Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1438;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Dr. H S in G, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/IV, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 25. September 2001, Zl. KA15/99, betreffend Aufrechnung von Pensionsansprüchen im Konkurs, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 26. Juni 2001 sprach die Abteilung 3 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gemäß § 2 des Teiles C der Satzung der Versorgungseinrichtung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer in der Fassung des Beschlusses der Plenarversammlung vom 22. Juni 1999 (kundgemacht im Anwaltsblatt 1995/5, 629 ff, sowie 1999/8, 484 ff; in der Folge: Satzung) die Kompensation hinsichtlich der Ansprüche des Beschwerdeführers aus dessen Berufsunfähigkeitspension zwischen dem 1. November 2000 und dem 26. Juni 2001 (teilweise) mit der Schuld des Beschwerdeführers gegenüber der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer im Gesamtbetrag von S 292.983,30 aus.
Ferner wurde festgestellt, dass die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer auch in Hinkunft bis zur Tilgung des Gesamtbetrages von S 292.983,30 mit etwa fällig werdenden Forderungen des Beschwerdeführers aus dessen Berufsunfähigkeitspension kompensiere. Es komme daher bis auf weiteres nicht zur Auszahlung der Berufsunfähigkeitspension des Beschwerdeführers.
Nach der Begründung sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 10. Mai 2001 beginnend mit 1. November 2000 die Berufsunfähigkeitspension gemäß § 7 der Satzung zuerkannt worden. Am 12. November 1999 sei über das Vermögen des Beschwerdeführers der Konkurs eröffnet worden. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. April 2001 sei der Konkurs nach rechtskräftiger Bestätigung des am 5. September 2000 angenommenen Zwangsausgleichs aufgehoben worden.
Der Beschwerdeführer schulde der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer insgesamt einen Betrag in Höhe von S 292.983,30, der sich aus (näher aufgeschlüsselten) Rückständen aus Kammerbeiträgen, Kammerbeiträgen für Werbezwecke, Beiträgen zum Versorgungsfonds, Notfallsfonds, Kammerbeiträgen für Versorgungseinrichtung Teil B (Zusatzpension) sowie Zinsen zusammensetze.
Der Beschwerdeführer sei am 27. März 2001 eingeladen worden, sich hinsichtlich der beabsichtigten Aufrechnung zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer habe in diesem Zusammenhang durch seinen ausgewiesenen Vertreter im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass er durch die Aufhebung des Konkurses infolge rechtskräftiger Bestätigung des am 5. September 2000 angenommenen Zwangsausgleichs entschuldet sei.
Dieser Auffassung sei entgegenzusetzen, dass die Bestimmung des § 2 des Teiles C der Satzung den sozialversicherungsrechtlichen Aufrechnungsvorschriften entspreche (vgl. § 67 BSVG, § 103 ASVG, § 71 GSVG, § 3 Abs. 1 FSVG iVm § 71 GSVG, § 34 NVG, § 44 B-KUVG, § 25 Abs. 4 ASVG). Die einzelnen Sozialversicherungsträger - Gleiches gelte für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer - seien insbesondere durch das BGBl. I Nr. 106/1999 berechtigt, sämtliche geschuldeten Beiträge (samt Zinsen und Gebühren) aufrechnungsweise geltend zu machen. Weiters sei festzuhalten, dass die Beiträge des Beschwerdeführers (gemäß § 19 Abs. 1 KO) zur Zeit der Konkurseröffnung bereits in aufrechenbarer Form existiert hätten. Die Aufrechnungsmöglichkeit der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer könne auch insofern durch das Konkursverfahren nicht gehemmt werden, zumal die zweijährige Frist des § 12a KO - es sei dahin gestellt, ob diese im gegenständlichen Fall überhaupt zum Tragen komme - erst mit 11. November 2001 ende. Überdies übersehe der Beschwerdeführer, dass sozialversicherungsrechtliche Ansprüche auch mit dem pfändungsfreien Betrag (Existenzminimum) aufgerechnet werden könnten. Da in die Konkursmasse jedoch gemäß § 1 Abs. 1 KO nur pfändbare Rechte fielen, sei der pfändungsfreie Teil jedenfalls mit der Forderung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer aufrechenbar. Dass der unpfändbare Teil von Bezügen nicht in die Konkursmasse falle, ergebe sich aus SZ 66/171. Dem Beschwerdeführer sei daher entgegenzuhalten, dass lediglich der pfändungsfreie Teil der Konkursmasse nicht unterliege und daher nur hinsichtlich dieses Betrages eine Entschuldung zustande kommen könne. Dagegen spreche wiederum die Bestimmung des § 12a KO, die eine Kompensation bis zum Zeitraum von zwei Jahren nach Konkurseröffnung zulasse. Ferner sei festzuhalten, dass der OGH bereits im Zusammenhang mit dem Erlöschen exekutiver Pfandrechte gemäß § 12a Abs. 3 KO betont habe, dass diejenigen exekutiven Pfandrechte unberührt blieben, die am nicht in die Konkursmasse fallenden unpfändbaren Teil der Schuldnerbezüge begründet worden seien (vgl. Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz 1998, 96). Gleiches gelte sinngemäß auch für die Aufrechnungsmöglichkeit.
