TE OGH 1980/5/27 1Ob621/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.1980
beobachten
merken

Norm

ABGB §1080
KSchG §20

Kopf

SZ 53/84

Spruch

Beim Kauf auf Probe wird der Verpflichtung zur Anzahlung bei Übergabe der Sache (§ 20 Abs. 1 KSchG) nur entsprochen, wenn sie spätestens im Zeitpunkt der Entstehung der Leistungsverpflichtung des Käufers bezahlt wird; der Verkäufer verliert gemäß § 20 Abs. 2 KSchG jedoch nie mehr als die gesetzliche Mindestanzahlung

OGH 27. Mai 1980, 1 Ob 621/80 (OLG Graz 3 R 29/80; LGZ Graz 23 Cg 327/79)

Text

Die klagende Partei betreibt ein Versand-Warenhaus. Bei Aufgabe der Bestellung wird dem Kunden freigestellt, ob er einen sogenannten "Kauf auf Rechnung" oder einen Kauf auf Teilzahlung abschließen will. Zum sogenannten "Kauf auf Rechnung" wird im Katalog der klagenden Partei ausgeführt: "Beim Kauf auf Rechnung kommt das Paket nicht mehr per Nachnahme. Dann können wir gemeinsam prüfen und probieren. Und erst, wenn alles in Ordnung ist, das heißt, wenn wir uns entschlossen haben, die Ware zu behalten, zahlen wir so, wie wir es auf der Bestellkarte angekreuzt haben: Wir überweisen entweder den vollen Betrag sofort oder zahlen ihn in drei Teilbeträgen, wobei der erste Teilbetrag vor Ablauf der dreiwöchigen Ansichtsfrist einzuzahlen ist. Mit der Leistung dieser Anzahlung geht die Ware in unseren Besitz über."

Die Beklagte bestellte am 2. Oktober 1979 Möbel im Wert von 110 000 S und entschloß sich, einen "Kauf auf Rechnung" zu tätigen und die Bezahlung der Ware in drei Raten von einmal 70 000 S und zweimal 20 000 S vorzunehmen. Der erste Betrag war vor Ablauf der dreiwöchigen Ansichtsfrist, der zweite Teilbetrag am 5. Dezember 1979 und der dritte Teilbetrag am 5. Jänner 1980 zu bezahlen. Die Ware wurde am 4. Oktober 1979 an die Beklagte ausgeliefert. Die Beklagte leistete weder die Anzahlung von 70 000 S noch teilte sie der klagenden Partei mit, daß sie die Ware nicht behalte; sie stellte die Ware der klagenden Partei auch nicht zurück.

Die klagende Partei begehrt auf Grund dieses Sachverhaltes die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des Betrages von 70 000 S samt Anhang.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Ware vor Leistung der bedungenen Anzahlung übergeben wurde und demnach gemäß § 20 KSchG kein Anspruch auf Leistung der Anzahlung bestehe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Es liege ein Kauf auf Probe vor. Gemäß § 1081 ABGB gelte zwar Stillschweigen bei bereits übergebener Ware als Genehmigung, doch sei diese Bestimmung nicht zwingendes Recht. Nach dem Inhalt des Vertrages sei dieser für die Beklagte erst mit Leistung der Anzahlung verpflichtend. Die Anzahlung sei aber nicht bezahlt worden. Die klagende Partei könne demnach die Ware zurückverlangen, allenfalls auch Schadenersatz begehren, aber keine Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen. Im übrigen könne auch nicht gesagt werden, daß der Kaufgegenstand der Beklagten bereits übergeben worden sei; auch die Übergabe sollte offenbar davon abhängen, daß die Anzahlung geleistet wird.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge und entschied im Sinne des Klagebegehrens. Der Kaufvertrag sei dadurch, daß die Beklagte die Möbel nach Ablauf der Probezeit behielt, durch schlüssige Handlung zustande gekommen. Nach § 20 Abs. 2 KSchG verliere der Verkäufer den Anspruch auf die Mindestanzahlung, wenn er die Sache übergebe, ohne die Mindestanzahlung erhalten zu haben. Vertragsgemäß sollte der Besitzübergang aber erst mit der Leistung der Anzahlung eintreten. Da die Anzahlung noch nicht geleistet wurde, sei auch der Besitzübergang noch nicht erfolgt. Demnach sei aber die Beklagte zur Zahlung der Anzahlung verpflichtet.

