TE OGH 1980/9/2 5Ob573/80

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Veröffentlicht am 02.09.1980
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Norm

ABGB §870
ABGB §871 Abs1
ABGB §871 Abs2
ABGB §872 Abs1
ABGB §872 Abs2

Kopf

SZ 53/108

Spruch

Der Irrtum des Erwerbers eines Wohnungsrechtes über die Größe der Wohnfläche ist in der Regel wesentlicher Geschäftsirrtum

Sowohl bei Arglist als auch bei wesentlichem Irrtum kann der Vertragspartner Preisminderung begehren, wenn beide Parteien den Vertrag ohne die Irreführung bzw. den Irrtum auch mit dem geminderten Entgelt geschlossen hätten

OGH 2. September 1980, 5 Ob 573/80 (OLG Linz 2 R 172/79; LG Salzburg 7 Cg 140/79)

Text

Mit Vertrag vom 3. Feber 1978 übertrug der Beklagte die ihm an der

39.87 m2 Wohnfläche umfassenden Wohnung in Salzburg auf Grund des "Wohnbesitz- (Bestands-) Vertrages" vom 28. August 1974 gegen die Liegenschaftseigentümerin zustehenden Rechte mit deren Zustimmung für ein Entgelt von 466 000 S an die Klägerin.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 72 483.10 S samt 4% Zinsen seit 4. Feber 1978 "zum Ersatz des Schadens", der ihr dadurch erwachsen sei, daß sie der Beklagte mit der unrichtigen Behauptung, die Wohnfläche umfasse 50 m2, über die für die Kaufpreisgestaltung entscheidende Wohnungsgröße in einen Irrtum geführt habe, der ihm auch aufgefallen sei. Dem Beklagten sei auch bekannt gewesen, daß sie, die Klägerin, sich bei Kenntnis der wahren Wohnungsgröße niemals zur Zahlung eines so hohen Entgelts bereit erklärt hätte. Unter Zugrundelegung der angegebenen Wohnungsgröße ergebe sich ein Entgelt von 9 870 S pro m2 Wohnfläche, sodaß das für die tatsächliche Wohnungsgröße angemessene Entgelt 393 516.90 S betragen müsse. Der Differenzbetrag auf das vereinbarte Entgelt sei vom Beklagten zu ersetzen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß er die Klägerin nicht bewußt in Irrtum geführt und vertraglich jegliche Gewähr für einen bestimmten Zustand oder eine bestimmte Beschaffenheit der Wohnung ausgeschlossen habe; die Wohnung sei von der Klägerin vor Vertragsschluß mehrfach besichtigt und als für ihr Zwecke geeignet befunden worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die von der Ehefrau des Beklagten in einem Vorgespräch der Klägerin erteilte unrichtige Auskunft über die Größe der Wohnfläche - wofür der Beklagte infolge Bevollmächtigung seiner Frau einzustehen habe - sei nicht Grundlage für den später geschlossenen Vertrag gewesen. Die Klägerin habe den Vertrag mit dem Beklagten vielmehr auf der Grundlage ihrer bei drei Besichtigungen gewonnenen Eindrücke von der Wohnung und deren Eignung für ihre Zwecke geschlossen. Die genaue Wohnungsgröße sei für sie "offensichtlich" ohne Bedeutung gewesen; dies komme auch darin zum Ausdruck, daß die Vertragsurkunde darüber keine Angabe enthalte, aber festgehalten worden sei, der Beklagte schließe jegliche Gewähr für eine bestimmte Beschaffenheit oder einen bestimmten Zustand der Wohnung aus. Der ursprünglich unrichtigerweise bei der Klägerin erweckte Eindruck über die Größe der Wohnfläche sei demnach auf das Geschäft ohne Einfluß geblieben.

