Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Oktober 1980
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert A wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 2 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Jänner 1980, AZ. 24 d Vr 960/80 und den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. März 1980, GZ. 24 d Vr 960/80-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, der Ausführungen des Privatanklagevertreters Dr. Wille, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Keller und der Ausführungen des Vertreters der Österreichischen Bundesverlag, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes Dr. Baier zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Jänner 1980, AZ. 24 d Vr 960/80, auf Anordnung der Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und des Österreichischen Bundesverlages und auf Beschlagnahme des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' (ON. 4 d.A.) verletzt in der Begründung das Gesetz in den Bestimmungen des Art. 17
Abs. 1 StGG., des § 114 Abs. 1 StGB. und des § 38 PresseG. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Im Jahre 1980 erschien im österreichischen Bundesverlag in Wien das vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes herausgegebene Buch 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945', welches laut Vorwort des Herausgebers dazu beitragen soll, die nach 1945 in Österreich neuformierten rechtsextremen Gruppierungen und deren Ideologien rechtzeitig zu erkennen, ihre Zielrichtungen aufzudecken und ihre Wirkungsmöglichkeiten einzuschränken sowie die Gegenkräfte zu mobilisieren, um den faschistischen Geist zu bekämpfen und ein demokratisches Österreichbewußtsein zu stärken. In dem unter Punkt II, 3 enthaltenen Beitrag 'Neuformierung und Entwicklung des Rechtsextremismus nach 1945' von Hermann B ist (auf Seite 126) folgende Textstelle enthalten:
'Rechtskonservative auf dem Weg zum Rechtsextremismus Schließlich dürfen jene reaktionären Strömungen nicht übersehen werden, die sich - wiewohl sie nicht aus deutschnationalen Quellen gespeist werden - in den letzten Jahren zum Rechtsextremismus hin entwickeln. Zwei Persönlichkeiten, Karl C und Hans D, sind vor allem hier zu nennen. 1977 gründete Karl C die Gemeinschaft freier Selbständiger (E), nach eigenen Aussagen ein 'politisches Maschinengewehr' zum Schutz des Mittelstandes 'gegen die gesetzlich erlaubte Ausplünderung'. Hauptgegner sind 'rote Bonzen', auch als 'machthungrige Funktionärskapitalisten' charakterisiert. Schlachtruf der E ist der Hitler-Spruch: 'Von nun an wird zurückgeschossen'. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung scheinen diesen Falken bei der Vertretung der Unternehmerinteressen zu zahm. 'Die E braucht nicht auf Bremser im bürgerlichen Lager zu achten, die beim geringsten politischen Schußwechsel bereits das Herz hörbar in die Hose fallen lassen und sich am liebsten bereits ergeben, noch bevor der Gegner die Kapitulation überhaupt verlangt' (31). Im Sommer 1978 organisierte C die LKW-Blockade und konnte damit in bestimmten bürgerlichen Kreisen einen deutlichen Sympathiezuwachs erzielen (32). In starker Anlehnung an NS - Terminologie formuliert die E ihr Ziel folgendermaßen:
'Es ist das oberste Ziel der E, Arbeitnehmer und Unternehmer so weit zu bringen, daß sie sich nicht mehr länger gegeneinander aufhetzen lassen. Beide müssen eine gemeinsame Front bilden gegen ihre wahren Klassenfeinde, gegen die Bonzen und Bürokraten, die allein das Volk um die Früchte seiner Arbeit bringen und die größten Sozialpharisäer unseres Landes sind' (33).
Ähnlich argumentiert Hans D, der Herausgeber der 'Politischen Briefe', eines 'konservativ-liberalen Monatsmagazins'. Nach ihm strebe der Österreichische Gewerkschaftsbund (F) die 'Errichtung einer Betriebsrätediktatur' an und die G orientiere sich an einer kommunistischen Volksdemokratie (34)'.
In dem von Kurt H stammenden Beitrag ('III.
