Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rietdijk als Schriftführers in der Strafsache gegen Andreas A wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach den §§ 486 Z. 1 StG.; 159 Abs. 1 Z. 2
StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 15.Februar 1980, GZ. 7 a Vr 7.847/79-43, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schuhmeister und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwaltes Dr. Knob zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Jänner 1925 geborene Andreas A der Vergehen der fahrlässigen Krida 1./ nach dem § 486 Z. 1 StG. und 2./ nach dem § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in Wien 1./ von Ende November bis Ende Dezember 1974
als Inhaber eines 'Christbaumverkaufes' und als Eigentümer des Kaffee-Restaurants 1020 Wien, Praterspitz 5180, sowie als Schuldner mehrerer Gläubiger fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeiführte, daß er ohne ausreichendes Eigenkapital Christbäume zum Verkauf importieren ließ und unverhältnismäßig Kredit benützte, 2./ von Jänner 1975
bis 28.Jänner 1976 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger zumindest schmälerte, indem er neue Schulden einging und alte Schulden bezahlte.
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer ausdrücklich nur auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, im Rahmen der gegen das Urteil weiters erhobenen Berufung der Sache nach aber auch aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. In letzterwähnter Beziehung wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, daß ihm je ein Kridavergehen nach altem (§ 486 Z. 1 StG.) und nach neuem (§ 159 Abs. 1 Z. 2 StGB.) Recht angelastet wurde, obwohl der Komplex der fahrlässigen Krida als Einheit betrachtet werden müsse, woran auch die Einführung des (am 1.Jänner 1975 in Kraft getretenen) neuen Strafgesetzbuchs, die keinen Nachteil bewirken dürfe, nichts ändern könne.
Rechtliche Beurteilung
Hiebei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß das Erstgericht sein Tatverhalten ersichtlich eben zur Vermeidung einer Benachteiligung teils nach altem und teils nach neuem Recht beurteilte: Bei der Bestimmung des § 159 Abs. 1 StGB. handelt es sich - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - um ein sogenanntes kumulatives Mischdelikt, das (wenn nicht die strafsatzerhöhenden Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen) mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist; das Vergehen nach dem § 486 Z. 1 StG. hingegen war nur mit strengem Arrest von drei Monaten bis zu einem Jahr zu bestrafen: Wären sämtliche (nicht nur die nach dem 1.Jänner 1975 begangenen, die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB. erfüllenden und jedenfalls nach neuem Recht zu beurteilenden) Tathandlungen des Angeklagten den Bestimmungen des neuen Strafgesetzbuchs unterstellt worden, dann hätte dies zwar zu einer Verurteilung (nur) wegen des - allerdings zwei verschiedene Tatbestände umfassenden - Vergehens nach dem § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB. geführt, der Beschwerdeführer wäre jedoch auch zum ersten Deliktsfall des § 159 Abs. 1 StGB. der (gegenüber dem Strafgesetz 1945) höheren Strafdrohung des Strafgesetzbuches ausgesetzt gewesen. Hieraus folgt, daß es dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der teilweisen Anwendung des für ihn insoweit günstigeren (§ 61 StGB.) alten Rechts jedenfalls an einer Beschwer mangelt, zumal der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens eines Vergehens nach dem alten mit einem Vergehen nach dem neuen Recht nicht schwerer wiegt als der bei Anwendung (nur) neuen Rechts Platz greifende Strafschärfungsgrund der Verwirklichung beider Deliktsfälle des § 159 Abs. 1 StGB.
