TE OGH 1980/3/4 4Ob39/79

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Veröffentlicht am 04.03.1980
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Norm

ABGB §1295
AngG §20 Abs2
AngG §29
AO §20d
KO §25 Abs1
KO §25 Abs2
KO §46 Abs1 Z4

Kopf

SZ 53/34

Spruch

Bei Ausübung seines (außerordentlichen) Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO ist der Masseverwalter an gesetzliche Kündigungstermine nicht gebunden.

Kein Anspruch des vom Masseverwalter gemäß § 25 Abs. 1 KO vorzeitig gekundigten Arbeitnehmers auf Ersatz des ihm dadurch verursachten Schadens

OGH 4. März 1980, 4 Ob 39/79 (KG Wels 17 Cg 33/78; ArbG Wels Cr 199/78).

Text

Die Klägerin war seit 22. Dezember 1977 bei Alexander S als Verkäuferin im Angestelltenverhältnis beschäftigt; sie bezog ein vereinbartes Gehalt von monatlich 2 800 S netto.

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 16. Feber 1978 ist über das Vermögen des Alexander S das Konkursverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Viktor A zum Masseverwalter bestellt worden. Dieser kundigte am 7. März 1978 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 15. April 1978 auf.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß auch der Masseverwalter an die gesetzlichen Kündigungstermine des § 20 Abs. 2 AngG gebunden gewesen wäre und daher nur zum 30. Juni 1978 hätte kundigen können; tatsächlich habe er jedoch ihre Ansprüche nur bis 15. April 1978 als berechtigt anerkannt. Im vorliegenden, seit 28. August 1978 anhängigen Rechtsstreit verlangt daher die Klägerin vom beklagten Masseverwalter aus dem Titel der Kündigungsentschädigung die Zahlung von 10 107.70 S samt Anhang aus der Konkursmasse ihres ehemaligen Arbeitgebers.

Der Beklagte hat dieses Begehren der Höhe nach außer Streit gestellt, im übrigen aber die Abweisung der Klage beantragt. Bei Ausübung seines Kündigungsrechtes nach § 25 KO sei der Masseverwalter zwar an die gesetzlichen Kündigungsfristen, nicht aber auch an allfällige gesetzliche Kündigungstermine gebunden. Urlaubsentschädigung gebühre der Klägerin deshalb nicht, weil die sechsmonatige Wartezeit nach § 2 Abs. 2 UrlaubsG noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Das Erstgericht schloß sich dieser Auffassung an und wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinteilweise, und zwar dahin Folge, daß es den Beklagten schuldig erkannte, der Klägerin aus der Konkursmasse des Alexander S 561.20 S samt Anhang zu zahlen; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 9 546.50 S blieb abgewiesen. Nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht der ersten Instanz, daß der Masseverwalter gemäß § 25 Abs. 1 KO zwar an "gesetzliche Kündigungsbeschränkungen" (z. B. nach dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz, dem Arbeitsverfassungsgesetz, dem Invalideneinstellungsgesetz oder dem Mutterschutzgesetz) und an die gesetzlichen Kündigungsfristen, nicht aber auch an gesetzliche Kündigungstermine - hier: § 20 Abs. 2 AngG - gebunden sei. Soweit die Klägerin daher für die Zeit nach dem Ablauf der Kündigungsfrist eine Kündigungsentschädigung und eine Urlaubsentschädigung verlange, sei ihr Begehren nicht berechtigt. Da jedoch die sechswöchige Kündigungsfrist des § 20 Abs. 2 Satz 2 AngG nicht schon am 15. April, sondern erst am 18. April 1978 geendet habe, gebühre der Klägerin für diese drei Tage noch ein anteiliges Gehalt von 280 S. Außerdem habe der Beklagte der Klägerin eine - der Höhe nach gleichfalls unbestrittene - restliche Urlaubsabfindung von 281.20 S zu zahlen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Vorinstanzen haben ihre Auffassung, daß der Masseverwalter bei Ausübung seines (außerordentlichen) Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO nur an gesetzliche Kündigungsbeschränkungen (nach dem Arbeitsverfassungsgesetz, dem Mutterschutzgesetz, dem Invalideneinstellungsgesetz usw.) und an die gesetzlichen - oder vereinbarten kürzeren - Kündigungsfristen, nicht aber auch an die in verschiedenen Bestimmungen (insbesondere § 20 Abs. 2 AngG) vorgesehenen Kündigungstermine gebunden sei, mit einem Hinweis auf die Entscheidung des OGH SZ 46/73 begrundet. Die gleiche Rechtsansicht hat der OGH neuerdings auch in seiner Entscheidung SZ 51/186 vertreten und dabei die im Schrifttum gelegentlich geäußerte gegenteilige Meinung mit ausführlicher Begründung abgelehnt. Auch die Revision kann die Argumente dieser Entscheidung nicht entkräften.

Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte, als Vorgängerin des § 25 Abs. 1 KO mit diesem insoweit wörtlich übereinstimmende Vorschrift des § 23 Satz 2 HandlungsgehilfenG, RGBl. 20/1910,war im Kommentar von Mayer - Grünberg tatsächlich dahin verstanden worden, daß die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist auch die Beachtung eines allenfalls bestehenden Kündigungstermins einschließe (a. a. O., 270); auch den Ausführungen von Bartsch - Pollak in ihrem Kommentar zur KO, AO und AnfO (3. Aufl. I, 143 § 25 KO Anm. 15 in Verbindung mit II, 242 § 20c AO Anm.

25) liegt offensichtlich die gleiche Auffassung zugrunde. Selbst wenn aber die genannten - und möglicherweise auch noch andere - Autoren zwischen Kündigungsfrist und Kündigungstermin nicht ausdrücklich unterschieden hatten, rechtfertigt dies keineswegs die von der Revision daraus abgeleitete Schlußfolgerung, daß eine solche Unterscheidung "erst der Arbeitsrechtslehre der Zweiten Republik zu verdanken" wäre. Zur Widerlegung dieser Auffassung genügt ein Hinweis auf die - schon 1932 abgeschlossenen - Ausführungen Adlers in der 1. Auflage des Kommentars von Klang (III, 287 ff. zu §§ 1159 bis 1159 c ABGB), wo die Begriffe der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins bereits streng auseinandergehalten und getrennt behandelt worden sind. Soweit aber die Klägerin auch noch dem Gesetzgeber der Novelle 1959, BGBl. 253, durch welche § 25 Abs. 1 KO seine noch heute geltende Fassung erhalten hat, die Unkenntnis dieser Terminologie unterstellt, ist dieser - in der Revision nur ganz allgemein mit der "völligen Außerachtlassung von Grundbegriffen des geltenden Schadenersatzrechtes" begrundete - Vorwurf völlig unberechtigt; als Beleg dafür, daß jedenfalls im Jahr 1959 die Unterscheidung zwischen Kündigungsfrist und Kündigungstermin längst allgemein geläufig geworden war, mag hier ein Hinweis auf die Ausführungen von Adler - Höller auf S. 316 ff. des V, im Jahr 1954 abgeschlossenen Bandes der 2. Auflage des Kommentars von Klang zum ABGB genügen.

Da sohin auch die Revisionsausführungen der Klägerin in keiner Weise geeignet sind, die der Entscheidung SZ 51/186 - auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - zugrunde liegenden Erwägungen zu widerlegen, hält der erkennende Senat auch weiterhin daran fest, daß der Masseverwalter bei Ausübung seines (außerordentlichen) Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO an gesetzliche Kündigungstermine - hier: § 20 Abs. 2 AngG - nicht gebunden ist (in diesem Sinn übrigens auch Kryda, Konkurs und Arbeitsverhältnis, Sozsi 1977, 135 ff., 141 bei und in FN 67, 68). Daraus folgt aber für den konkreten Fall die Berechtigung des Masseverwalters, das Angestelltenverhältnis der Klägerin am 7. 3. 1978 unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist schon zum 18. 4. 1978 - und nicht, wie die Klägerin meint, erst zum 30. 6. 1978 - aufzukundigen.