Organisationen; 1. Das Organisationsspektrum') wird nach einem kurzen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des rechtsextremistischen Lagers im Österreich der Zwischenkriegszeit - das sich nach Ansicht des Verfassers in zwei Hauptströmungen, nämlich in die austrofaschistische (Heimwehrbewegung) und die deutschnationale (Nationalsozialisten) gliedert - mit Bezug auf die Entwicklung des rechtsextremen Lagers von heute u.a. angeführt, daß nach 1945 im wesentlichen nur mehr die deutschnational-faschistische Richtung in Erscheinung getreten sei. Es bestehe aber das rechtsextreme Lager in Österreich heute in einer Vielzahl von Organisationen und Gruppen, die zwar gewisse gemeinsame Merkmale, wie deutschnationale Traditionspflege, Rassismus, Militarismus und Gegnerschaft zur Arbeiterbewegung haben, sich aber andererseits durch die Aufgabenverteilung und durch die Militanz, mit der die Organisationen ihre Ziele verfolgen, unterscheiden. Wegen der oft engen personellen Verflechtungen sei es jedoch schwer, die einzelnen Gruppen mit ihren Zielrichtungen auseinanderzuhalten. Infolge fehlender empirischer Untersuchungen könnten verläßlich Angaben über die soziale Struktur rechtsextremer Organisationen nicht gemacht werden. Lediglich die Erfassung führender Funktionäre und anderer öffentlich in Erscheinung tretender Rechtsextremisten lasse gewisse Rückschlüsse zu. Im wesentlichen dürfte die Sozialstruktur der heutigen rechtsextremen Gruppen der sozialen Basis faschistischer Bewegungen überhaupt entsprechen (siehe dazu S. 128 des Buches). Das von Herbert A verfaßte Verzeichnis (dieser) Persönlichkeiten (S. 173 ff. des Buches) weist folgende Eintragung auf (S. 186 des Buches):
'Pretterebner, Hans Wien geb. 1944
ÖVP-Mitglied Herausgeber der Zeitschrift 'Politische Briefe' 1978 Delegierter am ÖAAB-Bundestag Zahlreiche Verurteilungen wegen Diffamierung politischer Persönlichkeiten' Am 29. Jänner 1980 brachte Hans D beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu 24 d Vr 960/80 einen Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Herbert A wegen der Vergehen (der üblen Nachrede) nach § 111 Abs. 2 StGB. und (der Kreditschädigung) nach § 152 StGB. sowie auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme sämtlicher in der Wohnung des Herbert A und in den Räumlichkeiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und beim Österreichischen Bundesverlag vorhandenen Exemplare des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' ein. Dazu wurde vom Privatankläger ausgeführt, daß er auf Seite 186 des erwähnten Buches als eine jener Persönlichkeiten genannt werde, die nach Auffassung des (als Verfasser aufscheinenden) Beschuldigten dem als 'kriminelles Verhalten' und als 'verbrecherische politische Tätigkeit' bezeichneten, den Nationalsozialismus mit allen seinen Greueln befürwortenden Rechtsextremismus zuzuordnen sind, wodurch er einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung bzw. eines unehrenhaften Verhaltens geziehen werde und neben dem Tatbestand des § 111 Abs. 2 StGB. auch jener des § 152 StGB. verwirklicht worden sei.
In teilweiser Stattgebung dieses Antrages wurde vom Landesgericht
für Strafsachen Wien am 30. Jänner 1980
gegen Herbert A die Voruntersuchung wegen §§ 111 Abs. 2, 152 StGB. eingeleitet und mit Beschluß vom gleichen Tag, GZ. 24 d Vr 960/80-4, wegen der namentlichen Nennung des Privatanklägers Hans D im Kapitel 'Persönlichkeiten' (gemeint: des Rechtsextremismus) die Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und des Österreichischen Bundesverlages sowie die Beschlagnahme der noch zur Verbreitung bestimmten Exemplare des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' angeordnet.
Zur Begründung hiefür wurde angeführt, daß der Privatankläger im Buch zwar nicht ausdrücklich als Rechtsextremist bezeichnet, wohl aber im erwähnten Kapitel namentlich angeführt werde; da schon im Vorwort und in zahlreichen weiteren Passagen des Buches Zusammenhänge zwischen Nationalsozialismus und Rechtsextremismus hergestellt würden, erfülle die Bezeichnung einer Person als Rechtsextremisten insbesondere im Hinblick auf die Straftatbestände des Verbotsgesetzes den objekten Tatbestand übler Nachrede im Sinne des § 111 Abs. 2 StGB.
