TE OGH 1980/9/30 10Os134/80

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Veröffentlicht am 30.09.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 3, 128 Abs. 2 StGB. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Helmut A gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 22. Mai 1980, GZ. 13 Vr 191/80-26, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird jedoch das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten Helmut A und Siegfried B wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 f StGB. (Punkte 1 a und b) sowie demgemäß auch im gesamten Strafausspruch (einschließlich des davon abhängigen Ausspruchs gemäß § 38 StGB.) - mithin in Ansehung des Angeklagten B zur Gänze - aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Helmut A auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen diesem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 7. November 1957 geborene Bankangestellte Helmut A und der am 12. September 1952 geborene Versicherungsangestellte Siegfried B (1.) des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2 StGB.

(Helmut A auch nach § 127 Abs. 2 Z. 3 StGB.), Helmut A überdies - außer eines weiteren Verbrechens (§§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB.) -

(2.) des Vergehens der Untreue nach § 153 (Abs. 1 und) Abs. 2 (erster Fall) StGB.

schuldig erkannt, weil sie in Selzthal (zu 1) am 28. Jänner 1980 fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Valuten, deren Wert 100.000 S übersteigt, der C -

Linz (Helmut A als deren Dienstnehmer unter Ausnützung der hiedurch geschaffenen Gelegenheit) mit Bereicherungsvorsatz wegnahmen, und zwar:

a) Helmut A und Siegfried B in Gesellschaft als Beteiligte einen Geldbetrag von 178.160 S, sowie b) Helmut A allein einen weiteren Geldbetrag von 350.000 S, 3.140 DM, 105.770 Dinar und 222.000 Lire, ferner Helmut A (wiederum) allein (zu 2) von Ende 1979 bis Jänner 1980 in seiner Eigenschaft als Verfügungsberechtigter über das Konto 80-885.231 des Willibald D die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen dadurch wissentlich mißbrauchte und dem Genannten einen Vermögensnachteil in der Höhe von 90.000 S zufügte, daß er (in zwei Zugriffen) einen Betrag von insgesamt 90.000 S von diesem Konto abhob und für sich verwendete. Ersichtlich nur den Schuldspruch zu Punkt 2 bekämpft der Angeklagte Helmut A mit einer auf die Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Beschwerdeführer erblickt eine unvollständige (sowie einen inneren Widerspruch aufweisende) Begründung des bezeichneten Schuldspruchs darin, daß das Schöffengericht bei der Feststellung, er sei zur Abhebung des Betrags von 90.000 S vom Konto seines Schwagers Willibald D (und Verwendung des Geldes) für eigene Zwecke nicht berechtigt gewesen, seine Angaben vor der Gendarmerie (vom 31. Jänner 1980), wo er sich auf eine solche Berechtigung berufen hätte, übergangen und demzufolge zu Unrecht das Fehlen einer derartigen Verantwortung im Verfahren gegen ihn ins Treffen geführt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Einwand versagt.

Das Schöffengericht nahm die bezügliche Tatbegehung, nämlich einen Mißbrauch der dem Angeklagten von seinem Schwager Willibald D eingeräumten Befugnis über dessen Konto (Nr. 80-885.231) bei der C Linz nur im Falle günstiger(er) Anlagemöglichkeiten (mit höherem Ertrag zu dessen Nutzen), keinesfalls aber (durch Abbuchungen) zu seinem eigenen Vorteil zu verfügen, auf Grund der (geständigen) Verantwortung des Beschwerdeführers vor dem Untersuchungsrichter (S. 55, 59 b - Vorhalt in der Hauptverhandlung S. 185) - vor der Gendarmerie hatte er (dem Beschwerdevorbringen zuwider) lediglich erklärt, an sich zu Behebungen vom bezeichneten Konto berechtigt gewesen zu sein (vgl. S. 19, 21 = 107, 109) - als erwiesen an und versagte seiner anderslautenden Verantwortung in der Hauptverhandlung, Willibald D habe ihn ermächtigt, im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten 'von ihm' Geld zu nehmen, im Rahmen der ihm durch § 258 Abs. 2 StPO. eingeräumten Befugnisse ebenso den Glauben wie der - diese Version bestätigenden - Aussage des genannten Zeugen (bei der Hauptverhandlung).

