TE OGH 1980/10/2 12Os135/80

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Veröffentlicht am 02.10.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Oktober 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Köck als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilhelm A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 1 und 4 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 7. Juli 1980, GZ. 12 Vr 516/80-29, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Herbert B und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Das Erstgericht erkannte den am 5.Mai 1952 geborenen beschäftigungslosen Wilhelm A des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 1

und 4 StGB. schuldig, weil er am 19.März 1980 der damals 86- jährigen, pflegebedürftigen und hilflosen Hedwig C anläßlich deren Abtransportes aus ihrer Wohnung in ein Krankenhaus zwei Postsparbücher mit einem Gesamteinlagestand von 80.362,47 S samt den dazugehörigen Berechtigungskarten sowie einen Bargeldbetrag in der Höhe von mindestens 5.000 S gestohlen hatte.

Gegen diesen Schuldspruch wendet sich die ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1, Z. 5, 9 lit. a, 9 lit. b und 10 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.

Mit den Ausführungen unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. zeigt die Beschwerde jedoch keinen Begründungsmangel formaler Natur auf, sondern bekämpft, der Sache nach, lediglich in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, das mit zureichender, im Einklang mit den Denkgesetzen, der forensischen Erfahrung und der Aktenlage stehender Begründung die Verantwortung des Angeklagten, die Bestohlene habe ihm einen Geldbetrag von 2.000 S geschenkt und ihm erlaubt, von den beiden Sparbüchern abzuheben, was er benötige, als unglaubwürdig verworfen hat.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Beschwerdeführer mit dem Vorwurf einer Unvollständigkeit der Begründung durch Übergehen der Aussagen der 'Rettungsleute' (gemeint der Rotkreuzschwester und des Lenkers des Rettungswagens) sinngemäß gegen die Urteilsannahme wendet, wonach Frau C bei ihrem Abtransport vom Angeklagten wiederholt ihre Tasche (in welcher sich Geld und Sparbücher befanden) verlangte, übersieht sie, daß diese Feststellung gerade auf den Angaben der Rotkreuzschwester Margarete D (S. 84, 85, 87) beruht. Einer Erörterung der Zeugenaussage des Lenkers des Rettungswagens Ing. E bedurfte es im gegebenen Zusammenhang nicht, weil dieser Zeuge zwar eine Erinnerung an das erwähnte Verlangen Frau CS verneinte, ein solches aber andererseits ausdrücklich nicht ausschloß (S. 88). Ob ferner Frau C zur Zeit ihres Abtransportes voll zurechnungsfähig war oder nicht, ist nicht entscheidungswesentlich.

Denn zum einen schließt gerade ein solcher Zustand des Opfers die gegenständlich dem Angeklagten zur Last liegende diebische Wegnahme nicht aus. Zum anderen beziehen sich die Angaben der Zeugen D und Ing. E über einen ihrem Eindruck nach bei Frau C vorgelegenen Verwirrtheitszustand (S. 87, 89) nur auf die Zeit unmittelbar vor und bei dem Abtransport ins Krankenhaus und nicht auf einen davor gelegenen Zeitpunkt, zu welchem nach der Behauptung des Angeklagten die Überlassung der Sparbücher und eines Geldbetrages erfolgt sein soll, wobei aber, eben dieser Verantwortung nach, Frau C, die nur 'zum Schluß', gemeint also anläßlich des bevorstehenden Abtransportes, 'vielleicht etwas verwirrt' worden sei, einen 'völlig normalen' Eindruck gemacht habe (S. 75, 91).

Das in der Beschwerde gerügte Unterbleiben einer Erörterung der erwähnten Aussagen der Zeugen D und Ing. E, der mangelnden Erinnerung der Zeugin C an die Vorgänge nach dem Eintreffen von Polizei und Rettung (S. 104) und des Gegensatzes ihrer Angaben im Vorverfahren, wonach sie vom Angeklagten ins Krankenhaus begleitet worden sei (S. 29, 105), zu jenen der Zeugen D und E, die eine solche Begleitung verneinen (S. 85, 89), stellt daher keinen Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes dar.

