TE OGH 1980/7/3 12Os74/80

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Veröffentlicht am 03.07.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mohr als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A und Renate B wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs. 1

Suchtgiftgesetz und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Walter A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und über die von der Angeklagten Renate B erhobene Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.März 1980, GZ. 6 c Vr 10762/79-26, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Herzl und Dr. Obendorfer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 StGB. dahin ergänzt, daß die erlittene Vorhaft beiden Angeklagten auch auf die Geldstrafen angerechnet wird. Der Berufung des Angeklagten Walter A wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Berufung der Angeklagten Renate B Folge gegeben, und der Vollzug der über diese Angeklagte verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen beiden Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.August 1959 geborene beschäftigungslose Walter A und die am 25.März 1960 geborene Kellnerin Renate B des Verbrechens (wider die Volksgesundheit) nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. sowie des Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. schuldig erkannt, weil sie in der Zeit zwischen Anfang 1979 und Dezember 1979

A) vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider, Suchtgift in

solchen Mengen eingeführt, ausgeführt und in Verkehr gesetzt haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte und zwar dadurch, daß I) Walter A 1) 18 g Morphium auf dem Postweg aus Indien ausführte und in Wien durch Übersendung an Renate B nach Österreich einführte, 2) in Wien ca. 25 Schüsse Morphium dem Leopold C überließ, 3) in Wien ca. 10 Schüsse Morphium dem Josef D überließ;

II) Renate B 1) 20 g Morphium aus Indien ausführte und auf dem Postweg durch Übersendung an Walter A in Wien nach Österreich einführte, 2) in Wien ca. 20 Schüsse Morphium dem Walter A überließ,

3) in Wien ca. 20 Schüsse Morphium dem Leopold C überließ, 4) in Wien ca. 50 Schüsse Morphium dem Heinz E verkaufte, 5) in Wien 3 g Morphium an unbekannte Personen verkaufte, 6) in Wien 2 Schüsse Morphium dem Gerhard F verkaufte;

B) wiederholt unberechtigt Suchtgifte, vornehmlich Morphium erworben

und in Besitz gehabt haben.

Beide Angeklagte wurden nach §§ 6 Abs. 1 SuchtgiftG., 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von je einem Jahr verurteilt. Gemäß § 6 Abs. 3 SuchtgiftG. wurde auf Verfall des sichergestellten Suchtgiftes erkannt.

Gemäß § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. wurde über Renate B eine Geldstrafe in der Höhe von 34.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe und über Walter A eine Geldstrafe in der Höhe von 8.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit 10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Die erlittene Vorhaft wurde beiden Angeklagten auf die verhängten Freiheitsstrafen angerechnet. Dieses Urteil wird vom Angeklagten Walter A allein in Ansehung des Schuldspruches nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und bezüglich des Strafausspruches von beiden Angeklagten mit Berufung bekämpft.

Mit seiner den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 der genannten Gesetzesstelle relevierenden Mängelrüge bekämpft der Beschwerdeführer die Feststellung des Erstgerichtes, er habe bei der Übersendung des Suchtgiftes aus Indien (gemeint: die ihm neben anderen Fakten als Verbrechen nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. zur Last gelegte Übersendung von 18 g Morphium per Post aus Indien an die Mitangeklagte Renate B in Wien, Punkt A) I) 1) des Schuldspruches) bewußt dessen Weitergabe durch B an einen unbestimmten Personenkreis in Kauf genommen (S. 250), als 'aktenwidrig', zumal seine Kenntnis, daß B an mehrere Personen Suchtgift verkaufe, noch nicht beweise, daß sie auch die in Rede stehenden, von ihm aus Indien übersendeten Suchtgiftmengen weiterverkaufte und B einen solchen Weiterverkauf bei der Polizei auch bestritten habe.

