TE Vwgh Erkenntnis 2005/5/2 2002/10/0177

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Veröffentlicht am 02.05.2005
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Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/02 Familienrecht;
24/01 Strafgesetzbuch;

Norm

ABGB §143 Abs1;
ABGB §143 Abs2;
ABGB §143;
SHG Stmk 1998 §28 Z2;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
SHG Stmk 1998 §5 Abs1;
StGB §198;
USchG 1960 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der A H in G, vertreten durch Dr. Werner Thurner und Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sporgasse 2, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. August  2002, Zl. FA 11A-32-496/00-18, betreffend Aufwandersatz nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 6. Juni 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 35 Abs. 1 und 28 Z. 2 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 29/1998 (Stmk SHG), teilweise Folge gegeben und ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 2. August 1999 bis 31. August 1999 einen monatlichen Aufwandersatz in Höhe von EUR 203,96, für den Zeitraum vom 1. September 1999 bis 31. Dezember 2000 in Höhe von EUR 210,76 und für den Zeitraum vom 1. Jänner 2001 bis 17. Jänner 2001 in Höhe von EUR 115,58 zu leisten habe.

Nach der Begründung - soweit für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung - sei beim Magistrat Graz - Sozialamt am 28. Juli 1999 für den im Jahre 1933 geborenen Vater der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der Differenzkosten der Unterbringung in Pflege in einem näher genannten Seniorenpflegeheim gestellt worden.

Dem Vater der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 12. November 1999 auf Grund des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form der Übernahme der Kosten der Unterbringung und Pflege im Seniorenheim ab 2. August 1999 durch den Sozialhilfeverband der Stadt Graz gewährt worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. In der Folge sei unter anderem auch gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 28 Stmk SHG in Verbindung mit § 143 ABGB ein Aufwandersatzverfahren eingeleitet worden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 6. Juni 2000 sei die Beschwerdeführerin ab 2. August 1999 zu einem monatlichen Rückersatz in der Höhe von S 3.700,-- verpflichtet worden. Nach der Begründung dieses Bescheides beziehe die Beschwerdeführerin eine monatliche Pension von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Höhe von S 7.113,80 und von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt in Höhe von S 16.745,30. Dies ergebe (ohne Pflegegeld der Stufe 3) eine durchschnittliche monatliche Pension von S 27.835,62. Die Beschwerdeführerin sei allein stehend; sie habe als Abzugsposten die Darlehensrückzahlung für ihre Wohnung sowie die Miete geltend gemacht. Bei der sich daraus ergebenden Bemessungsgrundlage von S 23.125,-- sei ab 2. August 1999 ein Aufwandersatz von S 3.700,-- (16 %) pro Monat zumutbar.

Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben. Sie habe dabei unter anderem vorgebracht, dass ihr Vater seine Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt habe. Ihr Vater habe die ihn treffende Unterhaltspflicht nur bis zum 18. Lebensjahr der Beschwerdeführerin und nur nach Einleitung gerichtlicher Schritte erfüllt. Er habe sich zu keiner Zeit um sie gekümmert und keinerlei persönlichen Kontakt gesucht, auch nicht als sie im Jahre 1980 einen schweren Verkehrsunfall mit lebensgefährlichen Verletzungen erlitten habe. Aus diesem Grund habe sie in ihrem Testament auch die Enterbung ihres Vaters verfügt.