Da Frau C laut dem Inhalt der Krankengeschichte (ON. 14 und S. 105) bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus ungeachtet ihrer (altersbedingten) Cerebralsklerose und einer von einem Sturz herrührenden Hautverletzung an der Stirne keine Zeichen einer Verwirrtheit zeigte und zufolge den, vom Angeklagten gar nicht bekämpften, Urteilsfeststellungen auch zur Zeit ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung zwar ihrem Alter entsprechend 'geistig etwas abgebaut', jedoch in wesentlichen Dingen, insbesondere hinsichtlich der Verwaltung ihres Vermögens vollkommen orientiert war (S. 119), bestand für das Erstgericht, der Beschwerde zuwider, kein Anlaß, die Zuverlässigkeit der Aussagen der Zeugin, welche die vom Angeklagten behauptete Vermögensverfügung wie auch eines beim Angeklagten erweckten Eindruckes einer solchen ausschließen, in Zweifel zu ziehen.

Wenn das Erstgericht dem Widerspruch in den Angaben der Zeugin über die Art der Verwahrung des Bargeldes in ihrer Handtasche (lose oder in einer Art Geheimfach oder in einem Fach einer Brieftasche; vgl. S. 29, 102 f.) bei der konkreten Fallkonstellation ersichtlich keine Bedeutung beimaß, so ist dies von der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) umfaßt. Einer besonderen Behandlung dieses Widerspruches in den Entscheidungsgründen bedurfte es angesichts der Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) nicht.

Ferner nicht entscheidungswesentlich, weil ohne Einfluß auf die rechtliche Unterstellung und den anzuwendenden Strafsatz (§ 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.), ist schließlich die Frage der Höhe des vom Angeklagten, neben den Sparkassebüchern mit einem Einlagestand von rund 80.000 S, an sich gebrachten Geldbetrages, die vom Erstgericht, gestützt auf die Zeugenausssage des Opfers (ON. 9 und ON. 26, S. 102 f., 105), im Gegensatz zur Stellungsanzeige (S. 3) und zur Verantwortung des Angeklagten (S. 15) statt mit 2.000 S mit zumindest 5.000 S angenommen wurde, weshalb auch auf das bezügliche Beschwerdevorbringen also gleichfalls nicht näher eingegangen zu werden braucht.

Nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil nicht vom Urteilssachverhalt, sondern nur von der vom Erstgericht abgelehnten Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach Frau C ihm die Sparbücher übergeben habe, er 'äußerstens' 15.000 S habe abheben wollen, und überzeugt gewesen sei, Frau C würde ihm dies genehmigen, ausgehend, ist die Rechtsrüge, insoweit sie der Sache nach unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a, allenfalls der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO., das Vorliegen der subjektiven Tatseite des Diebstahls bestreitet. Der, schon bei der Ansichbringung, auf Zueignung der Sparbücher und des Geldbetrages sowie auf seine unrechtmäßige Bereicherung gerichtete, diebische, Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB.) des Angeklagten geht indes aus den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils nämlich klar und unmißverständlich hervor. In seinem weiteren Einwand aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. macht der Beschwerdeführer sich gegen die rechtliche Annahme der Qualifikation des sogenannten Bedrängnisdiebstahles (§ 128 Abs. 1 Z. 1 StGB.) wendend, einen Feststellungsmangel in Ansehung der Ausnützung der Hilflosigkeit des Opfers bei dem Diebstahl geltend.

Auch diese Einrede versagt; denn das Ersturteil hat ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte den hilflosen Zustand der gebrechlichen und pflegebedürftigen Greisin erkannt hat und zur Tatbegehung ausnützte (S. 117, 121). Es enthält sohin ohnedies die von der Beschwerde vermißten Annahmen. Weiterer Feststellungen tatsächlicher Natur zur fraglichen Qualifikation bedurfte es nicht. Soweit der Beschwerdeführer schließlich ziffernmäßig aus den Nichtigkeitsgründen der Z. 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO., sachlich wohl nur aus dem letzteren Nichtigkeitsgrund, Feststellungsmängel zur Frage des Vorliegens seiner Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit infolge voller Berauschung releviert, ist ihm zu entgegnen, daß die Verfahrensergebnisse Feststellungen, die die Annahme einer solchen hochgradigen, seine Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit aufhebenden, sohin Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB. bewirkenden Bewußtseinsstörung zur Tatzeit gerechtfertigt hätte, nicht indizierten.