Der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde teilweise Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz in der Weise abgeändert, dass "der Betrag hinsichtlich dessen die Kompensation mit der Berufsunfähigkeitspension erklärt wurde, von S 292.983,30 um die (vom Beschwerdeführer) überwiesene Zwangsausgleichsquote von S 58.596,66 gemindert wird auf den Betrag von S 234.386,64." Im Übrigen bleibe der Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz unverändert.
Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Vorstellung zu Recht bemängelt, dass die im Zuge der Zwangsausgleichserfüllung überwiesene Quote nicht von jenem Betrag, hinsichtlich dessen die Aufrechnung erfolgt sei, in Abzug gebracht worden sei. Der durch die Aufrechnung erfasste Schuldbetrag sei daher entsprechend zu reduzieren gewesen.
Der Beschwerdeführer habe in seiner Vorstellung hinsichtlich des Teiles der Pension, der einer Pfändung nicht unterliege (Existenzminimum) die Auffassung vertreten, dass § 293 Abs. 3 EO einer Aufrechnung entgegenstehe. § 2 des Teiles C der Satzung sei seiner Ansicht nach nicht als Sondernorm anzusehen, welche die Anwendung des § 293 Abs. 3 EO einschränke, weil es sich bei der Satzung der Versorgungseinrichtung nicht um ein Gesetz handle. Keinesfalls könne eine Kompensation mit rückständigen Beiträgen erfolgen, die keine Sozialversicherungsfunktion hätten. Aber auch hinsichtlich des der Pfändung unterliegenden Teiles des Ruhegenusses sei eine Kompensation im Hinblick auf die Tatsache ausgeschlossen, dass der Zwangsausgleich im Konkursverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers am 5. September 2000, also noch vor Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension, zustande gekommen sei. Dadurch sei eine vollständige Entschuldung eingetreten.
Nach Auffassung der belangten Behörde sei die Vorstellung des Beschwerdeführers nicht gerechtfertigt: § 2 des Teiles C der Satzung bestimme, dass sämtliche Leistungen nach dieser Versorgungseinrichtung mit allfälligen Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem - vormaligen - Rechtsanwalt, insbesondere mit Beitragsrückständen jeglicher Art verrechenbar seien, sofern nicht ein gesetzliches Verbot dem entgegenstehe. Im Beschwerdefall stehe fest, dass der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegen den Beschwerdeführer als vormaligen Rechtsanwalt Forderungen, die sich aus diversen Beitragsrückständen zusammensetzten, bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung in Höhe von S 292.983,30 zustünden. Diese Forderung sei um die am 23. Mai 2001 gezahlte Zwangsausgleichsquote in Höhe von S 58.596,66 zu vermindern, so dass eine Forderung von S 234.386,64 übrig bleibe.
Bezüglich des pfändungsfreien Teiles der Pension und die diesbezüglich gegebene Aufrechenbarkeit sei auf § 293 Abs. 3 EO zu verweisen, wonach die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung nicht zulässig sei, abgesehen von den Fällen, in denen nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet seien. Bei § 2 des Teiles C der Satzung handle es sich um eine Sondernorm im Sinne des § 293 Abs. 3 EO, und zwar um eine solche, die keinerlei Beschränkungen der Aufrechnung mit dem pfändungsfreien Teil der Pension enthalte. § 293 Abs. 3 EO stehe der Anwendung der genannten Bestimmung der Satzung der Versorgungseinrichtung und somit einer Kompensation mit dem pfändungsfreien Teil der Pension nicht entgegen.