Das Beschwerdevorbringen ist aber auch insoweit nicht zielführend, als darin unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. die Auffassung vertreten wird, der im Schuldspruch erwähnte Restaurationsbetrieb sei von vornherein 'aus der rechtlichen Beurteilung auszuscheiden', weil für den festgestellten finanziellen Niedergang nicht dieser Betrieb, sondern der vom Beschwerdeführer daneben betriebene Christbaumhandel ursächlich war. Denn für die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers (nach den §§ 486 Z. 1
StG. und 159 Abs. 1 Z. 2 StGB.) ist nur wesentlich, daß er bei der fahrlässigen Herbeiführung seiner Zahlungsunfähigkeit und der Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung seiner Gläubiger als Schuldner mehrerer Gläubiger handelte, wogegen dem Umstand, bei Führung welches der allenfalls mehreren vom Schuldner betriebenen Geschäftszweige die Tathandlungen gesetzt wurden, keine Bedeutung zukommt. Ist doch Zahlungsunfähigkeit dann gegeben, wenn der Schuldner (mangels liquider Mittel) nicht imstande ist, binnen angemessener Frist und bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alle seine (fälligen) Schulden ganz zu begleichen. Zahlungsunfähigkeit kann daher - abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer im Zug seiner Ausführungen vorliegend selbst zugibt, die Schwierigkeiten aus dem Christbaumgeschäft hätten naturgemäß auch auf die Liquidität des Restaurants abgefärbt - nicht etwa teilweise eintreten und sich im Fall der Erbringung von Teilzahlungen in einem Bereich geschäftlicher Tätigkeit bei gleichzeitigem Unvermögen, die fälligen Schulden in einem anderen Bereich fristgerecht abzudecken, auf den jeweils verlustbringenden Geschäftszweig beschränken. Sie umfaßt vielmehr alle (offenen) Verpflichtungen, die dem Schuldner aus seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit erwachsen. Und ebenso sind zur Beurteilung der nach dem § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB. erforderlichen Gläubigerbenachteiligung nicht nur die den defizitären Geschäftszweig betreffenden, sondern alle Gläubiger zu berücksichtigen. Erst dann kann festgestellt werden, ob ihre Befriedigung (oder wenigstens die Befriedigung eines Gläubigers) nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eine Vereitelung oder Schmälerung erfahren hat. Denn die Schädigung liegt darin, daß durch die Tathandlung(en) die Stellung und Beziehung der Gläubiger zueinander zum Nachteil eines Teiles von ihnen verschoben und der allen Gläubigern gemeinsame Befriedigungsfonds in einer dem Grundsatz der 'par conditio creditorum' widersprechenden Weise verrückt wird. Nicht nur die alten, sondern auch die neuen Gläubiger sind geschützt.
In der Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. fortfahrend, behauptet der Beschwerdeführer weiters, der Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit sei nicht auf von ihm zu verantwortendes fahrlässiges Verhalten, sondern vielmehr auf ein betrügerisches Vorgehen seines dänischen Geschäftspartners (Firma B Trae. Eksport) zurückzuführen, der ihn 'übertölpelt' und eine von ihm im Herbst 1974 zur Lieferung von Christbäumen für das Weihnachtsgeschäft 1974 überwiesene Anzahlung von einer Million Schilling vereinbarungswidrig zur (teilweisen) Abdeckung älterer Schulden verwendet habe.
