Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführer in der Strafsache gegen Rupert A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach den §§ 75 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Leoben vom 3.Dezember 1979, GZ 19 Vr 1/79-104, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Harramach und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die (auf den § 26 Abs. 1 StGB gestützte) Einziehung (auch) eines Kleinkaliber-Repetiergewehres, Marke 'Anschütz', Kal. 22 long rifle, mit montiertem Zielfernrohr, einer Flinte, Marke 'Carrero & Astelarra', Kal. 16/70, und einer CO2-Pistole Marke 'Smith & Wesson', Kal. 177, aufgehoben.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.September 1951 geborene Marktfahrer Rupert A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach den §§ 75 und 15 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes), des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) und des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG (Punkt 3) des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil er in Herzogberg bei Kindberg (Steiermark) zu 1.): am 30. Dezember 1978 durch Abgabe mehrerer Schüsse aus einer Pistole (Marke 'Ortgies') und aus einem Selbstladegewehr (Marke 'Winchester') a) den Gruppeninspektor Johann B und den Inspektor Johann C vorsätzlich tötete und b) versuchte, den Bezirksinspektor Jakob D vorsätzlich zu töten, zu 2.):
am 30.Dezember 1978 durch die zu 1.) genannten Tathandlungen die gegen ihn auf Grund einer Ausschreibung zur Verhaftung einschreitenden Gendarmeriebeamten des Gendarmeriepostenkommandos Kindberg mit Gewalt an einer Amtshandlung hinderte, zu 3.): bis zum 30. Dezember 1978 eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine Pistole (Marke 'Ortgies', Kal.
6,35 mm) unbefugt besaß und führte.
Die Geschwornen hatten die im Sinn der Anklage gestellten Hauptfragen I bis III (stimmeneinhellig) bejaht und die (die Hauptfragen I und II betreffende) Zusatzfrage in Richtung Volltrunkenheit (gleichfalls stimmeneinhellig) verneint. In seiner gegen dieses Urteil erhobenen, ausdrücklich auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 2
(offenbar gemeint: 345 Abs. 1 Z 3) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Angeklagte die gegen seinen Widerspruch vorgenommene Verlesung der Aussage des Zeugen Konrad E vor dem Untersuchungsrichter gemäß dem § 252 Abs. 1 Z 1 StPO.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt.
Richtig ist zwar, daß es an den Voraussetzungen für eine Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Konrad E durch den Untersuchungsrichter gemäß dem § 252 Abs. 1 Z 1 StPO fehlte, weil dieser Zeuge zufolge seiner akuten (Grippe-) Erkrankung (vgl. Band IV, S 22 d.A) bloß vorübergehend und kurzfristig vernehmungsunfähig war (vgl. RZ 1969, 101 u.a.). Dieser Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit begründet aber an sich keine Urteilsnichtigkeit. Denn da § 252 StPO nicht zu jenen Vorschriften gehört, deren Beobachtung unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion steht (§ 345 Abs. 1 Z 4
StPO), und das gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers verlesene Schriftstück keinen nichtigen Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakt enthielt (§ 345 Abs. 1 Z 3 StPO), hätte der gerügte Verfahrensmangel nur unter den Voraussetzungen des § 345 Abs. 1 Z 5 StPO mit Erfolg geltend gemacht werden können, die jedoch hier nicht vorliegen. Durch die Unterlassung einer Vernehmung des Zeugen Konrad E vor dem erkennenden Gericht kann sich der Beschwerdeführer nämlich schon deshalb nicht beschwert erachten, weil er in erster Instanz keinen auf eine solche Vernehmung (unter gleichzeitiger Vertagung der Hauptverhandlung) hinzielenden, ein bestimmtes Beweisthema enthaltenden Antrag stellte (vgl. EvBl. 1973/140 u.a.). Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil im Ausspruch gemäß dem § 26 Abs. 1 StGB insofern mit Nichtigkeit im Sinn der Z 13 des § 345 Abs. 1 StPO behaftet ist, als neben den beiden Tatwaffen - einem Selbstladegewehr (Marke 'Winchester', Kal. 22 long rifle) mit montiertem Zielfernrohr und einer Pistole (Marke 'Ortgies', Kal. 6,35 mm) - und der dazugehörigen Munition auch ein Kleinkaliber-Repetiergewehr (Marke 'Anschütz', Kal. 22 long rifle) mit montiertem Zielfernrohr, eine Flinte (Marke 'Carrero & Astelarra', Kal. 16/70) und eine CO2-Pistole (Marke 'Smith & Wesson', Kal. 177) eingezogen wurden, die bei der Begehung der gegenständlichen Straftaten nicht Verwendung fanden und auch nicht Gegenstand des Schuldspruchs nach dem § 36 WaffenG bildeten. Insoweit lagen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 StGB nicht vor. Es war daher das Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in seinem Ausspruch, wonach gemäß dem § 26 Abs. 1
StGB auch diese Waffen eingezogen werden, (ersatzlos) aufzuheben. Damit wird der Frage, ob nicht auf Grund eines verwaltungsbehördlichen Waffenverbotes im Sinn des § 12 WaffenG ein Verfall der in Rede stehenden Waffen einzutreten haben wird, nicht vorgegriffen, zumal die Ausschaltung des nichtigen Ausspruchs aus dem Urteil (noch) keine Ausfolgungsverfügung gemäß dem § 12 Abs. 5 lit. a WaffenG bedeutet.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die massive Vorabstrafung des Angeklagten für Taten, die zum Teil auf der gleichen schädlichen Neigung wie die unter Anklage gestellten Delikte beruhen, dann den Umstand, daß durch die Tat des Angeklagten zwei Tote und ein Schwerverletzter zu beklagen sind, ferner den Umstand, daß das Verbrechen des Mordes mit dem Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und dem Vergehen nach dem § 36 Abs. 1
lit. a WaffenG 1967 zusammenfällt sowie den Umstand, daß sich die Tathandlung gegen drei im Dienst befindliche Gendarmeriebeamte richtete, und als mildernd das teilweise Geständnis des Angeklagten. Die Berufung wendet sich gegen das Strafausmaß.
Ihr kommt keine Berechtigung zu.
Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt. Im einzelnen ist dem Berufungsvorbringen noch zu entgegnen: Dem als Milderungsgrund gewerteten teilweisen Geständnis wohnt die Reumütigkeit inne, weil es andernfalls dem Angeklagten nicht zugute gehalten werden könnte (§ 34 Z 17 StGB). Der Alkoholisierung des Angeklagten fehlt es an den Voraussetzungen des § 35 StGB, weshalb sie nicht als strafmildernd in Betracht gezogen werden durfte.
Im vorliegenden Fall überwiegen die Erschwerungsgründe nicht nur ihrer Zahl, sondern auch ihrem Gewicht nach bei weitem, sodaß das Geschwornengericht zu Recht die Höchststrafe verhängte: Sie wird dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schwere der Schuld des Täters gerecht.
Auch der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02534European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00018.8.0312.000Dokumentnummer
JJT_19800312_OGH0002_0110OS00018_8000000_000