Dem Beschwerdeführer sei mit Wirkung ab 1. November 2000 (also nach Konkurseröffnung) die Berufsunfähigkeitspension zuerkannt worden. Dessen ungeachtet sei jedoch festzustellen, dass auf seine Schuld, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits bestanden habe, § 20 Abs. 1 erster Satz KO nicht anzuwenden sei. Entscheidend für die Zulässigkeit der Aufrechnung sei nämlich, ob bei Konkurseröffnung zumindest eine bedingte Aufrechnungslage bestanden habe (vgl. dazu Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, §§ 19, 20, Rz 29). Der Beschwerdeführer habe mit Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte den Anspruch auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension für den Fall erworben, dass die entsprechende Bedingung eintrete. Im Sinne der herrschenden Auffassung sei maßgeblich, ob die entsprechende Verbindlichkeit (in ihrem Kern) bereits vor Konkurseröffnung entstanden sei. Der Umstand, dass der Rechtsanwalt mit seiner Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte und Beginn seiner eigenen entsprechenden Leistungsverpflichtung in die Versorgungseinrichtung als Gegenleistung versichert gehalten werde, bringe es mit sich, dass die Feststellung, ab wann jemandem eine Berufsunfähigkeit zuerkannt werde, als Feststellung des Bedingungseintritts anzusehen sei. Unter diesem Aspekt sei davon auszugehen, dass sich zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen des Beschwerdeführers durchaus kompensable Forderungen gegenübergestanden seien, nämlich die Forderungen der Rechtsanwaltskammer auf Zahlung der jeweiligen Beiträge und der Anspruch des Rechtsanwalts für den Fall, dass Berufsunfähigkeit eintrete, eine Pension ausbezahlt zu erhalten. § 20 Abs. 1 erster Satz KO sei daher im Anlassfall nicht anzuwenden. Nach herrschender Auffassung sei überdies auch zu bejahen, dass die Wirkungen der Kompensation einen abgeschlossenen Zwangsausgleich überdauerten (vgl. auch dazu Schubert, aaO, Rz 13). Die Möglichkeit der Aufrechnung verschaffe einem Konkursgläubiger eine dem Pfand vergleichbare Sicherheit. Das Aufrechnungsrecht bleibe auch nach Abschluss des Zwangsausgleiches bestehen. Der Bescheid der Behörde erster Instanz sei daher nach Abzug der überwiesenen Zwangsausgleichsquote zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde. Der Bescheid der belangten Behörde wird dabei nur hinsichtlich jenes Teiles angefochten, mit dem der Vorstellung des Beschwerdeführers nicht Folge gegeben worden ist.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 49 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 474/1990 (RAO), haben die Rechtsanwaltskammern Einrichtungen zur Versorgung ihrer Mitglieder für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes des Mitgliedes mit einer zu beschließenden Satzung zu schaffen und aufrecht zu erhalten.
Gemäß § 50 Abs. 1 RAO in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 71/1999 haben jeder Rechtsanwalt und seine Hinterbliebenen bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalles Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.
Nach § 50 Abs. 2 RAO ist der Anspruch nach festen Regeln in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen festzusetzen. Dabei sind die in den Z. 1 bis 5 näher umschriebenen Grundsätze zu beachten.
Nach § 50 Abs. 2 Z. 1 RAO sind nur Rechtsanwälte, die zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalles in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, sowie die Witwe bzw. der Witwer (der geschiedene Ehegatte) und die Kinder eines Rechtsanwaltes, der im Zeitpunkt seines Todes in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen ist, oder einen Anspruch auf eine Versorgungsleistung gehabt hat, bei Vorliegen weiterer in Z. 2 (in Grundsätzen) geregelter Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs zum Bezug von Leistungen aus der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berechtigt.
Jeder Versorgungsanspruch wird nach § 50 Abs. 2 Z. 3 RAO mit Ablauf jenes Monats wirksam, in dem alle Voraussetzungen des betreffenden Anspruchs erfüllt sind.
Nach § 51 RAO in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 71/1999 hat die Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer alljährlich eine Leistungsordnung und eine Umlagenordnung zu beschließen. In der Leistungsordnung ist die Höhe der von der Versorgungseinrichtung zu erbringenden Leistungen festzusetzen, in der Umlagenordnung die Höhe der Beiträge zur Aufbringung der dazu notwendigen Mittel.
Gemäß § 53 Abs. 2 Z. 3 RAO sind die Beiträge für alle Kammermitglieder gleich hoch zu bemessen. Die Umlagenordnung kann jedoch bestimmen, dass Umlagen in berücksichtigungswürdigen Fällen gestundet und allfällige Rückstände mit den Leistungen aus der Versorgungseinrichtung aufgerechnet werden.