Über Revision der Beklagten änderte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß er die Beklagte zur Bezahlung von 48 000 S samt Anhang verurteilte und das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 22 000 S samt Anhang abwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 16 Abs. 2 des am 1. Oktober 1979 in Kraft getretenen Konsumentenschutzgesetzes, BGBl. 140/1979, das auf den vorliegenden Rechtsfall anzuwenden ist, ist ein Abzahlungsgeschäft im Sinne der Bestimmungen dieses Gesetzes ein Kaufvertrag über eine bewegliche körperliche Sache, auf Grund dessen der Unternehmer die Sache vor vollständiger Bezahlung dem Verbraucher zu übergeben und dieser das Entgelt in Teilzahlungen zu entrichten hat. Die §§ 18 bis 25 KSchG gelten gemäß § 16 Abs. 1 KSchG für Abzahlungsgeschäfte, bei denen das Gesamtentgelt 150 000 S nicht übersteigt und nach der Erbringung der Leistung des Unternehmers - abgesehen von einer Anzahlung - mindestens zwei Teilzahlungen zu entrichten sind. Da das Gesamtentgelt 110 000 S beträgt, vertragsgemäß der Kaufpreis in drei Teilzahlungen (Anzahlung und zwei Ratenzahlungen) zu leisten und die Ware vor vollständiger Bezahlung dem Verbraucher zu übergeben war, liegt ein Abzahlungsgeschäft im Sinne der vorgenannten Gesetzesbestimmungen vor. Gemäß § 20 Abs. 1 KSchG hat der Verbraucher einen Teil des Barzahlungspreises spätestens bei der Übergabe der Sache anzuzahlen. Die Anzahlung muß mindestens 10 v. H. des Barzahlungspreises und, soweit dieser 3000 S übersteigt, mindestens 20 v. H. des Barzahlungspreises betragen. Übergibt der Unternehmer dem Verbraucher die Sache, ohne die Mindestanzahlung (Abs. 1) erhalten zu haben, so hat er keinen Anspruch auf den der nicht geleisteten Anzahlung entsprechenden Teil des Kaufpreises (§ 20 Abs. 2 KSchG).

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob und in welchem Ausmaß die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 KSchG Platz greift. Das Gesetz knüpft die Sanktion des § 20 Abs. 2 KSchG daran, daß die Sache dem Verbraucher übergeben wird, ohne daß der Unternehmer die Mindestanzahlung erhalten hat. Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene "Kauf auf Rechnung" sah nun vor, daß die gekaufte Ware dem Käufer übergeben werde, um sie "prüfen und probieren" zu können. Nach dem Vertragsinhalt sollte "wenn alles in Ordnung ist, das heißt, wenn wir uns entschlossen haben, die Ware zu behalten" der erste Teilbetrag vor Ablauf der dreiwöchigen Ansichtsfrist geleistet werden. Es ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß die zwischen den Streitteilen zustande gekommene Vereinbarung als Kauf auf Probe (§§ 1080, 1081 ABGB) zu qualifizieren ist. Die Genehmigung des Rechtsgeschäftes war ungeachtet der Formulierung "wenn alles in Ordnung ist", die auf einen sogenannten Prüfungskauf (vgl. HS 7303/30, 7302; SZ 27/72) hindeuten könnte, durch den Gebrauch der weiteren Worte "wenn wir uns entschlossen haben, die Ware zu behalten" offensichtlich in das Belieben des Käufers gestellt, wie dies gemäß § 1080 ABGB für den Kauf auf Probe wesentlich ist. Der Kauf auf Probe ist nämlich ein Rechtsgeschäft, bei dem der Verkäufer sofort und unbedingt, der Käufer hingegen bedingt und erst nach Genehmigung unbedingt verpflichtet ist (EvBl. 1961/114; SZ 27/72; Mayer - Maly in Klang[2] IV/2, 904; Ehrenzweig, System[2] II/1, 422).

