TE OGH 1980/3/25 9Os7/80

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Veröffentlicht am 25.03.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Boltz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richard A wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. und eines anderen Deliktes über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. November 1979, GZ. 1 b Vr 9257/79- 13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Reither und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird das angefochtene Urteil, das im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch zu Punkt B und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Richard A wird von der (weiteren) Anklage, er habe in der Zeit vom 12. Oktober 1979 bis 16. Oktober 1979 in verschiedenen Orten Niederösterreichs einer unmündigen Person, nämlich der am 10. Februar 1966 geborenen Christine B, Hilfe geleistet, sich der Macht des erziehungsberechtigten Vaters Stefan B zu entziehen und sich vor dem Berechtigten verborgen zu halten, indem er sie mit Verpflegung versorgte, wobei er die Tat beging, um die genannte Minderjährige zur Unzucht zu mißbrauchen, und hiedurch das Vergehen der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1, 2 und 3 StGB. begangen, gemäß § 259 Z. 3 letzter Fall StPO. freigesprochen.

Für das somit verbleibende Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. wird er nach dieser Gesetzesstelle zu 1 (einem) Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. hat der Angeklagte auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23. Oktober 1955 geborene Richard A des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. (Punkt A des Urteilssatzes) und des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1, 2 und 3 StGB. (Punkt B des Urteilssatzes) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Den Urteilsannahmen zufolge hatte er in der aus dem Spruch ersichtlichen Zeit in Niederösterreich etwa zwanzig mal mit der am 10. Februar 1966 geborenen Christine B, die sich mit seiner Hilfe der Macht ihres erziehungsberechtigten Vaters entzogen hatte, den außerehelichen Beischlaf unternommen. Nach dem Urteilsspruch hatte er das bezeichnete Vergehen begangen, um die genannte Minderjährigen zur Unzucht zu mißbrauchen.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Beschwerdeführer ausschließlich den zu B/ des angefochtenen Urteils erfolgten Schuldspruch wegen des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1, 2 und 3

StGB., und zwar nur insoweit, als das Erstgericht auch die Qualifikation des Abs. 3 der genannten Gesetzesstelle angenommen hat. Auf diese Ausführungen muß jedoch nicht eingegangen werden, weil sich der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten davon zu überzeugen vermochte, daß das Ersturteil in dem erwähnten Schuldspruch zu B/ mit einer vom Angeklagten nicht geltend gemachten, sich zu seinem Nachteil auswirkenden (materiellrechtlichen) Nichtigkeit nach der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet ist, dessen Wahrnehmung (§ 290 Abs. 1 StPO.) ohnedies zum Freispruch des Angeklagten vom Vergehen der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 StGB. führt. Dieses Vergehen ist nämlich nach dem Abs. 4 dieser Gesetzesstelle nur auf Antrag des Erziehungsberechtigten zu verfolgen. Im vorliegenden Fall wurde dem entgegen die Verfolgung auf Grund der durch die anzeigende Gendarmeriedienststelle von Amts wegen eingeholten 'Ermächtigung' des Vaters der entführten minderjährigen Christine B (S. 17) eingeleitet, und unrichtig in der Anklageschrift behauptet, daß Stefan B den Antrag auf Strafverfolgung des Beschuldigten gestellt habe (S. 43). Lediglich diese Ermächtigung wurde in der Hauptverhandlung (auf die an sich unklare Frage: 'Halten sie den Antrag die Ermächtigung aufrecht') durch den Genannten aufrecht erhalten; ein Verfolgungsantrag wurde von ihm auch in der Hauptverhandlung nicht gestellt (S. 60).

Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Legitimation des ehelichen

Vaters zur Stellung des Verfolgungsantrages.

Es kann nämlich ungeachtet des Wortlautes des § 195 Abs. 4 StGB. daraus, daß dieser nicht allein erziehungsberechtigt ist (siehe § 144 ABGB idF BGBl. 1977/403) nicht geschlossen werden, daß zur Stellung des Verfolgungsantrages an den öffentlichen Ankläger die Erziehungsberechtigten nur gemeinsam befugt sind. Schon die Erl. RV 1971 (siehe Dokumentation StGB S. 188 Spalte 1 oben) vertraten die Auffassung, daß die Antragstellung eines zur Erziehung bloß Mitberechtigten genügt. An dieser Rechtslage hat sich auch durch das BG vom 30. Juni 1977, BGBl. 403, über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes insofern nichts geändert, wie sich insbesondere aus § 146 b ABGB nF ergibt, wonach die Behörde schon auf Ersuchen eines (zur Pflege und Erziehung) berechtigten Elternteiles bei der Ermittlung des Aufenthaltes, notfalls auch bei der Zurückholung des Kindes mitzuwirken haben. In gleicher Weise muß angenommen werden, daß jeder Erziehungsberechtigte für sich allein den damit in engem Zusammenhang stehenden strafrechtlichen Verfolgungsantrag stellen kann, zumal die Neuordnung des Kindschaftsrechtes grundsätzlich beiden Elternteilen gleiche Rechte einräumte, die sie voneinander unabhängig selbständig ausüben können, soferne nicht bei besonders wichtigen Vertretungshandlungen im Interesse des Kindes die Zustimmung des anderen Elternteils, gegebenenfalls auch die gerichtliche Genehmigung erforderlich ist (§ 154 Abs. 2 und 3 ABGB nF).

Zur Anklageerhebung hätte es aber eines ausdrücklichen Antrages eines Erziehungsberechtigten auf Strafverfolgung bedurft. Durch die Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung wurden hingegen die gesetzlichen Verfolgungsvoraussetzungen nicht hergestellt. Während der öffentliche Ankläger bei den Ermächtigungsdelikten seine Legitimation zur Strafverfolgung bis zur Hauptverhandlung nachweisen lassen, bedarf er bei den sogenannten Antragsdelikten bereits zur Einleitung des Verfahrens eines der Initiative des Antragsberechtigten, also des durch die strafbare Handlung in seinen Rechten Verletzten entspringenden Antrages auf Übernahme der strafrechtlichen Verfolgung. Dies haben die Antragsdelikte mit den Privatanklagedelikten gemeinsam, bei denen ebenfalls eine Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht die nach dem Gesetz erforderliche Privatanklage ersetzen kann (vgl. 13 Os 7/79). Da sich somit zeigt, daß es an einem gesetzlich wirksamen Antrag des Erziehungsberechtigten im Sinne des § 195 Abs. 4 StGB. fehlte, hätte das Erstgericht mit Freispruch gemäß § 259 Z. 3 letzter Fall StPO. vorzugehen gehabt. Der dennoch gefällte Schuldspruch zu B/ des angefochtenen Urteils ist mithin gemäß § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. nichtig, weshalb gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wie aus dem Spruch ersichtlich zu Gunsten des Angeklagten vorzugehen war.

Bei der sohin erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe war die Wiederholung der strafbaren Handlungen erschwerend. Als mildernd wurde hingegen das Geständnis des Angeklagten gewertet. Bei diesen Strafzumessungsgründen erschien dem Obersten Gerichtshof die ausgesprochene Freiheitsstrafe als schuld- und tatangemessen. Der Angeklagte war mit seinen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02536

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00007.8.0325.000

Dokumentnummer

JJT_19800325_OGH0002_0090OS00007_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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