Nach § 2 des Teiles C der gemäß § 50 Abs. 2 RAO beschlossenen Satzung sind sämtliche Leistungen nach dieser Versorgungseinrichtung gegenüber allfälligen Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem - vormaligen - Rechtsanwalt, insbesondere mit Beitragsrückständen jeglicher Art verrechenbar, sofern nicht ein gesetzliches Verbot dem entgegensteht.
Nach § 3 Abs. 1 der Satzung umfassen die Leistungen der Versorgungseinrichtung unter anderem Berufsunfähigkeitsrenten (§ 7).
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe zumindest eine "bedingte Aufrechnungslage" bestanden. Der Beschwerdeführer habe mit Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte den Anspruch auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension für den Fall erworben, dass die entsprechende Bedingung eintrete. Diesem Anspruch sei die Forderung der Rechtsanwaltskammer auf Zahlung der (rückständigen) Beiträge gegenüber gestanden. Da nach herrschender Auffassung die Wirkungen der Kompensation einen abgeschlossenen Zwangsausgleich überdauerten, bleibe das Aufrechnungsrecht auch nach Abschluss des Zwangsausgleiches bestehen. Die an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gerichtete "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 27. März 2001 sei geeignet, die beabsichtigten Rechtswirkungen der Kompensation auszulösen.
Die Beschwerde hält dem entgegen, unabdingbare Voraussetzung für eine Aufrechnung sei der Umstand, dass sich zum Zeitpunkt der Erklärung der Aufrechnung zwei noch bestehende Forderungen gegenüber stünden. Selbst wenn es zutreffe, dass die Wirkungen der bzw. das Recht zur Aufrechnung einen Zwangsausgleich überdauere, müsse zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung auch eine Forderung existieren, gegen die aufgerechnet werden könne. Die Aufrechnung gegen eine (z.B. durch Erfüllung eines Zwangsausgleiches) bereits getilgte Forderung sei denkunmöglich, müsste doch diesfalls eine Forderung, die nicht mehr existiere, sozusagen nachher durch eine Aufrechnungseinrede wiederum entstehen. Im vorliegenden Fall sei die Forderung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer spätestens mit der Überweisung der Zwangsausgleichsquote am 23. Mai 2001 getilgt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe zwar bereits eine (an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gerichtete) Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. März 2001 existiert, diese habe jedoch lediglich eine Absichtserklärung und keine Aufrechnungserklärung enthalten. Davon abgesehen habe dieses Schreiben schon deshalb keine Wirkung entfalten können, weil zum Zeitpunkt der Zustellung das Konkursverfahren noch anhängig gewesen sei und Kompensationserklärungen nur gegenüber dem Masseverwalter hätten wirksam abgegeben werden können. Die "erste Kompensation" sei mit Bescheid mit 26. Juni 2001, also nach Erfüllung des Zwangsausgleiches, erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe auf der Seite der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer aber keine Forderung mehr gegen den Beschwerdeführer bestanden, weil diese durch die Zwangsausgleichserfüllung zur Gänze getilgt gewesen sei.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 10. Mai 2001 gemäß § 7 der Satzung beginnend ab 1. November 2000 die Berufsunfähigkeitspension zuerkannt worden ist.
Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. März 2001 hat die Abteilung 3 des Ausschusses der Steiermärkische Rechtsanwaltskammer den Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters darüber informiert, dass beabsichtigt sei, gemäß § 2 des Teiles C der Satzung seine Berufsunfähigkeitspension mit (näher aufgeschlüsselten) Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer zu verrechnen.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2001 sprach die Abteilung 3 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer aus, dass gemäß § 2 des Teiles C der Satzung die Ansprüche des Beschwerdeführers aus seiner Berufsunfähigkeitspension zwischen dem 1. November 2000 und dem 26. Juni 2001 teilweise mit der Schuld des Beschwerdeführers gegenüber der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (gemeint: die in der Begründung näher aufgeschlüsselten Beitragsrückstände) im Gesamtbetrag von S 292.983,30 kompensiert würden.
Der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid insofern Folge gegeben, als der Betrag hinsichtlich dessen die Kompensation mit der Berufsunfähigkeitspension erklärt worden ist, um die vom Beschwerdeführer überwiesene Zwangsausgleichsquote auf den Betrag von S 234.386,64 vermindert wurde.
Am 12. November 1999 war über das Vermögen des Beschwerdeführers der Konkurs eröffnet worden, der nach rechtskräftiger Bestätigung des am 5. September 2000 angenommenen Zwangsausgleiches mit Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 4. April 2001 aufgehoben worden ist.
