Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichthofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Bart als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Thomas A wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2
(zweiter Fall) StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Mai 1979, GZ. 4 b Vr 7034/77-64, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im Freispruch unberührt bleibt, im Schuldspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Thomas A des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in der Zeit vom 11. bis zum 23. August 1977 in Wien eine ihm durch Rechtsgeschäfte eingeäumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbrauchte und hiedurch dem Dr. Gerhard B, mit dem er gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei betrieb, einen Vermögensnachteil in der Höhe von 500.000 S zufügte, indem er diesen Betrag in fünf Zugriffen von einem Konto der Kanzleigemeinschaft behob und für private Zweck verwendete.
Vom weiteren Anklagevorwurf, er habe in der Zeit vom Frühjahr 1975 bis Ende Juli 1977 in sechs Fällen ihm als Rechtsanwalt anvertraute Klienten-Gelder im Betrag von insgesamt rund 109.000 S veruntreut (§ 133 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB), wurde er (rechtskräftig) freigesprochen.
Dieses Urteil ficht der Angeklagte im Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß des erstbezeichneten Rechtsmittels hat sich der Oberste Gerichtshof vorerst davon überzeugt, daß der Schuldspruch insofern an einer damit (in diese Richtung hin) nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 9
lit. a StPO leidet, als das Urteil keine Feststellungen darüber enthält, ob (und allenfalls in welcher Höhe) sich die inkriminierten Entnahmen des Angeklagten vom Konto der Kanzleigemeinschaft (auch) auf die zu dieser Zeit dort erlegenen Klienten-Gelder (S 435, 441) erstreckten, und bejahendenfalls, ob er für jene Gelder einen sofort (oder doch binnen kurzem) frei verfügbaren, ausreichenden Deckungsfonds mit dem (zum Ausdruck gebrachten) Willen bereit hielt, daraus die mißbräuchlich entnommenen Beträge im Bedarfsfall unverzüglich zu erstatten.
Denn in bezug auf die für ihre Klienten bestimmten Eingänge der Kanzleigemeinschaft war (auch) ihm keinerlei Befugnis zu irgendwelchen (begrifflich ein Mindestmaß an - allenfalls beschränktem - Machthaber-Ermessen voraussetzenden) Vermögens-Dispositionen eingeräumt, sondern ausschließlich (die Weiterleitung an die Berechtigten, also) eine ganz bestimmte Verwendungspflicht auferlegt (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/365). Die (zum Zweck der Aneignung unbefugte) Entnahme solcher Gelder ist daher, der dahin nicht differenzierenden Auffassung des Schöffengerichtes zuwider, nicht als Mißbrauch einer (ihm nach dem Gesagten insoweit - schon der Art nach - gar nicht zugestandenen) Befugnis zu einer Verfügung über fremdes Vermögen im Sinn des § 153 StGB zu beurteilen, sondern als bestimmungswidrige Zueignung anvertrauten Gutes gemäß § 133 StGB unter Ausnützung einer (mit der Zeichnungsberechtigung über das Konto verbundenen, obgleich - dementsprechend - nur durch Rechtshandlungen realisierbaren) bloß faktischen Zugriffsmöglichkeit (vgl. EvBl. 1979/97). In Ansehung einer Veruntreuung aber könnte dem Beschwerdeführer, wie das Erstgericht im freisprechenden Teil des Urteils (hinsichtlich der davon betroffenen weiteren Klienten-Gelder) richtig erkannte, bei einem (in jenem Umfang und Zusammenhang tatsächlich angenommenen - S. 446) Bereithalten eines präsenten Deckungsfonds (in der vorerwähnten Bedeutung) ein nach § 133 StGB zur Tatbestandsverwirklichung erforderlicher Bereicherungsvorsatz nicht angelastet werden (SSt. 46/14 u.a.). Bereits die eingangs bezeichneten, auf der verfehlten Annahme einer rechtlichen Verfügungsmacht des Angeklagten (§ 153 StGB) über die hier in Rede stehenden Klienten-Gelder und auf der daraus resultierenden - jedoch nur für den Tatbestand der Untreue, die als Mißbrauchsdelikt (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 12 zu § 153) keinen Bereicherungsvorsatz voraussetzt und für die folgerichtig (auf der objektiven und auf der subjektiven Tatseite) nur auf den aus dem Mißbrauch selbst erwachsenden Vermögensnachteil des Machtgebers abzustellen (SSt. 41/58), auf Gegenforderungen des Täters (außerhalb des Bereichs eines unmittelbaren Vorteilsausgleichs) dagegen nicht Bedacht zu nehmen ist (ÖJZ-LSK. 1976/252, SSt. 26/86 u.a.), zutreffend - Rechtsansicht, ein präsenter Deckungsfonds sei für die Beurteilung des vom Schuldspruch erfaßten Tatverhaltens ohne Belang (ÖJZ-LSK. 1979/121, SSt. 29/37 u.a.), beruhenden Konstatierungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO) sind von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs. 1 StPO) und haben zur Folge, daß eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz im Umfang des (angefochtenen) Schuldspruchs nicht zu vermeiden ist.
