Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Brigitte A und eine andere wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Manuela B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 21.Dezember 1979, GZ. 23 Vr 2197/79- 36, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Punkte C bis E des Urteilssatzes und Ausspruch gemäß § 26 Abs. 1 StGB.) unberührt bleibt, in Ansehung der Angeklagten Manuela B sowie gemäß § 290 Abs. 1 StPO. auch hinsichtlich der Angeklagten Brigitte A jeweils in den Schuldsprüchen wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. und der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. (Punkte A und B) sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des davon abhängigen - Brigitte A betreffenden - Ausspruchs gemäß § 38 StGB.) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte Manuela B auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 12.April 1963 geborene Hilfsarbeiterin Brigitte A und die am 11.März 1962 geborene beschäftigungslose Manuela B (außer anderen strafbaren Handlungen) der Vergehen (A) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. und (B) der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 18.Juni 1979 in Innsbruck im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäterinnen Daniela C und Andrea D (zu A) durch die Äußerung, sie herzuschlagen, und indem Brigitte A ihnen wiederholt ein Springmesser vorhielt, gefährlich bedrohten, um die Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen, sowie (zu B) durch gefährliche Drohung, nämlich dadurch, daß Brigitte A den Mädchen das angeführte Messer vorhielt und damit (vor ihnen) herumfuchtelte, sowie durch die (damit verknüpfte) Aufforderung, ihr Geld vorzuzeigen, eben hiezu nötigten.
Nach den (hier nur kurz zusammengefaßt wiedergegebenen) wesentlichen Urteilsfeststellungen hielten sich die beiden Schülerinnen (der 3. Klasse) der Fachschule für wirtschaftliche Frauenberufe Güssing Daniela C und Andrea D in den Abendstunden des 18.Juni 1979 in der Innsbrucker Innenstadt auf, wo sie von den Angeklagten zunächst angestänkert und (im Zuge einer wörtlichen Auseinandersetzung) mit Mißhandlungen ('Herschlagen') bedroht wurden. Die Angeklagten folgten sodann den zwei Mädchen auf dem Weg zum Lokal 'Nachtexpreß', in dem sich deren Lehrerin mit den Mitschülerinnen aufhielt. Als die Angeklagten dabei von Daniela C und Andrea D Geld forderten, kamen letztere diesem Verlangen nicht nach, sondern suchten ihrerseits die Angeklagten - allerdings erfolglos - zu dessen Aufgabe durch die (vorgetäuschte) Einladung in das obgenannte Lokal zu veranlassen. Der hierauf seitens der Angeklagten neuerlich erhobenen Forderung nach Geld gegenüber verhielten sich C und D weiterhin ablehnend. Um ihnen 'Angst einzujagen' (vgl. S. 233, 235, 236), öffnete die Angeklagte Brigitte A daraufhin ein mitgeführtes Springmesser und fuchtelte damit vor ihnen herum. Hinter einem Eisenbahnviadukt, das sie inzwischen erreicht hatten, forderten die Angeklagten die Daniela C und die Andrea D nunmehr auf, das in ihrem Besitz befindliche Geld herzuzeigen; Brigitte A unterstützte das Begehren mit dem von ihr benützten Springmesser;
Manuela B hielt sich in unmittelbarer Nähe auf. Nachdem Andrea D ihre aus 6 S bestehende Barschaft vorgezeigt hatte, wandte sich die Angeklagte A der Daniela C zu. Diese öffnete - im Vertrauen auf das den Angeklagten abgenommene (und von diesen sogar beschworene) Versprechen, ihr kein Geld wegzunehmen -
ihre Geldtasche und wies die darin verwahrte Bargeldsumme von 1.300 S vor. Erst in dieser Phase verlangte die Angeklagte A deren Herausgabe unter Drohungen mit dem Messer, wurde jedoch von der (diesem Vorhaben entgegenwirkenden) Angeklagten B aufgefordert, Daniela C in Ruhe zu lassen; obwohl es den Angeklagten möglich gewesen wäre, die Barschaft des eingeschüchterten Opfers an sich zu bringen, nahmen sie hievon (letztlich aus freien Stücken) Abstand.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Angeklagten Manuela B ersichtlich nur gegen die in Rede stehenden (beiden) Schuldsprüche unter Anrufung des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.
Das Jugendschöffengericht stützt die Annahme einer vorsätzlichen Beteiligung der Angeklagten Manuela B (als Mittäterin) an den von Brigitte A unternommenen und (abweichend von der in Richtung des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 StGB. erhobenen Anklage - zufolge eines beiden Angeklagten zugebilligten Rücktritts vom Versuch dieses Verbrechens) als - die eingangs bezeichneten -
Vergehen der Nötigung und der gefährlichen Drohung gewerteten Handlungen in tatsachenmäßiger Beziehung auf ihre eigenen Angaben (offenbar) vor der Polizei (vgl. S. 61 f., 65 f.) sowie auf die Aussage der Zeugin Andrea D vor dem Untersuchungsrichter (S. 110). Dabei ließ es allerdings eine Reihe von gewichtigen (gegenteiligen) Verfahrensergebnissen, die gegen eine vorsätzliche Mitwirkung der Angeklagten B sprechen und darum einer Erörterung bedurft hätten, völlig unberücksichtigt. Mit Recht macht die Mängelrüge in diesem Sinne unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (vor allem) geltend, daß sich das Erstgericht über die - Manuela B (zumindestens teilweise) entlastende -
Verantwortung der Angeklagten A, wonach B 'am ganzen Vorfall nicht direkt beteiligt war' und sie (A) sogar aufgefordert habe, die beiden Mädchen in Ruhe zu lassen (vgl. S. 11 b, 12, 59, 218) - wobei die betreffenden Bekundungen nicht ausschließen, daß B derartige Aufforderungen schon anläßlich der ersten Manipulationen ihrer Begleiterin A mit dem Messer an diese gerichtet hat - faktisch ebenso hinwegsetzt wie über die - diese Angaben stützende - Schilderung der Zeugin Daniela C vor der Polizei und in der Hauptverhandlung, derzufolge die Beschwerdeführerin die Angeklagte A 'immer durch Zureden' anwies, 'aufzuhören' (vgl. S. 42, 221), dies also wiederholt sowie mit entsprechender Intensität und außerdem nicht erst in den letzten Phasen des Geschehens, sondern bereits in früheren (möglicherweise in den ersten relevanten) Stadien geschah. Gleiches gilt für die ebenfalls in diese Richtung weisende Darstellung der Zeugin Andrea D vor der Polizei (S. 49) und in der Hauptverhandlung (S. 220). Hätten sich die Ereignisse aber so abgespielt, wie es durch die im Urteil übergangenen Beweisergebnisse nahegelegt wird, nämlich daß Manuela B (von Anfang an) laufend auf Brigitte A eingewirkt hat, gegen C und D nichts zu unternehmen, dann wäre damit auch der Erwägung des Erstgerichts der Boden entzogen, das Einverständnis der Beschwerdeführerin mit dem Vorgehen der A (und damit das ihr - darum - angelastete vorsätzlich einverständliche Zusammenwirken mit jener als Komplizin) dokumentiere sich in deren weiterer Begleitung anläßlich des deliktischen Einwirkens auf die Opfer (S. 238).
Schon diese, den von der Beschwerdeführerin angefochtenen Schuldsprüchen anhaftenden Begründungsmängel gemäß § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., welche die Mitangeklagte A nocht nicht berühren, nötigen (zunächst) zur (teilweisen) Aufhebung des Urteils im bekämpften Umfang und zur Anordnung einer entsprechenden Verfahrenserneuerung. Ebenfalls begründet ist die - bloß subsidiär erhobene - Rechtsrüge (Z. 10 - sachlich auch Z. 9 lit. a - des § 281 Abs. 1 StPO.), wenn sie sich unter dem Aspekt von Feststellungsmängeln gegen die Wertung des - von der Staatsanwaltschaft als Verbrechen des versuchten schweren Raubes unter Anklage gestellten - Tatgeschehens im Zusammenhang mit dem den Angeklagten zugebilligten freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB.) als Vergehen einerseits der gefährlichen Drohung und andererseits der Nötigung im wesentlichen mit der Argumentation wendet, im Hinblick darauf, daß von allen Anfang an stets von Geld die Rede war, ferner auf die 'einheitliche Tatzeit' und den mit dem Vorzeigen des Messers verfolgten Zweck, der jeweils in auf die Herbeiführung von - sich auf Geld beziehenden (und letztlich dessen Herausgabe bewirkenden) - Handlungen der beiden Mädchen und 'nicht nur in deren Einschüchterung' bestand, lägen keine (mehreren) realkonkurrierenden Straftaten vor.