Über Aufforderung der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. August 2001 eine Stellungnahme abgegeben, wonach ihr Vater bereits während aufrechter Ehe seine Unterhaltspflicht gegenüber seinen damaligen zwei Kindern und seiner Ehefrau vernachlässigt habe. Die Ehe der Eltern sei unter anderem aus diesem Grund mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 8. Juni 1962 geschieden worden. Ihr Vater habe den im Scheidungsvergleich vereinbarten Unterhalt niemals freiwillig geleistet. Dieser habe exekutionsweise durch das Bezirksgericht D. hereingebracht werden müssen.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen habe die Beschwerdeführerin angegeben, sie habe die Volks- und Hauptschule besucht und eine Ausbildung zur Diplomkrankenschwester absolviert. 1980 sei sie bei einem Verkehrsunfall in Wien schwerst verletzt worden, so dass sie nunmehr als berufsunfähig anzusehen sei. Sie bewohne derzeit eine Eigentumswohnung, für die sie noch heute monatliche Rückzahlungen leisten müsse. Diese Wohnung befinde sich in der Nähe der Wohnung ihrer Mutter, weil die Beschwerdeführerin auf Grund ihres körperlichen Zustandes nicht längere Zeit ohne Aufsicht bleiben könne. Zu ihren Einkommensverhältnissen sei zu sagen, dass sie nicht über jene monatlichen Einnahmen verfüge, welche dem Bescheid der Magistrates der Stadt Graz zu Grunde lägen. Von der Unterhaltsbemessungsgrundlage sei auch ihr krankheitsbedingter Mehraufwand abzuziehen. Im Gegensatz zu ihren drei Geschwistern sei die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Behinderung nicht in der Lage, einem Beruf nachzugehen, der ein höheres Einkommen zur Folge hätte. Diese Möglichkeit bestünde allerdings sehr wohl für ihre drei Geschwister. Die Behörde hätte somit prüfen müssen, ob diesen drei Personen nicht die Aufnahme einer Berufstätigkeit zugemutet werden könne, die sie zur Unterhaltsleistung an ihren Vater befähigte. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass ihr Vater am 17. Jänner 2001 verstorben sei und somit seit diesem Zeitpunkt von ihr keine weiteren Leistungen zu erbringen seien.

Die belangte Behörde habe im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens den Pflegschaftsakt des Bezirksgerichtes D. eingeholt. Daraus gehe hinsichtlich des Zeitraumes 1962 bis 1976 unter anderem hervor, dass die Ehe der Eltern der Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 8. Juni 1962 aus alleinigem Verschulden des Vaters der Beschwerdeführerin geschieden worden sei. Laut Scheidungsvergleich habe sich der Vater der Beschwerdeführerin verpflichtet, monatlich für seine beiden Kinder jeweils S 400,-- Unterhalt zu bezahlen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom 19. Juli 1972 sei der Vater der Beschwerdeführerin verpflichtet worden, für seine zwei Töchter ab 1. April 1972 einen monatlichen Unterhalt von je S 500,-- zu leisten. Mit Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes vom 7. November 1972 sei der Vater der Beschwerdeführerin verpflichtet worden, den Unterhaltsrückstand (für die Zeit vom 1. April 1972 bis 31. Oktober 1972) in Höhe von jeweils S 2.400,-- zu leisten, wobei eine Lohnpfändung durchgeführt worden sei. Mit Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes vom 16. September 1975 sei der Vater der Beschwerdeführerin ferner verpflichtet worden, den Unterhaltsrückstand für den Zeitraum vom 1. Juli 1975 bis 30. September 1975 in Höhe von jeweils S 3.000,-- zu begleichen; auch dabei sei eine Lohnpfändung durchgeführt worden. Ebenso sei mit Exekutionsbeschluss vom 7. November 1975 betreffend Unterhaltsrückstände für November 1975 eine Lohnpfändung durchgeführt worden. Mit Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes vom 8. März 1977 sei weiters betreffend des angefallenen Unterhaltsrückstandes (anstatt monatlich S 700,-- seien nur S 500,-- bezahlt worden) eine Lohnexekution veranlasst worden. Ein Hinweis, dass eine strafgerichtliche Verfolgung des Vaters der Beschwerdeführerin gemäß § 198 StGB in Erwägung gezogen worden wäre, sei im Akt nicht enthalten.