In Stattgebung der Berufung der Klägerin hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache mit dem Auftrag, das Verfahren erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen, zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in die erste Instanz zurück. Es könne nach der Klageerzählung kein Zweifel darüber bestehen, daß die Klägerin die Korrektur des Vertrages mit dem Beklagten wegen eines ihrer Meinung nach unwesentlichen, aber vom Beklagten veranlaßten Irrtums über die wahre Größe der Wohnfläche anstrebe (§ 872 ABGB). Dabei handle es sich, der neueren Lehre gemäß, nicht um einen - bloß von der subjektiven Voraussetzung des Verschuldens unabhängigen - Schadenersatzanspruch. Listige Irreführung (§ 870 ABGB) mache die Klägerin nicht geltend, allerdings wäre nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo auch eine Ersatzpflicht des bloß fahrlässig irreführenden Vertragspartners abzuleiten. Zur Vertragskorrektur wegen Irrtums sei nicht erforderlich, daß der Geschäftspartner den Irrtum verschuldet hat;,Veranlassung" des Irrtums bedeute nur adäquate Verursachung. Der Irrtum sei wesentlich, wenn der Erklärende ohne ihn das Geschäft nicht geschlossen hätte, unwesentlich hingegen, wenn er sich auf Nebenpunkte beziehe, also das Geschäft ohne ihn anders geschlossen worden wäre: Die Parteien hätten in diesem Falle zwar auch bei Kenntnis der wahren Sachlage kontrahiert, jedoch unter anderen Bedingungen. Es reiche nicht aus, daß eine Partei zu einem Kontrakt mit anderem Inhalt bereit gewesen wäre. Die Beurteilung der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit des Irrtums müsse zunächst durch Feststellung des hypothetischen Parteiwillens versucht werden. Sei dies nicht möglich, so müsse gefragt werden, wie normale Parteien redlicherweise gehandelt hätten. Hätte die Kenntnis der wahren Sachlage den Abschluß des Rechtsgeschäftes in keiner Weise beeinflußt, so sei der Irrtum überhaupt unerheblich. Bedeutsam sei also ein Irrtum nur, wenn er für den Abschluß des Rechtsgeschäftes in seiner Gestalt kausal gewesen sei. Der Ansicht des Erstgerichtes, die ursprünglich der Klägerin erteilte Auskunft über die Größe der Wohnfläche in m2 sei nicht Vertragsgrundlage geworden, könne - zumindest nach den bisherigen Verfahrensergebnissen - nicht beigepflichtet werden. Es sei möglich, daß die Klägerin den Vertrag auf jeden Fall, also auch bei Kenntnis der wahren Größe der Wohnfläche, geschlossen hätte, doch sei die Vorstellung über die Größe der Wohnung in m2 nach allgemeiner Lebenserfahrung für den Vertragsschluß auf die Höhe des Entgelts von grundlegendem Einfluß. So werde in der Literatur der Irrtum eines Vertragspartners über das Flächenmaß der gekauften Liegenschaft regelmäßig als unwesentlicher Irrtum im Sinne des § 872 ABGB beurteilt, vorausgesetzt, daß die Größe nicht besonders zugesichert oder für die Bebaubarkeit nicht wesentlich sei, also den ordentlichen oder bedungenen Gebrauch nicht hindere. Diese Beschreibung treffe den vorliegenden Fall, denn der behauptete Irrtum habe sich auf die Wohnungsgröße, die nicht ausdrücklich zugesichert und für die Bewohnbarkeit durch die Klägerin nicht wesentlich gewesen sei, also den ordentlichen oder bedungenen Gebrauch der Wohnung nicht hindere, bezogen. Daraus dürfe aber - trotz dreimaliger Besichtigung der Wohnung durch die Klägerin vor Vertragsschluß und Nichtaufnahme der Wohnungsgröße in den Vertragstext - nicht geschlossen werden, daß der Irrtum der Klägerin unerheblich gewesen sei. Der vertragliche Verzicht der Klägerin auf Gewährleistungsansprüche hindere nicht die Geltendmachung des Irrtums. Es liege auf der Hand, daß der Irrtum über die Wohnungsgröße ein Geschäftsirrtum sei. Die Ansicht des Erstgerichtes, der Beklagte habe seine Ehefrau "bevollmächtigt", könne nicht geteilt werden, denn der Beklagte habe die Klägerin schriftlich lediglich gebeten, seine Frau zwecks Terminvereinbarung anzurufen. Da Hilfspersonen, Vermittler und Stellvertreter zur Vertragspartei gehören und nicht "Dritte" im Sinne des § 875 ABGB seien, müsse ihr Verhalten - auch bei der Vorbereitung des Vertrages - dieser Vertragspartei zugerechnet werden. Das Erstgericht habe sich in seiner Beweiswürdigung nicht mit verschiedenen Beweisaussagen - die im einzelnen angeführt sind - auseinandergesetzt, denen zufolge die telefonische Angabe der Wohnungsgröße durch die Frau des Beklagten in seiner Gegenwart erfolgt sei und der Beklagte der von der Klägerin geäußerten Ansicht über die Größe der Wohnung von 50 m2 nicht widersprochen bzw. zugestimmt habe. Entsprächen diese Angaben der Wahrheit, dann habe der Beklagte den Irrtum der Klägerin nicht nur veranlaßt, vielmehr hätte ihm der Irrtum der Klägerin auch auffallen müssen. Die Aussage eines Zeugen könne unter Umständen den angeblichen Irrtum der Klägerin auch widerlegen. Käme man, wenn man dem Beklagten Glauben schenke, daß er selbst nicht die Größe der Wohnung gekannt habe, zur Annahme eines gemeinsamen Irrtums, der im ABGB nicht geregelt sei, dann stelle dieser nach herrschender Auffassung ebenfalls einen Anfechtungsgrund dar. Feststellungen in den eben aufgezeigten Richtungen seien daher unumgänglich, aber vom Erstgericht nicht getroffen worden. Die sich allenfalls ergebende Notwendigkeit zur Vertragskorrektur müsse in der Weise vorgenommen werden, daß der vereinbarte Preis zum geminderten Preis in dasselbe Verhältnis versetzt werde, in dem sich der objektive Wert der Sache ohne Mangel zum objektiven Wert der Sache mit Mangel befinde (sogenannte "relative Berechnungsmethode"). Die Richtigkeit der von der Klägerin in der Klage unternommenen Berechnung des Vergütungsbetrages setze allerdings voraus, daß der vereinbarte Preis dem objektiven Wert der Wohnung bei einer Fläche von 47.20 m2 (den die Klägerin zugrunde gelegt hatte) und der geminderte Preis dem objektiven Wert der Wohnung bei der tatsächlichen Wohnfläche von 39.87 m2 völlig entspräche, sich also die Wohnfläche linear auf den Preis übertragen ließe. In der dargestellten Richtung werden, allenfalls auf Grund Sachverständigenbeweises, Feststellungen zu treffen sein, wobei berücksichtigt werden müsse, daß es sich um keine Eigentumswohnung, sondern um eine Wohnung auf Baurechtsgrund handle, die mit einem "Wohnbesitz (Bestands-) Vertrag" erworben worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Berufungsgericht ist in der Ansicht beizustimmen, daß die Klägerin Vertragsanspassung im Sinne des § 872 ABGB begehrt, denn sie strebt unter Verzicht auf die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums bzw. List die Wiederherstellung der durch den behaupteten Irrtum gestörten "subjektiven Äquivalenz" (Koziol - Welser, Grundriß I[5], 110) in der Form an, daß das mit dem Beklagten für die Übertragung der ihm an der Wohnung zustehenden Rechte vereinbarte Entgelt herabgesetzt und er zur Zurückzahlung des empfangenen Mehrbetrages verurteilt werde. Damit legt sie ihrem angeblich zur Zeit des Vertragsschlusses bestandenen Irrtum über die Größe der Wohnfläche in Quadratmetern unwesentliche Bedeutung bei.

