Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.April 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kronlachner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 28. November 1979, GZ. 10 Vr 1194/79-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kasamas und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe auf 120 (einhundertzwanzig) Tagessätze zu je 80 (achtzig) S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 60 (sechzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 15.März 1979 in Kalwang als Beamter der Post- und Telegraphenverwaltung, und zwar als Briefzusteller, mit dem Vorsatz, hiedurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes (als dessen Organ) in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchte, indem er einen Empfangschein über die Aufgabe von (ihm von Anna B dazu übergebenen) 1.160 S beim Postamt Kalwang mit einem Poststempelabdruck versah, um eine derartige Einzahlung vorzutäuschen, wobei er sich das Geld aneignete.
In den Entscheidungsgründen nahm das Erstgericht zwar an, der Angeklagte habe in Realisierung seines (nach dem - nicht gerade sehr glücklich gefaßten -
Urteilstenor gegen Anna B gerichteten) Schädigungsvorsatzes (schon) die ihm als Zusteller (an sich) eingeräumte Befugnis, für Postkunden Bargeld mit Erlagschein zur Einzahlung zu bringen, ungeachtet dessen, daß ihm dies im Zustellbezirk Kalwang Ort nach den postalischen Vorschriften nicht gestattet gewesen sei, mißbraucht; außerdem stellte es aber auch fest, daß ihm als Zusteller der zur Tat verwendete Poststempel zum Abstempeln von Briefsendungen zur Verfügung stand und daß er diesen - mit (Bereicherungs- und) Schädigungsvorsatz - im Bewußtsein der Unzulässigkeit jener Verwendung zum Abstempeln des Empfangscheines benützte.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und Z. 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß es bei der in den Postvorschriften begründeten Unzulässigkeit, im Zustellbezirk Kalwang Ort für Postkunden Einzahlungen vorzunehmen, nicht bloß um die örtliche Zuständigkeit der Zusteller zu an sich in ihre sachliche Kompetenz fallenden Amtsgeschäften, sondern darum geht, daß in diesem Bezirk derartige Amtsgeschäfte überhaupt nicht vorgesehen sind und deswegen eine Befugnis zu ihrer Vornahme, die mißbraucht werden könnte, gar nicht besteht.
Damit ist aber für ihn nichts gewonnen, weil der ihm (nach dem durch die Entscheidungsgründe gedeckten Urteilstenor) zur Last fallende Befugnismißbrauch, rechtsrichtig gesehen, in der bestimmungswidrigen Verwendung des Poststempels lag, zu dessen Benützung zum Abstempeln von Briefsendungen - also zur Vornahme von Amtsgeschäften im Bereich der Hoheitsverwaltung - er als beamteter Zusteller (und damit als Organ des Bundes) befugt war.
Dementsprechend sind alle Beschwerdeeinwände, mit denen der Angeklagte die Übernahme und (unterbliebene) Einzahlung des ihm von Anna B zu diesem Zweck übergebenen Geldbetrages unter dem Aspekt des Mißbrauchs seiner Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften releviert, nicht zielführend, weil sie keine für die insoweit allein maßgebende mißbräuchliche Verwendung des Poststempels relevanten Tatsachen oder Rechtsfragen (oder sonst tatbestandserheblichen Umstände) betreffen.
Damit verbleibt nur die Rüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10
- sachlich, weil letzten Endes einen Freispruch wegen tätiger Reue anstrebend, Z. 9 lit. b - StPO.), der vom Beschwerdeführer verwendete Poststempel sei 'nicht geeignet, die Qualifikation nach § 302 StGB. zu begründen', zumal es sich deswegen, weil mit ihm nur die Entwertung von Briefmarken erfolge(n dürfe), um einen 'absolut untauglichen Poststempel' handle. Davon, daß es unter keinen Umständen möglich gewesen wäre (vgl. § 15 Abs. 3 StGB.), durch den Abdruck des bezeichneten Stempels, zu dessen amtlicher Verwendung der Angeklagte befugt war, auf einem Empfangschein die Vornahme einer Geldeinzahlung beim Postamt Kalwang vorzutäuschen (und hiedurch den beabsichtigten Schaden zuzufügen - vgl. EvBl. 1978/200), kann jedoch keine Rede sein; in der Bestimmungswidrigkeit dieser Verwendung aber liegt ja gerade der tatbestandsgemäße Mißbrauch der dem Beschwerdeführer eingeräumten Befugnis (zur Vornahme von Amtsgeschäften), die er zu verantworten hat. Der auf dem vermeintlichen Fehlen der erörterten Tatbestandsmerkmale des § 302 Abs. 1 StGB. beruhenden weiteren Beschwerdeansicht, das inkriminierte Tatverhalten wäre nur als Vergehen der Unterschlagung nach § 134 StGB. (oder allenfalls der Veruntreuung nach § 133 StGB.) zu beurteilen gewesen (und - in jedem Fall - infolge tätiger Reue gemäß § 167 StGB. straflos), ist damit der Boden entzogen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 302 Abs. 1, 41, 37 StGB. zu einer Geldstrafe in der Höhe von 200 Tagessätzen zu je 100 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Bei der Strafzumessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, hingegen das reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit, die von Haus aus geringe Höhe und die Gutmachung des Schadens als mildernd. Bei der Festsetzung der Tagessatz-Höhe ging es davon aus, daß der Angeklagte monatlich 5.500 S netto verdient, für seine (selbst ein Monatseinkommen von 6.000 S beziehende) Gattin und für ein minderjähriges Kind sorgepflichtig ist sowie an Vermögen über den Rohbau eines Einfamilienhauses und über einen Personenkraftwagen im Wert von etwa 25.000 S verfügt. Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung sowohl der Anzahl der Tagessätze als auch der Höhe des einzelnen Tagessatzes und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.
Vom Vorliegen einer als mildernd wirkenden Unbesonnenheit, besonders verlockenden Gelegenheit und Notlage des Berufungswerbers kann zwar nicht gesprochen werden, doch ist schon im Hinblick auf die vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe, insbesondere mit Rücksicht auf die geringe Höhe und auf die Gutmachung des Schadens, eine Reduzierung der Geldstrafe auf das im Spruch bezeichnete, der tat- und persönlichkeitsbezogenen Täterschuld (§ 32 StGB.) entsprechende Ausmaß von 120 Tagessätzen gerechtfertigt. Bei den festgestellten persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erscheint zudem eine Festsetzung des Tagessatzes in der etwas geringeren Höhe von nur 80 S als angemessen. In diesem Umfang war daher der Berufung Folge zu geben. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht kam jedoch schon im Interesse einer spezialpräventiven Effizienz der (reduzierten) Geldstrafe nicht in Betracht (§ 43 Abs. 1 StGB.).
Anmerkung
E02578European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00029.8.0411.000Dokumentnummer
JJT_19800411_OGH0002_0100OS00029_8000000_000