Norm
AO §8Kopf
SZ 53/62
Spruch
Ansprüche aus Rechtsgeschäften über das Unternehmen des Ausgleichsschuldners sind nicht Masseforderungen aus der Fortführung des Geschäftes im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 2 KO
OGH 22. April 1980, 5 Ob 306/80 (OLG Wien 4 R 205/79; HG Wien 15 Cg 99/78)
Text
Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Provision von 946 900 S samt 4% Zinsen seit Klagetag (25. September 1978) als Masseforderung. Er sei am 22. November 1976 vom bevollmächtigten Vertreter der X Baugesellschaft OHG und ihres persönlich haftenden Gesellschafters Y beauftragt worden, einen Kaufinteressenten für das Unternehmen zu vermitteln. Am 18. November 1977 sei über das Vermögen der Gesellschaft und ihres persönlich haftenden Gesellschafters das Ausgleichsverfahren eröffnet worden. Im November 1977 sei es ihm gelungen, R K als Kaufinteressenten zu vermitteln. dieser habe am 23. November 1977 der X Baugesellschaft OHG, Y und Z - weil auch deren Liegenschaften betroffen worden seien - ein Kaufangebot gestellt, das mit Schreiben vom 23. Feber 1978 angenommen worden sei. Der Kaufpreis habe in der Übernahme aller Verbindlichkeiten des Unternehmens durch den Käufer bestanden und 47 345 051.42 S betragen. In der Folge seien die Vertragsparteien des Kaufvertrages miteinander in Streit geraten und hätten die Zahlung einer Provision abgelehnt. Vermittlung und Abschluß des Kaufvertrages seien während des Ausgleichsverfahrens im Einvernehmen mit dem Ausgleichsverwalter erfolgt. Die Provisionsforderung in der Höhe von 2% des Kaufpreises, somit 946 900 S, sei daher in dem am 12. Mai 1978 eröffneten Anschlußkonkurs eine Masseforderung. Der Masseverwalter habe die Forderung jedoch nicht anerkannt.
Der Masseverwalter beantragte Klageabweisung und wendete ein: Es sei richtig, daß der Kläger R K als Erwerber für die X Baugesellschaft OHG namhaft gemacht habe. Dieser habe während des Ausgleichsverfahrens am 23. November 1977 ein Kaufangebot gestellt und es in der Folge etwas modifiziert. Bei der Ausgleichstagsatzung am 24. Feber 1978 sei R K als Bürge und Zahler für die Ausgleichsschuld namhaft gemacht worden. Er habe diese Bürgschaft übernommen und sich verpflichtet, bei sonstiger Versagung der Bestätigung des Ausgleichs innerhalb der Frist des § 50 Z. 4 und 5 AO eine Bankgarantie eines inländischen Bankinstituts für die Erfüllung des Ausgleichs vorzulegen. Kurze Zeit nach der Ausgleichstagsatzung sei R K verschwunden. Die für den Erwerb des Unternehmens erforderliche Zustimmung des Ausgleichsverwalters nach § 8 AO sei niemals erteilt worden, der Verkauf des Unternehmens daher nicht perfekt geworden. R K, der über kein nennenswertes Vermögen verfügt habe, habe auch keinerlei Zahlung für den Erwerb des Unternehmens geleistet. Ein Provisionsanspruch stehe dem Kläger daher nicht zu. Im übrigen sei die eingeklagte Forderung am 15. März 1979 gepfändet worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Über das Vermögen der X Baugesellschaft OHG und des persönlich haftenden Gesellschafters Y wurde vom Handelsgericht Wien mit Beschluß vom 18. November 1977 das Ausgleichsverfahren und mit Beschluß vom 12. Mai 1978 der Anschlußkonkurs eröffnet. Die vom Kläger als Masseforderung angemeldete Klageforderung wurde vom Masseverwalter nicht anerkannt. Mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 8. März 1979, wurde u. a. eine Forderung des Klägers gegen die X Baugesellschaft OHG im Betrag von 1 Mill. S mehr oder weniger zugunsten von Gläubigern gepfändet und zur Einziehung überwiesen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Nach § 46 Abs. 1 Z. 2 KO stellten im Anschlußkonkurs nur Ansprüche aus Rechtshandlungen des Schuldners oder des für ihn handelnden Ausgleichsverwalters während des Ausgleiches, die nach den Bestimmungen der Ausgleichsordnung zur Fortführung des Geschäftes gestattet seien, Masseforderungen dar. Eine im Auftrag des Ausgleichsschuldners und