Die Beschwerdeführerin habe zu diesen Ermittlungsergebnissen im Rahmen des Parteiengehörs am 11. Dezember 2001 eine Stellungnahme abgegeben. Dabei habe sie unter anderem darauf verwiesen, dass aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes vom 7. November 1972 hervorgehe, dass ihr Vater fünf Monate lang keinen Unterhalt für sie bezahlt habe. Dieses Verhalten sei nach höchstgerichtlicher Judikatur bereits eine gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht im Sinne des § 198 StGB. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihre Mutter hätten sich in diesem Zeitraum in einer schlechten finanziellen Situation befunden und wären somit auf jeglichen Unterhaltsbeitrag angewiesen gewesen. Auch aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes vom 16. September 1975 ergebe sich, dass ihr Vater über einen Zeitraum von mehreren Monaten keinen bzw. nur einen geringeren Unterhalt als vorgesehen geleistet habe.

Ihrer Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin auch eine umfangreiche Aufstellung ihrer monatlichen Ausgaben beigelegt.

Eine Anfrage der belangten Behörde beim Bezirksgericht D. habe ergeben, dass gegen den Vater der Beschwerdeführerin weder ein Verfahren nach § 198 StGB noch nach dem Unterhaltsschutzgesetz geführt worden sei.

Nach Wiedergabe des § 28 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes sowie des § 143 ABGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen die Auffassung, dass beim Vater der Beschwerdeführerin in der Zeit von 1962 bis 1977 zwar in relativ geringen Zeiträumen kurzfristig Unterhaltsrückstände angefallen seien, er jedoch insgesamt den gerichtlich vorgeschriebenen Unterhaltsleistungen nachgekommen sei. Strafverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht seien nicht geführt worden. Die kurzfristige Nichtbezahlung der Unterhaltsverpflichtung, die nicht einmal strafrechtlich geahndet worden sei, sei daher nach Auffassung der belangten Behörde nicht als gröbliche Unterhaltsverletzung zu beurteilen.

Die Aufwandersatzverfahren gegen die anderen unterhaltspflichtigen Kinder des Vaters der Beschwerdeführerin hätten ergeben, dass deren Bemessungsgrundlage jeweils unter dem Existenzminimum gelegen sei.

Ausgehend vom Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin in den im Spruch genannten Zeiträumen ermittelte die belangte Behörde schließlich unter Berücksichtigung verschiedener Abzugsposten die jeweilige Bemessungsgrundlage, von der 16 % als Aufwandersatz vorgeschrieben wurden. Dabei betonte die belangte Behörde, dass die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung nach bürgerlichem Recht (22 % der Bemessungsgrundlage) eine Obergrenze darstelle, die im gegenständlichen Aufwandersatzverfahren nicht ausgeschöpft worden sei. Im Übrigen seien die Kosten der Wohnversorgung im Gegensatz zur Judikatur der Zivilgerichte, wonach sogar Miet- und Betriebskosten nicht abzugsfähig seien, sowie außerordentliche Belastungen als Abzugsposten anerkannt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der im 5. Abschnitt ("Ersatz für Aufwendungen der Sozialhilfe") des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes enthaltene § 28 lautet auszugsweise:

"§ 28

Ersatzpflichtige

Der Hilfeempfänger, seine nach bürgerlichem Recht zum Unterhalt verpflichteten Eltern, Kinder oder Ehegatten, seine Erben und Dritte sind verpflichtet, dem Sozialhilfeträger den Aufwand nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen:

...

2. die Eltern, Kinder oder Ehegatten, soweit sie nach bürgerlichem Recht verpflichtet sind, für den Empfänger der Sozialhilfe Unterhaltsleistungen zu erbringen;

..."

Der die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den Eltern

regelnde § 143 ABGB bestimmt:

"§143. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehre Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des stammeseigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet."