Die als Mängelrüge deklarierten Beschwerdeausführungen, welche in Wahrheit lediglich die Frage der höheren Glaubwürdigkeit und Beweiskraft von durch das Schöffengericht verwerteten Verfahrensergebnissen aufwerfen, erschöpfen sich (demnach) der Sache nach in einem bloßen (unzulässigen) Angriff auf die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher mangels gesetzmäßiger Ausführung schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 285 d Abs. 1 Z. 1, 285 a Z. 2 StPO.).

Dabei hat sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das Strafgesetz in Ansehung des unbekämpft gebliebenen Schuldspruchs wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls (Punkte 1 a und b) zum Nachteil des Angeklagten und des bereits rechtskräftig Verurteilten Siegfried B unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.).

Maßgebend für die Beantwortung der (Abgrenzungs-) Frage nach der Wertung deliktischer Angriffe auf fremdes Vermögen als Diebstahl, Veruntreuung oder Untreue ist, ob der Erfolg durch Gewahrsamsbruch (§ 127 StGB.: Wegnahme einer - im Gewahrsam eines Anderen befindlichen -

fremden beweglichen Sache - mit Bereicherungsvorsatz), durch Verletzung einer Verwahrungs- und Rückstellungsoder einer Verwendungspflicht (§ 133 StGB.: Zueignung eines anvertrauten - schon dadurch in den ausschließlichen Gewahrsam des Täters gelangten - Gutes - mit Bereicherungsvorsatz) oder durch Befugnismißbrauch (§ 153 StGB.:

Zufügung eines Vermögensnachteils im Wege - wissentlichen - Mißbrauchs der Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten) herbeigeführt wird. Darüber, welches dieser Verhältnisse auf Grund der Umstände des konkreten Einzelfalles (in tatsachenmäßiger Beziehung) gegeben ist, entscheiden die Natur der den Gegenstand des Delikts bildenden Sachen und die Lebensgepflogenheiten, namentlich die allgemeine Verkehrsauffassung.Daß der Täter die faktische Verfügungsgewalt über eine (widerrechtlich entzogene) fremde bewegliche Sache erst - in der für den Diebstahl charakteristischen Art -

durch Gewahrsamsbruch erlangt und er sich nicht etwa - in der für die Veruntreuung typischen Weise - ein bereits in seinem ausschließlichen Gewahrsam gewesenes Gut zugeeignet hat, wird (in Ansehung der Grenzziehung zwischen § 127

StGB. einerseits und § 133 StGB. andererseits) bei im Rahmen eines Geschäftsbetriebes eingenommenen Geldbeträgen regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn der Täter mit dem (in seine Hände gelangten) Geld nur unter der (zumindestens potentiell jederzeit gegebenen) Aufsicht und (unmittelbaren) Kontrolle seiner Vorgesetzten, die solcherart (auch) selbst hieran (sogenannten 'Mit-' oder 'Ober-') Gewahrsam erlangen, (ungefähr) so verfahren kann, wie dies beispielsweise für Geldsummen zutrifft, die in einem Verkaufslokal von den Angestellten in Anwesenheit des Geschäftsherrn (oder von durch diesen mit Kontrollfunktionen ausgestatteten Personen) - gleichsam unter dessen (deren) Augen - übernommen werden (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/195; EvBl. 1979/215 u.v.a.).