Nach Anhörung der Generalprokuratur war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung (§ 285 e StPO i.d.F. BGBl. 1980/28) wie im Spruch zu erkennen, ohne daß es dazu einer Erörterung der Rechtsmittelausführungen bedurfte.
Sofern (und soweit) die inkriminierten Entnahmen des Beschwerdeführers vom Konto der Kanzleigemeinschaft keine Klienten-Gelder betrafen, wird im zweiten Rechtsgang in erster Linie zu prüfen sein, ob er mit diesen Rechtshandlungen (vgl. Leukauf-Steininger, a.a.O., RN 10 zu § 153) wirklich über 'fremdes Vermögen' verfügt hat, wie ihm dies in der zugrunde liegenden Vereinbarung mit Dr. B vertraglich eingeräumt (und mit der darauf beruhenden Erteilung der Einzelzeichnungsberechtigung ermöglich) worden war. Hiebei ist davon auszugehen, daß eine Anwalts-Sozietät, wie sie nach den Urteilsfeststellungen durch die vorerwähnte Vereinbarung begründet wurde, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 1175 ff. ABGB.; vgl. Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts3, S. 44) zum einen keine eigene Rechtspersönlichkeit hat (EvBl. 1978/144 u.a.), sodaß die Gesellschafter selbst anteilig Träger des Gesellschaftsvermögens sind (§ 1182 f., 1192, 1202 f. ABGB.), und zum anderen nicht notwendigerweise nach außen hin in Erscheinung tritt (§ 1201 ABGB.). Daraus folgt, daß der jeweilige eigene Anteil eines Gesellschafters an den einzelnen Aktiven - unbeschadet der näheren zivilrechtlichen Ausgestaltung dieses Anspruchs (vgl. Kastner, a.a.O., S. 44 ff.), bei einer im Strafrecht insoweit regelmäßig gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. EvBl. 1963/299, Estl in RZ. 1960, 67, Lackner im Leipziger Kommentar9, RN. 107-128, insbes. RN. 110, zu § 263
DStGB) - in dem Umfang auch dem Vermögen seiner Mitgesellschafter zuzuordnen und damit für ihn soweit (gleichermaßen) 'fremdes' Vermögen im Sinn des § 153 StGB ist, als jene in concreto für die Passiven der Gesellschaft nach außen hin haften: stehen doch den Mitgesellschaftern sämtliche Gesellschaftsaktiven (und folglich auch die Anteile jedes einzelnen der übrigen Gesellschafter daran) als Haftungsfonds für die Gesellschaftspassiven zur Verfügung, sodaß dem jeweiligen eigenen Anteil eines jeden Gesellschafters im Rahmen der Außenhaftung seiner Mitgesellschafter, aber auch nur in deren Ausmaß, durchaus auch die Bedeutung eines (gleichermaßen) jenen zugehörigen wirtschaftlichen Vermögensbestandteils zukommt (vgl. Lackner, a.a.O., RN. 112).
In (bloß) diesem Umfang ist daher auch die Entnahme eines eigenen Anteils an Geldern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch einen ihrer Gesellschafter - ebenso wie diejenige von Geldern einer OHG (RZ. 1961, 176) oder einer KG. (EvBl. 1968/17) durch einen (persönlich haftenden) Gesellschafter (Komplementär), bei der (allerdings) eine Beschränkung in der Außenhaftung der übrigen Gesellschafter von vornherein nicht in Betracht kommt (§ 128, 161 Abs. 2
HGB.) - in der Tat als Verfügung (gleichermaßen) über fremdes Vermögen (§ 153 StGB) zu beurteilen, sodaß es dabei nicht auf die Gesamthöhe seines tatgegenständlichen Anteils an dem betreffenden Konto- (oder Kassa-) Stand, an der Summe der gesamten Gesellschaftsaktiven oder an dem sich aus deren Abrechnung mit den Gesellschaftspassiven ergebenden, in der Beschwerde (mangels einer im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit zur Liquidation einer GesBR) irreführend unter dem Aspekt eines 'Auseinandersetzungsguthabens' relevierten (Aktiv- oder Passiv-) Saldo ankommt, sondern nur auf die Schmälerung des für die Mitgesellschafter zur Tatzeit aktuell gewesenen Haftungsfonds; für die Höhe des jenen solcherart zugefügten Vermögensnachteils sind Gegenforderungen des Täters im Sinn des Obengesagten ohne Belang.
Tätige Reue durch eine übertragung von 'Kanzleianteilen' des Angeklagten an Dr. B schließlich würden (dementsprechend) eine (den ganzen Schaden gutmachende, rechtzeitige und freiwillige) Abtretung genau bestimmter Aktiven entweder an Zahlungsstatt (§ 1414 ABGB.) oder aber, bei einer Zession bloß zahlungshalber, mit der zusätzlichen Vereinbarung ihrer Realisierung binnen einer bestimmten Zeit voraussetzen (§ 167 Abs. 2 StGB).
Anmerkung
E02724European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00148.79.0617.000Dokumentnummer
JJT_19800617_OGH0002_0100OS00148_7900000_000