TE OGH 1980/6/10 9Os48/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.1980
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schubert als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147

Abs. 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22. Mai 1979, GZ 26 Vr 2922/77-135, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 41-jährige Angestellte Helmut A des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB (Punkt I/ des Urteilssatzes), des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1

und Abs. 2 zweiter Fall StGB (Punkt II/ des Urteilssatzes) und des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB (Punkt III/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Von der Anklage in Richtung betrügerischer Krida nach § 156 Abs. 1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und des Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB wurde A gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, während das Verfahren wegen (weiterer) Betrugsfakten, eines (weiteren) Falles betrügerischer Krida und wegen Vergehens nach § 114 ASVG gemäß § 57 StPO ausgeschieden wurde. Zu Punkt I/ des Schuldspruchs liegt dem Angeklagten zur Last, anfangs 1974 in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Raiffeisenkasse Hötting durch Vorlage eines von ihm vereinbarungswidrig auf den Betrag von 156.000 S (anstatt der ihm gebührenden 5.600 S) ausgefüllten Blankowechsels, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer falschen Urkunde, zur Eskomptierung dieses Wechsels verleitet zu haben, wodurch der Bezogene Friedrich B an seinem Vermögen um mehr als 100.000 S, nämlich um 150.400 S geschädigt wurde. Zu Punkt II/ des Schuldspruchs wird ihm hingegen angelastet, in der Zeit zwischen 9. August und 18. Oktober 1973 ebenfalls in Innsbruck ein ihm anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich ihm von der Firma Albert C, Fleisch-Filialbetriebsgesellschaft m. b. H, lediglich zur Einlagerung übergebene 499 Kartons mit 16.716,5 kg Fleisch im Wert von 635.227 S, sich mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch in den Punkten I/ und II/ des Urteilssatzes mit einer auf die Z 3, 4 und 5

des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; Punkt III/ des Schuldspruchs sowie der Freispruch sind hingegen in Rechtskraft erwachsen.

Zum Schuldspruch wegen Betrugs an Friedrich B (Punkt I/ des Urteilssatzes) behauptet der Beschwerdeführer, durch die Abweisung seines Antrags auf Beischaffung der Unterlagen der Raiffeisenkasse Innsbruck-Hötting 'betreffend die dem Angeklagten vom Zeugen D weiter übergebenen Wechsel (1972 und 1973)' (S 94/Bd. III) in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden zu sein, sodaß der Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gegeben sei; weiters wirft er dem Ersturteil in Ansehung dieses Schuldspruchs der Sache nach eine unvollständige Begründung und damit eine Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z 5 der zitierten Gesetzesstelle vor, weil sich das Erstgericht nicht mit den Angaben des Zeugen B in der Hauptverhandlung vom 22. Mai 1979, wonach er nicht mehr angeben konnte, ob er einen Betrag in den Wechsel eingesetzt oder diesen blanko unterschrieben habe und wie es zur Unterfertigung eines Wechsels über 33.000 S gekommen sei, auseinandergesetzt habe.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rügen versagen.

Der Beschwerdeführer hat in der Hauptverhandlung vom 22. Mai 1979 die Beischaffung der Unterlagen der Raiffeisenkasse Innsbruck-Hötting 'über die dem Angeklagten vom Zeugen D weiter übergebenen Wechsel' (gemeint wohl: über die vom Angeklagten dem Zeugen D weiter übergebenen Wechsel) aus den Jahren 1972 und 1973 zum Beweis dafür beantragt, daß stets die Hälfte der Wechselsumme in Abzug gebracht und die andere Hälfte nicht auf dem Konto (des Beschwerdeführers) gutgeschrieben wurde (S 94/Bd. III). Diesen Beweisantrag hat das Schöffengericht mit der Begründung abgewiesen, daß der für die Lösung der Schuldfrage erhebliche Sachverhalt auf Grund der Zeugenaussagen geklärt sei und es für die Schuldfrage keine Rolle spiele, ob derartige Wechselkreditierungen öfters vorgekommen sind (S 95/Bd. III).

