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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des T, geboren 1955, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Jänner 2003, Zl. St 224/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Jänner 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer habe erstmals am 19. Oktober 1990 im Bundesgebiet einen ordentlichen Wohnsitz begründet. Ihm sei zuletzt ein unbefristeter Sichtvermerk erteilt worden.
Mit Straferkenntnis vom 11. Februar 1991 (richtig wohl: 1992) sei der Beschwerdeführer mit einer Geldstrafe in Höhe von S 8.000,-
- belegt worden, weil er am 2. Dezember 1991 in stark alkoholisiertem Zustand (1,96 Promille) einen PKW auf öffentlichen Straßen gelenkt habe. Am 9. Februar 1994 sei ihm anlässlich der Einbringung eines Antrages auf Erteilung eines weiteren Sichtvermerkes die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Fall angedroht worden, dass er sich weiterer schwer wiegender Verwaltungsübertretungen oder gerichtlich strafbarer Handlungen schuldig mache. Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 29. Jänner 1998 sei er wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Wochen rechtskräftig verurteilt worden. Er habe am 11. Dezember 1997 Ivana K. zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar dadurch, dass er ihr ein Messer im Bereich des Rückens angesetzt und sich dazu mit den Worten geäußert habe "Ich bringe Dich um". Auch diese Strafe sowie die erneut erfolgte Androhung eines Aufenthaltsverbotes habe den Beschwerdeführer nicht zu einer Änderung seines Verhaltens bewegen können. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 16. Februar 2001 sei er wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Er habe in der Nacht zum 24. Dezember 1998 dadurch, dass er die Motorhaube, sämtliche Türen und Kotflügel sowie den Kofferraumdeckel des PKW der Milka K. mit dem Flaschenöffner eines Mehrzweckwerkzeuges zerkratzt habe, eine fremde Sache vorsätzlich beschädigt, wobei der Schaden S 25.000,-- überstiegen habe. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. Juni 2001 sei der Beschwerdeführer erneut wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Er habe am 25. März 2001 der Marijana K. einen Schlüsselbund mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und er habe am 30. März 2001 Milka K. durch Aufzielen mit einem Küchenmesser und die sinngemäße Drohung "Das ist für Dich!" mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen. In seiner Berufungsschrift habe der Beschwerdeführer ausgeführt, "dass die Verurteilungen ausschließlich aus einer ungeordneten Beziehung zu einer Familie (K.) bzw. derselben zu Ihnen entspringen würden". Da der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen (Aggressionsdelikten) rechtskräftig, zuletzt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Monten, verurteilt worden sei, sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.
Der Beschwerdeführer halte sich seit 12 Jahren in Österreich auf und habe hier keine familiären Bindungen. Seine Familie halte sich in Kroatien auf. Er sei seit 1990 nur ca. 68 Monate einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgegangen. In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Auf Grund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in sein Privatleben eingegriffen; ein Familieleben führe er hier nicht. Ihm werde eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zugebilligt. In beruflicher Hinsicht scheine ihm die Integration nicht gänzlich gelungen zu sein, weil er sich die Hälfte der Zeit ohne Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet aufgehalten habe. Ihm sei besonders schwer anzulasten, dass eine gerichtliche Verurteilung nicht ausgereicht habe, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Auch eine schriftliche Ermahnung aus dem Jahr 1994 habe er unbeachtet gelassen. Besonders schwer sei ihm auch anzulasten, dass er mehrmals gefährliche Drohungen unter Verwendung eines Messers begangen habe. Deswegen sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Da der Beschwerdeführer die gefährlichen Drohungen unter Verwendung eines Messers begangen habe und auch eine Androhung eines Aufenthaltsverbotes nichts genützt habe, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, sei von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch zu machen gewesen. Da die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch gemäß § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Die "Integrationsbestimmungen" des § 38 Abs. 3 FrG iVm § 35 FrG seien auf den Beschwerdeführer, der sich in regelmäßigen Abständen strafbar gemacht habe, nicht anwendbar. Auf Grund der regelmäßigen Straftaten könne nicht abgesehen werden, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen sein würden. Das Aufenthaltsverbot "konnte daher nur von befristeter Dauer erlassen werden".