Der Vertrag ließe allerdings nach seiner Formulierung die Deutung zu, daß die Genehmigung nur in der Leistung der Anzahlung zu erblicken wäre (vgl. Mayer - Maly a. a. O., 907), sodaß bei Nichtleistung der Anzahlung die Verpflichtung des Käufers nicht zur Entstehung gelangt wäre. Beide Parteien wollen den Vertrag aber nicht in diesem Sinne verstehen. Daß die klagende Partei auf dem Boden eines unbedingt wirksam gewordenen Kaufvertrages steht, ergibt sich schon daraus, daß sie den nur bei Zustandekommen des Kaufvertrages gegebenen Anspruch auf Leistung der Anzahlung geltend macht. Wäre die Leistung der Anzahlung eine (aufschiebende) Bedingung für das Zustandekommen des Vertrages gewesen, hätte die klagende Partei nur die Herausgabe der zur Ansicht gelieferten Ware begehren können. Aber auch die Beklagte hielt dem Klagebegehren keineswegs den Einwand entgegen, mangels Erbringung der Anzahlung nicht verpflichtet zu sein, sondern meinte nur, daß die nur bei einem zustande gekommenen Kaufvertrag denkbare Verpflichtung zur Leistung der Anzahlung im Hinblick auf die Bestimmung des § 20 Abs. 2 KSchG entfalle. Im Berufungsverfahren wandten sich demgemäß auch beide Streitteile übereinstimmend gegen die Auffassung des Erstrichters, der eine Verpflichtung des Käufers verneint hatte; die Beklagte führte aus, sie habe sich entschlossen, die Möbel zu behalten, die klagende Partei könne von ihr nur die zweite und dritte Rate begehren, nicht aber die Anzahlung. Auch die klagende Partei vertrat den Standpunkt, das Rechtsgeschäft komme einzig und allein durch die Entscheidung des Kunden, die Ware für sich behalten zu wollen, zustande, wobei hiefür die Nichtrücksendung der Ware und der damit dokumentierte Wille des Kunden, die Ware zu behalten und somit das Rechtsgeschäft zustande kommen zu lassen, ausreichend sei. Im Hinblick auf diesen übereinstimmenden Parteiwillen, daß nicht die Leistung der Anzahlung, sondern der Ablauf der dreiwöchigen Ansichtsfrist den Kaufvertrag unbedingt werden ließ, ist für die Annahme, die Verpflichtung des Käufers sei vom Eintritt der aufschiebenden Bedingung der Leistung der Anzahlung abhängig, kein Raum.

Zu prüfen ist dann aber nur, ob die Kaufsache der Beklagten vor Leistung der Mindestanzahlung übergeben wurde. Die Beklagte verweist darauf, daß das Gesetz von einer Übergabe der Ware spreche, ohne irgendeine Einschränkung in dem Sinn zu machen, daß darunter die Übertragung eines wie immer qualifizierten Besitzes oder des Eigentums zu verstehen sei. Habe sich der Verkäufer zu einem Vertriebssystem entschlossen, bei dem - wie hier - die Ware vor Erhalt der Anzahlung übergeben werde, müsse er das Risiko, nämlich die Nichtzahlung der Anzahlung, tragen. Die klagende Partei wiederum vertritt die Meinung, die Übergabe der Ware bloß zur Besichtigung sei nicht als Übergabe im Sinne des § 20 KSchG anzusehen, es müsse sich dabei vielmehr um eine solche Art der Übergabe handeln, die Besitz und Eigentum an der Ware verschaffe; eine andere Konstruktion wäre für den Versandhandel von katastrophaler Bedeutung, weil es dann unmöglich wäre, einem Kunden eine Ware zur Ansicht zu übergeben. Nach der getroffenen Vereinbarung gehe aber die Ware erst mit der Leistung der Anzahlung in den Besitz des Käufers über; da die Anzahlung bisher noch nicht geleistet wurde, sei auch der Besitzübergang noch nicht eingetreten.

Die Bestimmung des § 20 Abs. 2 KSchG entspricht inhaltlich dem § 3 Abs. 2 RatG 1961. Während der Geltung des Ratengesetzes war anerkannt, daß unter der Übergabe jedenfalls die Übertragung des Eigentums an der Kaufsache, sei es durch körperliche Übergabe, Übergabe durch Zeichen oder Übergabe kurzer Hand zu verstehen ist. Im Falle der Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes wurde als Übergabe die Aushändigung der Sache auf eine der zuletzt genannten Arten mit der Einräumung des Rechtes zum Sachgebrauch erblickt (vgl. Mayrhofer, Das Abzahlungsgeschäft nach dem neuen Ratengesetz, 33;

Edlbacher, Kommentar zum Ratengesetz, 44). Edlbacher a. a. O. wies noch darauf hin, daß beim Versandgeschäft die Ware vielfach vor Abschluß des Abzahlungsgeschäftes zur Besichtigung übersendet werde;

im Falle nachträglichen Abschlusses des Abzahlungsgeschäftes mit Eigentumsvorbehalt genüge für die Übergabe die Erklärung, daß der Käufer die Sache weiter behalten könne.