Dem weiteren Antrag des Privatanklägers auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme des inkriminierten Buches auch in der Wohnung des Beschuldigten Herbert A wurde von der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 30. Jänner 1980, GZ. 24 d Vr 960/80-5, keine Folge gegeben.
Am 7. Februar 1980 langte beim Landesgericht für Strafsachen Wien eine vom Beschuldigten Herbert A gegen die Anordnung der Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme des Buches 'Rechtsextremusmus in Österreich nach 1945' erhobene Beschwerde ein. Darin wird geltend gemacht, daß das gegenständliche Werk als wissenschaftliche Veröffentlichung von zeitgeschichtlichen und politischen Beiträgen über Forschungsergebnisse des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes zu bezeichnen sei. Das Dokumentationsarchiv sei ein wissenschaftliches Institut, welches sich mit der Sammlung und Auswertung zeitgeschichtlicher Dokumente befasse und dessen wissenschaftlicher Leiter Prof.Dr.Herbert I und andere Mitarbeiter sich in Österreich und international einen bedeutenden Namen für wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet zeitgeschichtlicher und politischer Wissenschaften gemacht hätten. Auch die Mitarbeiter an der gegenständlichen Publikation seien fast ausschließlich Historiker und als Universitätsprofessoren, Universitätsdozenten und Universitätsassistenten tätig. Nach Art. 17 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger sei die Wissenschaft und ihre Lehre frei und eine gerichtliche Verfolgung wegen der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen nicht zulässig. Da es sich bei dem in Rede stehenden Druckwerk um eine wissenschaftliche Arbeit handle, habe der Beschuldigte nur ein Recht ausgeübt (§ 114 Abs. 1 StGB.).
Es fehle daher am Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit und sohin schon am objektiven Tatbild eines Presseinhaltsdeliktes. Dieser Beschwerde hat die Ratskammer beim Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 24. März 1980, ON. 11 d. A., im wesentlichen aus den vom Untersuchungsrichter angeführten Gründen einen Erfolg versagt; ergänzend zu den vom Untersuchungsrichter angeführten Gründen wurde in der Entscheidung der Ratskammer - dem Sinne nach - ausgesprochen, daß eine Rechtfertigung der Beleidigung aus wissenschaftlichen Gründen (zumindest derzeit) nicht angenommen werden könne, weil die Frage, ob das Werk einen wissenschaftlichen Charakter habe, erst nach Erhebungen zu beurteilen sei.
Den Beschluß auf Einleitung der Voruntersuchung hat der Beschuldigte Herbert A am 6. März 1980
beschwerdelos zur Kenntnis genommen (Seite 66 der Strafakten). Nach Ansicht der Generalprokuratur stehen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Jänner 1980 auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Herbert A wegen §§ 111 Abs. 2, 152 StGB.
(Seite 1 der Strafakten 24 d Vr 960/80) und betreffend die Anordnung der Hausdurchschung in den Räumlichkeiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und des Österreichischen Bundesverlages sowie die Beschlagnahme der noch zur Verbreitung bestimmten Exemplare des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' (ON. 4) sowie die Beschwerdeentscheidung der Ratskammer mit dem Gesetz nicht in Einklang. Sie hat daher gemäß § 33 Abs. 2 StPO. die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erhoben und beantragt, nach einem gemäß § 292 StPO. durchzuführenden Gerichtstag wie folgt zu erkennen:
'In der Strafsache gegen Herbert A wegen der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 2 StGB.
und der Kreditschädigung nach § 152 StGB., AZ. 24 d Vr 960/80 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, ist durch die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. Jänner 1980 auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Herbert A wegen §§ 111 Abs. 2, 152 StGB. (Seite 1 d. A.) bzw. auf Anordnung der Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und des Österreichischen Bundesverlages und Beschlagnahme des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' (ON. 4 d.A.) das Gesetz in den Bestimmungen des Art. 17 Abs. 1 StGG., des § 114 Abs. 1 StGB. und des § 38 PresseG. verletzt.
Beide Beschlüsse sowie die darauf beruhenden richterlichen Verfügungen werden aufgehoben.
Der Antrag des Privatanklägers Hans D auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Herbert A wegen §§ 111 Abs. 2, 152 StGB. sowie auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme sämtlicher Exemplare des Druckwerkes 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' (auch) in den Räumlichkeiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und beim Österreichischen Bundesverlag wird abgewiesen. Gemäß § 390 Abs. 1 StPO. wird dem Privatankläger Hans D der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Verfahrenskosten aufgetragen.' Das Begehren auf Feststellung der Gesetzesverletzung wurde im Gerichtstag auch auf den mehrfach erwähnten Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. März 1980 ausgedehnt.
Zur Begründung dieses Begehrens hat sie (wörtlich) ausgeführt:
'Gemäß dem zweiten Satz des § 91 Abs. 1 StPO. bleibt es - von den hier nicht in Betracht kommenden im ersten Satz bezeichneten Ausnahmen abgesehen - dem Ermessen des Staatsanwaltes oder des Privatanklägers anheimgestellt, ob eine Voruntersuchung beantragt wird.
Der Untersuchungsrichter darf die Voruntersuchung nur wegen solcher strafbarer Handlungen und nur gegen Personen einleiten, bei denen ihm ein darauf abzielender Antrag eines berechtigten Anklägers vorliegt (§ 92 Abs. 1 StPO.). Findet der Untersuchungsrichter Bedenken, einem Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung beizutreten, so ist darüber der Beschluß der Ratskammer einzuholen (§ 92 Abs. 3 StPO.).
Das Gericht kann einen Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung aus materiellrechtlichen oder prozessualen Gründen ablehnen. Abzulehnen ist die Einleitung der strafgerichtlichen Verfolgung daher auch dann, wenn das Gericht findet, daß die Gegenstand des Verfolgungsantrages bildende Tat keine gerichtlich strafbare Handlung begründet (KH 63, zitiert bei Gerbert/Pallin/Pfeiffer/Mayerhofer in III/3 unter Nr. 8 zu § 451 StPO. und bezogen in III/1
unter Nr. 13 zu § 92 StPO., sowie KH 1887, zitiert bei Gerbert/Pallin/Pfeiffer III/1 unter Nr. 12 zu § 92 StPO. und bei Foregger-Serini, StPO. 1975, auf S. 110).
Die Beschlagnahme eines Druckwerkes ist auf Antrag des Anklägers wegen eines als strafbar bezeichneten Inhaltes anzuordnen, wobei das Gericht anzugeben hat, welche Stelle den strafbaren Inhalt ergebe und welche strafbare Handlung sie begründe (§ 38 PresseG.). Voraussetzung jeder Beschlagnahme bildet, daß zumindest das objektive Tatbild eines Presseinhaltsdeliktes gegeben ist (EvBl. 1969/246).
Des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1
StGB. macht sich schuldig, wer einen anderen .......
einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines
unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten
verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der
öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.
Wer die Tat in einem Druckwerk ...... begeht, unterliegt nach § 111
Abs. 2 StGB. strengerer Bestrafung.
Nicht zu bestrafen ist der Täter (im Fall des Abs. 2), wenn die Behauptung als wahr erwiesen wird (§ 111 Abs. 3 StGB.).
Rechtliche Beurteilung
Wird durch eine im § 111 StGB. genannte Handlung eine Rechtspflicht erfüllt oder ein Recht ausgeübt, so ist die Tat gerechtfertigt (§ 114 Abs. 1 StGB.).
Nicht zu bestrafen ist auch, wer durch besondere Umstände genötigt ist, eine dem § 111 StGB. entsprechende Behauptung in der Form und auf die Weise vorzubringen, wie es geschieht, es sei denn, daß die Behauptung unrichtig ist und der Täter sich dessen bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt hätte bewußt sein können (§ 114 Abs. 2 StGB.).