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer bringt indes vor, den Akten des Landesgerichtes Wels könne entnommen werden, dass sämtliche strafgerichtliche Verurteilungen "aus einer ungeordneten Beziehung zur Familie K. bzw. derselben zu mir" resultieren würden. Er habe glaubhaft versichert, dass er sich in Zukunft wohl verhalten werde und dass er jeden Kontakt zur Familie K. vermeide. Aus diesem Grund sei Gewähr dafür gegeben, dass in Hinkunft keine strafbaren Handlungen mehr vorkommen würden. Er lebe bereits seit 12 Jahren in Österreich, sei sozial integriert und unselbständig erwerbstätig und habe sich in Österreich eine Existenz aufgebaut. In Kroatien würde er weder Wohnung noch Arbeit noch sonstige soziale Kontakte vorfinden.
2. Dieses mit Blick auf § 36 Abs. 1 FrG wie auch § 37 leg. cit. erstattete Vorbringen ist nicht zielführend.
2.1. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer am 11. Dezember 1997 der Ivana K. ein Messer im Bereich des Rückens angesetzt und sich dazu mit den Worten geäußert "Ich bringe Dich um". Er wurde deswegen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt. Am 24. Dezember 1998 hat der Beschwerdeführer einen PKW der Milka K. zerkratzt und damit eine fremde Sache vorsätzlich beschädigt, wobei der Schaden S 25.000,-- überstiegen hat. Deswegen wurde er zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Schließlich hat der Beschwerdeführer am 25. März 2001 der Marijana K. einen Schlüsselbund weggenommen und am 30. März 2001 der Milka K. durch Aufzielen mit einem Küchenmesser und die sinngemäße Drohung "Das ist für Dich" gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen. Deswegen wurde er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.
Aus den im Verwaltungsakt erliegenden Strafurteilen ergibt sich, dass es sich bei Milka K. um die ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und bei Ivana K. und Marijana K. um deren Töchter handelte.
Bei Würdigung dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und insbesondere des Umstandes, dass sich die Straftaten über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt haben, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sie, keinen Bedenken, besteht doch ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2000/18/0074). Selbst wenn das Motiv für die Begehung der Straftaten in Beziehungsproblemen des Beschwerdeführers zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin zu suchen wäre, so böte dies keine Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer, sollte er neuerlich (etwa durch Beziehungsprobleme zu anderen Personen) emotionalen Belastungen ausgesetzt sein, nicht weitere strafbare Handlungen begehen werde.
2.2. Bei der Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde im Hinblick auf die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 1990 einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn der erstgenannten Bestimmung angenommen. Wenn sie angesichts des besagten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Erlassung dieser Maßnahme für dringend geboten erachtet hat, so ist dies in Ansehung des von ihr herangezogenen, in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen nicht als rechtswidrig zu erkennen. Auch die von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommene Interessenabwägung steht mit dem Gesetz in Einklang, kommt doch den privaten Interessen des Beschwerdeführers, der keine familiären Bindungen in Österreich aufweist und dessen Familie sich im Heimatland Kroatien aufhält, an einem Verbleib in Österreich angesichts der Minderung, die die für eine Integration wesentliche soziale Komponente durch sein Fehlverhalten erfahren hat, kein größeres Gewicht zu als dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes.
Bei dem Vorbringen in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige geheiratet habe und mit dieser ein gemeinsames Familienleben führe, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), zumal die Eheschließung - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt - erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides am 12. Februar 2003 vorgenommen worden ist.
3. Schließlich wendet sich die Beschwerde gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Gemäß § 39 Abs. 1 FrG kann ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 leg. cit. unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. für die Dauer von höchstens fünf Jahren und in allen anderen Fällen nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach § 39 Abs. 2 erster Satz leg. cit. ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 leg. cit. - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, das auch über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren aufrecht erhalten werden kann, stellt gegenüber der Verhängung eines - auf höchstens zehn Jahre - befristeten Aufenthaltsverbotes die schwerer wiegende Beeinträchtigung der persönlichen Interessen des Fremden dar. (Vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0124.)
Wiewohl die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Straftaten des Beschwerdeführers - wie dargestellt - eine erhebliche Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses darstellen, handelt es sich doch nicht um so schwere Delikte, dass sie - angesichts der beachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet - die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes rechtfertigen könnten. Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
4. Da es sich bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes um einen vom übrigen Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht trennbaren Abspruch handelt, war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. Mai 2005
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003180060.X00Im RIS seit
10.06.2005