Es kann allerdings nicht die Ansicht des Berufungsgerichtes geteilt werden, die Klägerin berufe sich nicht (auch) auf Arglist im Sinne des § 870 ABGB, denn sie behauptete in der Klageschrift, der Beklagte habe sie über die Größe der Wohnfläche in einen Irrtum geführt, der ihm auch aufgefallen sei, und gewußt, daß sie, die Klägerin, sich bei Kenntnis der wahren Wohnungsgröße niemals zur Zahlung eines so hohen (des vereinbarten) Entgelts bereit erklärt hätte. Demnach müßte also dem Beklagten der Irrtum der Klägerin über die wahre Größe der Wohnfläche bewußt gewesen sein. Wer aber einen anderen in seinem Entschluß, ein Rechtsgeschäft überhaupt oder doch mit einem bestimmten Inhalt vorzunehmen, durch eine mittels Vorspiegelung falscher oder Verschweigung wahrer Tatsachen gewollte Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums bewußt mit dem Ziel beeinträchtigt, daß dadurch sein rechtsgeschäftlicher Wille beeinflußt wird oder doch beeinflußt werden könnte, handelt arglistig im Sinne des § 870 ABGB (SZ 41/33 u. a.; zuletzt auch 5 Ob 524/79; vgl. Larenz, AT des Bürgerlichen Rechts[4], 349 f). Es kann auch eine Täuschung des Vertragspartners durch Verschweigen eines Umstandes geschehen, von dem der Verschweigende annehmen mußte, daß er für die Entschließung seines Geschäftspartners von Bedeutung ist oder doch von Bedeutung sein könnte (5 Ob 524/79; Larenz a. a. O., 350; Soergel - Hefermehl, BGB I[11], 540). Unter dieser Voraussetzung besteht nämlich eine Pflicht zum Reden (Larenz a. a. O., 350), weil der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte. In einem solchen Fall genügt die bloß hypothetische Kausalität, daß nämlich die unterlassene Aufklärung, wenn sie erfolgt wäre, den Getäuschten von einem Geschäft mit dem bestimmten Inhalt abgehalten hätte (Larenz a. a. O.; 5 Ob 524/79).

