Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17.April 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Gerhard A gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 17. Oktober 1979, GZ. 2 b Vr 69/79-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung des Angeklagten Johann B nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Schmidt und Dr. Walch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten Johann B wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung des Angeklagten Gerhard A wird Folge gegeben und die Strafe auf 7 (sieben) Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 25.Mai 1958 geborene, zuletzt beschäftigungslose Hilfsarbeiter Gerhard A und der am 2. August 1958 geborene, zuletzt ebenfalls beschäftigungslos gewesene Schlosser Johann B des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB., und Gerhard A überdies des Vergehens des schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und 12 StGB.
schuldig erkannt.
Ihnen liegt zur Last, in Wien I. Gerhard A am 3.November 1977 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Bankangestellte durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, die den Kontoinhaber Manfred C am Vermögen schädigte, nämlich zur Honorierung eines Schecks über 2.000 S, verleitet zu haben, wobei er zur Täuschung eine falsche Urkunde, nämlich einen vom abgesondert verfolgten Alfred D durch Nachahmung der Unterschrift des Kontoinhabers Manfred C gefälschten Scheck, benützte und die strafunmündige Gabriele D bestimmte, diesen Scheck einzulösen;
II. Gerhard A und Johann B in Gesellschaft als Beteiligte anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, durch Einbruch in Gebäude mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern:
1. am 30.Mai 1978 dem Mag. Gottfried E 2.400 S Bargeld sowie einen Taschenrechner im Wert von höchstens 1.000 S;
2. am 14.August 1978 in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Manfred F dem Mag. Dr. Kurt G 1.200 S Bargeld.
Der Angeklagte Gerhard A bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z. 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Für rechtsirrig im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. erachtet der Angeklagte A den Schuldspruch deshalb, weil ihm Zurechnungsunfähigkeit zuzubilligen gewesen wäre. Als Heroinsüchtiger und Suchtgiftabhängiger habe er sich in Ansehung der ihm zur Last liegenden Taten in einem Zustand seelischer Störung befunden, in welchem er unfähig gewesen sei, der Unrechtseinsicht gemäß zu handeln.
Dieses Vorbringen hält einer Überprüfung nicht stand.
Rechtliche Beurteilung
Zurechnungsunfähig ist, wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 11 StGB.).
Diesen Voraussetzungen entsprechen infolge chronischer Drogenschädigung auftretende (exogene) Psychosen, die als krankhafte Veränderungen der geistig-seelischen Funktionen (Geisteskrankheit im weiteren Sinn) den Verlust der Diskretionsfähigkeit oder der Dispositionsfähigkeit oder beider Fähigkeiten zur Folge haben. Sonstige psychische Beeinträchtigungen wie Neurosen, Psychopathien oder Triebstörungen müssen ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach einem der übrigen, im § 11 StGB. angeführten biologischen Zustände vollkommen gleichwertig und der betreffende Ausnahmezustand muß so intensiv und ausgeprägt sein, daß das Persönlichkeitsbild des Betroffenen völlig zerstört ist. Bloße asoziale Veranlagung, Charakterschwäche, Haltlosigkeit, Charakteranomalien, hemmungsloser Affekt oder verminderte Hemmfähigkeit gegenüber bestimmten Antrieben genügen hingegen nicht zur Annahme einer Zurechnungsunfähigkeit (LSK. 1975/132 = EvBl. 1976/72;
LSK. 1976/104; Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, 160 ff.).
Da nach den Urteilsfeststellungen aber jedweder Anhaltspunkt dafür mangelt, daß die Sucht beim Angeklagten A bereits zu tiefgreifenden krankhaften Veränderungen der geistigen Funktionen oder sonst zu einer völligen Zerstörung des Persönlichkeitsbilds im Sinn des Vorgesagten geführt haben könnte, bestand für die Annahme des reklamierten Schuldausschließungsgrunds kein Raum.
Angesichts dessen, daß nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens - den diesbezüglich völlig substratlosen Beschwerdeausführungen zuwider - auch keine weiteren Konstatierungen in Richtung einer Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten indiziert waren und ein Begründungsmangel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht aufgezeigt wird, erweist sich mithin die Nichtigkeitsbeschwerde als zur Gänze unbegründet.
Das Erstgericht verhängte über die beiden Angeklagten gemäß § 129 StGB. (bei A auch unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB.) Freiheitsstrafen, und zwar bei Gerhard A in der Dauer von zehn und bei Johann B in der Höhe von zwanzig Monaten. Dabei wertete es als erschwerend bei beiden Angeklagten die einschlägige(n) Vorstrafe (n) und die Wiederholung der Straftaten, bei Gerhard A überdies das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen und bei Johann B den äußerst raschen Rückfall nach der letzten Strafverbüßung, wogegen es als mildernd bei beiden Angeklagten das Geständnis und das Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit in Betracht zog. Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.
Lediglich die Berufung des Gerhard A ist begründet. Die vom Erstgericht festgestellte Suchtgiftabhängigkeit vermag zwar die Annahme der von diesem Angeklagten reklamierten Milderungsgründe nach § 34 Z. 1, 10 und 11
StGB. nicht zu indizieren; angesichts seines Alters, des von ihm abgelegten Geständnisses und seines lediglich durch eine einzige geringfügige Vorverurteilung wegen versuchter Entwendung (eines Taschenbuchs im Wert von 28 S) getrübten Vorlebens erschien dem Obersten Gerichtshof jedoch die über ihn verhängte Strafe als überhöht, weshalb sie in Stattgebung der Berufung auf das aus dem Spruch ersichtliche, tatschuldadäquate Ausmaß reduziert wurde. Beim Angeklagten B hingegen bedurfte der erstgerichtliche Strafausspruch keiner Korrektur. Daß der Wert der von ihm gestohlenen Sachen (knapp) unter 5.000 S lag, konnte lediglich die Nichtanwendung der Qualifikation nach § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB., nicht aber eine Milderungswirkung bei der nach § 129 StGB. vorzunehmenden Strafzumessung zur Folge haben. Desgleichen konnte auch - wie bereits beim Angeklagten A bemerkt -
das in der Rauschgiftsucht gelegene Tatmotiv bei der Strafbemessung keinen Niederschlag finden. Zieht man anderseits ins Kalkül, daß die bisher wegen Diebstahls über den Angeklagten B verhängten Freiheitsstrafen von insgesamt 33 Monaten keine bessernde Wirkung zeitigten und er wenige Monate nach der Verbüßung der letzten (neunmonatigen) Strafe einschlägig rückfällig wurde, dann erweist sich das vom Erstgericht bei ihm gefundene Strafmaß als durchaus tat- und tätergerecht, weshalb seiner Berufung kein Erfolg beschieden sein konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch ersichtlichen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02568European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00039.8.0417.000Dokumentnummer
JJT_19800417_OGH0002_0130OS00039_8000000_000