Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Reisenleitner als Richter sowie der Richteramtsanwärterin Dr. Hochleithner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ernst A und Genossen wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ernst A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 16.Oktober 1979, GZ. 3 b Vr 10.343/78-33, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, und zwar gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. auch in Ansehung des Angeklagten Eduard B, im Punkt 1 des Schuldspruches, im gesamten Strafausspruch sowie in der Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche der Eva C aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Ernst A auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Landwirt Ernst A und der Kraftfahrer Eduard B des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB.
schuldig erkannt, weil sie am 11.November 1977 in Wien zusammen mit dem gesondert verfolgten Richard D 'in Gesellschaft als Mittäter' durch Versetzen von Schlägen 1. Eva C, die eine Prellung im linken Stirnbereich (Druckschmerzhaftigkeit an der linken Stirn und Kopfschmerzen) und 2. Adrian E, der eine Schürfwunde an der linken Halsseite erlitt, vorsätzlich am Körper verletzten. Dieses Urteil bekämpft allein der Angeklagte Ernst A mit einer (ausdrücklich) auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung. Unter Anrufung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes rügt er die seiner Verantwortung widersprechende Konstatierung einer Verletzung der Zeugin Eva C als mangelhaft begründet.
Nach den wesentlichen Feststellungen des Schöffengerichts in dem hier maßgebenden Zusammenhang 'fielen' Ernst A, Eduard B und Richard D über die genannte Zeugin nach einer von ihr verursachten Beschädigung eines PKW. 'her', schlugen gleichzeitig auf sie ein und rissen sie an den Haaren, wodurch Eva C eine Prellung im linken Stirnbereich (Druckschmerzhaftigkeit an der linken Stirn und Kopfschmerzen) erlitt.
Diese angenommene Stirnprellung stützte das Schöffengericht mangels objektivierter äußerer Zeichen einer Verletzung (siehe die S. 104, 105) bloß auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der Eva C über eine Druckschmerzhaftigkeit in der Stirngegend, wobei es im Zusammenhang mit dem aus diesen Schmerzen abgeleiteten Schluß auf das Vorliegen einer Prellung insbesonders auch erwog, 'es wäre durchaus vorstellbar, daß der Erstangeklagte (Ernst A) die Zeugin C mit ihrem Kopf auf die Schadensstelle des PKW. hingestoßen habe, sodaß die von ihr geschilderte Kopfprellung mit ihren Schmerzfolgen (Kopfweh durch mehrere Wochen) erklärbar erscheint' (S. 250, 251).
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend weist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf hin, daß für eine derartige Herbeiführung der vom Erstgericht angenommenen Verletzung der Inhalt der Akten keinen Anhaltspunkt bietet. Nicht einmal die Zeugin Eva C selbst bekundete konkret einen solchen Handlungsablauf, sondern sie gab zunächst dem einschreitenden Polizeibeamten gegenüber lediglich an, einen Faustschlag in das Gesicht erhalten zu haben, ohne daß der Beamte eine - auch gar nicht behauptete - Verletzung oder Rötung an der Zeugin feststellen konnte (S. 104).
In der Hauptverhandlung führte Eva C dann die von ihr u.a. ausdrücklich im Bereich der rechten (nicht der linken) Stirnseite angegebenen Schmerzen (S. 226), abgesehen vom Reißen an den Haaren, auf einen Faustschlag hinter das rechte Ohr und mehrere Schläge mit der flachen Hand 'auf den Kopf und ins Gesicht' (S. 225) zurück. Bei dieser Beweislage bedarf es keiner näheren Erörterung, daß es an ausreichenden und widerspruchsfreien Grundlagen für die getroffene Feststellung einer Prellung der Eva C im linken Stirnbereich fehlt, zumal dem Vorhandensein von Schmerzen an sich nur eine gewisse Indizfunktion zukommt (vgl. Kienapfel, Grundriß I, RN. 280), das Vorliegen einer Körperverletzung im Sinn des § 83
StGB. jedoch mängelfrei begründete Konstatierungen einer nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität bzw. das Vorliegen von Erscheinungen voraussetzt, die allgemein als Verletzungen oder Wunden bezeichnet werden (vgl. u.a. Foregger-Serini2, § 83 StGB., Anm. II).
Somit ergibt sich, daß das Ersturteil in der vom Beschwerdeführer aufgezeigten Richtung mit einer formalen Nichtigkeit im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet ist. Der vorliegende Begründungsmangel kommt auch dem Mitangeklagten Eduard B zustatten, der das Urteil unangefochten ließ. In Ansehung dieses Angeklagten war daher gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. so vorzugehen, als wäre der in Frage kommende Nichtigkeitsgrund auch von ihm geltend gemacht worden.
Da sich somit zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht eintreten kann, war gemäß dem § 285 e StPO. (i.d.F. des BGBl. Nr. 28/1980) nach Anhörung der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch zu erkennen. Insoweit der Angeklagte Ernst A mit Beziehung auf den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z. 9
lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. geltend macht, daß das Erstgericht von der irrigen Ansicht eines Vorsatzes, den Zeugen Adrian E (Punkt 2 des Schuldspruches) zu verletzen, ausgegangen sei und er sich gegen diesen Zeugen nur verteidigen wollte, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie einen urteilsfremden Sachverhalt unterstellt bzw. die ausdrücklichen Konstatierungen des Schöffengerichts unberücksichtigt läßt, wonach er sich in keiner Notwehrsituation befand. In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten daher als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach dem § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit dem § 285 a Z. 2 StPO. zurückzuweisen.
Mit seiner durch die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte Ernst A auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E02485European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00027.8.0227.000Dokumentnummer
JJT_19800227_OGH0002_0110OS00027_8000000_000