Bei Prüfung der Frage, wann von einer Übergabe im Sinne des § 20 Abs. 2 KSchG gesprochen werden kann, muß vom Zweck dieser Gesetzesbestimmung ausgegangen werden. Die gesetzliche Regelung will völlig auf Kredit abgestellte Ratenkäufe unterbinden. Der Käufer soll gezwungen werden, einen bestimmten Teil des Kaufpreises zu bezahlen und damit von leichtfertigem Abschluß von Abzahlungsgeschäften abgehalten werden (vgl. zum Ratengesetz Mayerhofer a. a. O., 34). Im vorliegenden Fall wurde die Ware dem Käufer vorerst nur zur Besichtigung übergeben. In einem solchen Fall wird dem Zweck des Gesetzes Genüge getan, wenn der Käufer die Anzahlung im Zeitpunkt der Genehmigung des Rechtsgeschäfts und damit der Begründung seiner unbedingten Leistungspflicht erbringt. Dies kann dadurch erreicht werden, daß die Leistung der Anzahlung als aufschiebende Bedingung der Verpflichtung des Käufers vereinbart wird. Leistet der Käufer dann die Anzahlung während der Probezeit nicht, so kann der Verkäufer die Sache zurückfordern, weil ein auch den Käufer bindender Vertrag nicht zustande gekommen ist. Damit wird der Abschluß eines reinen Kreditgeschäftes vermieden. Sollte hingegen, wie es dem Standpunkt beider Parteien entspricht, der bloße Behalt der Ware nach Ablauf der Probezeit als Genehmigung gelten, so muß dieser Zeitpunkt, an den mangels anderer Vereinbarung sogar bereits der Eigentumserwerb geknüpft war, als jener gelten, zu dem die Sache dem Verbraucher als im Sinne des § 20 Abs. 2 KSchG übergeben anzusehen ist. Eine vertragliche Vereinbarung, wonach die Ware erst mit der nach diesem Zeitpunkt erfolgten Leistung der Anzahlung als übergeben zu gelten hat, wäre eine unzulässige Umgehung der Bestimmung des § 20 Abs. 2 KSchG. Die Meinung der klagenden Partei läuft darauf hinaus, daß der Bestimmung des § 20 Abs. 2 KSchG auch dann noch entsprochen wäre, wenn die eingeklagte Anzahlung exekutiv hereingebracht wird, was dem Zweck des Gesetzes offenbar zuwiderläuft.

Es ist dann aber im vorliegenden Fall die Ware ohne Leistung der Mindestanzahlung übergeben worden. Daran knüpft § 20 Abs. 2 KSchG die Rechtsfolge, daß der Verkäufer "keinen Anspruch auf den der nicht geleisteten Anzahlung entsprechenden Teil des Kaufpreises" hat. Das Gesetz spricht nicht klar aus, ob im Fall der Vereinbarung einer höheren als der gesetzlichen Mindestanzahlung die gesamte vereinbarte Anzahlung oder aber nur die Mindestanzahlung nicht mehr gefordert werden kann. Zum Ratengesetz wurde die Ansicht vertreten, daß der Verkäufer den Anspruch nur insoweit verliere, als durch die Nichtzahlung der Anzahlungsbetrag unter die gesetzliche Grenze gesunken ist (Mayerhofer a. a. O., 39). In diesem Sinne ist auch § 20 Abs. 2 KSchG auszulegen. Der Gesetzgeber fordert in § 20 Abs. 1 KSchG nur die Leistung einer betraglich fixierten Mindestanzahlung und sanktioniert in § 20 Abs. 2 KSchG nur die Übertretung dieser Anordnung. Es ist kein Grund dafür erkennbar, daß die Sanktion des Verlustes der Anzahlung mehr als die Mindestanzahlung erfassen sollte. Übergibt der Unternehmer die Sache dem Verbraucher, ohne die Mindestanzahlung erhalten zu haben, so verliert er also nur den Anspruch auf diese. Die Mindestanzahlung beträgt im vorliegenden Fall gemäß § 20 Abs. 1 KSchG 20 v. H. des Barzahlungspreises, somit 22 000 S.

Anmerkung

Z53084

Schlagworte

Anzahlung bei Kauf auf Probe, Konsumentenschutz, Kaufvertrag, Anzahlung bei Kauf auf Probe, Konsumentenschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0010OB00621.8.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19800527_OGH0002_0010OB00621_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten