Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mohr als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm A wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1
und Abs. 2 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 11. Juli 1979, GZ 3 a Vr 596/79-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, und der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Schmidt zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. Februar 1963 geborene jugendliche Angeklagte Wilhelm A von der wider ihn erhobenen Anklage, am 27. Jänner 1979 in Wien versucht zu haben, dem Staat in seinem (konkreten) Recht auf Ausschluß der nicht den materiellen Zulassungsvoraussetzungen entsprechenden Fahrzeugen vom öffentlichen Verkehr und auf Ausforschung der Fahrzeuglenker an Hand der zugewiesenen Kennzeichen dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß er Organe der öffentlichen Straßenaufsicht durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die vorliegend mangels einer Haftpflichtversicherung fehlende Zulassungsvoraussetzung, zum Unterlassen des Einschreitens zu verleiten suchte, indem er auf dem von ihm gelenkten Moped, Marke 'Zündapp', eine von ihm unbefugt aus Karton verfertigte Kennzeichentafel mit der Aufschrift 'W 1.738' anbrachte und sodann mit diesem Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnahm, (und hiedurch das Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen zu haben), gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen verfertigte der Angeklagte aus grauem Pappkarton ein in der Form einem Mopedkennzeichen ähnliches Schild, das er mittels Kugelschreiber und in blauer Schrift mit der frei erfundenen (Buchstaben-)Zahlenkombination 'W 1.738' versah und an seinem kurze Zeit vorher erworbenen Moped der Marke 'Zündapp' befestigte. Dieses solcherart ausgestattete und zum Verkehr nicht zugelassene Moped benützte der Angeklagte am 27. Jänner 1979 zu einer Probefahrt in Wien, auf der er in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, der zum Einschreiten der Polizei führte, die bei diesem Anlaß die Sache mit dem vom Angeklagten unbefugt angefertigten und auf dem Fahrzeug angebrachten Kennzeichen aufdeckte.
Rechtliche Beurteilung
Den Freispruch des Angeklagten von dem Anklagevorwurf der versuchten Täuschung begründete das Erstgericht im wesentlichen damit, daß das vom Angeklagten angefertigte Mopedkennzeichen eine äußerst plumpe Fälschung darstelle, eine behelfsmäßige Ersatztafel nach dem § 51 Abs. 3 KFG hingegen in ihrer Form den von der Behörde ausgegebenen Kennzeichentafeln möglichst gleichen soll, sodaß nachdem vom Angeklagten zur Täuschung verwendeten, hiezu aber völlig ungeeigneten Mittel ein absolut untauglicher Versuch vorliege. Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die begründet ist. Dem Erstgericht ist zwar beizupflichten, daß eine graue Pappkartontafel, auf der - so wie vorliegend - mit Kugelschreiber in blauer Schrift eine Kennzeichennummer vermerkt ist, einer behördlich ausgegebenen Kennzeichentafel nicht ähnlich und mit dieser nicht verwechslungsfähig ist. Dieser Umstand steht aber nur einer Tatbeurteilung (auch) als Urkundenfälschung durch den Gebrauch einer falschen öffentlichen Urkunde nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB entgegen (vgl. ÖJZ-LSK 1975/231). Im vorliegenden Fall war aber zu prüfen, ob der Angeklagte den Vergehenstatbestand der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und 2 StGB dadurch verwirklicht hat, daß er die befugte Benützung einer behelfsmäßigen Ersatztafel nach dem § 51 Abs. 3 KFG vortäuschte und dadurch den Staat in seinem konkreten Recht, Fahrzeuge die die materiellen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen, vom öffentlichen Verkehr auszuschließen, absichtlich zu schädigen versuchte. Nach der vorzitierten Gesetzesstelle darf nach dem Verlust von Kennzeichentafeln das Fahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur auf Grund einer Bewilligung zur Durchführung von Überstellungsfahrten oder eine Woche vom Tage des Verlustes an mit einer behelfsmäßigen Ersatztafel weiterverwendet werden, die in ihrer Form den von der Behörde ausgegebenen Kennzeichentafeln möglichst gleicht.
Letztere Vorschrift kann jedoch entgegen der Auffassung des Erstgerichtes nicht dahin verstanden werden, daß eine behelfsmäßige Ersatztafel so beschaffen sein müsse, daß sie von einer amtlichen Kennzeichentafel nicht zu unterscheiden ist.
Da § 51 Abs. 3 KFG nur verlangt, daß die behelfsmäßige Ersatztafel den von der Behörde ausgegebenen Kennzeichentafeln möglichst gleichen soll, verliert ein solches (befugterweise) angefertigtes Ersatzkennzeichen ihre Funktion als behelfsmäßige Ersatztafel nach der vorzitierten Gesetzesstelle nicht schon deshalb, weil sie infolge der Verschiedenheit in ihrer Gestaltung selbst bei nur oberflächlicher Betrachtung mit einer amtlichen Kennzeichentafel nicht verwechselt werden kann und demnach zur Vortäuschung einer solchen (absolut) ungeeignet ist. Denn es ist nicht Sinn und Zweck dieser Bestimmung des § 51 Abs. 3 KFG, eine amtliche Kennzeichentafel vorzutäuschen; mit der - befugterweise angebrachten - behelfsmäßigen Ersatztafel soll vielmehr nur die (befristete) Berechtigung zur Weiterverwendung des Fahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nach dem Verlust der amtlichen Kennzeichentafel dargetan werden.
Dem Erstgericht ist daher, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde zutreffend aufzeigt, ein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es den Freispruch des Angeklagten damit begründet, daß er infolge Benützung eines zur Täuschung völlig ungeeigneten Mittels, das den Versuch des Delikts der Täuschung als absolut untauglich (im Sinne des § 15 Abs. 3 StGB) erscheinen läßt, das Tatbild der versuchten Täuschung schon objektiv nicht verwirklicht habe.
Da jedoch das angefochtene Urteil die zur Beurteilung der subjektiven Tatseite des dem Angeklagten zum Vorwurf gemachten Delikts der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB erforderlichen Feststellungen darüber, ob er auch mit dem Vorsatz handelte, Straßenaufsichtsorgane, sohin Beamte in Beziehung auf ein Amtsgeschäft, über die Tatsache zu täuschen, daß das von ihm benützte Moped, für das kein Versicherungsschutz durch eine Haftpflichtversicherung bestand, zum Verkehr nicht zugelassen war, und ob darüberhinaus seine Absicht darauf gerichtet war, einem anderen (hier: dem Staat in den in der Anklageschrift angeführten konkreten Rechten) einen Schaden zuzufügen, zur Gänze vermissen läßt (vgl. ÖJZ-LSK 1977/77), ist dem Obersten Gerichtshof angesichts dieser dem Ersturteil anhaftenden Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite eine Entscheidung in der Sache selbst verwehrt. Es war sohin der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Anmerkung
E02624European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00010.8.0521.000Dokumentnummer
JJT_19800521_OGH0002_0120OS00010_8000000_000