Die Kostenersatzpflicht nach § 28 Z. 2 Stmk SHG ist einerseits dadurch begrenzt, dass der Unterhaltspflichtige nur in dem Umfang und für den Zeitraum Ersatz zu leisten hat, als auf Grund sozialhilferechtlicher Bestimmungen Sozialhilfeleistungen zur Deckung eines Bedarfes des Unterhaltspflichtigen rechtens erbracht wurden. Die Ersatzpflicht ist andererseits durch die Unterhaltspflicht selbst begrenzt (arg.: "soweit sie nach bürgerlichem Recht verpflichtet sind, für die Empfänger der Sozialhilfe Unterhaltsleistungen zu erbringen"), der Ersatzpflichtige darf somit nur in dem Umfang zum Ersatz herangezogen werden, in dem er dem Empfänger der Sozialhilfe Unterhalt leisten müsste. Wesentliche Voraussetzung für die Gewährung der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes ist, dass der Betreffende nicht in der Lage ist, den Lebensbedarf aus eigenen Mitteln zu bestreiten (§ 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Stmk SHG). Die Frage der Einsetzbarkeit eigener Mittel ist aber auch für die Unterhaltspflicht gemäß § 143 Abs. 2 ABGB (arg.: "soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten") maßgebend (vgl. das Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/11/0267, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Zur Beurteilung der Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern ist § 143 ABGB heranzuziehen. Voraussetzung für die Unterhaltspflicht des Nachfahren ist der Mangel der Selbsterhaltungsfähigkeit des Vorfahren. Entscheidend für die Beurteilung dieser Frage ist, ob der Vorfahre in der Lage ist, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu decken. Zu diesen gehören gerade bei altersbedingt betreuungsbedürftigen Menschen auch die erhöhten Kosten eines menschenwürdigen Heimaufenthaltes und notwendiger Pflege. Vorfahren mit unzureichender Altersversorgung oder ungedeckten Pflegekosten sind daher nicht selbsterhaltungsfähig (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0052).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage war der Unterhaltsbedarf des Vaters der Beschwerdeführerin entscheidend durch die Kosten der Unterbringung im Pensionistenheim und durch sein Eigeneinkommen andererseits bestimmt. Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Vater der Beschwerdeführerin eine Pension der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und ein Pflegegeld der Stufe 4 bezieht. Unter Berücksichtung der monatlichen Kosten der Unterbringung und Verpflegung im Pflegeheim in Höhe von S 27.375,-- ergebe sich ab 2. August 1999 eine Leistung des Sozialhilfeträgers in Höhe von S 16.622,60.

Die Beschwerdeführerin hat diese Feststellungen nicht bekämpft. Sie sind daher auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu Grunde zu legen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt unter anderem die Auffassung zu Grunde, dass der Vater der Beschwerdeführerin seine Unterhaltspflicht gegenüber dieser nicht gröblich vernachlässigt habe. Er habe zwar zu verantworten, dass in der Zeit von 1962 bis 1977 in relativ geringen Zeiträumen kurzfristig Unterhaltsrückstände angefallen seien, er sei jedoch insgesamt den gerichtlich vorgeschriebenen Unterhaltsleistungen nachgekommen. Die kurzfristige Nichtbezahlung der Unterhaltsverpflichtung, die nicht einmal strafrechtlich geahndet worden sei, sei nach Auffassung der belangten Behörde nicht als "gröbliche" Unterhaltsverletzung zu beurteilen.

Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass die Durchführung eines Strafverfahrens für die Frage einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltpflicht nicht entscheidend sei. Da der Vater der Beschwerdeführerin seiner Unterhaltspflicht nur widerwillig und auf Grund von Gerichtsbeschlüssen und Exekutionsmaßnahmen nachgekommen sei, sei infolge einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht des Vaters im Sinne des § 143 Abs. 1 letzter Satz ABGB von einer Verwirkung des Unterhalts auszugehen.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht.

