TE OGH 1980/2/21 12Os18/80

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Veröffentlicht am 21.02.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sperker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eduard A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Oktober 1979, GZ. 3 b Vr 4909/79-28, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Jänner 1953 geborene, zuletzt beschäftigungslose Hilfsarbeiter Eduard A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB. (richtig: nur § 87 Abs. 1 StGB.) schuldig erkannt, weil er am 1.Juni 1979 in Wien den Rudolf B dadurch, daß er auf ihn mit einem sogenannten Bundesheermesser (Klingenlänge 16,4 cm) unterhalb der Achsel einstach, überdies mit den Händen auf ihn einschlug und mit den Füßen gegen ihn trat, eine schwere Körperverletzung mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, nämlich eine Eröffnung der linken Brusthöhle, eine Schädelprellung, eine Rißquetschwunde im Bereich des rechten Ohrläppchens sowie Platzwunden am Hinterkopf, absichtlich zugefügt hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Worin die in der Mängelrüge behauptete Aktenwidrigkeit gelegen sein soll, läßt sich der Beschwerdeschrift nicht entnehmen. Soweit der Beschwerdeführer eine solche in 'erheblichen Widersprüchen zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über gerichtliche Aussagen und Protokolle über die Hauptverhandlung bzw. den Zeugenaussagen in der Voruntersuchung' erblickt, verkennt er das Wesen der Aktenwidrigkeit im Sinne des angezogenen Nichtigkeitsgrundes. Eine solche liegt nämlich nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, Pkt. 82 zu § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.). Der nur eine formale Vergleichung gestattende Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit wird indessen nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, wenn behauptet wird, daß zwischen den vom Gericht vorgenommenen Feststellungen von Tatsachen und dem diesen Feststellungen zugrunde gelegten Beweismaterial ein Widerspruch bestehe. Denn die Richtigkeit der auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüsse kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (vgl. abermals Gebert-Pallin-Pfeiffer, a. a.O., Pkt. 87 zu § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.).

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine mangelhafte und unvollständige Begründung des angefochtenen Urteils daraus abzuleiten versucht, daß das Schöffengericht habe seine Verantwortung, derzufolge er unmittelbar vor der Tat von Rudolf B bedroht worden sei, lediglich mit dem Hinweis abgetan habe, B könne die ihm (vom Angeklagten) angelastete Bedrohung nicht zugetraut werden, so richtet sich die Mängelrüge ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung nach ersichtlich nur gegen die im schöffengerichtlichen Verfahren unbekämpfbare Beweiswürdigung des Erstgerichtes, ohne einen - einen entscheidungswesentlichen Umstand berührenden - Begründungsmangel auch nur behaupten zu können. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder zwingende Lebenserfahrungen ist dem Erstgericht bei seinen bezüglichen Feststellungen keineswegs unterlaufen. Im übrigen übersieht der Beschwerdeführer, daß sich das Schöffengericht im Rahmen der den Tatablauf, und hier insbesondere die Stichführung des Angeklagten gegen Rudolf B - ohne eine vorangegangene Bedrohung des Angeklagten durch diesen - betreffenden Feststellungen nicht nur auf die für glaubwürdig erachteten Depositionen des Zeugen B gestützt (S. 35, 63, 143 f., 164 f.), sondern in diesem Zusammenhang ersichtlich auch den Umstand in den Kreis seiner Überlegungen einbezogen hat, daß der Beschwerdeführer selbst keine Erklärung für das Zustandekommen der Stichverletzung des Rudolf B geben konnte (S. 27, 52, 137 ff., 165).

Soweit der Beschwerdeführer unter Geltendmachung der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. behauptet, er habe die Tätlichkeiten gegen Rudolf B lediglich in Ausübung gerechter Notwehr bzw. von Putativnotwehr gesetzt, bringt er den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (gleichfalls) nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er sich bei seinem Vorbringen über die Urteilsfeststellungen hinwegsetzt, wonach eine Bedrohung des Angeklagten durch Rudolf B vor der Tat gar nicht erfolgt ist (S. 163, 165). Im übrigen könnte nicht einmal aus der Verantwortung des Angeklagten ein Handeln in echter oder doch vermeintlicher Notwehr abgeleitet werden, da ein solches jedenfalls nur in der notwendigen Abwehr eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffs auf ein notwehrfähiges Gut (vgl. §§ 3 Abs. 1 und 8 StGB.) bestehen darf, wobei der Hinweis des Gesetzes auf die 'notwendige' Verteidigung nicht nur bedeutet, daß die Notwehrhandlung selbst maßvoll sein muß, sondern es ist aus diesem Hinweis auch abzuleiten, daß die Notwehrhandlung zur Verteidigung der im Gesetz genannten Rechtsgüter unvermeidbar sein muß.

Stehen zu deren Erhaltung andere, gefahrlose Möglichkeiten offen, wird eine (offensive) Notwehrhandlung grundsätzlich nicht zulässig sein (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/18, SSt. 43/50, 44, 26 u.a.; Leukauf-Steininger2 S. 100 f.).

Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, daß die aus rechtlichen Gründen verfehlte Zitierung (auch) des § 83 Abs. 1 StGB. im Urteilsspruch dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht, zumal die richtige Subsumtion in den Urteilsgründen nur unter § 87 Abs. 1 StGB. (S. 168) und die Nichtanwendung der §§ 28 Abs. 1, 33 Z. 1 StGB.

zeigt, daß keineswegs etwa (rechtsirrig) Idealkonkurrenz des Verbrechens nach § 87 StGB. mit dem Tatbestand der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. angenommen wurde;

anders verhielte es sich, wenn solche Idealkonkurrenz mit § 83 (Abs. 1 oder Abs. 2) StGB. angenommen und/oder eine nur § 83 StGB. beizuordnende Qualifikationsnorm - etwa aus § 84 StGB. - angewendet worden wäre (vgl. solche Fälle in SSt. 47/5).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO., teils als nicht dem Gesetz entsprechend zur Darstellung gebracht gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zur Erledigung der Berufung wird gemäß § 296 Abs. 3 StPO. ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden.

Anmerkung

E02561

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00018.8.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19800221_OGH0002_0120OS00018_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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