Das vereinbarungswidrige Vorgehen des dänischen Vertragspartners des Beschwerdeführers wurde jedoch vom Erstgericht ohnedies berücksichtigt (vgl. S. 294). Dabei wurde nicht verkannt, daß die schon bis dahin bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Beschwerdeführers, dessen Christbaumhandel schon im Jahr 1973 zu großen Verlusten geführt hatte, sich hiedurch noch verstärkten. Das Erstgericht gelangte jedoch auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs. 2 StPO.) in freier (im schöffengerichtlichen Verfahren unbekämpfbarer) Beweiswürdigung zu der im Urteil mängelfrei zum Ausdruck gebrachten Überzeugung, daß der Beschwerdeführer seine Zahlungsunfähigkeit fahrlässig endgültig erst in der Zeit von Ende November bis Ende Dezember 1974 herbeiführte, und zwar dadurch, daß er ungeachtet der bereits vorhandenen Überschuldung, ohne über entsprechendes Eigenkapital zu verfügen, das Weihnachtsbaumgeschäft 1974 unter Inanspruchnahme kurzfristiger Fremdmittel dennoch weiterzuführen suchte, wobei er, nachdem er Lieferungen durch eine andere dänische Firma (Hans C) erreicht hatte, weitere entscheidende Verluste erlitt (vgl. S. 295 ff.). Die Beurteilung dieses festgestellten Verhalten als tatbildlich im Sinn des § 486 Z. 1
StG. ist frei von Rechtsirrtum. Insbesondere kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, wenn er die Auffassung vertritt, daß der Christbaumhandel 1974 ein 'gewagtes Geschäft' dargestellt habe, das von Gesetzes wegen nur strafbar wäre, wenn er es außerhalb seines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes abgeschlossen hätte, wogegen der Christbaumhandel von ihm ja gewerbsmäßig betrieben worden sei. Denn abgesehen davon, daß nicht schon jedes risikobelastete Geschäft als 'gewagtes' bezeichnet werden kann (zumal fast jeder Geschäftsbetrieb gewisse Risken mit sich bringt), erwähnt das Gesetz (§ 486 Z. 1 StG., § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB.) bei der - demonstrativen - Aufzählung jener Tathandlungen, durch die Zahlungsunfähigkeit culpos herbeigeführt werden kann, nicht nur solche gewagte Geschäfte, die nicht zum ordnungsgemäßen Betrieb des Geschäftes des Schuldners gehören, sondern auch solche (arg.: 'oder'), die mit seinen Vermögensverhältnissen in auffallendem Widerspruch stehen. Letzteres traf aber nach den Urteilsfeststellungen für das vom Beschwerdeführer entrierte Weihnachtsbaumgeschäft 1974 jedenfalls zu, sodaß sich für ihn auch dann, wenn man dieses Geschäft - was das Erstgericht nicht tat - als gewagtes beurteilen wollte, nichts gewinnen ließe.
Da der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. schließlich auch nicht mit der Behauptung darzutun vermag, die Zahlung von Schulden nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit könne ihm deshalb nicht (im Sinn des § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB.) angelastet werden, weil er die Absicht gehabt habe, alle Gläubiger voll zu befriedigen, die fahrlässige Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedigung - abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nach den tatsächlichen Urteilsannahmen (an denen bei gesetzmäßiger Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes festgehalten werden muß) auch neue Schulden einging - vielmehr auch bei Vorliegen einer solchen Absicht schon dadurch eintritt, daß durch willkürliche Zahlungen an einzelne Gläubiger eine Veränderung des allen Gläubigern gemeinsamen Befriedigungsfonds stattfindet (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/147), war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 159 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB.
sowie gemäß den §§ 31, 40 StGB. unter Bedachtnahme auf die Urteile des Strafbezirksgerichtes Wien vom 25.Oktober 1976, AZ. 17 U 1.389/76, 7.April 1977, AZ. 17 U 395/77, 21.November 1978, AZ. 17 U 1.618/78, und vom 6.Dezember 1978, AZ. 17 U 1.801/78 (Summe der Ersatzfreiheitsstrafen 50 (Tage) eine gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. bedingt nachgesehene (Zusatz-)Strafe in der Dauer von fünf Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von zwei Straftaten als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber eine teilweise Schadensgutmachung (im Rahmen des Zwangsausgleichs) sowie den Umstand als mildernd, daß der Angeklagte durch seine Verantwortung wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug. Mit seiner Berufung begehrt Andreas A die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe.
Die Berufung ist nicht begründet.
Die gegebenen Strafzumessungsgründe wurden vom Schöffengericht im wesentlichen richtig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt; die in erster Instanz zuerkannte Strafe entspricht dem Gewicht der Verfehlungen ebenso wie dem Verschuldensgrad des Angeklagten. Für eine Herabsetzung dieser (Zusatz-)Strafe besteht insbesonders auch unter Bedachtnahme auf den Unrechtsgehalt der gemäß den §§ 31, 40 StGB. zu berücksichtigenden Vorverurteilungen (mehrere Vergehen gegen das Lebensmittelgesetz) kein Anlaß.
Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02646European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00063.8.0611.000Dokumentnummer
JJT_19800611_OGH0002_0110OS00063_8000000_000