Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred A und Johann B wegen des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142, 143 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Johann B und die Berufung des Angeklagten Alfred A gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Linz vom 2. Juli 1980, GZ. 23 Vr 2856/79-51, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Moringer und Dr. Eichmann und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten Johann B wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung des Angeklagten Alfred A wird teilweise Folge gegeben und die über ihn verhängte Strafe in Anwendung des § 41 StGB. auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt.
Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten Alfred A nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Alfred A und Johann B die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden der am 7.Juni 1960 geborene Alfred A und der am 14. April 1951 geborene Johann B (beide zuletzt beschäftigungslos) des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142, 143 StGB., (letzterer als Beteiligter gemäß § 12 StGB.) sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. schuldig erkannt, weil Alfred A am 19. Dezember 1979 in Ansfelden durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, und zwar durch Vorhalten eines Vorderladerrevolvers, also unter Verwendung einer Waffe, der Heidemarie C eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von 8.982,20 S, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch Zueignung dieser Sache unrechtmäßig zu bereichern; Johann B am
18. und 19.Dezember 1979 in Linz und Ansfelden zur Ausführung des oben geschilderten schweren Raubes des Alfred A dadurch beigetragen hat, daß er den Raubplan mit dem unmittelbaren Täter entwarf und ihn schließlich mit dem PKW. in die Nähe des Tatortes führte und weil beide im Dezember 1979 in Linz eine verbotene Waffe, und zwar ein Kleinkalibergewehr samt Zielfernrohr mit einem Schalldämpfer, unbefugt besessen haben.
Der Angeklagte Johann B bekämpft den Schuldspruch wegen Beteiligung am Verbrechen des schweren Raubes (Punkt 2 des Urteilssatzes) mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 6, 8 und 12 des § 345 Abs. 1
StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Schuldspruch wegen Vergehens nach dem Waffengesetz (Punkt 3 des Urteilssatzes) läßt er unangefochten.
Der Beschwerdeführer erblickt den Verfahrensmangel in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung (Band II, S. 112) - und zuvor schon in einem Schriftsatz (ON. 43 d.A.) - gestellten Beweisantrages auf Durchführung eines Ortsaugenscheines zum Beweis dafür, daß die §rtlichkeiten am Tatort des Raubüberfalls so sind, daß zwischen dem Tatort (Tankstelle) und dem angeblich vereinbarten Warteplatz (Autobahnüberführung) weder Sicht- noch Gehbehinderung besteht und dieser Weg daher ohne Schwierigkeiten in kürzester Zeit zurückgelegt werden kann, und daß auf Grund der örtlichen Gegebenheiten auch ein Verfehlen des Warteplatzes (seitens des Mitangeklagten A) auszuschließen ist. Er führt dazu im wesentlichen aus, daß die begehrte Beweisaufnahme für die Überprüfung des Beweiswertes der den Beschwerdeführer belastenden Aussagen des Mitangeklagten A und der Zeugen Harald D und Angelika E von Bedeutung gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag entbehrt schon deshalb jeder Berechtigung, weil - wie das Erstgericht in seinem Zwischenerkenntnis (II S. 119) zutreffend ausführte - der Mitangeklagte A gar nicht behauptet hat, den vereinbarten Warteplatz verfehlt zu haben, sondern vielmehr aussagte, er habe den Beschwerdeführer dort nicht vorgefunden (II, S. 96).
Auch ist im Beweisverfahren hervorgekommen, daß sich die Ausführung des Raubüberfalls verzögert hat, weil noch einige Kundschaften getankt hatten (S. 93/II. Band), sowie daß Johann B ungeduldig geworden und schließlich zu einer anderen Brücke gefahren ist (S. 122/II. Band), woraus sich zwanglos erklärt, weshalb Alfred A ihn am vereinbarten Treffpunkt nicht mehr vorfand.
Einen Mangel der Fragestellung im Sinne des § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO. erblickt der Beschwerdeführer darin, daß in die ihn betreffende Hauptfrage II nicht alle gesetzlichen Merkmale der ihm angelasteten strafbaren Handlung aufgenommen worden seien, zumindest aber im Sinne des § 314 StPO. eine Eventualfrage in der Richtung hätte gestellt werden müssen, ob von seinem Vorsatz (als Beteiligter) auch das Mitführen einer Waffe durch den Erstangeklagten umfaßt gewesen sei.