Schon im Berufungsverfahren hatte die Klägerin neu vorgebracht, daß ihr Lohnanspruch für die Zeit vom 16. bzw. 18. April bis 30. Juni 1978 in jedem Fall erst dann abgewiesen werden dürfe, wenn feststehe, daß sie in diesem Zeitraum anderweitig einen höheren Verdienst erzielt habe; zur Begründung dieser Auffassung hat sie auf die Ausführungen von Wachter (Der Einfluß des Konkurses auf den Bestand des Arbeitsvertrages, ZAS 1972, 83 ff., 89 f.) verwiesen, wonach dem vom Masseverwalter gemäß § 25 Abs. 1 KO vorzeitig gekundigten Arbeitnehmer ungeachtet der Aufhebung des früheren § 25 Abs. 2 KO durch die Novelle BGBl. 253/1959 auch weiterhin gemäß § 46 Abs. 1 Z. 4 KO (neue Fassung) in Verbindung mit §§ 1295 ff. ABGB ein - jetzt als Masseforderung zu qualifizierender - Schadenersatzanspruch zugebilligt werden müsse. Da das Berufungsgericht auf diesen neuen, hilfsweise herangezogenen Klagegrund mit keinem Wort eingegangen ist, werden die bezüglichen Berufungsausführungen in der Revision wörtlich wiederholt. Auch sie können aber der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen:

§ 25 Abs. 2 KO hatte bis zur Konkurs- und Ausgleichsnovelle 1959, BGBl. 253 (im folgenden: Novelle 1959), nachstehenden Wortlaut:

"Wird das Dienstverhältnis durch die Kündigung des Masseverwalters vor Ablauf der bestimmten Zeit gelöst, für die es eingegangen war, oder war im Vertrag eine längere Kündigungsfrist vereinbart, so kann der Dienstnehmer den Ersatz des ihm verursachten Schadens als Konkursgläubiger verlangen." Diese Bestimmung, nach welcher der Arbeitnehmer den ihm durch die vorzeitige Kündigung des Masseverwalters entstandenen Schaden als Konkursgläubiger erster Klasse (§ 51 Z. 2 Ko in der damals geltenden Fassung) geltend machen konnte, ist durch Art. 1 Z. 2 der Novelle 1959 aus dem Gesetz gestrichen worden. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieser Novelle (641 BlgNr, VIII. GP = 51 BlgNR, IX. GP, abgedruckt bei Sabaditsch, KO, AO und AnfO[6], 573 f.) habe sich die Abänderung des § 25 KO "als Folge der Neuordnung der Masseforderungen und der Forderungen der Gläubiger der ersten Klasse ergeben"; da die Dienstnehmerforderungen "nunmehr in gesteigertem Umfang aus der Konkursmasse bezahlt" würden, habe "vorerst die Bestimmung des Abs. 2 einer Regelung weichen (müssen), die laut Punkt 3 als Ergänzung zu § 46 Abs. 1 (Z. 4) vorgesehen ist". Nach der zuletzt genannten Bestimmung (i. d. F. des Art. 1 Z. 3 der Novelle 1959) sind Masseforderungen jetzt ganz allgemein "Ansprüche der Dienstnehmer, die sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergeben, soweit sie nach der Konkurseröffnung fällig werden, auch wenn das Dienstverhältnis vor der Konkurseröffnung aufgekundigt oder aufgelöst wurde."

