TE OGH 1980/6/17 10Os36/80

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Veröffentlicht am 17.06.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Bart als Schriftführer in der Strafsache gegen Dietrich A wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 (zweiter Fall) StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 25. Oktober 1979, GZ. 13 Vr 346/78-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kitzmüller und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dietrich A des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 (Abs. 1 und) Abs. 2 (zweiter Fall) StGB. schuldig erkannt, weil er im August und September 1977 in Rottenmann ein ihm (gemeint: als Geschäftsführer der 'A Bau -Gesellschaft m.b.H.') anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, und zwar von der Bauarbeiterurlaubskasse für sieben Arbeiter überwiesenes Urlaubsentgelt im Gesamtbetrag von 117.890,80 S, durch dessen Verwendung zur Bezahlung anderweitiger Verbindlichkeiten sich (gemeint: der vorerwähnten Gesellschaft und der 'C Gesellschaft m. b.H.') mit dem Vorsatz zugeeignet hatte, sich (abermals gemeint: die bezeichneten Gesellschaften) dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer, der die widmungswidrige Verwendung der Treuhandgelder zugab, hat sich auf einen jahrelangen derartigen 'Geschäftsbrauch' berufen und (der Sache nach) behauptet, er habe zur Tatzeit über einen 'präsenten Deckungsfonds' verfügt, den er nur wegen eines Irrtums seiner Lohnverrechnerin nicht rechtzeitig zur Vorsorge für die Ansprüche der Arbeiter auf das in Rede stehende Urlaubsentgelt herangezogen habe (S. 18/II, 66-68, 25a/I, 104 in ON.5). Demgegenüber nahm das Erstgericht, ausschließlich auf die Vermögenslage der 'A Bau -Gesellschaft m.b.H.' abstellend, als erwiesen an, daß dem Angeklagten ein solcher Deckungsfonds - aus dem auf Verlangen jederzeit (oder doch binnen kurzem) der Ersatz der zugeeigneten Gelder durch für ihn frei und rechtmäßig disponible andere Bar-Werte möglich gewesen wäre (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/208)- nicht zur Verfügung gestanden sei (S. 29-31, 33/II). Zur Unterstützung seiner Verantwortung hatte jedoch der Beschwerdeführer die Vernehmung des Zeugen Reinhold B auch darüber beantragt, daß er auf Grund eines ihm persönlich eingeräumten und auf seinem Liegenschaftsbesitz hypothekarisch sichergestellten Darlehensrahmens jederzeit in der Lage gewesen wäre, über mehrere 100.000 S sofort zu verfügen (S. 20/II). Das diesen Beweisantrag abweisende Zwischenerkenntnis des Schöffengerichts läßt insoweit jede Begründung vermissen, weil es lediglich pauschal auf die vom Staatsanwalt gegen die Anträge des Verteidigers vorgebrachten Argumente Bezug nimmt (S. 22/II; vgl. auch S. 32/II), der öffentliche Ankläger aber zu dem vorerwähnten, das Privatvermögen des Angeklagten betreffenden Beweisanerbieten gar nicht Stellung genommen hatte (S. 21/II).

Die Relevanz des bezeichneten Beweisthemas kann nicht unzweifelhaft verneint werden (§ 281 Abs. 3 StPO.). Denn zum einen ergibt sich aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür, daß die schlechte wirtschaftliche Lage der zuvor genannten Gesellschaft, über deren Vermögen gegen Ende September 1977 der Konkurs eröffnet wurde, das Privatvermögen des Beschwerdeführers tangiert hätte, und zum anderen läßt seine (in dieser Hinsicht allerdings äußerst mißverständlich formulierte; vgl. insbes. S. 65-67/II) Verantwortung jedenfalls die Deutung zu, daß er damit zur Tatzeit nicht nur in der Lage, sondern auch willens (vgl. SSt.46/14, Leukauf-Steininger, StGB2, RN 25 zu § 133) gewesen zu sein behauptete, den Arbeitern auf deren Verlangen die von ihm widmungswidrig verwendeten Urlaubsentgelte jederzeit aus seinen privaten Mitteln zu erstatten. Unter solchen Umständen jedoch könnte ihm ein Vorsatz, die 'A Bau-Gesellschaft m.b.H.' und die 'C Ges.m.b.H.' durch die Zueignung der ihm als Geschäftsführer der erstbezeichneten Gesellschaft anvertrauten Treuhandgelder unrechtmäßig zu bereichern, nicht angelastet werden. Die sohin dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO.) - dessen Beachtung durch das Wesen eines auch die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist - zuwiderlaufende Abweisung des in Rede stehenden Beweisantrags hat eine vom Angeklagten mit Recht geltend gemachte Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. zur Folge; schon aus diesem Grund war wie im Spruch zu erkennen, ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedurfte. Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht bei der Prüfung der Tatfrage nach einem vom Beschwerdeführer behaupteten Erstattungswillen (im dargelegten Sinn) auch zu beachten haben, aus welchen Gründen eine derartige Erstattung in der Folge unterblieben ist; diese Umstände werden bei der Feststellung, ob er immerhin zur Tatzeit vorausblickend zu einer jederzeitigen Befriedigung der Urlaubsentgelt-Ansprüche der Arbeiter gewillt war, im Interesse einer mängelfreien Begründung des Urteils nicht außer Betracht bleiben können.

Anmerkung

E02632

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00036.8.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19800617_OGH0002_0100OS00036_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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