Das Vergehen der Kreditschädigung nach § 152 Abs. 1 StGB. fällt demjenigen zur Last, der unrichtige Tatsachen behauptet und dadurch den Kredit, den Erwerb oder das berufliche Fortkommen eines anderen schädigt oder gefährdet. Der Vorsatz des Täters muß auf die Behauptung unrichtiger Tatsachen und auf die Kreditschädigung bzw. Kreditgefährdung gerichtet sein (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2 S. 1026). Letzteres wird aber vom Privatankläger weder behauptet noch sonst dargetan und auch die Beschlagnahme wurde nur mit dem Vorliegen des objektiven Tatbestandes der üblen Nachrede (§ 111 Abs. 2 StGB.) begründet. Gemäß Art. 17 Abs. 1 StGG. ist die Wissenschaft und ihre Lehre frei. Das Grundrecht des Art. 17 StGG. ist ein absolutes und kann durch ein einfaches Gesetz nicht eingeschränkt werden (VfSlg. 3565). Die sohin verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Wissenschaft und ihre Lehre bedeutet, daß niemand wegen der Entfaltung wissenschaftlicher Tätigkeit und wegen der Aufstellung eines wissenschaftlichen Lehrsatzes gerichtlich oder sonst behördlich verfolgt werden darf (VfSlg. 2823).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umfaßt die Bestimmung des Art. 17 StGG. zwei Tatbestände: die Freiheit der Forschung und die Freiheit der Lehre. Das Recht auf Freiheit der Forschung umfaßt insbesondere die Befugnis, wissenschaftliche Untersuchungen vorzunehmen sowie deren Ergebnisse aufzuzeichnen und zu veröffentlichen.
Anspruch auf das verfassungsgesetzlich garantierte Recht auf Freiheit der Forschung und der Lehre kann allerdings nur eine wahrhaftige, d.h. ehrlichem wissenschaftlichem Streben entspringende, und auch nach objektiven Gesichtspunkten wissenschaftliche Forschungs- und Lehrtätigkeit erheben. Würde ein angeblicher, ein vermeintlicher oder selbst ein an sich gegebener wissenschaftlicher Charakter einer Arbeit bloß als Vorwand für verbotswidrige und durch eine wissenschaftliche Zielsetzung nicht gerechtfertigte Äußerungen dienen, so unterlägen diese den durch die Strafgesetze gezogenen Schranken.
Daß der Frage der wissenschaftlichen - oder künstlerischen - Natur eines Werkes auch für den strafrechtlichen Bereich Bedeutung zukommt, ist unbestritten.
Bei der Rechtfertigung an sich verbotswidriger Darstellungen aus dem Titel der Berücksichtigung von Wissenschaft und Kunst geht es vor allem darum, wissenschaftliche Erkenntnisse oder künstlerische Leistungen nicht zu verlieren (Rittler2 II S. 326). Die Rechtsprechung stellt dabei objektiv auf Inhalt und künstlerischen bzw. wissenschaftlichen Charakter des Werks - wobei ein besonderer künstlerischer oder wissenschaftlicher Rang nicht vorausgesetzt wird -, auf dessen Aufmachung (Ausstattung), auf die näheren Umstände seiner Verbreitung sowie auf den aus dem Werk selbst und seiner Verbreitungsart erkennbaren Zweck (5 0s 1070/54, zitiert bei Mayerhofer/Rieder, Das österreichische Strafrecht III/2 auf S. 803 unter Nr. 27), und subjektiv auf die Ehrlichkeit des künstlerischen oder wissenschaftlichen Strebens seiner Urheber ab (EvBl. 1971/132, EvBl. 1972/196, EvBl. 1974/258 = JBl. 1974 S. 485, EvBl. 1975/141 und die bei Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, auf S. 415 unter Nr. 16 ff. zitierten weiteren Entscheidungen).
Bei dem in Rede stehenden Druckwerk 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' handelt es sich um ein vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes herausgegebenes, vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gefördertes und im Österreichischen Bundesverlag erschienenes, vom Bundesminister für Inneres Erwin J mit einem Geleitwort versehenes zeitgeschichtliches Werk, welches nach seinem objektiven Inhalt, seinem Charakter, seiner Bestimmung für einen zeitgeschichtlich und politisch interessierten Leserkreis und seinem Zweck, die Aktivitäten rechtsextremer Gruppen und deren Repräsentanten aufzuzeigen, die, falls sie nicht rechtzeitig erkannt werden und ihnen nicht wirksam entgegengetreten wird, zu einer ernsten Gefährdung der Demokratie führen können, sowie auf Grund des offensichtlichen ehrlichen wissenschaftlichen Strebens und der fachlichen Qualifikation der Verfasser eindeutig der Wissenschaft zuzuordnen ist.
Auch die Methode jeder wissenschaftlichen Arbeitsweise, die darin besteht, das Material zu sammeln, sodann zu ordnen und aus dem derart aufbereiteten Material Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und Lehrsätze aufzustellen, ist beim vorliegenden Werk unverkennbar gegeben.