Wachter (a. a. O.) leitet aus diesen Änderungen der Konkursordnung ab, daß der Gesetzgeber "offenbar die Absicht gehabt" habe, den Schadenersatzforderungen des Dienstnehmers, welche nach der Rechtslage vor der Novelle 1959 nur den Charakter von Konkursforderungen hatten, nunmehr den Charakter von Masseforderungen zu geben. Dabei sei jedoch übersehen worden, daß § 25 Abs. 2 KO (alte Fassung) nicht nur die Art der Forderung im Konkurs geregelt hatte, sondern zugleich die gesetzliche Grundlage für das Bestehen dieser Schadenersatzforderung gewesen war, während § 46 Abs. 1 Z. 4 KO (neue Fassung) bei wörtlicher Auslegung nur noch eine Vorschrift über die Art der Forderung enthalte. Der Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers erfordere aber eine spezielle gesetzliche Grundlage, weil der Masseverwalter, wenn er das Arbeitsverhältnis nach § 25 KO beendet, rechtmäßig handle und daher dem Arbeitnehmer nach den allgemeinen Vorschriften kein Anspruch auf Schadenersatz zustunde. Um nun dem Arbeitnehmer - im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers - bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter nach § 25 Abs. 1 KO auch nach der neuen Rechtslage einen Anspruch auf Ersatz seines Schadens zu geben, müsse der neue § 46 Abs. 1 Z. 4 KO, welcher bei bloßer Wortinterpretation nur eine Bestimmung über den Charakter einer bereits bestehenden Forderung des Arbeitnehmers im Konkurs enthalte, in Verbindung mit §§ 1295 ff. ABGB auch als Rechtsgrundlage für das Bestehen eines derartigen Anspruches angesehen werden. Der Schaden des Arbeitnehmers liege in dem aus der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses resultierenden Entgang an Entgelt, Provisionen usw., welche dem Arbeitnehmer bis zum Ende der Dienstzeit oder der längeren Kündigungsfrist zugekommen wären; davon sei dasjenige abzuziehen, was der Arbeitnehmer infolge Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe, dies deshalb, weil insoweit kein - bzw. bei Versäumnis des Erwerbs nur ein selbstverschuldeter - Schaden vorliege. Der Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers sei jetzt eine Masseforderung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 4 KO (neue Fassung).

Schon vor diesem Aufsatz Wachters hatten Kummer (Lehrbuch des österreichischen Arbeitsrechtes, 121) und Tutschka (Handbuch des österreichischen Arbeitsrechts, 273), dem vom Masseverwalter gemäß § 25 Abs. 1 KO vorzeitig gekundigten Arbeitnehmer das Recht zugebilligt, den Ersatz seines Schadens als Konkursforderung zu verlangen; während aber Kummer für diese Auffassung überhaupt keine Begründung gegeben hatte, hatte Tutschka - wie übrigens auch noch in der jüngst erschienenen 3. Auflage seines Werkes (S. 444) - in diesem Zusammenhang lediglich auf Arb. 5729 und damit auf eine Entscheidung Bezug genommen, die noch vor der Novelle 1959 - nämlich schon am 12. Mai 1953 - ergangen war.

Den Schlußfolgerungen Wachters ist seither auch Floretta (in Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht I, 167) ausdrücklich beigetreten. Kryda (a. a. O., 141) bezeichnet es sogar als "nunmehr allgemein anerkannt, daß dem Arbeitnehmer Schadenersatzansprüche als Masseforderungen zustehen (§ 46 Abs. 1 Z. 4 KO)"; seine Begründung (a. a. O., FN 72) erschöpft sich freilich in einem Hinweis auf Kummer, Tutschka und Floretta sowie auf das schon 1949 erschienene Werk von Hämmerle (Der Arbeitsvertrag, 300).

