsicht nach dem § 43 (Abs. 1) StGB. wegen des in der Tat verkörperten hohen Unrechtsgehalts und des von der Angeklagten im Rahmen des Tatbestands nach dem § 79 StGB. zu verantwortenden Grads der Schuld nicht gerechtfertigt.

Wie das Erstgericht zutreffend hinwies, tötete die Angeklagte das Kind ohne eine besondere, (ihr) unüberwindlich erscheinende Notlage. Der Angeklagten, die bisher schon zwei Kinder auf Pflegeplätzen (bei einem Arzt bzw. ihren Eltern) unterbringen konnte, war bekannt, daß - abgesehen von der Möglichkeit der Freigabe zur Adoption - bei den bestehenden Fürsorgeeinrichtungen auch für ihr drittes Kind ein Heim- oder Pflegeplatz zu verschaffen gewesen wäre. Unter diesen Gesichtspunkten kommt dem von der Berufungswerberin ins Treffen geführten Argument, sie lebe nun bei ihren Eltern und daher in geordneten (familiären) Verhältnissen, keine entscheidende Bedeutung zu.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02460

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00178.79.0214.000

Dokumentnummer

JJT_19800214_OGH0002_0130OS00178_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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