Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Mai 1980 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kral, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl A und andere wegen des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Karl A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die von den Angeklagten Anton B und Peter B erhobenen Berufungen gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengerichts vom 24. Jänner 1980, GZ. 14 Vr 1851/79-36, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Myslik und Dr. Piffl-Lambert und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen der Angeklagten Karl A und Anton B wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung des Angeklagten Peter B wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 25.Juni 1953 geborene Karl A der Verbrechen der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB. und des Zwangs zur Unzucht nach dem § 203 Abs. 1 StGB., sowie des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Urteilsspruchs hat er (zu I) gemeinsam mit den Mitangeklagten Anton und Peter B am 13. und 14.Oktober 1979 in Vandans Claudia D mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie ihr in einem abgesperrten Raum die Kleider vom Körper rissen, sie auf ein Bett warfen und ihre Beine festhielten und auseinanderdrückten, sowie durch die Äußerung wenn sie sie nicht freiwillig 'lasse', dann werden sie es eben mit Gewalt tun, wobei Peter B seinen Nunchaku schwang, mithin durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, widerstandsunfähig gemacht und sie in diesem Zustand zum mehrmaligen außerehelichen Beischlaf mißbraucht;
(zu II) am 15. (richtig: 14.)Oktober 1979 (vgl. u.a. S. 59) in Vandans Claudia D durch die (zu I) angeführte Gewaltandrohung sowie durch Festhalten an den Haaren und Herunterdrücken des Kopfes widerstandsunfähig gemacht und sie in diesem Zustand zur Unzucht dadurch mißbraucht, daß er sie zwang, einen Mundverkehr durchzuführen;
schließlich (zu V) im September 1979 ein Springmesser, mithin eine verbotene Waffe (§ 11 WaffenG.), unbefugt besessen. Der Beschwerdeführer stützt seine - formell einen Freispruch vom Punkt II des Schuldspruchs anstrebende - Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich auf die Gründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a und 10 StPO., der Sache nach nur den der Z. 10, da er die rechtliche Beurteilung der Tat auch als Verbrechen des Zwangs zur Unzucht bekämpft und bei Berechtigung seiner Einrede kein (Qualifikations-)Freispruch zu erfolgen hätte, sondern nur der zu Unrecht gefällte Schuldspruch aus dem Urteil auszuscheiden und die Strafe neu zu bemessen wäre. Er behauptet nämlich, alle dem Vollzug des erzwungenen Beischlafs vorangehenden und nachfolgenden Unzuchtshandlungen könnten nicht mit dem Verbrechen der Notzucht real konkurrieren. Der den Gegenstand der Verurteilung zu Punkt II des Urteils bildende erzwungende Mundverkehr sei als Nachphase der eigentlichen Notzucht anzusehen und deshalb keiner selbständigen rechtlichen Beurteilung zugänglich, womit er sinngemäß einwendet, diese Unzuchtshandlung sei als Begleiterscheinung des Beischlafs durch diesen konsumiert.
Rechtliche Beurteilung
Der behauptete Sumbsumtionsirrtum liegt nicht vor.
Das Erstgericht stellte ausdrücklich fest, daß der Zwang zum Mundverkehr erst längere Zeit nach der Durchführung des mehrmals erzwungenen Geschlechtsverkehrs stattfand und auch zwischen diesen Tathandlungen ein Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und der Zeugin D geführt wurde (S. 197, 198). Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich zutreffend, daß dieser der Notzucht nachfolgende Unzuchtsakt auf einem gesonderten Willensentschluß des Täters beruhte, somit eine von der Notzucht getrennte, selbständige Tathandlung darstellt, mit dieser real konkurriert und daher auch gesondert strafbar ist (Leukauf-Steininger2, RN. 25 zu § 201 StGB.). Dem Erstgericht unterlief somit kein Rechtsirrtum, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten Karl A nach dem § 201 Abs. 1 StGB. in Anwendung des § 28
StGB. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Nach denselben Gesetzesstellen verurteilte es den am 28.März 1959 geborenen Hilfsarbeiter Anton B, welcher der Verbrechen der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB. und des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2, 129 Z. 1 und 2 StGB. sowie der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 5 StGB., des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB. und der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt worden war, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Der am 29.Mai 1963 geborene Hilfsarbeiter Peter B wurde neben dem Verbrechen der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB. des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB. und desjenigen nach dem § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. schuldig gesprochen und nach dem § 201 Abs. 1
StGB. in Anwendung der §§ 28 StGB. und 11 JGG. zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht bei allen Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Delikte, bei Karl A und Anton B auch die Vorstrafen, wobei hinsichtlich A insbesondere die einschlägige Vorverurteilung wegen des Verbrechens nach dem § 202 Abs. 1 StGB. und darüber hinaus auch das besonders brutale und intensive Vorgehen bei einer Notzucht zusätzlich ins Gewicht fielen. Als mildernd wurde bei allen Angeklagten das Geständnis berücksichtigt, bei Anton B überdies sein Alter (zwar über 18, jedoch) unter 21 Jahren zur Tatzeit.
Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten Karl A und Anton B die Herabsetzung der Freiheitsstrafen, der Angeklagte Peter B die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.
Den Berufungen der Angeklagten A und Anton B kommt Berechtigung nicht zu:
Das Schöffengericht stellte nämlich die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig fest und verhängte auf deren Basis und unter Beachtung der allgemeinen für die Strafzumessung geltenden Normen (§ 32 StGB.) über die Genannten angemessene Freiheitsstrafen. Die Berufungsbehauptung des Angeklagten A, er sei gegen Claudia D nicht besonders brutal vorgegangen, entbehrt einer urteilsmäßigen Deckung; stellte doch das Schöffengericht unter anderem fest, daß sich der Angeklagte A zur Überwältigung der Claudia D eines offenen Springmessers bediente, wodurch sie eine (leichte) Schnittverletzung erlitt. Diese Vorgangsweise in Verbindung mit dem sonstigen Vorgehen aller drei Angeklagten gegen ein sechzehnjähriges, auf sich allein gestelltes Mädchen durch Bedrohung mit einem Schlaggerät, bis zu Atembeschwerden führendes Pressen eines Tuchs vor den Mund und die Aufforderung gerade des Karl A, Anton B möge den geplanten Geschlechtsverkehr an dem arg bedrängten Opfer 'doch endlich' durchführen (vgl. dazu insbesondere die Urteilsfeststellungen S. 195), lassen eine ganz ungewöhnliche Brutalität erkennen, die sehr wohl erschwerend ins Gewicht fällt. Das Berufungsvorbringen des Angeklagten A, man habe in der Annahme, Claudia D habe schon früher an einer derartigen 'Party' teilgenommen, diese zu einer solchen auch mit den drei Angeklagten nur 'überreden' wollen, geht daran vorbei, daß nach dem bis zu körperlicher und seelischer Erschöpfung geleisteten Widerstand DS für die drei Angeklagten klar erkennbar war, daß es weit entfernt von bloßem Überreden gemeinsam geübter roher Gewaltanwendung bedurfte, um erst über die Brechung des Widerstands der Genannten an das gewünschte Ziel zu gelangen.
Auch die vom Berufungswerber Anton B reklamierten zusätzlichen Milderungsumstände sind nicht gegeben.
Konkrete Hinweise auf eine Verstandesschwäche in der Bedeutung des § 34 Z. 1 StGB. sind weder dem Berufungsvorbringen noch dem Akt zu entnehmen. Der begehrten Annahme des Milderungsumstands nach dem § 34 Z. 3 (gemeint: Z. 2) StGB. stehen die Vorstrafen entgegen. Daß die Notzucht unter dem Einfluß eines Dritten verübt wurde, ist den (hiefür maßgeblichen) Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, aus denen sich vielmehr ergibt, daß der Plan zu dieser Tat und dessen Verwirklichung von allen drei Angeklagten ausging, ohne daß es einer als mildernd ins Gewicht fallenden Einwirkung auf Anton B bedurft hätte.
Hingegen erachtete der Oberste Gerichtshof das Berufungsbegehren des jugendlichen Angeklagten Peter B gerade noch für vertretbar. Dieser bisher nur wegen Diebstahls einmal ermahnte Angeklagte geht einer geregelten Beschäftigung nach und lebt im Haushalt seiner - ebenfalls im Beruf stehenden -
Mutter. Seine persönlichen Verhältnisse und der Umstand, daß er bei dem besonders gravierenden Sittlichkeitsdelikt, an dem neben seinem um mehr als vier Jahre älteren Bruder auch der um zehn Jahre ältere, wiederholt, darunter einmal auch einschlägig, vorbestrafte Karl A beteiligt war, mit erst sechzehn Jahren der weitaus Jüngste unter den Tätern war, berechtigen zur Annahme, daß die Strafzwecke - so auch das vom Erstgericht eigens hervorgehobene Moment der Sühne (S. 199), das aber insbesondere bei einem so jugendlichen Rechtsbrecher neben der Prävention in den Hintergrund tritt - durch eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe zu erreichen seien. Außer in den (hier nicht zutreffenden) Fällen des § 43 Abs. 1, letzter Satz, StGB. ist die bedingte Strafnachsicht nämlich bei keinem Delikt, auch nicht (wie der Schöffensenat vermeint) dem Verbrechen der Notzucht, von vornherein schlechthin ausgeschlossen (LSK. 1978/108). Es wurde daher bei Peter B in Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB. die Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen und dazu die Probezeit mit drei Jahren bestimmt.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02623European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00044.8.0529.000Dokumentnummer
JJT_19800529_OGH0002_0130OS00044_8000000_000