Insoweit ist vor allem von Belang, in welchem Zeitpunkt des in Verbindung mit der Bejahung des (angenommenen) Strafaufhebungsgrundes nach § 16 Abs. 1 StGB. vom Erstgericht plötzlich in mehrere Teilphasen zerlegten Tatablaufs die Angeklagte A (und etwa auch Manuela B, also allenfalls beide Angeklagten) den Raubvorsatz faßte(n). Nun haben beide Angeklagten, mögen sie bei Schilderung ihres Vorgehens insbesondere mit Bezug auf die Verwendung des Messers durch A und den damit verfolgten Zweck gleichzeitig (wie auch später in zunehmendem Maße) durch entsprechende Akzentuierung vom Raub (als Endziel) abzulenken gesucht haben, schon vor der Polizei übereinstimmend zugegeben, daß bereits in den frühesten Stadien und jedenfalls bevor noch vom 'Herschlagen' die Rede war, davon gesprochen worden ist, den Mädchen Geld wegzunehmen, und damit ein schon damals zumindestens gesprächsweise erwähntes Raubvorhaben einbekannt (vgl. z.B. S. 62, 65). Wäre aber das Ziel ihres Verhaltens von Anfang an und demgemäß auch bei den (von den Punkten A und B des Schuldspruchs erfaßten) Drohungen, namentlich aber bei der Nötigung zum Vorzeigen des Geldes, dessen Wegnahme oder Abnötigung (also ein Raub) gewesen, dann läge insgesamt auch vom Vorsatz her ein einheitliches Tatgeschehen vor und es müßte der den Angeklagten vom Erstgericht zugebilligte freiwillige Rücktritt vom Versuch (des Raubes) auch zur Straflosigkeit dieser (dann auf gar kein selbständiges Deliktsziel gerichteten) Tathandlungen und damit zum Freispruch von der Anklage wegen des Verbrechens des versuchten Raubes führen. Vor allem in Ansehung der Erzwingung des Herzeigens des Geldes, die rechtlich eine der Sachentfremdung beim Raub notwendigerweise vorausgehende essentielle Vorphase dieses Delikts darstellt und (zudem) auch in tatsachenmäßiger Beziehung - lebensnah betrachtet - kaum von der versuchten Geldwegnahme losgelöst gesehen werden kann, scheidet ein qualifizierter (Raub-)Versuch, durch den (vorsätzlich) die Freiheit der Willensentschließung allein (als selbständig geschütztes Rechtsgut - § 105
StGB.) verletzt worden wäre, aus.
Nicht nur im bereits erörterten Belange läßt das angefochtene Urteil die zur Überprüfung der Frage seiner Rechtsrichtigkeit erforderlichen eindeutigen und umfassenden Feststellungen über den Tätervorsatz vermissen, sondern es übersieht zum Faktum A außerdem, daß ein bloßes Ängstigen des Opfers, wie es vorliegend (der Sache nach) konstatiert wird, nicht dem damit verknüpften Begriff des 'In-Furcht-und-Unruhe-Versetzens' (gemäß § 107 Abs. 1 StGB.) gleichzuhalten ist; unter 'Furcht und Unruhe' ist nämlich nur ein - durch das Erstgericht nicht festgestellter - nachhaltiger, das ganze Gemüt der (gefährlich) bedrohten Person ergreifender, peinvoller Seelenzustand zu verstehen ist, dessen Eintritt beim Opfer von der Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB.) des Täters umfaßt sein muß (vgl. EvBl. 1977/22, 1976/120; SSt. 48/34;
Leukauf-Steininger2, RN. 6 zu § 107 StGB.).
Es war daher nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 285 e StPO. in Stattgebung der (begründeten) Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Manuela B sowie aus diesem Anlaß gemäß § 290 Abs. 1 StPO. auch hinsichtlich der durch die unterlaufenen materiellrechtlichen Nichtigkeiten gleichfalls benachteiligten Angeklagten Brigitte A, schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.
Im zweiten Rechtsgang wird hinsichtlich der Angeklagten Manuela B die (vom Erstgericht ohne erkennbaren Grund - der Vorschrift des § 38 StGB. zuwider - unterlassene) Anrechnung der aus dem Akt ersichtlichen Vorhaft (S. 21, 34) nachzutragen sein. Mit ihrer dadurch gegenstandlos gewordenen Berufung war die Angeklagte Manuela B auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E03119European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00122.8.0930.000Dokumentnummer
JJT_19800930_OGH0002_0100OS00122_8000000_000