Rechtliche Beurteilung

Dem Urteil haftet jedoch kein Begründungsmangel an. Die Feststellung des Schöffengerichtes, der Beschwerdeführer habe gewußt, daß B an mehrere Personen Suchtgift verkaufe, findet volle Deckung in dessen eigener Verantwortung vor der Polizei (S. 103, 239) und in der Hauptverhandlung (S. 231). Die weitere Tatsachenannahme, er habe bei der Übersendung des Suchtgiftes aus Indien bewußt die Weitergabe desselben durch B an einen unbestimmten Personenkreis in Kauf genommen, stellt sich als eine in der freien Beweiswürdigung des Gerichtes verankerte, den Denkgesetzen wie auch der allgemeinen Lebenserfahrung völlig entsprechende und sohin im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile keiner wirksamen Anfechtung unterliegende Schlußfolgerung aus eben dieser Kenntnis von den Verkaufspraktiken seiner Mitangeklagten Renate B dar. Die angefochtene Feststellung ist daher weder aktenwidrig, noch mit einem anderen Begründungsmangel im Sinne des angezogenen Nichtigkeitsgrundes behaftet. Daß diese Weitergabe auch tatsächlich erfolgt ist, hat das Erstgericht ebenfalls mängelfrei - nicht zuletzt auf Grund der geständigen Verantwortung der Mitangeklagten Renate B - festgestellt.

Die Mängelrüge versagt sohin.

In Ausführung seiner Rechtsrüge wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht insoweit eine unrichtige rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes vor, als es die unter Punkt A) I) 1) bis 3) des Schuldspruches umschriebenen Tathandlungen (Ausfuhr von 18 g Morphium aus Indien und Einfuhr nach Österreich durch Postversand an Renate B in Wien, Überlassung von 25 Schüssen Morphium an Leopold C und ca. 10 Schüssen Morphium an Josef D in Wien) als Verbrechen nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. (und nicht bloß als Vergehen nach § 9 Abs. 1 Z. 2 - gemeint wohl: Z. 1 - SuchtgiftG.) beurteilt hat. Dies deshalb, weil einerseits der Beschwerdeführer 'nur an zwei Personen' (eben C und D) 'geringe Mengen' Morphium unentgeltlich überlassen habe (Punkt A) I) 2) und 3) des Schuldspruches) und andererseits das von ihm aus Indien nach Österreich an B übersandte Suchtgift (Punkt A) I) 1) des Schuldspruches) lediglich für seinen Eigenverbrauch bestimmt gewesen sei, wobei er in allen Fällen nicht damit rechnen habe müssen, daß die Empfänger die Suchtgiftmengen weitergeben würden.

Was die Menge des vom Beschwerdeführer ausgeführten, eingeführten und in Verkehr gesetzten Suchtgiftes anlangt, so irrt dieser, wenn er vermeint, daß sie nicht ausreiche, um in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (d. h. nach ständiger Rechtsprechung, eine Menge von 30 bis 50 Personen der Rauschgiftsucht zuzuführen, vgl. Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, Anm. 15 zu § 6 SuchtgiftG. und die dort zitierte Judikatur), wie dies der Tatbestand des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. voraussetzt. Denn die sogenannte 'Grenzmenge', das ist die zur Herbeiführung einer derartigen Gemeingefahr hinreichende Menge, liegt in Ansehung von Morphium (Morphin) bei 1,5 Gramm (RZ. 1973, S. 44). Der Beschwerdeführer hat aber nach den Feststellungen 18 g und weitere 35 'Schüsse' Morphium (das sind nach den Urteilsfeststellungen etwa 4 Gramm, siehe S. 245), insgesamt also 22 Gramm Morphium aus- und eingeführt, bzw. in Verkehr gesetzt. Ob das Inverkehrsetzen entgeltlich oder unentgeltlich erfolgte, ist für die Erfüllung des Tatbestandes des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. belanglos. Soweit der Beschwerdeführer aber ein Handeln mit zumindest bedingtem Vorsatz in bezug auf die Weitergabe der von ihm an B, C und D übermittelten Suchtgiftmengen bestreitet, bringt er den von ihm geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, da er von urteilsfremden Prämissen, nicht aber von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen (S. 250) ausgeht. Ohne Rechtsirrtum hat das Erstgericht somit sowohl die objektive Eignung der in Rede stehenden Suchtgiftmengen zur Herbeiführung einer Gemeingefahr im Sinne des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. bejaht, als auch den Umstand, daß die Herbeiführung einer solchen Gefahr vom (bedingten) Vorsatz des Beschwerdeführers umfaßt war. Es hat demnach den in Punkt A) I) des Schuldspruches umschriebenen Sachverhalt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers zu Recht als Verbrechen wider die Volksgesundheit nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. beurteilt.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter A war demnach zu verwerfen.

