TE OGH 1980/8/13 11Os96/80

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Veröffentlicht am 13.08.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rietdijk als Schriftführers in der Strafsache gegen Rupert A wegen des Verbrechens des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach den § 12, 15, 302 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. März 1980, GZ. 5 e Vr 1.145/80-13, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das erstgerichtliche Urteil, das in seinem Punkt 1./ (als (unangefochten) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (Punkt 2./) und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Rupert A des Verbrechens des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach den § 15, 302 Abs. 1 StGB als Beteiligter nach dem § 12, zweiter Fall, StGB und des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 10. Oktober 1979 in Brunn am Gebirge dadurch versuchte, Beamte dazu zu bestimmen, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, ihre Befugnis im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen, daß er die Gendarmerieinspektoren Franz B und Manfred C vom Gendarmeriepostenkommando Brunn am Gebirge, welche gegen ihn wegen des Verdachtes nach dem § 5 StVO. einschritten, mehrfach durch Anbieten von 2.000 S Bargeld zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen Lenkens eines Motorfahrrades in alkoholisiertem Zustand zu bewegen suchte (Punkt 1./ des Urteilssatzes) und am 10. Jänner 1980 in Mödling den Gendarmerieinspektor Franz B dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des versuchten Mißbrauches der Amtsgewalt nach den § 15, 302 Abs. 1 StGB oder des Vergehens der Geschenkannahme nach dem § 304 Abs. 1

StGB falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß diese Verdächtigung falsch ist, indem er bei der Vernehmung als Beschuldigter im Verfahren AZ. Z 1.590/79 des Bezirksgerichtes Mödling zu Protokoll gab, Inspektor Franz B hätte ihn gefragt, was es ihm wert wäre, wenn sie (die beiden Gendarmeriebeamten) die Sache (gemeint die Anzeige wegen § 5 StVO.) unter den Tisch fallen ließen (Punkt 2./ des Urteilssatzes).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, und zwar der Sache nach lediglich im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers kann zwar nicht gefolgt werden, wenn er mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO meint, die dem Gendarmerieinspektor Franz B angedichtete Äußerung (was es dem Angeklagten wert wäre, wenn sie - die einschreitenden Gendarmeriebeamten - die Sache unter den Tisch fallen ließen) sei viel zu vage und unbestimmt, um den Verdacht des Verbrechens des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt oder des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte erwecken zu können; ebenso geht auch die Behauptung fehl, der Angeklagte habe die Äußerung nur in Ausübung seines Verteidigungsrechtes gemacht, zumal dieses Vorbringen zur Abwehr des gegen ihn bis dahin (lediglich wegen jenes Verhaltens, das später zum Schuldspruch laut Punkt 1./ des Urteilssatzes führte) erhobenen Vorwurfs keineswegs erforderlich war und durch unmißverständliche Angabe konkreter Tatsachen Rechte anderer Personen verletzte (vgl. ÖJZ-LSK. 5/72 u.a.); der Beschwerdeführer ist jedoch im Recht, soweit er unter ziffernmäßiger Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5, sachlich auch der Z. 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO rügt, das Urteil leide an Feststellungs- und Begründungsmängeln darüber, ob sich sein Vorsatz auch auf eine konkrete Gefährdung des Bezichtigten (durch behördliche Verfolgung) erstreckte und ob die Gefahr einer solchen behördlichen Verfolgung von ihm im Sinn des § 297 Abs. 2 StGB freiwillig beseitigt wurde.

Der vom Beschwerdeführer darüberhinaus vertretenen Auffassung zuwider kann allerdings allein daraus, daß es im vorliegenden Fall zu keiner Verfolgungshandlung gegen den fälschlich Bezichtigten kam, nicht auch schon der Schluß gezogen werden, es habe von Anfang an (objektiv) keine Verfolgungsgefahr bestanden. Die tatsächliche Vornahme behördlicher Verfolgungsmaßnahmen ist nämlich - abgesehen davon, daß ein Täter, dem die nach Art seiner Handlungsweise an sich mögliche Herbeiführung einer (von ihm gewollten) Verfolgungsgefahr nur wegen der (relativen) Untauglichkeit seines Vorgehens im Einzelfall mißlungen wäre, wegen Versuchs haften müßte - nicht einmal zur Vollendung des Delikts nach dem § 297 Abs. 1 StGB erforderlich. Vielmehr liegt Deliktsvollendung bereits vor, wenn die Verdächtigung bei Kenntnisnahme durch die Behörde unter Zugrundelegung der Vorschriften der § 34 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 87 Abs. 1 StPO die vom Täter (zumindest dolo eventuali) gewollte behördliche Verfolgung des Verdächtigen in den Bereich naher Wahrscheinlichkeit rückte (vgl. 13 Os 144/78 = ÖJZ-LSK. 1979/72 - teilweise veröffentlicht in EvBl. 1979/152). Letzteres traf auf die inkriminierte Falschbezichtigung zu, die wegen ihrer Konkretheit und angesichts der Unmöglichkeit, sie sofort als unwahr zu erkennen und zu entkräften, keineswegs als von vornherein ungeeignet angesehen werden konnte, eine taugliche Grundlage für Verfolgungshandlungen gegen Gendarmerieinspektor Franz B abzugeben, was insbesondere auch darin zum Ausdruck kommt, daß die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer nicht sogleich (auch) Anklage wegen Verleumdung erhob, sondern - ersichtlich in der Erwägung, daß je nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung unter Umständen eine Verfolgung des erwähnten Gendarmeriebeamten in Frae komme -

