TE OGH 1980/8/13 9Os69/80

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Veröffentlicht am 13.08.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. August 1980 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwäters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Dr. Eugen A wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Berufungsgericht vom 7. November 1979, AZ. 7 b Bl 156/79, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, der Ausführungen des Privatanklagevertreters Dr. Kosch und der Ausführungen des Angeklagten Mag. Dr. A zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 7. November 1979, AZ. 7 b Bl 156/79, verletzt, soweit damit der Berufung des Privatanklägers Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr.techn. Robert B wegen Nichtigkeit Folge gegeben, das angefochtene Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 7. Mai 1979, GZ. U 1468/78-12, teilweise aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 114 Abs. 1 StGB Es wird im vorbezeichneten Umfang aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Die Berufung des Privatanklägers wegen Nichtigkeit wird (zur Gänze) zurückgewiesen, seiner Schuldberufung wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Privatankläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr.techn. Robert B erhob am 29. Juni 1979 beim Bezirksgericht Baden gegen Dr. Eugen A, Rechtsanwalt in Baden, Privatanklage wegen Vergehens nach § 111 Abs. 1 StGB, wobei er inkriminierte, daß der Beschuldigte als Klagevertreter in der Rechtssache der klagenden Partei N. C gegen die beklagte Partei S. D, AZ. 1 Cg 1041/74 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt, in einem Schriftsatz vom 1. März 1978 mit Beziehung auf den Privatankläger folgendes ausgeführt habe: 'Er ist nicht vertrauenswürdig ...'; 'Da er scheinbar auch anderswo Aggressionsakte begeht (Müller-Hartburg-Vernichtung und anderes mehr ...) scheint die Kritik und Selbstbeherrschungsfähigkeit eingeschränkt zu sein. Als Gutachter ist er daher ungeeignet, weil ... egozentrisch, rechthaberisch und daher nicht objektiv', und: 'Im Stadion hat es gekracht, ähnlich wie bei der Reichsbrücke. Die Bauführung bzw. verantwortlich war der Herr Prof. B ...', durch welche Äußerungen der Beschuldigte in Ansehung des Privatanklägers den Tatbestand der üblen Nachrede verwirklicht habe.

Mit Urteil vom 7. Mai 1979, GZ. U 1468/78-12, sprach das Bezirksgericht Baden den Beschuldigten Dr. A von dieser Privatanklage (zur Gänze) gemäß § 259 Z. 3 StPO frei. Er stellte fest, daß der Privatankläger im erwähnten Zivilprozeß C und D ein Privatgutachten für die beklagte Partei erstattet habe, das vom Beschuldigten mit den inkriminierten Äußerungen als unrichtig bezeichnet worden sei. Das Gutachten des Privatanklägers sei schließlich im Zivilverfahren als grob falsch und durch die Beweisergebnisse eindeutig widerlegt erkannt worden, weshalb nur zu prüfen gewesen sei, ob die Ausführungen des Beschuldigten als Parteienvertreter sachlich gerechtfertigt und durch § 9 RAO gedeckt seien. Die Äußerung, im (Wiener West-)Stadtion, für dessen Statik der Privatankläger verantwortlich sei, habe es 'gekracht', stelle bloß die Wiedergabe von Zeitungsberichten dar und es sei durch diese Zitierung der Tatbestand der üblen Nachrede nicht erfüllt. Zu den übrigen inkriminierten Äußerungen sei der Beschuldigte deshalb berechtigt gewesen, weil es auch hierüber Zeitungsartikel gebe, das Privatgutachten des Privatanklägers tatsächlich grob falsch gewesen und das bezügliche Vorbringen des Beschuldigten in dem betreffenden Zivilprozeß in seiner Stellung als Rechtsanwalt und Vertreter der klagenden Partei zur Stärkung des Rechtsstandpunktes seiner Mandantin erfolgt sei, wozu der Beschuldigte als Parteienvertreter berechtigt gewesen sei, zumal er damit die Vertrauenswürdigkeit und Objektivität eines Sachverständigen angezweifelt habe. Auf Grund der vom Privatankläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wies das Kreisgericht Wiener Neustadt als Berufungsgericht mit Urteil vom 7. November 1979, AZ. 7 b Bl 156/79 (= U 1468/78-16), die Berufung wegen Nichtigkeit, soweit sie sich gegen den Freispruch vom Vorwurf: 'Im Stadion hat es gekracht, ähnlich wie bei der Reichsbrücke. Die Bauführung bzw. verantwortlich war der Herr Prof. B ...' richtete, zurück und gab der Schuldberufung in diesem Umfang nicht Folge; im übrigen wurde aber der Nichtigkeitsberufung Folge gegeben, das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen, wobei der Privatankläger mit seiner auch gegen diesen Teil des Ersturteils gerichteten Schuldberufung auf die getroffene Entscheidung verwiesen wurde.