Hingegen haftet dem Urteil der in der Beschwerde nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. an, da das Erstgericht die erlittene Vorhaft beiden Angeklagten nur auf die verhängten Freiheitsstrafen, nicht aber wie im § 38 Abs. 1 StGB. vorgeschrieben, auch auf die Geldstrafen angerechnet hat.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. hatte der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen so vorzugehen als wäre der in Frage kommende Nichtigkeitsgrund geltend gemacht worden und im Sinne dieser Gesetzesstelle auch zugunsten der Mitangeklagten, die die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, auszusprechen, daß die erlittenen Vorhaftzeiten beiden Angeklagten auch auf die Geldstrafen angerechnet werden.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht bei A erschwerend die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und als mildernd das Geständnis, bei B als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd das Geständnis, die Unbescholtenheit und das Alter unter 21 Jahren. Aus general- und spezialpräventiven Gründen und insbesonders wegen der offenbaren Süchtigkeit der beiden Angeklagten, wurde von der bedingten Strafnachsicht kein Gebrauch gemacht.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte Walter A eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und bedingte Strafnachsicht. Die Berufung ist nicht berechtigt.

Da der Angeklagte A schon süchtig war, als er B kennenlernte und der Erwerb des Suchtgiftes in Indien und die Einfuhr nach Österreich nach vorheriger Verabredung jeweils von einem der beiden Angeklagten erfolgte, kann von einer Verleitung des Angeklagten A durch B nicht gesprochen werden.

Auch wenn man berücksichtigt, daß das Erstgericht den weiteren Milderungsgrund des Alters unter 21 Jahren übersehen hat, ist bei den gegebenen Strafbemessungsgründen und der Schuld des bereits einschlägig vorbestraften Angeklagten die Strafe nicht zu hoch bemessen. Da der Angeklagte nach einer Verurteilung wegen einer einschlägigen Straftat die strafbaren Handlungen nach §§ 6 und 9 SuchtgiftG. fortgesetzt hat, ist die Annahme nicht gerechtfertigt, daß die bloße Androhung der Vollziehung genügen werde, ihn vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 StGB. liegen somit bei ihm nicht vor. Auch seiner Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Renate B bekämpft mit ihrer Berufung lediglich die Nichtanwendung der bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB. und verweist auf ihre Unbescholtenheit und, daß sie von ihrer Sucht völlig frei wurde.

Die Berufung ist berechtigt.

Da die 20-jährige Angeklagte bisher noch nicht vorbestraft wurde und einer geregelten Beschäftigung nachgeht, war die Annahme gerechtfertigt, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe genügen werde, um sie vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Auch generalpräventive Erwägungen sprechen bei dem nicht allzu hohen Unrechtsgehalt der Tat nicht gegen die bedingte Strafnachsicht. Ihrer Berufung war daher Folge zu geben und die Strafe unter Setzung einer angemessenen Probezeit bedingt nachzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E02684

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00074.8.0703.000

Dokumentnummer

JJT_19800703_OGH0002_0120OS00074_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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