des Ausgleichsverwalters gesetzte Tätigkeit zum Verkauf des Unternehmens diene aber nicht der Fortführung des Geschäftes und begrunde daher keine Masseforderung, sondern nur eine Konkursforderung. Das Klagebegehren habe daher ohne weitere Beweisaufnahme abgewiesen werden müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die Rechtshandlung des Schuldners oder des für ihn handelnden Ausgleichsverwalters, aus der im Anschlußkonkurs eine Masseforderung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO abgeleitet werde, müsse nach den Bestimmungen der Ausgleichsordnung während des Ausgleichsverfahrens gestattet gewesen sein - dieses Erfordernis sei nach § 8 AO zu beurteilen - und zur Fortführung des Geschäftes gedient haben. Der Begriff der Rechtshandlungen zur Fortführung des Geschäftes werde im Gesetz nicht erläutert. Allerdings ergebe sich aus dem Vergleich des Wortlautes des § 8 Abs. 2 AO einerseits und des § 10 Abs. 4 AO sowie der §§ 31 Abs. 3 und 46 Abs. 1 Z. 2 KO andererseits, daß sich die Begriffe "Geschäfte, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören" und "Rechtshandlungen zur Fortführung des Geschäftes" nicht wesentlich unterschieden (SZ 9/45). Sie müßten jedenfalls zur Fortführung des Geschäftes des Schuldners, d. h. seiner Erwerbstätigkeit dienen. Unter "Geschäft" sei ebenso wie unter "Geschäftsbetrieb" im § 8 AO jede Erwerbsbeschäftigung des Schuldners zu verstehen, die den Abschluß oder die Erfüllung von Rechtsgeschäften mit sich bringe und die als Quelle für den Lebensunterhalt des Schuldners und für die Befriedigung der Gläubiger auch während des Ausgleichsverfahrens aufrecht erhalten werden soll. "Zur Fortführung" bedeute, daß die Rechtshandlungen dazu bestimmt sein müßten, das zur Zeit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens bestehende "Geschäft" durch Abschluß oder Erfüllung von Rechtsgeschäften aufrecht zu erhalten (Bartsch - Pollak[3] II, 155; Bartsch in AnwZ 1931, 122 f.). Bartsch führe a. a. O., 123 weiter aus, daher seien alle Rechtsgeschäfte, die eine Wertverminderung des Aktivvermögens verhindern oder seine Werterhöhung herbeiführen sollten, zur Fortführung des Geschäftes bestimmt. Er nenne als Beispiel u. a. die Pölzung eines baufälligen Hauses, die wirklich zur Fortführung des Geschäftes bestimmt sei, wenn das Haus dazu diene, die Erwerbsbeschäftigung des Schuldners zu fördern, nicht aber dann, wenn sie an einem reinen Voluptuarvermögen vorgenommen werde, selbst wenn der volle Gegenwert dem Vermögen zuwachse. Bartsch schließe mit dem Satz, der Gedanke, von dem alle drei Gesetzesstellen, die die Geschäftsführungsforderungen erwähnten, also § 10 Abs. 4 AO, §§ 31 Abs. 3 und 46 Abs. 1 Z. 2 KO, ausgingen, sei der der "in rem versio", einer Verwendung zur Werterhöhung des Aktivvermögens. Es zeige sich also, daß der Satz, Rechtsgeschäfte seien dann zur Fortführung des Geschäftes bestimmt, wenn sie eine Wertverminderung des Aktivvermögens verhindern oder seine Werterhöhung herbeiführen sollten, nicht isoliert betrachtet werden könne und keine Definition des Begriffes der Rechtshandlungen zur Fortführung des Geschäftes darstelle. Dieser Satz finde sich - entgegen der Annahme des Klägers - auch nicht in der Begründung der Entscheidung des OGH JBl. 1933, 235, sondern sei nur ein Satz in der - vom OGH im Ergebnis gebilligten - offensichtlich auf Bartsch zurückgehenden umfangreichen Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung, der diese jedoch nicht trage. Er dürfe nicht - wie dies der Kläger tue - aus dem Zusammenhang gelöst werden. Handlungen, die dahin zielten, einen Ausgleich mit den Gläubigern herbeizuführen, ein Unternehmen zu sanieren oder zu liquidieren, komme die Eigenschaft des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO ebensowenig zu (vgl. SZ 29/85; EvBl. 1962/196) wie einer im Interesse des Schuldners entfalteten Beratungstätigkeit eines Rechtsanwaltes, selbst wenn daraus den Ausgleichsgläubigern mittelbar ein Vorteil hätte erwachsen können (SZ 9/45). Im übrigen gehe selbst der Kläger davon aus, daß der Verkauf des Gesamtunternehmens zweifellos über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgegangen wäre. Schon aus diesem Grund könne aber auch ein Hilfsgeschäft hiezu - gleichgültig, ob der Ausgleichsverwalter zustimme oder nicht - keine Geschäftsführungshandlung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO sein.