Gegen die Auffassung Wachters und der ihm folgenden Autoren sind neuerdings von Holzer (in einer Entscheidungsbesprechung in RdA 1978, 42 f.; damit wörtlich gleichlautend auch Schwarz - Holzer - Holler, Das Arbeitsverhältnis bei Konkurs und Ausgleich 248 ff., § 25 KO Anm. 1.2.2.) erhebliche Bedenken angemeldet worden: Wollte man diesen Ausführungen folgen, dann wäre das außerordentliche Kündigungsrecht des Masseverwalters "keine besonders zielführende Einrichtung". Da nämlich als Schadenersatzleistung praktisch nur die sogenannte "Kündigungsentschädigung" in Betracht käme, welche dem Arbeitnehmer den Anspruch auf das Entgelt für jenen Zeitraum sichere, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Kündigung oder durch Ablauf der Vertragszeit hätte verstreichen müssen, wäre die Sanktion regelmäßig die gleiche wie bei unberechtigter Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter. Während nach der früheren Rechtslage - ebenso wie heute noch nach § 20d AO - die Konkursmasse durch die Rückreihung des gegenständlichen Schadenersatzanspruches unter die Konkursforderungen bewußt privilegiert worden sei, könnte nach der Auffassung Wachters von einer solchen - vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigten - Bevorzugung der Masse durch das außerordentliche Kündigungsrecht des Masseverwalters - vom eher peripheren Fall eines vertraglichen Kündigungsausschlusses abgesehen - kaum mehr gesprochen werden. Bei Bedachtnahme auf diese Überlegungen sei die Annahme eines Schadenersatzanspruches "nicht selbstverständlich". Daß er offenbar auch vom OGH abgelehnt werde, sei daraus zu sehen,

daß in der Entscheidung Arb. 9539 = EvBl. 1977/116 = RdA 1978, 39 =

SozM I A d 1161 = ZAS 1978, 61 dem gemäß § 25 Abs. 1 KO austretenden

Arbeitnehmer ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung nur für jenen Zeitraum zuerkannt wurde, der bei einer (außerordentlichen) Kündigung durch den Masseverwalter verstrichen wäre.

