Norm
AußstrG §18Kopf
SZ 53/127
Spruch
Die Vorschriften über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage sind im Außerstreitverfahren nicht analog anzuwenden
OGH 6. Oktober 1980, 6 N 1/80
Text
Theresia F ist am 18. April 1975 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung gestorben. Rudolf F, geboren 1926, ist der Witwer, Manfred F, geboren 1954, der eheliche Sohn und Maximilian I, geboren 1942, der uneheliche Sohn der Verstorbenen. Der zum Nachlaß gehörige landwirtschaftliche Betrieb stellt einen Erbhof im Sinne des § 2 des Kärntner ErbhöfeG dar.
Der uneheliche Sohn der Erblasserin, Maximilian I, machte im Verlassenschaftsverfahren geltend, daß hinsichtlich des ehelichen Sohnes und des Witwers der Erblasserin Ausschließungsgrunde gemäß § 7 Z. 4 Kärntner ErbhöfeG vorlägen.
Das Landesgericht Klagenfurt wies den Antrag des Maximilian I festzustellen, daß hinsichtlich des erblasserischen Witwers Rudolf F ein Ausschließungsgrund nach § 7 Z. 4 d Kärntner ErbhöfeG vorliege, mit der Begründung ab, daß der erblasserische Witwer keinen Übernahmsantrag gestellt habe. Im Beschluß wurde ferner festgestellt, daß hinsichtlich des ehelichen Sohnes der Erblasserin Manfred F ein Ausschließungsgrund nach § 7 Z. 4 lit. b und d Kärntner ErbhöfeG nicht vorliege.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des unehelichen Sohnes der Erblasserin nicht Folge. Es vertrat u. a. die Auffassung, die Bestimmung des § 7 Z. 2 Kärntner ErbhöfeG, wonach unter mehreren zugleich eintretenden Erben unter anderem die ehelichen Kinder den unehelichen vorgehen, sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Mit Beschluß vom 9. April 1980, 6 Ob 18/79, wies der OGH den Revisionsrekurs des unehelichen Sohnes zurück. Auch der OGH vertrat die Rechtsansicht, daß § 7 Z. 2 Kärntner ErbhöfeG weder gegen den Gleichheitsgrundsatz der Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG noch gegen die Menschenrechtskonvention verstoße.
In der am 29. August 1980 beim OGH eingelangten Eingabe stellt nunmehr der uneheliche Sohn der Erblasserin den Antrag, der OGH wolle den Beschluß vom 9. April 1980, 6 Ob 18/79, für nichtig erklären und über den Revisionsrekurs vom 17. Juli 1979 unter Beachtung des BGBl. Nr. 313/1980 neuerlich entscheiden, in eventu die Eingabe als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens werten, den Beschluß vom 9. April 1980, 6 Ob 18/79, beheben und in der Sache selbst dem Rekurs vom 17. Juli 1979 stattgeben.
Der Antragsteller verweist darauf, daß zwischen der Beschlußfassung durch den OGH über seinen Revisionsrekurs und der Zustellung der Ausfertigung das europäische Übereinkommen über die Rechtsstellung der unehelichen Kinder vom 15. Oktober 1975, BGBl. Nr. 313/1980, kundgemacht worden und am 29. August 1980 in Kraft getreten sei. Nach Art. 9 dieses Übereinkommens habe ein uneheliches Kind die gleichen Rechte am Nachlaß seines Vaters und seiner Mutter, wie wenn es ehelich wäre. Dem widerstreite die Bestimmung des § 7 Z. 2 Kärntner ErbhöfeG. Die im Rechtsschutzsystem klaffende Lücke in bezug auf die Möglichkeit einer Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage im Außerstreitverfahren müsse durch sinnvolle Auslegung der außerstreitigen Verfahrensvorschriften durch Gewährung eines Antrages auf Nichtigerklärung oder Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Außerstreitverfahrens, geschlossen werden.
Der Oberste Gerichtshof wies den Antrag als unzulässig zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Unter Bezugnahme auf Ott (Rechtsfürsorgeverfahren, 253) vertritt der OGH in ständiger Rechtsprechung (EvBl. 1967/274; SZ 39/130; JBl. 1972, 579 u. a.; zuletzt etwa 1 Ob 683/80) den Standpunkt, die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage seien im Verfahren außer Streitsachen nicht anzuwenden. Es ist zwar richtig, daß Fasching (IV, 481 f.) meint, im Rechtsschutzsystem klaffe nach dieser Rechtssprechung eine empfindliche Lücke, die durch eine sinnvolle Auslegung der außerstreitigen Verfahrensvorschriften geschlossen werden könne, indem man einen Antrag auf Nichtigerklärung oder Wiederaufnahme auch bereits rechtskräftig geschlossener Verfahren gewähre. Auch Böhm (Wiederaufnahme und Analogie im Außerstreitverfahren im JBl. 1973, 360) hält eine Gesetzes- und Rechtsanalogie zur Zivilprozeßordnung für möglich und wünschenswert, wobei er allerdings einen Wiederaufnahmsantrag nur dann für zulässig hält, wenn das Außerstreitgesetz nicht andere spezifische Rechtsbehelfe zur Verfügung stellt.
Der OGH sieht sich auch durch die Ausführungen von Fasching und Böhm nicht veranlaßt, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen.