Der wissenschaftliche Charakter des Buches und die dem Aufzeigen der Tätigkeit von unter Anführung bestimmter - auch vom Privatankläger nicht als wahrheitswidrig bezeichneter - Tatsachen als rechtsextrem oder rechtsradikal gewerteten Personen zugrundeliegende wissenschaftliche Zielsetzung schließen gemäß Art. 17 Abs. 1 StGG. eine gerichtliche Verfolgung wegen der vorliegend in Betracht kommenden - durch einfaches Strafgesetz normierten - Tatbestände aus.
Dem Beschuldigten wäre daher auch zuzubilligen, nur ein - sogar
verfassungsgesetzlich gewährleistetes -
Recht ausgeübt zu haben (§ 114 Abs. 1 StGB.).
Davon abgesehen würde, wenn im Rahmen einer solchen wissenschaftlichen Dokumentation einzelne Personen auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse als rechtsextrem oder rechtsradikal gewertet werden, einer dadurch allenfalls bewirkten Beeinträchtigung der Ehre der Betroffenen weniger Gewicht beizumessen sein, als dem Interesse an einer wissenschaftlichen Untersuchung und Veröffentlichung demokratiegefährdender Vorgänge und Entwicklungen.
Die vorliegende Veröffentlichung erfolgte daher auch in Wahrnehmung allgemein anerkannter schutzwüdriger Interessen (§ 114 Abs. 2 StGB.), denen gegenüber der Ehrenschutz des einzelnen zurückzutreten hat (siehe Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechtes, Besonderer Teil I S. 174 f.; Proske, Der strafrechtliche Ehrenschutz im Lichte des Entwurfes eines Mediengesetzes, ÖJZ. 1977 S. 4 und 5).
Die Einleitung der Voruntersuchung gegen Herbert A und die Beschlagnahme des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' verstoßen gegen die Bestimmungen des Art. 17 Abs. 1 StGG., des § 114 Abs. 1
StGB. und des § 38 PresseG.
Da die Gegenstand des Verfolgungsantrages bildende Tat keine gerichtlich strafbare Handlung begründet, wäre der Antrag des Privatanklägers Hans D auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Herbert A sowie auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme des Druckwerkes 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' in den Räumlichkeiten des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und beim Österreichischen Bundesverlag gleichfalls abzuweisen gewesen.
Was im besonderen die Anordnung der Beschlagnahme des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' anlangt, so wäre diese Maßnahme - vom Mangel eines strafbaren Inhaltes abgesehen - auch deshalb rechtswidrig, weil die Gesetze im Sinne der Grundrechte zu interpretieren sind (Ermacora, Verfassungsrecht und Meinungsäußerung in 'Richter und Journalisten' S. 33 ff.) und bei behördlichen Eingriffen in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte stets auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - das Übermaßverbot - als Ermessensrichtlinie heranzuziehen ist.
Dies gilt insbesondere dort, wo die Menschenrechtskonvention - wie im Art. 10 Abs. 2 - auf das Erfordernis des in einer demokratischen Gesellschaft Unentbehrlichen bzw. Notwendigen abstellt (siehe hiezu Berka, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die österreichische Grundrechtstradition, ÖJZ. 1979, S. 372 ff.), und für den Maßnahmevollzug schlechthin (siehe Hartmann, Die Gerichtsberichterstattung, RZ. 1970, S. 133 f.; Nowakowski, Festschrift für Christian Broda S. 203; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil S. 17).
Überlegungen in dieser Richtung sind bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschlagnahme überhaupt nicht angestellt worden. Wird auf den wissenschaftlichen Charakter des Buches 'Rechtsextremismus in Österreich nach 1945' und das aus ihm hervorleuchtende Anliegen der Autoren, einer Gefährdung der demokratischen Gesellschaft entgegenzuwirken, Bedacht genommen, tritt jedoch das Übermaß des durch die Beschlagnahme dieses Werkes bewirkten und zufolge der Bestimmung des § 39 PresseG. fortdauernden Eingriffes klar zutage.' Der Beschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.
Vorausgeschickt muß werden, daß die Beurteilung eines Menschen als (politisch) rechts- oder linksstehend an sich nur eine - möglicherweise falsche - Einschätzung dessen politischen Standortes ist und in der Regel nicht den Gegenstand einer Beleidigung bildet; dies - nach der Lehre - sogar wenn der solcherart apostrophierte als Links- oder Rechtsradikaler bezeichnet wird (vgl. dazu Kienapfel I, Delikte gegen Persönlichkeitswerte, RN.