die Ausdehnung der Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen § 297 Abs. 1 StGB lediglich der Hauptverhandlung vorbehielt. Obgleich das Erstgericht somit zutreffend davon ausging, daß Gendarmerieinspektor Franz B durch die in Rede stehende Falschbezichtigung an sich (objektiv) der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt wurde (vgl. S. 72 d.A.), rügt die Beschwerde mit Recht, daß dem Urteil nicht entnommen werden kann, ob das Bewirken dieser Gefahr auch vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Angeklagten umfaßt war.

Das Erstgericht setzte sich zwar mit der Verantwortung des Angeklagten, es sei eine Kurzschlußhandlung gewesen (vgl. S. 45 d. A.), er müsse sich schlecht ausgedrückt haben, es sei ihm erst nachher zu Bewußtsein gekommen, was er angestellt habe (vgl. S. 52 d. A.), auseinander, brachte jedoch bei dieser Erörterung nur zum Ausdruck, daß sich der voll zurechnungsfähige Angeklagte sehr wohl bewußt war, was er zu Protokoll gab (S. 69, 70 d.A.) und daß er auch wußte (§ 5 Abs. 3 StGB), daß die dabei von ihm geäußerte Verdächtigung falsch war (S. 71, 72 d.A.). Feststellungen über den daraus keineswegs selbstverständlich folgenden Umstand aber, ob es der Beschwerdeführer auch subjektiv (zumindest) ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (§ 5 Abs. 1, zweiter Halbsatz StGB), daß Gendarmerieinspektor Franz B durch die falsche Verdächtigung der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt wurde, fehlen jedoch zur Gänze (vgl. EvBl. 1980/133). Den Beschwerdeausführungen kommt aber auch insoweit Berechtigung zu, als sie die Urteilsfeststellung, der Angeklagte habe die Gefahr der behördlichen Verfolgung des Franz B nicht freiwillig und rechtzeitig, sondern erst 'über den Druck der Beweise' beseitigt (S. 72 d.A.), als unzureichend begründet bezeichnet.

Da die Behörde bis zuletzt nichts zur Verfolgung des falsch Verdächtigten unternahm, kann zunächst an der Rechtzeitigkeit der Gefahrenbeseitigung nicht gezweifelt werden.

Im übrigen gab der Angeklagte bereits in der (vertagten) Hauptverhandlung am 21. März 1980, in der Beweise überhaupt nicht aufgenommen wurden, zu, daß seine bezüglichen Behauptungen nicht der Wahrheit entsprachen (S. 45 d.A.).

In der Hauptverhandlung am 28. März 1980 ließ er - vor Eröffnung des Beweisverfahrens - neuerlich keinen Zweifel daran, daß es sich um eine Falschbezichtigung gehandelt hatte (S. 52 d.A.). Allein mit dem Druck der - zur Zeit des Widerrufs noch gar nicht aufgenommenen - Beweise konnte daher die mangelnde Freiwilligkeit dieses Widerrufs, der nach Lage des Falles zu einer Gefahrenbeseitigung im Sinn des § 297 Abs. 2 StGB ausreichte, nicht zureichend begründet werden, zumal Freiwilligkeit nach dieser Gesetzesstelle - ebenso wie Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) - zwar das Fehlen zwingender (wenn auch allenfalls nur psychischer und vermeintlicher) Gründe für das Verhalten des Täters voraussetzt, anderseits aber keineswegs ausschließt, daß für dieses Verhalten (hier die durch Widerruf der Falschbezichtigung bewirkte Beseitigung der Verfolgungsgefahr), das allerdings zur Gänze aus freien Stücken erfließen muß, auch äußere Umstände (etwa ein Appell, die Wahrheit zu sagen) mitbestimmend waren.

Da es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, die fehlenden Tatsachenfeststellungen zur subjektiven Tatseite (hinsichtlich der durch die falsche Verdächtigung bewirkten konkreten Gefährdung) nachzuholen und den die Frage der Freiwilligkeit der Gefahrenbeseitigung nach dem § 297 Abs. 2 StGB betreffenden Begründungsmangel selbst zu sanieren, erweist sich eine teilweise Erneuerung des Verfahrens als unerläßlich.

Das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher - gemäß dem § 285 e StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung - im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E02727

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00096.8.0813.000

Dokumentnummer

JJT_19800813_OGH0002_0110OS00096_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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