Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. September 1980
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs. 1
StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 18. Februar 1980, GZ. 24 Vr 2503/79-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Karl Bollmann und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der an seinem Arbeitsplatz positiv beschriebene, gerichtlich noch nicht abgestrafte, aber schon dreimal wegen Fahrens ohne Führerschein sowie mit einem Moped ohne Nummernschild verwaltungsbehördlich bestrafte Karosseriespenglerlehrling Johann A des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er, zur Tatzeit knapp über 16 Jahre alt, in den Vorderradreifen seines in einen Unfall verwickelt gewesenen Kleinmotorrads ein Loch gestochen und dabei mit dem Vorsatz gehandelt hatte, daß das solcherart hergestellte falsche Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Verfahren gebraucht werde. Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen hatten er, ohne daß er die erforderliche Lenkerberechtigung besessen hätte, und sein etwas älterer Freund Hermann B einander beim Befahren einer Bezirksstraße mit ihren Kleinmotorrädern mehrmals mit hoher Geschwindigkeit überholt, bis schließlich zuerst der Angeklagte und sodann der von hinten auf dessen Fahrzeug auffahrende B zum Sturz kamen, leicht verletzt wurden und ärztliche Hilfe sowie (ambulante) Krankenhausbehandlung in Anspruch nehmen mußten. Da der Angeklagte wegen des neuerlichen Fahrens ohne Lenkerberechtigung eine verwaltungsbehördliche Bestrafung und außerdem für die Zukunft Schwierigkeiten bei der Erlangung des Führerscheins befürchtete, stellten er und über seine Bitte auch B das Unfallsgeschehen bei der Gendarmerie so dar, als ob er auf seinem eigenen Fahrzeug nur als Sozius mitgefahren wäre und sein Freund gelenkt hätte, wobei sie infolge eines Reifenplatzers am Vorderrad gestürzt wären. Um diese unrichtige Version glaubhaft zu machen, stach er in den Vorderradreifen seines Kleinmotorrads ein Loch. Tatsächlich wurde hierauf das gerichtliche Strafverfahren gegen Hermann B wegen des Verdachts fahrlässiger Körperverletzung eingestellt, nachdem ein vom Bezirksgericht Perg beigezogener Sachverständiger festgestellt hatte, daß dieses Loch als Ursache zwar nicht eines Reifenplatzers, aber doch eines möglicherweise unfallskausalen Reifendruckabfalls in Betracht komme. Erst durch einen vertraulichen Hinweis und durch die Ausforschung einer Unfallszeugin kam der wahre Sachverhalt zutage.
Rechtliche Beurteilung
Der auf einen Freispruch mangels Strafwürdigkeit der Tat (§ 259 Z 4 StPO; § 42 StGB) abzielenden, auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO gestützten - unrichtig als 'Berufung wegen Nichtigkeit' bezeichneten - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Schon von einer geringen Schuld des Täters (§ 42 Abs. 1 Z 1 StGB) im Sinn eines erheblichen Zurückbleibens seines tatbildmäßigen Verhaltens hinter dem in der Strafdrohung des § 293 Abs. 1 StGB typisierten Unrechts- und Schuldgehalt (vgl. ÖJZ-LSK 1976/379) kann im vorliegenden Fall, der Beschwerdeauffassung zuwider, nicht gesprochen werden. Stellt doch die dem Angeklagten zur Last fallende Fälschung eines sachlichen Beweismittels nur einen Teilakt seines für die Beurteilung der Strafwürdigkeit maßgebenden komplexen Gesamtverhaltens dar, mit dem er nicht nur durch die Verschleierung des wahren Unfallsgeschehens einer Bestrafung zu entgehen und zudem die ihm mit gutem Grund drohende Verweigerung einer Lenkerberechtigung zu umgehen trachtete, sondern außerdem noch auch seinen (gleichfalls jugendlichen und unbescholtenen) Freund zur Mitwirkung an einer keineswegs zu bagatellisierenden Täuschung der Behörden zu den vorerwähnten Zwecken bewog. Die Schuld des Beschwerdeführers liegt demnach durchaus nicht deutlich unter der deliktstypischen Norm.
Ferner sind als Folgen der Tat (§ 42 Abs. 1 Z 2 StGB) nicht nur deren tatbildmäßiger Erfolg, sondern alle ihre Auswirkungen in Betracht zu ziehen (ÖJZ-LSK 1977/344). Im Hinblick auf die (durch die Manipulation des Angeklagten am Reifen seines Fahrzeugs veranlaßte) Durchführung eines kostenaufwendigen Sachverständigenbeweises sowie überhaupt auf die (durch sein - am selben Ziel orientiertes - Gesamtverhalten verursachte) Einleitung eines (wenngleich in der Folge eingestellten) gerichtlichen Strafverfahrens gegen Hermann B kann dementsprechend auch davon keine Rede sein, daß die Tat überhaupt keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hätte.
Schließlich und vor allem aber stehen spezialpräventive Erwägungen (§ 42 Abs. 1 Z 3 StGB) der Annahme mangelnder Strafwürdigkeit der Tat geradezu zwingend entgegen. Denn mit Rücksicht darauf, daß der jugendliche Beschwerdeführer schon mehrmals wegen des Lenkens eines Kleinmotorrads ohne Lenkerberechtigung oder doch ohne Verkehrszulassung straffällig geworden ist, in Verbindung mit seinen im vorliegenden Fall zutage getretenen Charaktereigenschaften, wie sie nicht nur in seinem wenig verantwortungsbewußten Verkehrsverhalten sichtbar werden, sondern überdies in den gerade für sein jugendliches Alter doch reichlich massiven (und auf verschiedene Erfolge zielenden) Täuschungshandlungen (insgesamt) gegen die Behörden, in die er seinen Freund als Komplizen mit hineinzog, ist der angefochtene Schuldspruch (mit bedingter Verurteilung gemäß § 13 JGG) ungeachtet der gerichtlichen Unbescholtenheit des Angeklagten, seiner geordneten häuslichen Verhältnisse und seiner guten Führung am Arbeitsplatz jedenfalls geboten, um ihm das Unrecht seines Tuns nachdrücklich vor Augen zu führen und ihn so von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Da sohin alle diese Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Z 1 bis 3 StGB, die zur Annahme einer mangelnden Strafwürdigkeit der Tat sogar kumulativ vorliegen müßten, fehlen, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Anmerkung
E02794European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00107.8.0902.000Dokumentnummer
JJT_19800902_OGH0002_0100OS00107_8000000_000