Ungeachtet der von der Beschwerde ins Treffen geführten Angaben der Zeugen D und Ing. E, wonach der Angeklagte alkoholisiert (betrunken) war (vgl. S. 84, 88), schildern diese Zeugen im übrigen ein durchaus situationsgemäßes Verhalten des Angeklagten, der ja auch selbst im Verfahren erster Instanz eine Volltrunkenheit nie behauptet hat (vgl. S. 81). Auch wenn der Angeklagte, worauf er in der Beschwerde hinweist, nach den Angaben der Zeugin D vor der Gendarmerie, zufolge starker Alkoholisierung immer wieder erfolglos versucht hatte, die Schuhbänder eines in der Hand gehaltenen Schuhs zu öffnen (S. 17 in ON. 10), so bedeutet dies angesichts des übrigen Verhaltens des Angeklagten noch keine, für die Annahme einer Volltrunkenheit vorausgesetzte, Bewußtseinsbeeinträchtigung, die ihn in seiner Kritiksphäre außerstande gesetzt hätte, die Bedeutung und Tragweite seiner Handlungen zu erkennen (vgl. Leukauf-Steininger2 RN. 28 zu § 11 StGB.).

Da sich somit auch die Rechtsrügen des Angeklagten als nicht begründet erweisen, war seine zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Der Angeklagte wurde nach § 128 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 22 Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung war erschwerend die zweifache Qualifikation nach § 128 Abs. 1 Z. 1 und Z. 4

StGB., die Höhe der entfremdeten Werte nahe an der Grenze zur Verbrechensqualifikation des § 128 Abs. 2 StGB., die vier einschlägigen Vorstrafen, welchen bereits die Eignung zur Strafschärfung nach § 39 StGB. zukommen sowie der überaus rasche Rückfall nach der letzten Strafverbüßung, mildernd der Umstand, daß sich der Angeklagte bei der Gendarmerie selbst gestellt hat, obgleich er leicht hätte fliehen können.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der

über ihn verhängten Freiheitsstrafe.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt und bewertet. Folgende, vom Berufungswerber in seiner Berufung angeführten Milderungsgründe, liegen nicht vor. Da der Angeklagte bereits mehrfach im Rauschzustand strafbare Handlungen begangen hat, ist die durch den Rauschzustand bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf aufgewogen, den der Genuß des Alkohols begründet. Der arbeitsfähige Angeklagte hat wenige Tage nach seiner Haftentlassung den Diebstahl begangen. Er hätte jedoch, wenn er arbeitswillig gewesen wäre, eine Beschäftigung antreten können, sodaß eine nicht auf Arbeitsscheue zurückzuführende drückende Notlage zur Tatzeit nicht vorlag. Daß sich der Angeklagte zur Schadensgutmachung bereit erklärt hat, stellt keinen Milderungsgrund dar (siehe § 34 Z. 15 StGB.). Daß er sich selbst gestellt hat, wurde bereits vom Erstgericht als mildernd berücksichtigt. Daß er bei den Abhebungen von Geldbeträgen von den gestohlenen Postsparbüchern mit vollem Namen unterfertigt hat, ist kein Umstand der einem Milderungsgrund gleich kommt. Auch wenn man dem Angeklagten als mildernd noch das teilweise Geständnis (in Richtung Veruntreuung eines Teilbetrages) zugute halten will, ist bei dem vorliegenden Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat eine Herabsetzung der vom Erstgericht verhängten Strafe nicht vertretbar, sodaß auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02818

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00135.8.1002.000

Dokumentnummer

JJT_19801002_OGH0002_0120OS00135_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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