Wie im Konkurs wegen des Erfordernisses der Gleichbehandlung der Gläubiger Forderungen zu behandeln sind, denen aufrechenbare Gegenforderungen entgegen stehen, wird in den §§ 19 und 20 der Konkursordnung (KO) geregelt.
Gemäß § 19 Abs. 1 KO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht werden.
Nach § 19 Abs. 2 KO wird die Aufrechnung dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt oder betagt, oder dass die Forderung des Gläubigers nicht auf eine Geldleistung gerichtet war.
Gemäß § 20 Abs. 1 KO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung erworben worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner die Gegenforderung zwar vor der Konkurseröffnung erworben hat, jedoch zur Zeit des Erwerbes von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners Kenntnis hatte oder Kenntnis haben musste.
Ein Konkursgläubiger, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleichzeitig Schuldner der Konkursmasse ist, unterliegt insoweit nicht der Anmeldepflicht, als sich die beiden Forderungen aufrechenbar gegenüberstehen. Besitzt ein Gemeinschuldner schon bei Eröffnung des Verfahrens eine Gegenforderung an den Gläubiger, so hat dieser eine Deckung ähnlich einem Absonderungsberechtigten. Zwar ist es Sinn der konkursmäßigen Verstrickung, die Konkursmasse allen Gläubigern zu ihrer gleichmäßigen Befriedigung zu erhalten. Es wäre jedoch unbillig, einerseits vom Inhaber einer Aktivforderung die Vollzahlung seiner Schuld zu verlangen und andererseits seine Forderung im Konkurs auf die Quote herabzusetzen. Die volle Deckung der Forderung des Konkursgläubigers durch eine im Konkurs erlaubte Aufrechnung stellt keine Verletzung der Gleichbehandlungsvorschriften und somit keine Sonderbegünstigung dar (vgl. OGH vom 8. Mai 1987, 5 Ob 310/87 = JBl. 1987, S. 582 f). Indem § 19 Abs. 1 KO dem Konkursgläubiger das Recht gewährt, seine Verbindlichkeit durch Aufrechnung zu tilgen, sichert ihm die eigene Schuld volle Deckung für seinen Anspruch. Die Kompensationsbefugnis gleicht daher insoweit einem Absonderungsrecht, ohne aber dessen Bestimmungen zu unterliegen (vgl. z.B. OGH vom 12. November 1985, 5 Ob 318/85 = JBl. 1986, S. 321 f; ferner Petschek/Reimer/Schiemer,
Das österreichischen Insolvenzrecht, S. 470 ff).
Für die Aufrechnung gelten im Allgemeinen die Erfordernisse der §§ 1438 ff ABGB. § 1439 Abs. 2 ABGB verweist jedoch auf die Konkursordnung, die im Hinblick auf die konkursrechtlichen Besonderheiten einige Modifikationen vornimmt: § 19 Abs. 2 KO erleichtert die Aufrechnung dadurch, dass von den Erfordernissen der Gleichartigkeit, der beiderseitigen Fälligkeit und der Unbedingtheit in gewisser Richtung abgesehen wird. So wird die Aufrechnung insofern erleichtert, als mit im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch bedingten oder betagten Forderungen bzw. solchen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind, aufgerechnet werden kann. § 20 KO schränkt sie hingegen dadurch ein, dass die Gegenforderung, die erst nach Verfahrenseröffnung entstanden ist oder in Kenntnis (verschuldeter Unkenntnis) der Zahlungsunfähigkeit des Konkursschuldners in den letzten sechs Monaten vor Verfahrenseröffnung erworben wurde, von der Aufrechnung ausgeschlossen ist, sofern der Gläubiger nicht zur Übernahme der Forderung verpflichtet war (vgl. Bartsch/Heil, Grundriss des Insolvenzrechts4, S. 71). Diese Einschränkung soll verhindern, dass sich einzelne Gläubiger durch den Erwerb von Gegenforderungen gegen den bereits zahlungsunfähigen Gemeinschuldner eine bevorzugte Stellung verschaffen.
Grundsätzlich ist maßgebend, ob bei Beginn der Konkurswirkungen die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechenbarkeit vorhanden waren. Dann ist der Inhaber der Aktivforderung Konkursgläubiger mit allen Konsequenzen dieser Stellung, hat aber die Wahl, ob er den ihm zustehenden Konkursteilnahmeanspruch ausüben und die Gegenforderung an den Gläubiger erfüllen, oder ob er zu dem ihm beliebigen Zeitpunkt sein Aufrechnungsrecht durchsetzen will (vgl. Petschek/Reimer/Schiemer, aaO, S. 478).