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Masseforderungen nach § 46 Abs. 1 Z. 2 KO sind im Anschlußkonkurs auch alle Ansprüche aus Rechtshandlungen des Schuldners oder des für ihn handelnden Ausgleichsverwalters, die nach den Bestimmungen der Ausgleichsordnung zur Fortführung des Geschäftes gestattet sind. Diese Rechtshandlungen müssen also 1. nach den Bestimmungen der Ausgleichsordnung gestattet und 2. zur Fortführung des Geschäftes bestimmt gewesen sein. Ob eine Masseforderung nach § 46 Abs. 1 Z. 2 KO vorliegt, hängt mithin nicht nur davon ab, ob die Rechtshandlung nach § 8 AO gestattet war, sondern auch davon, ob sie zur Fortführung des Geschäftes diente. Die Frage, ob eine Rechtshandlung zur Fortführung des Geschäftes gehört, hat nichts mit der Frage zu tun, ob diese Rechtshandlung zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 8 AO gehört. Daß der Ausgleichsverwalter gegen eine Rechtshandlung des Ausgleichsschuldners, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört, keinen Einspruch erhoben hat oder einer Rechtshandlung des Ausgleichsschuldners, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört, zugestimmt hat, besagt noch nichts darüber, ob diese Rechtshandlung zur Fortführung des Geschäftes bestimmt war (Bartsch - Pollak[3] II, 154 f. Anm. 14 zu § 10 AO; Bartsch in AnwZ 1931, 122; SZ 9/45).
Für die Entscheidung der Frage, ob die Vorinstanzen bereits auf Grund des Klagevorbringens und der bisherigen Verfahrensergebnisse - ohne Aufnahme weiterer Beweise - zur Abweisung des Klagebegehrens gelangen konnten, kommt es daher im vorliegenden Fall darauf an, ob auch die Veräußerung des Unternehmens des Ausgleichsschuldners zum Zweck der Fortführung dieses Unternehmens durch den Erwerber und die zu diesem Zweck erfolgende Beauftragung eines Maklers mit der Vermittlung von Kaufinteressenten der Fortführung des Geschäftes (Unternehmens) im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO dienen. Das ist zu verneinen. Der vom Berufungsgericht herangezogenen Lehre und Rechtsprechung, die Honoraransprüche von Ausgleichsvermittlern und solche von Rechtsanwälten, die mit der Durchführung des Verkaufes des Unternehmens des Ausgleichsschuldners oder der Aufnahme eines kapitalkräftigen Gesellschafters betraut sind, nicht als Masseforderungen anerkannt, ist zu entnehmen, daß unter der Fortführung des Geschäftes (Unternehmens) im vorerwähnten Sinn - dem Zweck des Ausgleichsverfahrens entsprechend, die wirtschaftliche Existenz des Ausgleichsschuldners zu erhalten (vgl. Bartsch, Grundriß des Ausgleichs- und Konkursrechts[2], 7; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 191) - die Fortführung durch den Ausgleichsschuldner selbst, nicht aber durch einen Unternehmenserwerber zu verstehen ist. Es muß sich um die Abschließung oder Erfüllung von Rechtsgeschäften des Unternehmens des Ausgleichsschuldners und darf sich nicht um die Abschließung oder Erfüllung von Rechtsgeschäften über das Unternehmen des Ausgleichsschuldners handeln (s. insbesondere Bartsch a. a. O., 122 f.; SZ 9/45; JBl. 1933, 235; SZ 29/85). Dieselbe Auffassung vertreten Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 528 und 780, die an letzterer Stelle auch betonen, daß erlaubte Handlungen des Schuldners zur Fortführung seines Geschäftes, d. h. seiner Erwerbstätigkeit, begünstigt werden.
Anmerkung
Z53062Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1980:0050OB00306.8.0422.000Dokumentnummer
JJT_19800422_OGH0002_0050OB00306_8000000_000