Auch dem erkennenden Senat erscheinen die Argumente Wachters nicht überzeugend: Bis zur Novelle 1959 hatte § 25 Abs. 2 KO dem vom Masseverwalter vorzeitig gekundigten Arbeitnehmer das Recht eingeräumt, den Ersatz des ihm dadurch verursachten Schadens als Konkursgläubiger zu verlangen (vgl. dazu auch Arb. 5729 = SozM I, E 25). Einer solchen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung hatte es, wie auch Wachter (a. a. O. 89) mit Recht hervorhebt, schon deshalb bedurft, weil der Masseverwalter bei der Ausübung seines Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO rechtmäßig handelt und deshalb ein Schadenersatzanspruch des gekundigten Arbeitnehmers nach den allgemeinen Bestimmungen keinesfalls in Betracht gekommen wäre. Selbst wenn man nun zugunsten der Klägerin unterstellt, daß § 25 Abs. 2 KO (alte Fassung) ungeachtet seines engeren Wortlautes ("... vor Ablauf der bestimmten Zeit gelöst ... oder ... eine längere Kündigungsfrist vereinbart ...") auch bei Nichtbeachtung eines gesetzlichen Kündigungstermins durch den Masseverwalter anzuwenden war - was durchaus nicht selbstverständlich ist, weil es hier nicht, wie in den beiden ausdrücklich geregelten Fällen, um einen Eingriff in vertragliche Vereinbarungen der Partner des Arbeitsverhältnisses geht -, findet ein solcher Anspruch seit der ersatzlosen Aufhebung dieser Bestimmung durch die Novelle 1959 im Gesetz keine Deckung mehr. Wachter (a. a. O.) sieht darin einen offenkundigen Irrtum des Gesetzgebers, dessen Absicht es gewesen sei, solchen Schadenersatzforderungen des Arbeitnehmers in Zukunft den Charakter von Masseforderungen zu geben, welcher dabei aber offenbar übersehen habe, daß nach der Streichung des § 25 Abs. 2 KO mit dem neu gefaßten § 46 Abs. 1 Z. 4 KO bei wörtlicher Auslegung wohl eine Vorschrift über die Art bestimmter Arbeitnehmerforderungen, nicht aber auch eine spezifische gesetzliche Grundlage für das Bestehen eines Schadenersatzanspruches vorhanden war. Ein solcher Wille des Gesetzgebers ist aber den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Novelle 1959 keineswegs eindeutig zu entnehmen: Es trifft zwar zu, daß mit der Novelle 1959 vor allem jene Arbeitnehmer, deren Befriedigung durch eine Insolvenz ihres Arbeitgebers gefährdet ist, besser gestellt und ihre "besonders schutzwürdigen Interessen" als Gläubiger im Insolvenzverfahren "im Rahmen des Vertretbaren wirksamer als bisher geschützt werden" sollten (Erläuternde Bemerkungen bei Sabaditsch a. a. O., 573). Ein konkreter Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 46 KO den bisher in § 25 Abs. 2 KO geregelten Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers nicht nur weiterhin aufrechterhalten, sondern in Zukunft sogar in den Rang einer Masseforderung hätte erheben wollen, ist aber entgegen der Meinung Wachters den Erläuternden Bemerkungen zu Art. 1 Z. 2 der Novelle 1959 nicht zu entnehmen; die nicht sehr deutliche Fassung dieser Bemerkungen könnte vielmehr durchaus auch dahin verstanden werden, daß der Gesetzgeber deshalb, weil im Zuge der "Neuordnung der Masseforderungen und der Forderungen der Gläubiger der ersten Klasse" die Ansprüche der Arbeitnehmer künftig "in gesteigertem Umfang aus der Konkursmasse gezahlt" werden sollten (s. dazu Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 527 f., über die Tragweite der geänderten Fassung des § 46 KO, insbesondere des neu geschaffenen Abs. 2 lit. a und b), auf den bisher im § 25 Abs. 2 KO verankerten Schadenersatzanspruch des vorzeitig gekundigten Arbeitnehmers bewußt verzichten zu können glaubte.

Selbst wenn dies aber nicht zuträfe, sondern tatsächlich ein Versehen des Gesetzgebers und damit eine nicht beabsichtigte, also "planwidrige" Unvollständigkeit des Gesetzes anzunehmen wäre, könnte diese durch die ersatzlose Aufhebung des § 25 Abs. 2 KO entstandene Lücke im konkreten Fall nicht im Wege der Analogie geschlossen werden: Daß § 46 Abs. 1 Z. 4 KO für sich allein keine Grundlage für einen Schadenersatzanspruch des vorzeitig gekundigten Arbeitnehmers bietet, muß auch Wachter (a. a. O.) einräumen; die von ihm vorgeschlagene ergänzende Heranziehung der §§ 1295 ff. ABGB muß aber schon daran scheitern, daß der Masseverwalter, wie schon erwähnt, bei Ausübung seines außerordentlichen Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO rechtmäßig handelt, weshalb die allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechtes hier ebensowenig analog angewendet werden können wie etwa die besonderen Bestimmungen über Ersatzansprüche des zu Unrecht entlassenen Arbeitnehmers (insbesondere § 1162b ABGB, § 29 AngG). Das gleiche muß angesichts der ganz anders gestalteten Rechts- und Interessenlage im Ausgleichsverfahren auch für die - nach wie vor fortbestehende - Schadenersatzregelung des § 20d AO gelten. Daß aber für den gegenteiligen Prozeßstandpunkt der Klägerin auch mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 2 KO nichts zu gewinnen ist, folgt schon daraus, daß § 25 KO eine den Einfluß der Konkurseröffnung auf Dienstverhältnisse regelnde Sonderbestimmung (lex specialis) ist; im übrigen ist der in § 21 Abs. 2 Satz 2 KO vorgesehene Schadenersatzanspruch nicht etwa eine Masseforderung, sondern vom Vertragspartner des Gemeinschuldners als Konkursgläubiger geltend zu machen. Scheidet damit aber mangels ausdrücklich geregelter, in den maßgeblichen Voraussetzungen rechtsähnlicher Einzeltatbestände eine Lückenfüllung im Wege der Gesetzesanalogie (s. dazu Koziol - Welser[5] I, 23 f.) ebenso aus wie die Heranziehung allgemeiner, im Wege der Rechtsanalogie oder unter Bedachtnahme auf die "natürlichen Rechtsgrundsätze" (§ 7 ABGB) gewonnener Grundsätze und Wertprinzipien (Koziol - Welser a. a. O., 24 f.), dann entbehrt ein Schadenersatzanspruch des gemäß § 25 Abs. 1 KO vorzeitig gekundigten Arbeitnehmers seit der Aufhebung des zweiten Absatzes dieser Gesetzesstelle durch die Novelle 1959 tatsächlich einer Grundlage. Die ersatzlose Aufhebung der angeführten Bestimmung, welche bis zur Novelle 1959 die Rechtsgrundlage für solche Schadenersatzansprüche geboten hatte, führt vielmehr aus den angeführten Erwägungen zwingend zur Ablehnung eines derartigen Anspruches mangels gesetzlicher Grundlage.