Daß die Raiffeisenkasse Hötting schon in den vorangegangenen Jahren Wechsel zu Gunsten des Beschwerdeführers eskomptierte und ihm dabei nicht die gesamte Wechselsumme, sondern nur einen Teil hievon kreditierte, nachdem sich seine Bonität verschlechtert hatte, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Johann D (vgl. S 93/Bd. III) und steht mit der bezüglichen Darstellung des Beschwerdeführers im Einklang, sodaß insoweit zusätzliche Beweisaufnahmen entbehrlich waren. Divergenzen bestehen in den Angaben nur dahin, ob auch früher seitens der Raiffeisenkasse die volle Wechselsumme von den Bezogenen eingetrieben und sodann der Restbetrag dem Beschwerdeführer ausbezahlt bzw. gutgeschrieben wurde, wie dies jedenfalls für den vorliegend inkriminierten Sachverhalt der Zeuge D bekundete, wobei - seinen Aussagen zufolge - diese Praxis auch bei den früher kreditierten Wechseln eingehalten wurde. Die begehrte Beweisaufnahme konnte aber vor allem deshalb unterbleiben, weil der Beschwerdeführer bei seinem Antrag ersichtlich von seiner Verantwortung ausgeht, B sei ihm tatsächlich 80.000 S schuldig gewesen und er habe mit dessen Zustimmung (und in seiner Gegenwart) den Wechsel mit 156.000 S ausgefüllt, davon ausgehend, daß ihm die Bank nur die Hälfte der Wechselsumme, die seiner Forderung gegen B entspräche, gutschreiben werde. Denn nur unter dieser Voraussetzung könnte die beantragte Beweisaufnahme zu Gunsten des Beschwerdeführers überhaupt sinnvoll sein. Gerade diese Verantwortung hat aber das Schöffengericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung, vor allem gestützt auf die insgesamt für glaubwürdig befundenen Bekundungen des Zeugen Friedrich B, als widerlegt angesehen (S 107 f/Bd. III) und deshalb als erwiesen angenommen, daß B dem Beschwerdeführer nur 5.600 S schuldete, während der Beschwerdeführer den ihm von B übergebenen Blankowechsel eigenmächtig und widerrechtlich mit einem Betrag von 156.000 S versehen hat, worauf er ihn der Raiffeisenkasse vorlegte und sich hierauf zunächst rund 77.000 S und nach Fälligkeit und Präsentation auch den Restbetrag gutschreiben ließ, nachdem B die gesamte Wechselsumme an die Raiffeisenkasse bezahlt hatte. Damit hat das Schöffengericht jener Verantwortung des Beschwerdeführers, deren Richtigkeit Voraussetzung dafür gewesen wäre, daß der in Rede stehende Beweisantrag (allenfalls) zielführend sein hätte können, den Glauben versagt, wobei dem bezüglichen Ausspruch - wie noch dargelegt werden wird - Begründungsmängel nicht anhaften. Infolgedessen war das Erstgericht aber nicht verhalten, die begehrte Beweisaufnahme durchzuführen (vgl. SSt. 34/65).

Was dagegen die behauptete Unvollständigkeit der Urteilsgründe in Ansehung der Aussage des Zeugen B anlangt, so übersieht der Beschwerdeführer, daß sich B bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 22. Mai 1979 ausdrücklich auf seine Zeugenaussage im Vorverfahren (ON 53) bezogen und diese als richtig bezeichnet hat (S 83/ Bd. III); B hat sich lediglich in der Hauptverhandlung nicht mehr im Detail an die Vorgänge im Jahr 1974 erinnern können, weshalb er sich eben auf seine frühere Aussage berief und deren Richtigkeit bestätigte. Daher konnte sich das Schöffengericht zur Begründung seiner Feststellungen insgesamt auf die Aussage des Zeugen B, dem es Glaubwürdigkeit beimaß, stützen, wobei es auf den von der Beschwerde relevierten Umstand nicht gesondert hinzuweisen brauchte, zumal die Entscheidungsgründe gemäß § 270 Abs. 2 Z 5 StPO in gedrängter Darstellung abzufassen sind, welcher Verpflichtung das Erstgericht entsprochen hat.

Zum Schuldspruch wegen Veruntreuung (Punkt II/ des Urteilssatzes) macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, es liege eine Nichtigkeit nach Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO vor, weil die Aussage der Zeugin Antonia A gegen seinen Widerspruch und ohne daß die Voraussetzungen des § 252 Abs. 1 Z 1 StPO gegeben gewesen wären, verlesen worden sei. Dabei übersieht er, daß eine (allfällige) Verletzung der Vorschrift des § 252 Abs. 1 StPO als solche eine Nichtigkeit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht zur Folge hat, weil die Aufzählung jener Vorschriften in § 281 Abs. 1 Z 3

StPO, deren Verletzung mit Nichtigkeit bedroht ist, eine erschöpfende ist (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr. 2 ff zu § 281 Z 3 StPO) und § 252 StPO darin nicht enthalten ist. Im übrigen läßt er außeracht, daß nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls ON 134 - das hinsichtlich der darin beurkundeten Vorgänge vollen Beweis macht und dessen Berichtigung nicht begehrt wurde - die Verlesung der Aussage der Zeugin Antonia A zum Schuldspruchfaktum II/ mit Zustimmung des Beschwerdeführers erfolgt ist; eine Erklärung des Beschwerdeführers (bzw. seines Verteidigers), mit dieser Verlesung nicht einverstanden zu sein, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen (S 89-91/Bd. III; vgl. auch S 94/Bd. III).