Zur Aufhebung vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, § 9 Abs. 1 RAO berechtige den Parteienvertreter nicht dazu, gegen den Charakter des Gutachters gerichtete Unwerturteile vorzubringen; die Person des Gutachters habe bei der Kritik am Gutachten außer Betracht zu bleiben, es sei denn, so räumt das Berufungsgericht selbst ein, daß Fakten vorliegen, welche die Objektivität des Gutachters in Frage zu stellen geeignet sind. Auf solche Umstände habe sich der Angeklagte im gegenständlichen Fall berufen, weshalb sie das Erstgericht im Sinne des § 112 erster Satz StGB zu überprüfen gehabt hätte. Erst nach Prüfung dieser Umstände könne beurteilt werden, ob die Voraussetzungen des § 111 Abs. 3 StGB vorliegen.

Eine neuerliche Hauptverhandlung wurde bisher noch nicht anberaumt.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 7. November 1979, AZ. 7 b Bl 156/79, verletzt, soweit damit der Berufung des Privatanklägers wegen Nichtigkeit Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 114 Abs. 1 StGB Wird durch eine nach § 111 StGB tatbestandsmäßige Handlung ein Recht (im Rahmen der Gesetze) ausgeübt, wie dies vorliegend in Ansehung eines in einem Zivilprozeß als Parteienvertreter einschreitenden Rechtsanwalts der Fall ist, dann ist die betreffende üble Nachrede gemäß § 114 Abs. 1 StGB gerechtfertigt, wobei diese Rechtfertigung nicht voraussetzt, daß die ehrenrührige Behauptung wahr ist oder der Täter daran doch immerhin aus objektiv hinreichenden Gründen geglaubt hat; nicht gerechtfertigt ist nur, wem nachgewiesen wird, daß er die ehrenrührige Behauptung bewußt wahrheitswidrig (wider besseres Wissen) erhoben hat. Wer in Ausübung eines Rechts handelt, ist demgemäß nicht verpflichtet, den Wahrheitsbeweis oder den Beweis des guten Glaubens zu erbringen, um straflos zu werden; es obliegt vielmehr dem Privatankläger, ihm nachzuweisen, daß er sich der Unrichtigkeit der üblen Nachrede gewiß gewesen ist (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 4 zu § 114 sowie die dort zit. Judikatur).

Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht Baden festgestellt, daß der Angeklagte jene Äußerungen, auf welche sich das aufhebende Erkenntnis des Berufungsgerichtes bezieht, als Parteienvertreter in einem Zivilprozeß im Interesse seiner Mandantin und zur Durchsetzung ihres Rechtsstandpunktes vorgebracht hat und daß diese öußerungen dazu dienten, die Vertrauenswürdigkeit und die Objektivität des Privatanklägers als Sachverständigen in diesem Zivilprozeß zu bekämpfen, um solcherart darzutun, daß das vom Privatankläger erstattete (Privat-)Gutachten keine geeignete Feststellungsgrundlage in diesem Zivilprozeß sein könne. Davon ausgehend nahm es an, daß der Angeklagte zu den betreffenden Äußerungen berechtigt war und deshalb - der Sache nach - gemäß § 114 Abs. 1 StGB gerechtfertigt ist. Daß sich das Erstgericht erkennbar auf § 114 Abs. 1 StGB gestützt hat, folgt auch aus der Zitierung des § 9 RAO; nicht entgegensteht der Umstand, daß es an einer Stelle in den Urteilsgründen heißt, der 'Tatbestand' der üblen Nachrede sei nicht erfüllt (S 41 d. A), obwohl - recht besehen - das Verhalten des Angeklagten tatbestandsmäßig, aber gerechtfertigt und demnach nicht rechtswidrig war, und daß im vorletzten Absatz der Urteilsgründe die Bestimmung des § 111 Abs. 3 StGB zitiert wurde (S 42 d.A), womit das Erstgericht ersichtlich (nur) zum Ausdruck bringen wollte, daß sogar der Wahrheitsbeweis gelungen sei.

Hat aber Dr. A die inkriminierten Äußerungen über die Eignung des Privatanklägers zum Sachverständigen als Parteienvertreter in einem Zivilprozeß - im Zusammenhang mit dem Prozeßgegenstand und erkennbar prozeßdienlich (vgl. SSt 33/65, SSt 40/36, Kienapfel BT I RN 1056, 1063) in Ausübung des ihm gemäß § 278, 289 Abs. 1 ZPO zustehenden Rechts auf Erörterung vorgebrachter Beweismittel auf ihre Beweiskraft - gemacht, dann war er nicht verpflichtet, den Wahrheitsbeweis oder (zumindest) den Beweis des guten Glaubens zu erbringen, um straflos zu sein; um verurteilt zu werden, hätte ihm vielmehr der Privatankläger nachweisen müssen, daß er die betreffenden Äußerungen bewußt wahrheitswidrig erhoben hat, sich demnach der Unrichtigkeit seiner (ehrenrührigen) Behauptungen gewiß war. Nach der Aktenlage hat aber der Privatankläger nicht einmal den Versuch eines solchen Nachweises unternommen.

Die Auffassung des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht in dem eingangs bezeichneten aufhebenden Erkenntnis, das Erstgericht hätte die Verantwortung des Angeklagten im Sinne des § 112 erster Satz StGB zu überprüfen gehabt und es könne erst nach einer solchen überprüfung abschließend beurteilt werden, ob in Ansehung der bezughabenden inkriminierten Vorwürfe gegen die Person des Gutachters die Voraussetzungen des § 111 Abs. 3 StGB vorliegen, erweist sich somit bei der gegebenen Sachlage als rechtlich verfehlt.

Soweit das Berufungsgericht allenfalls davon ausgegangen ist, daß Dr. A sich nicht auf § 114 Abs. 1

StGB berufen, sondern die Erbringung des Wahrheitsbeweises im Sinne des § 111 Abs. 3 StGB (§ 112 erster Satz StGB) versucht habe, so widerspräche dies - abgesehen davon, daß dadurch eine Verschiebung der Beweislast zu Ungunsten des Beschuldigten bewirkt würde - dem Gesetz, weil der Rechtfertigungsgrund des § 114 Abs. 1 StGB in jedem Fall von Amts wegen zu prüfen ist (§ 3 StPO), ohne daß sich der Täter darauf berufen müßte.

Durch die - wie dargetan - gesetzwidrige (Teil-) Aufhebung des erstinstanzlichen Freispruchs ist dem Beschuldigten ein Nachteil entstanden, zumal das Erstgericht nach der im bezirksgerichtlichen Verfahren analog anzuwendenden Bestimmung des § 293 Abs. 2 StPO (vgl. Lohsing-Serini, 598; Roeder, Lehrbuch2, 313) an die Rechtsansicht gebunden ist, von welcher das Berufungsgericht bei seiner kassatorischen Entscheidung ausgegangen ist.

Es war daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E02733

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00069.8.0813.000

Dokumentnummer

JJT_19800813_OGH0002_0090OS00069_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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