Die herrschende Lehre läßt - worauf schon Iro (Versuch eines harmonischen Verständnisses der Bestimmungen über Willensmängel bei Verkehrsgeschäften, JBl. 1974, 225 ff. insbesondere 233) hingewiesen hat - nicht erkennen, ob auch bei listiger Irreführung über unwesentliche Umstände, also bei Willensmängeln, ohne deren Vorhandensein die Parteien den Vertrag auch, aber zu anderen Bedingungen geschlossen hätten, für den Getäuschten im Rahmen der Anordnung des § 872 ABGB ein Recht auf Vertragsanpassung besteht, denn es wird ganz allgemein immer nur von seinem Wahlrecht zwischen Anfechtung und Bestehenlassen des Vertrages gesprochen. Iro (a. a. O., 233) meint, es gäbe keine vernünftige Erklärung, warum der Betrogene, der ohne diese Willenslenkung den Vertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätte, vom Partner, der auch mit diesem einverstanden gewesen wäre, nicht die Änderung des Vertrages fordern dürfe; das wirtschaftliche Interesse sei eben primär auf die gültige und modifizierte Existenz des Vertrages gerichtet. Dieser Ansicht hat sich der OGH bereits in der Entscheidung SZ 50/35 angeschlossen und auch der 5. Senat tritt ihr bei.

Es kann keine Frage sein, daß der Irrtum eines Erwerbers von Wohnungsrechten über die Größe der Wohnfläche nach Quadratmetern ein Geschäftsirrtum ist und daß dieser Irrtum in aller Regel auch als beachtlich anzunehmen sein wird, weil im allgemeinen das Entgelt für Wohnungsrechte durch die Größe der Wohnfläche nicht unmaßgeblich bestimmt wird. Zur Widerlegung dieser Annahme, für die die Lebenserfahrung spricht, träfe den Beklagten die Behauptungs- und Beweislast. Die bisherigen Tatsachenbehauptungen des Beklagten lassen jedenfalls nicht den Schluß zu, die Größe der Wohnfläche sei für die Klägerin bei Vertragsschluß bedeutungslos gewesen und habe keinen Einfluß auf ihre Entschließung gehabt, die Wohnungsrechte zu dem vereinbarten Entgelt zu erwerben.

Ob der Geschäftsirrtum - dies wird also sowohl bei Irrtum nach § 871 ABGB als auch bei Arglist nach § 870 ABGB zu prüfen sein - der Klägerin ein unwesentlicher in dem Sinne war, daß beide Vertragsparteien den Vertrag ohne Irrtum ebenfalls abgeschlossen hätten, wenn auch mit einem anderen Inhalt, nämlich einem anderen Entgelt, wird in erster Linie durch die Feststellung des hypothetischen Willens der Parteien und, wenn auf diesem Wege kein Ergebnis erzielt werden sollte, durch Beantwortung der Frage zu ermitteln sein, wie normale Parteien redlicherweise gehandelt hätten (Koziol - Welser a. a. O., 108). Ist dies der Fall, so wird den Parteien durch die Korrektur des Vertrages nicht ein neuer Vertrag aufgezwungen, den sie gar nicht schließen wollten und auch nie abgeschlossen hätten, sondern vielmehr gerade jener Vertrag herbeigeführt, den sie bei irrtumsfreiem Handeln ohnedies abgeschlossen hätten (Koziol, Zur Anwendbarkeit des § 872 ABGB bei wesentlichem Irrtum, JBl. 1967, 64 ff., insbesondere 66; SZ 50/35; SZ 45/38; EvBl. 1977/190).

