Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Robert A wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 12. Dezember 1979, GZ. 12 Vr 303/79-71, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtenen Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angerochtenen Urteil wurde der am 8.Jänner 1941 geborene Kaufmann Robert A (auch im zweiten Rechtsgang) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er im November 1976 in Graz eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich ein schwarzes Notizbuch, beinhaltend Aufzeichnungen über die ihm von Antonia B gewährten Kredite, dadurch unterdrückte, daß er dieses Buch zum Zwecke des Vernichtens oder Verbergens aus der Wohnung der Antonia B holte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweise des Rechts der Erben nach Antonia B auf Rückforderung dieser Darlehen gebraucht werde.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer einen dem Erstgericht bei Beurteilung des Strafaufhebungsgrunds der tätigen Reue nach dem § 229 Abs. 2 StGB.
unterlaufenen Irrtum aufzeigt, kommt Berechtigung zu:
Nach der Vorschrift des § 229 Abs. 2 StGB. ist wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nicht zu bestrafen, wer freiwillig die Unterdrückung der Urkunde, bevor diese im Rechtsverkehr gebraucht werden sollte, rückgängig macht oder auf andere Art bewirkt, daß die Tat den Beweis, dem die Urkunde dienen sollte, nicht behindert. Im angefochtenen Urteil wurde dazu festgestellt, daß die Mutter des Beschwerdeführers, Anna A, Ende November oder Anfang Dezember 1976, nachdem der Steuerberater der Antonia B, August C, mit der Strafanzeige (wegen Abhandenkommens des schwarzen Notizbuchs) gedroht hatte, eine per 1.Mai 1976 gültige Aufstellung über die vom Angeklagten der Antonia B geschuldeten Darlehensbeträge von insgesamt 1,135.500 S samt 10 % Zinsen errichtete. Diese Aufstellung wurde vom Steuerberater C mit dem handschriftlichen Zusatz: 'Ich, Robert A aus Grambach, bescheinige durch meine Unterschrift, daß ich per 1.5.1976 der Frau Antonia B, Kapellenstraße 36 obigen Betrag von S 1,135.500,- schulde', versehen und am 14.Dezember 1976 vom Angeklagten nach Intervention des genannten Steuerberaters in Gegenwart der Antonia B in deren Wohnung unterfertigt. Gleichzeitig versprach der Angeklagte, ab Jänner 1977 mit monatlichen Rückzahlungen von 100.000 S zu beginnen. Mit der vom Angeklagten unterfertigten Abrechnung begab sich C zum Notar Dr. Franz D, der über diese Vorgänge einen Aktenvermerk (vom 14.Dezember 1976) errichtete. Erst nunmehr beruhigte sich Antonia B (über das Abhandenkommen des Notizbuchs) und begab sich zwei Tage später in ein Pflegeheim.
Sie verstarb am 22.Jänner 1977 unter Hinterlassung eines Testaments zugunsten ihrer (damals) minderjährigen Urenkelin Margit E. Anläßlich der zu 16 A 39/77 des Bezirksgerichtes für ZRS. Graz vom öffentlichen Notar DDr. Karl G als Gerichtsabgeordneten durchgeführten Verlassenschaftsabhandlung anerkannte der Angeklagte am 9.Juli 1977 zwar die Richtigkeit seiner auf der Abrechnung vom 14. Dezember 1976 aufscheinenden Unterschrift, erklärte jedoch, dem Nachlaß der Antonia B nichts zu schulden. Er sei lediglich dem Steuerberater August C ca. 150.000 S schuldig. Bereits anläßlich eines mit Notar Dr. D, dem Bevollmächtigten der Erbin, am 9.Februar 1977 geführten Telefonats hatte der Angeklagte erklärt, Antonia B nicht mehr viel zu schulden, weil das meiste verrechnet worden wäre. Der Angeklagte unterfertigte jedoch bei Notar Dr. D, nachdem dieser am 16.Mai 1978
bei der Bundespolizeidirektion Graz die Anzeige erstattet hatte, am 2. Juni 1978 eine Schuldanerkenntniserklärung über 1,373.955 S per 1. Juni 1978 gegenüber dem Nachlaß der Antonia B und verpflichtete sich, diesen Betrag samt Zinsen bis 31.Dezember 1978 zurückzuzahlen. In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 StGB. mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe in weiterer Folge den Beweis, dem die (unterdrückte) Urkunde dienen sollte, behindert, weil er das Anerkenntnis vom 14.Dezember 1976
im Verlassenschaftsverfahren vor dem Gerichtsabgeordneten DDr. G widerrufen habe. Die Erklärung vor Notar Dr. D wurde erst nach polizeilicher Anzeigeerstattung am 2.Juni 1978 abgegeben, sodaß es diesfalls ebenso wie schon bei der Erklärung vom 14.Dezember 1976 an der zur Annahme von tätiger Reue essentiellen Voraussetzung der Freiwilligkeit mangle. Bei der letztangeführten Erklärung habe nämlich - wie das Erstgericht dazu ausführt -
der Angeklagte nur auf Intervention des Steuerberaters C reagiert.
Der Oberste Gerichtshof erwog dazu:
Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts bewirkte der Angeklagte, daß seine Tat den Beweis über die empfangenen Darlehen (samt vereinbarten Zinsen), dem die Urkunde dienen sollte, nicht behinderte. Der Inhalt der Erklärung vom 14.Dezember 1976 gab nämlich (rechtzeitig) die Gesamthöhe der Darlehen (samt Zinsen) richtig wieder, sodaß damit im gleichen Maß wie durch das Notizbuch ein für die Kreditgewährung geeignetes Beweismittel geschaffen wurde.
Die vom Beschwerdeführer in der Folgezeit im Verlassenschaftsverfahren aufgestellte Behauptung, er schulde Antonia B nichts mehr, vermag nichts an der Beurteilung der Gleichwertigkeit von Notizbuch und Erklärung vom 14.Dezember 1976 als taugliche Beweismittel für die Darlehensgeschäfte und an der Rechtzeitigkeit dieser Erklärung zu ändern. Diese (wenn auch unwahre) Behauptung hätte der Beschwerdeführer nämlich - wie in der Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend verwiesen wird - auch bei Vorhandensein des schwarzen Notizbuchs aufstellen können. Daraus erhellt, daß der vom § 229 Abs. 2 StGB. (vorliegendenfalls dessen zweiten Fall) gewünschte Zustand durch das Bestreiten des noch aufrechten Bestands der Forderung im Verlassenschaftsverfahren nicht beseitigt wurde.
Ungeachtet dessen ist aber eine abschließende Entscheidung über die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 StGB.
nicht möglich, weil die zur Beurteilung des Merkmals der Freiwilligkeit erforderlichen Feststellungen fehlen. Das Erstgericht ging von einer Intervention des Steuerberaters C aus. Diese fand - den erstgerichtlichen Konstatierungen zufolge (siehe S. 460) - gegenüber der Mutter des Beschwerdeführers statt. Ob bzw. wann diese ihren Sohn hievon (vollständig) informierte und aus welchen Motiven der Angeklagte die Aufstellung vom 14.Dezember 1976 als richtig anerkannte, wurde nicht festgestellt. Diese Konstatierung ist aber für die rechtsrichtige Beurteilung der Freiwilligkeit und damit - im Zusammenhang mit den vorstehenden Ausführungen zur Rechtzeitigkeit und Gleichwertigkeit - der tätigen Reue im Sinne des § 229 Abs. 2 StGB. überhaupt entscheidungswesentlich. Kam nämlich dem Beschwerdeführer die Information über die von C gegenüber der Mutter ausgesprochene Drohung mit einer Anzeige nicht oder nicht im vollen Umfang vor dem Anerkenntnis der Aufstellung vom 14.Dezember 1976 zu, wäre dieses Anerkenntnis als freiwillig anzusehen. Eine solche Feststellung über den Informationsfluß zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter wäre insbesondere auch deswegen vonnöten gewesen, weil sich der Genannte ausdrücklich damit verantwortete, von der Anzeigedrohung erst nach dem Tod der Antonia B erfahren zu haben (siehe Seite 442). In diesem Falle verlöre die mit der Erklärung vom 14. Dezember 1976 geleistete tätige Reue auch infolge der Behauptung im Verlassenschaftsverfahren, Antonia B nichts mehr zu schulden, nicht ihre Wirksamkeit. Daraus ergäbe sich in weiterer Konsequenz, daß die Polizeianzeige vom 16.Mai 1978 und das neuerliche Schuldanerkenntnis vom 2.Juni 1978 nicht (mehr) von entscheidungswesentlicher Bedeutung wären.
Da somit ausreichende Urteilsfeststellungen zur Freiwilligkeit des Anerkenntnisses vom 14.Dezember 1976
fehlen, war - ohne Eingehen auf die Mängelrüge - gemäß dem § 285 e StPO. spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E02649European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00059.8.0626.000Dokumentnummer
JJT_19800626_OGH0002_0130OS00059_8000000_000