Eine gröbliche Vernachlässigung im Sinne von § 143 Abs. 1 ABGB ist einer gröblichen Verletzung der Unterhaltspflicht im Sinne von § 198 StGB gleichzusetzen (vgl. z.B. Stabentheiner in Rummel3, Rz 2 zu § 143). Die Verletzung der Unterhaltspflicht besteht im Regelfall darin, dass jemand eine fällige Unterhaltsschuld nicht erfüllt, obwohl er dies könnte. Dabei erfüllt nicht jede Unterhaltspflichtverletzung das Tatbild, sondern nur eine solche, die "gröblich" ist, also eine nach Ausmaß bzw. Dauer qualifizierte Verletzung (vgl. dazu etwa Kienapfel/Schmoller, Grundriss des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil, Band III, Seite 151 ff).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist bei der Beurteilung der Frage der "gröblichen" Verletzung der Unterhaltspflicht einerseits das Verhältnis zwischen der faktisch erbrachten Leistung des Unterhaltspflichtigen und den geschuldeten Beträgen, andererseits die Dauer der Pflichtverletzung, die finanziellen Verhältnisse und die Verdienstmöglichkeiten und sonstigen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen sowie die Lebensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten, das bisherige Verhalten des Verpflichteten und die Gründe für die Nichterbringung der geschuldeten Leistung zu berücksichtigen (vgl. aus der Rechtsprechung zu § 1 Unterhaltsschutzgesetz und § 198 StGB etwa OGH vom 30. Mai 1972, 10 Os 43/72, 22. April 1975, 10 Os 21/75, 3. Mai 1988, 15 Os 64/88, uam). Der Begriff lasse sich jedenfalls nicht schematisieren (vgl. ÖJZ-LSK 1979/41).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die Auffassung der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass die Feststellungen über in der Zeit von 1962 bis 1977, also in einem Zeitraum von etwa 16 Jahren, beim Vater der Beschwerdeführerin "in relativ geringen Zeiträumen angefallenen kurzfristigen Unterhaltsrückstände, die im Wege von Lohnpfändungen eingebracht worden sind", die Beurteilung der Verletzung der Unterhaltspflicht als "gröblich" insgesamt nicht tragen könnten. Auch die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, dass Umstände vorlägen, unter denen die Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Vater der Beschwerdeführerin als "gröblich" zu qualifizieren wäre.

Soweit die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, die belangte Behörde habe ihr die Erhebungen über die Einkommenssituation ihrer Geschwister nicht zur Kenntnis gebracht, ist ihr zu erwidern, dass es bei einer Verletzung der Einräumung des Parteiengehörs nicht genügt, die Verletzung einer Verfahrensvorschrift aufzuzeigen, sondern auch konkret dargetan werden muss, welches Vorbringen im Falle der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet worden wäre und inwiefern die belangte Behörde dadurch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 45 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, E 510 ff, insbesondere E 538 und 539).

Zum behaupteten Verfahrensmangel, die belangte Behörde hätte nähere Erhebungen über das Einkommen der Geschwister anstellen müssen, ist zu sagen, dass mit der bloßen Behauptung, die Geschwister wären sehr wohl in der Lage, ein höheres Einkommen zu erzielen und damit zum Unterhalt des Vaters beizutragen, die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan wird.

Wenn in der Beschwerde schließlich vorgebracht wird, die belangte Behröde hätte auch die Zusatzversicherung der Beschwerdeführerin bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage als Abzugspost berücksichtigen müssen, so ist darauf zu verweisen, dass eine Krankenzusatzversicherung nur dann abzugsfähig ist, wenn nachgewiesen wird, dass die von der gesetzlichen Sozialversicherung gedeckten Behandlungskosten medizinisch nicht ausreichen bzw. der Verpflichtete über keine gesetzliche Krankenversicherung verfügt (vgl. dazu etwa die Nachweise bei Schwimann, Unterhaltsrecht2, S. 56 ff). Dass diese Voraussetzungen im Beschwerdefall vorliegen, ist von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs.1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003. Wien, am 2. Mai 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002100177.X00

Im RIS seit

30.06.2005

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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