Auch dieses Vorbringen hält einer Überprüfung nicht stand. Zwar ist dem Beschwerdeführer darin beizupflichten, daß in eine Hauptfrage alle gesetzlichen Merkmale einer strafbaren Handlung aufzunehmen sind (§ 312 Abs. 1 StPO.).
In einer auf Beteiligung (§ 12 StGB.) an der strafbaren Handlung eines Mitangeklagten lautenden (Haupt-) Frage können jedoch die gesetzlichen Merkmale der Haupttat auch durch Beziehung auf die den unmittelbaren Täter betreffenden Frage bezeichnet werden (vgl. die bei Mayerhofer-Rieder II/2 unter Nr. 17 und bei Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2
unter Nr. 16 jeweils zu § 312 StPO. angeführten Entscheidungen). Letzteres ist in der Hauptfrage II durch ausdrückliche Verweisung auf den 'unter Hauptfrage I geschilderten schweren Raub des Alfred A' geschehen, wogegen umsoweniger Bedenken bestehen, als die Hauptfrage I der Hauptfrage II unmittelbar vorangeht und das Fragenschema überhaupt nur drei (Haupt-) Fragen umfaßt, von denen die letzte einen ganz anderen Sachverhalt zum Gegenstand hat. Zur Stellung der vom Beschwerdeführer vermißten 'Eventualfrage' (siehe § 316 StPO.: Zusatzfrage) wegen 'Verwendung einer Waffe' bestand kein Anlaß, weil die Geschwornen in der Rechtsbelehrung auf die Möglichkeit hingewiesen worden sind, eine Frage nur teilweise zu bejahen (330 Abs. 2 StPO.). Daß sie den Sinn der Belehrung verstanden, geht daraus hervor, daß sie - in anderem Zusammenhang - bei Beantwortung der Hauptfrage II von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.
Als ebensowenig stichhaltig erweist sich die auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO.
gestützte Rüge wegen angeblicher Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung. Daß es nicht darauf ankommt, ob der Täter die von ihm gebrauchte Drohung auch verwirklichen will oder - etwa weil die von ihm zur Drohung verwendete Waffe nicht geladen ist - überhaupt verwirklichen kann, entspricht durchaus der herrschenden Auffassung (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, RN. 18 zu § 74 und RN. 9 zu § 142); mit der Imminenz der betreffenden Drohung (s. Leukauf-Steininger, a.a.O., RN. 8 zu § 142) hat dies nichts zu tun. Eine Differenzierung zwischen 'Drohung' im Sinne des § 142 StGB. und 'Verwendung einer Waffe' im Sinne des § 143 StGB. ist in der Rechtsbelehrung ohnehin vorgenommen worden (Seite 38/II. Band). Inwiefern aber das Problem der 'Drohung an sich' ausführlicher und 'abgehoben von der Drohung mit der Waffe' hätte behandelt werden sollen, geht aus dem Beschwerdevorbringen nicht hervor und ist auch sonst nicht erkennbar.
Die Darstellung des bedingten Vorsatzes konnte sich auf die Wiedergabe des auch für einen juristischen Laien verständlichen Gesetzwortlautes beschränken. Eine Abgrenzung von der bewußten Fahrlässigkeit war nicht erforderlich. Den Beschwerdeausführungen ist auch nicht zu entnehmen, was die Annahme eines durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens in keiner Weise indizierten bloß fahrlässigen Handelns des Beschwerdeführers begründen könnte. Was aber die Frage der Haftung des Beteiligten (§ 12 StGB.) anlangt, wird in der Rechtsbelehrung zutreffend darauf hingewiesen, daß der Beteiligte grundsätzlich eigenes Unrecht und eigene Schuld verantwortet (S. 41/II. Band) und daß auch der Beitragstäter (im Sinne der dritten Alternative des § 12 StGB.) die Übeltat, die er fördert, mit ihren wesentlichen Deliktsmerkmalen in seinen Vorsatz aufgenommen haben muß (S. 44/II. Band). Auf den Sachverhalt des zur Beurteilung stehenden Falles war in der Rechtsbelehrung nicht einzugehen (EvBl. 1952/100 und 193).