Zunächst fällt auf, daß der Gesetzgeber zwar im § 17 AußStrG die Anwendung der Vorschriften der Prozeßordnung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder Tagsatzung verfügt, zur Frage einer Nichtigerklärung oder Wiederaufnahme rechtskräftiger Außerstreitverfahren aber schweigt. Der Grund dafür kann nicht in einem bloßen Versehen erblickt werden, weil die damals geltende Allgemeine Gerichtsordnung vom 1. Mai 1781 im § 372 unter lit. a die "Einsetzung in den vorigen Stand" bei Verstreichen einer Fallfrist behandelt (was dem Hinweis des § 17 AußStrG entspricht), gleich anschließend aber unter lit. b den Fall behandelt, wenn der Verkürzte nach ergangenem Spruch erhebliche Beweismittel aufgefunden hat, die er vorhin nicht wissen oder nicht finden konnte (vgl. Nippel, Erläuterungen der Allgemeinen Gerichtsordnung vom 1. Mai 1781, Wien 1847, II, 374 ff.). Bei § 372 lit. b der Allgemeinen Gerichtsordnung handelt es sich daher um einen der Fälle, in denen nunmehr im streitigen Verfahren eine Wiederaufnahmsklage möglich ist. Wenn der Gesetzgeber des Jahres 1854 daher nur den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung von Tagsatzungen und Fristen aus den Vorschriften der Prozeßordnung übernahm, nicht aber auch andere noch dazu im gleichen Paragraph vorgesehene Rechtsbehelfe, dann muß daraus geschlossen werden, daß er weitere Rechtsbehelfe im Verfahren außer Streitsachen nicht für erforderlich gehalten hat, da ja bei einem großen Teil derartiger Verfahren entweder aus dem besseren Recht geklagt werden kann (etwa in Abhandlungssachen) oder einer neuen Antragstellung bei geänderten Verhältnissen nichts im Wege steht.
Nun hat sich allerdings im Verlauf der Zeit der Kreis der im Verfahren außer Streitsachen zu behandelnden Angelegenheiten sehr vermehrt. Besonders in den letzten Jahrzehnten wurden eine Reihe von Agenden in das Außerstreitverfahren verwiesen, die ihrer Natur nach eigentlich streitige Angelegenheiten betreffen. Dennoch scheitert die analoge Anwendung der Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage weiterhin daran, daß die in der Zivilprozeßordnung für solche Verfahren vorgesehenen Vorschriften mit der Ausgestaltung des Außerstreitverfahrens nicht in Einklang gebracht werden können.
Hier ist zunächst zu beachten, daß die Regelung des Verfahrens nicht für alle außerstreitigen Angelegenheiten gleich ist, sondern mannigfache Unterschiede bestehen. Es sei hier etwa darauf verwiesen, daß in den Verfahren nach den §§ 220 ff. AußStrG die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Protokolle und die Beweise analog anzuwenden sind (ebenso nach § 26 Abs. 4 MG und § 26 Abs. 2 Z. 3 WEG), der Rechtsmittelzug in den einzelnen Außerstreitsachen verschieden geregelt wurde und auch die Verweisung auf den Rechtsweg teilweise ausgeschlossen ist. Es gibt ferner Verfahren, die von Amts wegen einzuleiten sind und solche, bei denen das Gericht nur über Antrag einer Partei tätig wird. Eine analoge Anwendung der §§ 529 Abs. 2 und 530 Abs. 2 ZPO könnte mit dem das außerstreitige Verfahren grundsätzlich beherrschenden Prinzip der Amtswegigkeit kaum in Einklang gebracht werden. Auch eine analoge Anwendung der Fristen des § 534 ZPO scheint unter diesen Umständen äußerst problematisch, wozu noch kommt, daß ihre Berechnung im Hinblick auf das fehlende Neuerungsverbot (§ 10 AußStrG) auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen müßte. Es muß auch berücksichtigt werden, daß eine Nichtigerklärung von rechtskräftigen Entscheidungen oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens ohne vorherige Anhörung der anderen am Verfahren Beteiligten nicht möglich wäre. Auch das Verfahren über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage ist ja - falls die Klage nicht a limine zurückgewiesen wird - ein zweiseitiges, bei dem beide Parteien in mündlicher Verhandlung gehört und Beweise aufgenommen werden. Für die Erledigung eines solchen Antrages kämen aber in analoger Anwendung des § 532 ZPO nicht nur Erstgerichte, sondern vielfach auch die Rechtsmittelgerichte, einschließlich des OGH in Frage. Ein solches Verfahren ist jedoch im außerstreitigen Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht vorgesehen. All dies spricht gegen die Möglichkeit einer analogen Anwendung dieser Bestimmungen der Zivilprozeßordnung auf das Außerstreitverfahren. Diese verfahrensrechtliche Lage mag unbefriedigend sein, sie zu ändern wäre aber Sache des Gesetzgebers.
Schließlich stellt aber die Änderung der Rechtslage nach rechtskräftiger Entscheidung auch nach den Bestimmungen der §§ 529, 530 ZPO weder einen tauglichen Grund für eine Nichtigkeits- noch für eine Wiederaufnahmsklage dar.
Anmerkung
Z53127Schlagworte
Außerstreitverfahren, keine analoge Anwendung der Vorschriften über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage Nichtigkeitsklage, keine analoge Anwendung der Vorschriften über die - im Außerstreitverfahren Wiederaufnahmsklage, keine analoge Anwendung der Vorschriften über die - im AußerstreitverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0060OB00001.8.1006.000Dokumentnummer
JJT_19801006_OGH0002_0060OB00001_8000000_000