TE Vwgh Erkenntnis 2005/5/3 2005/18/0054

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Veröffentlicht am 03.05.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des P, geboren 1986, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Jänner 2005, Zl. SD 825/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Jänner 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer - laut angefochtenem Bescheid kroatischer Staatsangehöriger, nach seinen eigenen Angaben in der Beschwerde Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina - gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seit 4. Juni 1992 im Bundesgebiet gemeldet. Ab 20. Oktober 1992 habe er zunächst (mit Unterbrechungen) über Sichtvermerke und anschließend über Aufenthaltstitel verfügt.

Am 1. August 2002 sei er wegen des Verbrechens gemäß §§ 142 Abs. 1 und 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten, davon 13 Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter am 1. Februar 2002 und am 10. Februar 2002 jeweils einem anderen ein Handy geraubt habe. Am 23. Februar 2002 habe er gemeinsam mit einem Mittäter unter Verwendung eines Butterfly-Messers, sohin einer Waffe, einer Person ein Handy und einen "Diskman" sowie zwei weiteren Personen jeweils ein Handy und Bargeld geraubt.

Der Beschwerdeführer habe sich durch dieses Urteil nicht von weiteren Straftaten abhalten lassen. Bereits am 15. Jänner 2003 habe er gemeinsam mit einem Mittäter einem unbekannt gebliebenen Schwarzafrikaner mehrere Suchtgiftkugeln geraubt. Dabei habe der Mittäter eine Gaspistole gegen das Opfer gerichtet, während der Beschwerdeführer sich zum Eingreifen bereitgehalten und Aufpasserdienste geleistet habe. Am selben Tag hätten die beiden Täter die Kellnerin eines Lokals beraubt und dabei Bargeld und ein Mobiltelefon erbeutet. Bei diesem Überfall habe der Mittäter das Opfer mit dem Erschießen bedroht, während der Beschwerdeführer Aufpasserdienste geleistet habe. Auf Grund dieser Straftaten sei der Beschwerdeführer am 23. Mai 2003 wegen §§ 142 Abs. 1, 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Gleichzeitig sei die teilweise bedingte Nachsicht der am 1. August 2002 verhängten Freiheitsstrafe widerrufen worden.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei daher erfüllt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er habe zuletzt mit seiner Schwester und deren Familie im gemeinsamen Haushalt gelebt. Eine zweite Schwester und die Eltern des Beschwerdeführers seien ebenfalls in Österreich rechtmäßig niedergelassen, die Eltern würden sich jedoch sehr oft in Kroatien aufhalten. Der Beschwerdeführer habe in Österreich neun Jahre die Schule besucht. Das Aufenthaltsverbot sei zweifelsfrei mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz des Eigentums und der körperlichen Unversehrtheit) dringend geboten. Die bisherigen Verurteilungen würden eindrucksvoll die geringe Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten zeigen. Nicht einmal die keinesfalls geringfügige Vorverurteilung habe ausgereicht, um den Beschwerdeführer von weiteren einschlägigen Straftaten abzuhalten. Eine positive Verhaltensprognose sei daher nicht möglich. Das Aufenthaltsverbot sei somit im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese Integration werde jedoch in ihrer sozialen Komponente durch das schwerwiegende strafbare Verhalten entsprechend gemindert. Angesichts der erheblichen familiären Bindungen wiege das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet zwar schwer, sei jedoch nicht besonders ausgeprägt. Dem stehe das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere der Eigentumskriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage komme die Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als das öffentliche Interesse daran, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlasse.

§ 38 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen. Da der Beschwerdeführer erst seit seinem 6. Lebensjahr in Österreich lebe, sei er nicht von klein auf im Bundesgebiet aufgewachsen, weshalb die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht gegeben seien.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grundlage der unstrittig feststehenden Straftaten des Beschwerdeführers und der deswegen erfolgten rechtskräftigen Verurteilungen begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Juni 1992, also seit etwa zwölf Jahren und sieben Monaten, den Schulbesuch in Österreich, die Haushaltsgemeinschaft mit einer Schwester und deren Familie sowie den inländischen Aufenthalt einer weiteren Schwester und der Eltern berücksichtigt. Wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, wird die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert.

Den insgesamt dennoch gewichtigen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus den Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Der Beschwerdeführer hat nur fünf Monate nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen mehrerer zum Teil bewaffneter Raubüberfälle bereits weitere derartige Überfälle begangen. Im Hinblick auf das sehr große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger Straftaten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken.

Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, zu seiner Heimat "keinerlei Beziehung" mehr zu haben, ist ihm entgegenzuhalten, dass von § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2003/18/0039).

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich vor allem gegen die Auffassung der belangten Behörde, § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG stehe dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer nicht von klein auf in Österreich aufgewachsen sei. Er bestreitet nicht, sich seit Juni 1992, also seit dem Alter von sechs Jahren, in Österreich aufzuhalten. Er bringt jedoch vor, die Ansicht, er falle nicht mehr unter die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG, sei unhaltbar. Diese Bestimmung trage - nach den Gesetzesmaterialien - dem Umstand Rechnung, dass viele Fremde der zweiten Generation entweder bereits in Österreich geboren oder mit ihren Eltern als Kind nach Österreich gekommen seien. Gerade diese Voraussetzungen seien bei ihm gegeben, sei er doch als noch nicht schulpflichtiges Kind mit seinen Eltern nach Österreich gekommen. Er habe hier die Pflichtschule absolviert und den Großteil seiner Kindheit und Jugend verbracht.

3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150, mit ausführlicher Begründung auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien dargelegt hat, ist die Wendung "von klein auf" in § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Da der Beschwerdeführer erst im Alter von sechs Jahren nach Österreich gekommen ist, steht § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 3. Mai 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005180054.X00

Im RIS seit

10.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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