Unter Anrufung des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z. 12 des § 345 Abs. 1 StPO. macht der Angeklagte Johann B schließlich geltend, daß sich aus dem Wahrspruch der Geschwornen die Qualifikation der Tat zum schweren Raub nach § 143 StGB. nicht ableiten lasse.
Dabei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß ihm laut Wahrspruch der Geschwornen zur Last fällt, zur Ausführung des unter Hauptfrage I geschilderten - unter Verwendung einer Waffe begangenen - schweren Raubes des Alfred A beigetragen zu haben (S. 79/II. Band), und daß sich somit aus dem Wahrspruch ergibt, daß der Beschwerdeführer auch die - übrigens nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens einen essentiellen Bestandteil des von den Angeklagten entworfenen Raubplanes bildende - Verwendung des in der Hauptfrage I bezeichneten Vorderladerrevolvers beim Raubüberfall zu verantworten hat.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann B war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über die beiden Angeklagten Alfred A und Johann B nach §§ 28, 143 StGB. eine Freiheitsstrafe von je fünf Jahren, in deren Bemessung es bei beiden Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, bei Alfred A überdies zwei einschlägige Vorstrafen, als mildernd hingegen bei Alfred A das volle und reumütige Geständnis, die Schadensgutmachung durch die Sicherstellung des geraubten Guts, das Alter unter 21 Jahren, ferner den Umstand, daß die Tat unter Einwirkung eines Dritten und unter Einfluß eines abnormen Geisteszustands begangen wurde, bei Johann B die Unbescholtenheit erachtete. Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes, Alfred A überdies (für den Fall einer entsprechenden Herabsetzung der Strafe) die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.
Lediglich die Berufung des Angeklagten Alfred A ist teilweise berechtigt.
Eine Herabsetzung der vom Geschwornengericht mit dem gesetzlichen Mindestmaß festgesetzten Freiheitsstrafe ist nur unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB. möglich. Diese Bestimmung stellt u.a. darauf ab, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dabei kommt es aber nicht allein auf die im § 34 StGB. beispielsweise aufgezählten 'besonderen' Milderungsgründe an; es sind vielmehr auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle sonst nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung gemäß § 32 Abs. 2 und 3 StGB. bedeutsamen Momente zu berücksichtigen, welche die Tat als überdurchschnittlich schwer oder als überdurchschnittlich leicht und damit schon für sich allein allenfalls als derart weit unter der Norm liegend ausweisen können, daß selbst die gesetzliche Mindeststrafe als überhöht angesehen werden müßte (vgl. auch EBRV. 1971 S. 135
und 136, wonach die außerordentliche Strafmilderung für atypisch leichte Fälle vorgesehen ist und die überwiegenden Milderungsgründe vor allem stets das Gewicht der Tat als solche betreffen werden) (LSK. 1979/338). Geht man davon aus, daß der Angeklagte Johann B bei der Begehung der gegenständlichen Straftat die treibende Kraft war, den unter Einfluß eines abnormen Geisteszustands stehenden und haltlos beeinflußbaren Alfred A gesteuert hat, dann fallen die Schuld dieses Angeklagten und der Unrechtsgehalt der Tat doch so ins Gewicht, daß die Voraussetzungen des § 41 StGB. nicht gegeben sind. Hingegen setzen diese Umstände den Schuldgehalt der Tat beim Angeklagten Alfred A beträchtlich herab. Da der Angeklagte im Hinblick auf sein Alter und das auf Schuldeinsicht hinweisende Geständnis noch grundsätzlich resozialisierungsfähig und seine Zukunftsprognose daher günstig ist, erachtet der Oberste Gerichtshof beim Angeklagten Alfred A die Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 StGB. gegeben und eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das im Spruch ersichtliche Maß für gerechtfertigt. Die vom Angeklagten A begehrte bedingte Strafnachsicht scheidet nach dem Gesetz im Hinblick auf das Strafmaß aus, sodaß seiner Berufung in diesem Umfange nicht Folge zu geben war.
Anmerkung
E02823European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00135.8.1009.000Dokumentnummer
JJT_19801009_OGH0002_0130OS00135_8000000_000