Die Aufrechnung kann nur gegenüber dem Masseverwalter stattfinden. Für die Aufrechnungserklärung besteht keine Formvorschrift. Der Konkursgläubiger kann die Aufrechnung während des Verfahrens ohne zeitliche Beschränkung durch gerichtliche oder außergerichtliche Erklärung gegenüber dem Masseverwalter vornehmen (vgl. zum Ganzen OGH vom 25. Mai 1994, 7 Ob 618/93, mwH).
Nach überwiegender Lehre bleibt das Aufrechnungsrecht auch im Falle des Abschlusses eines Zwangsausgleiches bestehen. Die Aufrechnungsmöglichkeit verschaffe dem Konkursgläubiger nämlich eine besondere, dem Pfand vergleichbare Sicherheit, weil sie ihm die abgesonderte Befriedigung aus diesem Vermögenswert ermöglicht und das Gesetz den Gläubiger von der Geltendmachung der Forderung im Konkurs entbindet (vgl. § 19 Abs. 1 KO). Nach Aufhebung des Konkurses finden die §§ 19 und 20 KO keine Anwendung. Die im Konkurs erklärte Aufrechnung äußert ihre Wirkung auch nach dem Konkurs, selbst wenn die Erfordernisse für die Aufrechnung außerhalb des Konkurses nicht gegeben gewesen wären. Trat aber die Aufrechenbarkeit erst durch die Konkurseröffnung ein, bewirkt die rechtskräftige Aufhebung der Konkurseröffnung, dass die als Folge der Konkurseröffnung angenommenen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 KO nicht vorlagen, weshalb in diesem Fall die Aufrechnung wirkungslos ist. Auch die Schranken der Aufrechenbarkeit entfallen mit Wirkung ex tunc. Nach Aufhebung des Konkurses kann sich weder der Gläubiger auf die Erweiterung der Aufrechnungsbefugnis (§ 19 Abs. 2 KO) noch der frühere Gemeinschuldner auf konkursrechtliche Beschränkungen (§ 20 Abs. 1 KO) berufen (vgl. dazu etwa Schubert, aaO, Rz 1 ff, insbesondere 13 und 14, mwH).
Die Aufrechnung im Konkurs erfolgt somit durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung. Die Erklärung muss dabei auf die Herbeiführung der Aufrechnungswirkungen gerichtet sein; die geltend gemachte Gegenforderung muss der Höhe nach ausreichend bestimmt sein, eine konkludente Erklärung reicht aus (vgl. etwa Dullinger in Rummel3, § 1438 Rz 11).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. März 2001. Dass dabei die Formulierung, die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer "gedenke" die Berufsunfähigkeitspension des Beschwerdeführers mit ihren bestehenden Forderungen gemäß § 2 des Teiles C der Satzung zu verrechnen, verwendet worden ist, schadet ebenso wenig wie der Umstand, dass die Aufforderung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers adressiert war. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers war nach dem Rechtfertigungsschreiben vom 3. April 2001 auch Rechtsvertreter des Masseverwalters und hat in dieser Eigenschaft auch dazu Stellung genommen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Aufforderung zur Rechtfertigung dem Masseverwalter jedenfalls zugekommen ist. Die Aufforderung zur Rechtfertigung war somit geeignet, die Aufrechnung geltend zu machen, wobei mit dem angefochtenen Bescheid darüber abgesprochen worden ist, inwieweit Forderung und Gegenforderung durch geltend gemachte Aufrechnung untergegangen sind.
Im vorliegenden Fall war Voraussetzung der Zulässigkeit der Aufrechnung, dass dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Konkurseröffnung eine zumindest bedingte Forderung zustand. Dies war jedoch nicht der Fall, da nach § 50 RAO und der Satzung der Versorgungseinrichtung die Forderung auf die Berufsunfähigkeitspension erst mit der Zuerkennung nach Eintritt der Berufsunfähigkeit entsteht; bis dahin besteht eine bloße Anwartschaft.
Der angefochtene Bescheid, dem die Auffassung zugrunde liegt, dass die Forderung des Beschwerdeführers (zum Teil) durch die Gegenforderung der belangten Behörde durch Aufrechnung untergegangen sei, erweist sich daher als rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003. Wien, am 2. Mai 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001100230.X00Im RIS seit
30.06.2005