Soweit die Beschwerde aber im gegebenen Zusammenhang den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht, weil das Erstgericht seinen Antrag auf Einvernahme der Zeugin Antonia A zum Faktum II/ abgewiesen habe, so übersieht sie, daß der Beschwerdeführer die Vernehmung der genannten Zeugin zu diesem Schuldspruchfaktum (Anklagefaktum: Veruntreuung zum Nachteil der Firma C) nach dem Inhalt des Protokolls ON 134 in der Hauptverhandlung vom 22. Mai 1979 gar nicht beantragt hat. Ein bezüglicher Antrag war vielmehr nur in der Hauptverhandlung vom 21. Juni 1977 gestellt (ON 86 S 219/Bd. II), in der Hauptverhandlung vom 22. Mai 1979 aber nicht wiederholt worden; in der zuletzt bezeichneten Hauptverhandlung wurde vielmehr die Vernehmung der in Rede stehenden Zeugin ausdrücklich (nur) zum Beweis dafür beantragt, 'daß der Angeklagte bis zum März 1974

zahlungsfähig war bzw. eine aktive Bilanz aufzuweisen hatte' (S 91/Bd. III), sohin nicht zum Anklagevorwurf der Veruntreuung. So gesehen fehlt es demnach schon an den formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes. Was letztlich die behaupteten Begründungsmängel in Ansehung des Schuldspruchs wegen Veruntreuung betrifft, mit denen der Beschwerdeführer der Sache nach eine unvollständige Begründung behauptet, weil das Erstgericht nicht darauf eingehe, daß nach der Aussage des Zeugen E bei der Einlagerung des Fleisches weder ein bestimmter Preis noch eine bestimmte Dauer vereinbart worden sei, woraus folge, daß zwischen dem Beschwerdeführer und der Firma C kein Verwahrungsvertrag zustande gekommen sei, so versagt auch dieser Einwand. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die Feststellung des Erstgerichts, wonach als Preis für die Einlagerung jene Gebühr vereinbart wurde, die vom Schlachthof Innsbruck verlangt wird, und wonach die Einlagerung für einige Monate erfolgen sollte (vgl. S 109/Bd. III), durchaus in der Aussage des Zeugen Josef E gedeckt (vgl. S 214/Bd. II). Im übrigen kommt es aber für den Tatbestand der Veruntreuung gar nicht darauf an, daß ein Verwahrungsvertrag im Sinne des bürgerlichen Rechts (für den im übrigen weder Entgeltlichkeit noch eine im voraus vereinbarte bestimmte Verwahrungszeit essentiell sind; vgl. §§ 957 ff, 963, 969 ABGB) zustande gekommen ist; denn anvertraut im Sinne des § 133 StGB ist eine Sache dann, wenn die Verfügungsgewalt über sie auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses mit der Verpflichtung erlangt wird, diese Verfügungsgewalt entsprechend der vereinbarten Rückstellungs- (oder Verwendungs-)pflicht nur im Sinne des Gewaltgebers zu gebrauchen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 4 zu § 133 mit Judikaturhinweisen). Daher war das Erstgericht nicht verhalten, auf die - mithin nicht entscheidungswesentlichen - vom Beschwerdeführer relevierten Umstände näher einzugehen; genug daran, wenn es feststellte, daß der Beschwerdeführer verpflichtet war, das eingelagerte Fleisch aufzubewahren und sodann zur Gänze zurückzustellen. Daß das Erstgericht bei Begründung seiner Feststellungen (auch) auf die Verantwortung des Beschwerdeführers Bezug nahm, bedeutet - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht, daß es den zu dieser Verantwortung in Widerspruch stehenden Sachverhalt auf Grund dieser Verantwortung festgestellt hat, sondern nur, daß es bei seiner Beweiswürdigung auch die (leugnende) Verantwortung des Beschwerdeführers berücksichtigt hat.

Damit erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze als offenbar unbegründet, weshalb sie gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden (§ 296 Abs. 3 StPO). Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

Anmerkung

E02701

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00048.8.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19800610_OGH0002_0090OS00048_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten