Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schubert als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 5. November 1979, GZ. 1 a Vr 1.000/79-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, nach Verlesung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien und nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Muzik, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Februar 1964 geborene, mithin jugendliche Josef A (junior) unter anderem des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2
StGB. schuldig erkannt (Urteilsfaktum A).
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes zu diesem Urteilsfaktum nahm der nicht bei seinem Vater Josef A (sen) wohnhafte Angeklagte am 19. Jänner 1979 anläßlich eines Besuches bei diesem einige Scheckformulare betreffend das Konto seines Vaters bei der Österreichischen Länderbank AG. an sich. Eine zugehörige Scheckkarte fand er nicht. Drei der Scheckformulare fälschte er, indem er Geldbeträge (zweimal je 4.000 S und einmal 3.000 S) einsetzte und mit 'Josef A' (als vorgeblicher Aussteller) unterschrieb. Darnach suchte er drei Zweigstellen des genannten Kreditinstitutes auf und hob unter Täuschung der Kassiere über seine Verfügungsberechtigung (über das Konto seines Vaters) insgesamt 11.000 S ab, wodurch - nach Ansicht des Erstgerichtes - der Vater des Angeklagten in dieser Höhe geschädigt wurde. Der Schade wäre - nach den weiteren erstgerichtlichen Feststellungen - dem Vater des Angeklagten von der Österreichischen Länderbank AG.
ersetzt worden, wenn sich dieser mit einem solchen Begehren an dieses Kreditinstitut gewendet hätte.
Wie den Akten zu entnehmen ist, hatte der Vater des Angeklagten am 27. Jänner 1979 vor dem Bezirkspolizeikommissariat Hernals eine 'Ermächtigung zur Strafverfolgung' des Angeklagten erteilt. Die Anzeige des genannten Kommissariates langte jedoch erst am 11. Juni 1979 bei Gericht und am 22. Juni 1979 bei der Staatsanwaltschaft ein, somit nach Ablauf der Frist, die zur Erhebung einer Privatanklage und damit zur Stellung eines Antrages im Sinne des § 43 Abs. 1 JGG.
(vgl. hiezu ÖJZ-LSK. 1978/176) offengestanden wäre. Die Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien brachte nach Durchführung von Vorerhebungen am 30. Juli 1979 eine Anklageschrift gegen Josef A (junior) wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB. ein und erklärte gleichzeitig, daß zu einer weiteren Verfolgung des Genannten 'wegen § 166
StGB. kein Grund gefunden wird (§ 90 Abs. 1 StPO.)'. Gegen den eingangs bezeichneten anklagekonform ergangenen Schuldspruch erhob die Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien zugunsten des Angeklagten die auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, mit der zwar ohne einen ausdrücklichen Antrag, jedoch der Sache nach ein Freispruch des Angeklagten im Urteilsfaktum A angestrebt wird. Im Schuldspruch zum Urteilsfaktum B (Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB.) blieb das Urteil unangefochten.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Für den Fall, daß die Tat des Angeklagten als (Urkunden-) Betrug im Familienkreis im Sinne des § 166 StGB. zu werten wäre, ergäbe sich folgende Überlegung: Der nach § 147 Abs.1
Z. 1 StGB. qualifizierte Betrug ist gegenüber der (ausschließlich zum Zwecke der Verübung dieses Betruges begangenen) Urkundenfälschung die spezielle Strafbestimmung, weil sie in der Qualifikationsnorm alle Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung enthält, vermehrt um den dem Betrug eigenen, auf Irreführung, Schädigung und Bereicherung gerichteten Vorsatz.
Besteht die vom Vorsatz des Täters umfaßte Verwendung der von ihm hergestellten falschen Urkunde im Rechtsverkehr ausschließlich in der betrügerischen Täuschung eines anderen, so bleibt für die Anwendung des § 223 Abs. 2 StGB. kein Raum (vgl. Leukauf-Steininger2, RN 37 zu § 147 StGB., RN 45 und 54 zu § 223 StGB.; ÖJZ-LSK. 1979/124).
Ist aber das verdrängende Delikt als Betrug im Familienkreis privilegiert und fehlt es zu einer Verfolgung an den formellen Voraussetzungen, wie der nach dem Gesetz erforderlichen Privatanklage oder dem rechtzeitigen Antrag auf Verfolgung des jugendlichen Täters, so kommt eine Bestrafung nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB. (weiterhin) nicht in Betracht und es lebt auch die Strafbarkeit des vom Betrug zufolge Spezialität verdrängten Deliktes, also der Urkundenfälschung, nicht wieder auf (Burgstaller,
Die Scheinkonkurrenzen im Strafrecht, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 6, S. 50 = JBl. 1978 S. 465; Leukauf-Steininger2 RN 20 zu § 166 StGB. und RN. 47 zu § 223 StGB.).
Läge somit im vorliegenden Fall ein im Familienkreis begangener (Urkunden-)Betrug vor, wäre in der Tat eine Verfolgung und Verurteilung (lediglich) wegen - ausschließlich zum Zweck der betrügerischen Täuschung anderer - vorgenommener Urkundenfälschungen nicht möglich.
In der hier zu untersuchenden Strafsache war jedoch die Tathandlung des Angeklagten - entgegen der Meinung des Erstgerichtes und der Anklagebehörde - in Wahrheit überhaupt kein privilegierter, im Familienkreis begangener Betrug.
Dem Betrug eigentümlich ist, daß Getäuschter und Geschädigter keineswegs personengleich sein müssen (Leukauf-Steininger2 RN 25 zu § 146 StGB.). Bei der Lösung der Frage, ob ein Betrug als ein im Familienkreis begangener in der Bedeutung des § 166 StGB. anzusehen ist, kommt es keineswegs darauf an, ob (auch) der Getäuschte Familienangehöriger ist. Der Betrug muß vielmehr, um als privilegiert im Sinn dieser Gesetzesstelle angesehen werden zu können, zum Nachteil eines Familienangehörigen begangen werden, d. h., die Vermögensschädigung muß im Eigentum des Angehörigen eintreten (Leukauf-Steininger2, RN. 7 zu § 166 StGB.). Gegebenenfalls kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß die Vermögensschädigung unmittelbar im Eigentum des Vaters des Angeklagten eingetreten ist. Das Wesen eines Schecks liegt nämlich in einer unbedingten Anweisung an die bezogene Bank, bei welcher der Scheckaussteller in der Regel ein Guthaben hat, dem Scheckinhaber eine bestimmte Geldsumme zu zahlen (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 1957, S. 111). Wenngleich die Zahlung 'aus dem Guthaben' des Kontoinhabers vorgenommen wird, erfolgt sie vorerst nicht aus den Mitteln des Kontoinhabers, da der das Guthaben darstellende Geldbetrag im Rahmen eines unregelmäßigen Verwahrungsvertrages (§ 959 ABGB.) in das Eigentum der Bank übergegangen war. Der Schaden tritt somit vorerst im Eigentum der Bank ein, die allerdings nach Maßgabe der zwischen der Bank und dem Kontoinhaber bestehenden Rechtsbeziehungen eine Überwälzung des Schadens zu Lasten des Kontoinhabers vorzunehmen berechtigt ist, falls diesem - etwa durch mangelhafte Verwahrung des Schecks - ein Verschulden zur Last fällt (Schinnerer-Avancini, Bankverträge3, I S. 126). Dies reicht für eine Verurteilung nach § 146 StGB. hin, bei der genügt, daß der Schaden zunächst bei einer anderen Person als einem Familienangehörigen (§ 166 StGB.) eingetreten ist. Von diesen Erwägungen abgesehen begründet aber - worauf die Generalprokuratur in ihrer Argumentation zutreffend hinweist - ein nicht vom vorgeblichen Aussteller herrührender mit gefälschter Unterschrift versehener Scheck weder eine Scheckverbindlichkeit noch eine gültige Zahlungsanweisung. Grundsätzlich trägt daher die Gefahr der Einlösung des gefälschten Schecks der Bezogene, d.h. er hat den Schaden der Fehlzahlung auch dann zu tragen, wenn ihn kein Verschulden trifft (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 1957, S. 128; vgl. auch die bei Kapfer, Wechsel- und Scheckgesetz, zu Art. 3 Scheckgesetz unter Z. 1 und 2 zitierten Entscheidungen; vgl. ferner 4 0b 554/78). Eine abweichende, auf Grund allgemeiner Geschäftsbedingungen allenfalls erfolgte vertragliche Regelung zwischen der Bank und dem Kontoinhaber wurde vorliegend nicht festgestellt; das Gericht nahm vielmehr auf Grund der freilich undeutlichen Aussage des Zeugen B als erwiesen an, daß die Österreichische Länderbank AG., deren Angestellte angesichts des Erscheinungsbildes der Schecks (vgl. S. 13 a d.A.) ersichtlich eine erforderliche gehörige Unterschriftenprüfung unterließen (vgl. Schinnerer-Avancini, Bankverträge3, I S. 64, 125 und 126), dem Vater des Angeklagten den Schaden ersetzen würde, womit offenbar zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die als bloßer Buchungsvorgang rechtlich unerhebliche Abbuchung von seinem Konto storniert würde. Auch diese Betrachtung führt somit zum Ergebnis, daß der Schaden im vorliegenden Fall nicht im Eigentum des Vaters des Angeklagten, sondern in jenem der Österreichischen Länderbank AG. eintrat. Daß der Täter im vorliegenden Fall allenfalls der Meinung gewesen sein könnte, der Schaden werde im Eigentum seines Vaters und nicht in jenem der Bank eintreten - Feststellungen hiezu fehlen - ist unerheblich, denn ein Irrtum des Täters hierüber ist schon deshalb unbeachtlich, weil auch ein zum Nachteil eines Angehörigen begangener Betrug rechtswidrig ist (Leukauf-Steininger2, RN 8 zu § 166 StGB.).
Da der unter Anklage gestellte Sachverhalt somit in Wahrheit kein im Familienkreis begangener Betrug im Sinn des § 166 StGB. ist, hätte das Erstgericht mit einer Verurteilung wegen des Vergehens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1
StGB. vorzugehen gehabt. Die - nach dem Gesagten verfehlte - Erklärung der Anklagebehörde anläßlich der Einbringung der Anklageschrift, daß zu einer Verfolgung des Angeklagten wegen § 166 StGB. kein Grund gefunden werde, stellt schon deshalb, weil gleichzeitig die Verfälschung der Schecks, also das durch den Betrug verdrängte Delikt, unter Anklage gestellt wurde, nichts anderes dar, als eine überflüssige und zudem rechtlich verfehlte 'Qualifikationseinstellungserklärung', die das Gericht nicht hindert, die unter Anklage gestellte Tat auch unter anderen, von der Anklagebehörde abgelehnten rechtlichen Gesichtspunkten zu betrachten; lediglich einer Anhörung der Parteien zu dem in Betracht gezogenen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt hätte es bedurft (§ 262 StPO.).
Nach dem Gesagten ist somit der erstgerichtliche Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB. an sich unzutreffend. Dieser Rechtsirrtum kann jedoch vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden, da das Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB. gegenüber jenen des Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB. milder zu bestrafen ist und die Nichtigkeitsbeschwerde ausschließlich zugunsten des Angeklagten erhoben wurde. Es muß daher, obwohl der Angeklagte das Vergehen des Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB. verwirklichte, bei dem vom Erstgericht gefällten Schuldspruch das Bewenden haben (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, § 282 StPO./1 und 3).
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien war somit zu verwerfen.
Anmerkung
E02715European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00033.8.0617.000Dokumentnummer
JJT_19800617_OGH0002_0090OS00033_8000000_000