Im vorliegenden Fall weist schon die - immerhin konstatierte (S. 197) - Stellung des Angeklagten als Leiter einer vom Hauptsitz des Unternehmens (in Linz) örtlich getrennten Zweigstelle, die er noch dazu als Einmannbetrieb führte, klar auf seine (weitgehende) Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit im Filialbereich hin. Das in der C-Filiale Selzthal verwahrte Geld befand sich daher außerhalb jeder effektiven Verfügungsmöglichkeit seiner - den Dienstgeber vertretenden - Vorgesetzten in der (Linzer) Zentrale und damit auch außerhalb deren Herrschaftssphäre. Da sich somit die den Urteilsfakten 1 a und b zugrunde liegenden Geldbeträge (zur Tatzeit) im ausschließlichen Gewahrsam des Angeklagten A befanden und jedenfalls nicht durch Gewahrsamsbruch in seine faktische Verfügungsgewalt gelangten, wurden die bezüglichen Tathandlungen vom Schöffengericht rechtsirrig als Diebstahl beurteilt (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/59, 1978/120; Leukauf-Steininger2 RN 58 und 59 zu § 127 sowie RN 33 und 34 zu § 133 StGB. zuzüglich der dort jeweils angegebenen Judikatur).

Eine (sofortige) Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof in der Sache selbst (§ 288 Abs. 2 Z. 3 StPO.) scheitert indessen daran, daß das Urteil (im Zusammenhang mit dem ausschließlichen Gewahrsam des Angeklagten A an dem in Rede stehenden Geld) keine ausreichenden Feststellungen für die Beantwortung der (darüber hinaus) weiterhin zur Beurteilung stehenden Frage der Abgrenzung der Veruntreuung von der Untreue enthält. Hiezu muß nämlich (vollkommen) eindeutig darüber abgesprochen werden, ob dem Angeklagten Helmut A im Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter der C-Zweigstelle Selzthal bezüglich der (jeweils) in seinem Gewahrsam befindlichen Geldmittel eine (durch Anvertrauen begründete) Verwahrungsoder bestimmte Verwendungspflicht (z.B. bloße Weiterleitung an die Zentrale in Linz) auferlegt, ihm also lediglich eine nur faktische Zugriffsmöglichkeit geboten war, sodaß er sich durch seine Tathandlungen im Sinne des § 133 StGB. ein ihm anvertrautes Gut zugeeignet hätte, oder ihm aber (insoferne) eine Befugnis zu - begrifflich ein Mindestmaß an (allenfalls beschränktem) Machthaber-Ermessen voraussetzenden rechtlichen 'Verfügungen' (vgl. 10 0s 148/79, 10 0s 113/80) eingeräumt war, die sich dann (der Natur der Sache nach) auf seine (in diesem Belange als Einheit zu beurteilende) gesamte Tätigkeit als Machthaber der C (Linz) und somit nicht nur auf die zu den Dispositionen jeweils unerläßlichen eigentlichen Rechtshandlungen, sondern (eo ipso) auch auf alle zu deren Effektuierung dienenden (und damit ihrerseits gleichfalls zur betreffenden Verfügung über fremdes Vermögen gehörenden) tatsächlichen Maßnahmen, wie etwa auf die (dazu erforderliche) Entnahme von Bargeld erstreckten (vgl. SSt. 38/4, 22/62, 20 u.a.), weshalb er unter diesen Umständen durch sein deliktisches Verhalten der C den Vermögensnachteil im Wege des Befugnismißbrauchs zugefügt und im Falle der Wissentlichkeit desselben (auch hier) den Tatbestand des § 153 StGB. verwirklicht hätte (10 0s 108/79). Wegen der aufgezeigten Feststellungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.), die (zwangsläufig) in gleicher Weise (auch) den Schuldspruch des Mitangeklagten Siegfried B betreffen und eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz im Umfang der Urteilsaufhebung unvermeidlich machen, war daher nach Anhörung der Generalprokuratur ebenfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285 e StPO. i.d.F. BGBl. 1980/28) von Amts wegen (§ 290 Abs. 1 StPO.) wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E03023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00134.8.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19800930_OGH0002_0100OS00134_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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