Nur der Vollständigkeit halber soll schließlich noch darauf verwiesen werden, daß der Arbeitnehmer gemäß § 25 Abs. 2 KO (alte Fassung) nicht etwa - wie bei grundloser Entlassung oder berechtigtem vorzeitigen Austritt - das volle Entgelt bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit oder der vereinbarten (längeren) Kündigungsfrist, also die sogenannte "Kündigungsentschädigung" im Sinne des § 1162b ABGB, § 29 AngG, verlangen konnte; sein Schadenersatzanspruch umfaßte vielmehr nur den tatsächlich erlittenen Schaden, also den durch die vorzeitige Kündigung verursachten Entgang an Lohn, Provisionen, Naturalbezügen oder sonstigen Einkünften abzüglich des während des fraglichen Zeitraums durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erzielten Verdienstes (so ausdrücklich die Denkschrift zur Einführung einer KO, einer AO und einer AnfO 28 zu § 25 KO; ebenso Lehmann, Kommentar zur KO, AO und AnfO I, 172; Rintelen, Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechts, 172; Adler - Höller in Klang[2] V, 329; Kryda a. a. O., 141; ähnlich - noch zu § 23 Abs. 2 HandlungsgehilfenG - bereits Mayer - Grünberg a. a. O., 273 f.). Hätte demnach aber ein auf Zahlung der Kündigungsentschädigung schlechthin gerichtetes Begehren, wie es hier gestellt worden ist, auch nach der alten Fassung des § 25 Abs. 2 KO nicht zum Erfolg führen können, dann erweist sich die Rechtsansicht der Klägerin, daß ihr Zahlungsbegehren erst dann abgewiesen werden dürfe, wenn feststehe, daß sie im fraglichen Zeitraum anderweitig mehr verdient habe, auch unter diesem Gesichtspunkt als nicht stichhältig.

Anmerkung

Z53034

Schlagworte

Arbeitnehmer, Schadenersatzanspruch wegen vorzeitiger Kündigung durch, den Masseverwalter, Konkursverfahren, kein Kündigungsrecht des Masseverwalters, Kündigungsrecht des Masseverwalters, Kündigungstermine im Insolvenzverfahren, Masseverwalter, Bindung an gesetzliche Kündigungstermine, Schadenersatzanspruch des vom Masseverwalter vorzeitig gekundigten, Arbeitnehmers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0040OB00039.79.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19800304_OGH0002_0040OB00039_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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