Für das Vorliegen der Voraussetzungen zur Anwendung der von ihr in Anspruch genommenen Tatbestände nach den §§ 870, 871 Fall 1 und 2 und 872 ABGB ist die Klägerin behauptungs- und beweispflichtig. Dies gilt grundsätzlich auch für die Voraussetzungen zur Annahme eines unwesentlichen Irrtums in dem bereits dargestellten Sinne mit dem dazu erforderlichen Willen beider Vertragsteile, auch bei Aufklärung des Irrtums, wenngleich mit anderem Inhalt, zu kontrahieren. Da jedoch die den Beklagten zum Vertragsschluß bestimmenden Gründe, Umstände und Überlegungen für die Klägerin nicht durchschaubar sind und sie deshalb in einen nicht rechtfertigenden Wissens- und Beweisnotstand käme, andererseits jedoch bei Verträgen, mit denen Wohnungsrechte entgeltlich übertragen werden, nach der allgemeinen Lebenserfahrung in der Regel marktorientierte verkehrsübliche Entgelte verlangt und versprochen, also vereinbart werden, darf von der Annahme ausgegangen werden, daß dies beide Parteien auch in diesem Fall bei Aufklärung des der Klägerin anhaftenden Irrtums gewollt hätten, also auch der Beklagte in diesem Falle vertragswillig gewesen wäre, wenn die Klägerin behauptet und erforderlichenfalls auch beweist, daß das von den Parteien vereinbarte Entgelt für die Überlassung der Wohnungsrechte an einer rund 50 m2 Wohnfläche umfassenden Wohnung gleicher Art, Beschaffenheit, Ausstattung und Lage verkehrsüblich ist. Es wäre dann die Pflicht des Beklagten, Tatsachen zu behaupten und erforderlichenfalls auch zu beweisen, aus denen sich ein zuverlässiger Schluß dafür ableiten ließe, daß er auch bei Aufklärung des Irrtums der Klägerin über die Größe der Wohnfläche zu keinem geringeren als dem vereinbarten Entgelt seine Wohnungsrechte übertragen hätte.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auf die für den Fall der Annahme der Voraussetzungen für die begehrte Vertragsanpassung wegen Irrtums oder Arglist anzuwendende Methode der Ermittlung der Höhe der Vergütung gleich jener der Preisminderung bei der Gewährleistung hingewiesen ("relative Berechnungsmethode", Koziol - Welser a. a. O., 110 und 216). Diesen Ausführungen des Berufungsgerichtes ist ebenso zuzustimmen wie jenen, die sich mit der Zurechnung irreführenden Verhaltens von Stellvertretern, Verhandlungsgehilfen und Boten - die nicht "Dritte" im Sinne des § 875 ABGB sind (Koziol - Welser a. a. O., 117; SZ 44/59; Ob 524/79) - an den, für den diese Personen tätig geworden sind, sowie damit befassen, daß auch ein gemeinsamer Irrtum der Parteien den Fällen des § 871 ABGB gleich steht (JBl. 1976, 646; SZ 44/59; SZ 36/22 u. v. a.; Koziol - Welser a. a. O., 110).

Anmerkung

Z53108

Schlagworte

Arglist, Voraussetzung für Preisminderung bei - und wesentlichem Irrtum, Geschäftsirrtum, wesentlicher, bei Irrtum über Größe der Wohnfläche, Irrtum, wesentlicher, Voraussetzung für Preisminderung bei Arglist und -, Preisminderung, Voraussetzung für - bei Arglist und wesentlichem Irrtum, Wohnfläche, Irrtum über -, wesentlicher Geschäftsirrtum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0050OB00573.8.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19800902_OGH0002_0050OB00573_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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