985).
Man kann diesbezüglich verschiedener Meinung sein.
Sicher ist jedenfalls, daß der Vorwurf des 'Rechtsextremismus auf der sozialen Basis faschistischer Bewegungen' ganz anders zu beurteilen ist. Denn es hat sich das befreite Österreich nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft u.a. durch das im Verfassungsrang stehende Verbotsgesetz (StGBl. 13/1945 in der Fassung der Verfassungsgesetze StGBl. 1945/127 und BGBl. 1946/16, der Bundesverfassungsgesetze BGBl. 1946/177 und BGBl. 1947/25 (Nationalsozialistengesetz) und der Bundesgesetze BGBl. 1955/285 und BGBl. 1968/74) und durch den Staatsvertrag, betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich (BGBl. 152/1955), in letzterem Fall sogar völkerrechtlich verbindlich, vom nationalsozialistischen und faschistischen Gedankengut in derart qualifizierter Weise distanziert, daß die Abstempelung eines anderen als 'Faschist', 'Nationalsozialist' oder 'Rechtsextremist' (in der obigen Bedeutung) auf jeden Fall dazu geeignet ist, den so Benannten einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zu zeihen. Auszugehen ist weiters davon, daß das Pressegesetz keine Bestimmungen darüber enthält, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen das Gericht die Beschlagnahme eines Druckwerks anordnen kann. § 37 PresseG. handelt lediglich von der vorläufigen Beschlagnahme durch den Staatsanwalt und die Sicherheitsbehörden; § 38 PresseG.
bestimmt nur, daß im Fall der gerichtlichen Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme wegen eines als strafbar bezeichneten Inhalts anzugeben ist, welche Stelle des Druckwerks den strafbaren Inhalt ergebe und welche strafbare Handlung sie begründe; § 42 PresseG. wieder regelt bloß das selbständige Verfahren, das seinem Wesen nach eine sichernde Maßnahme ist, die sich gegen das Werk selbst richtet (SSt. 15/79); deshalb kommt es auch nicht auf eine bestimmte Absicht des Verfassers an, sondern auf den Sinn, den die im Druckwerk enthaltene Erklärung (objektiv betrachtet) nach der Auffassung des Verkehrs und der allgemeinen Lebenserfahrung hat (SSt. 41/61 u.v.a.). Die Frage, wann das Gericht auf Beschlagnahme zu erkennen hat, ist daher grundsätzlich nach der StPO. zu beurteilen (SSt. 7/83), wobei die dem Strafverfahren in Pressesachen immanenten Grundsätze zu beachten sind (§ 34 PresseG.). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl. 1969, 246 u. a.) und auch nach der Lehre (Swoboda-Hartmann 130, Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 506) setzt ein Beschlagnahmebeschluß gemäß § 38
PresseG. das Vorliegen des objektiven Tatbildes eines Presseinhaltsdeliktes voraus. Eine Beschlagnahme ist demnach nur zulässig, wenn sich sämtliche objektiven Merkmale einer strafbaren Handlung im Druckwerk dargestellt finden (SSt. 16/17). Ergibt die Prüfung eines Druckwerkes, daß dessen Inhalt einem strafgerichtlichen Tatbild entspricht, dann bedarf es in der Regel einer weiteren Untersuchung auf Rechtswidrigkeit nicht; denn es indiziert im allgemeinen ein tatbildmäßiges Verhalten die Rechtswidrigkeit. Das besagt aber nicht, daß dem Gericht vorliegende - etwa aus dem Druckwerk selbst erhellende - (objektive) Unrechtsausschließungsgründe bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Beschlagnahmebeschlusses nicht zu berücksichtigen wären; das Gegenteil ergibt sich aus dem Prinzip der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO.) und dem Wesen der Rechtfertigungsgründe, die die Rechtswidrigkeit der tatbildmäßigen Handlung ausschließen und solcherart die im Druckwerk enthaltene Äußerung (ausnahmsweise) zu einer rechtmäßigen machen (Swoboda-Hartmann 137, Kadecka 109, Leukauf-Steininger2 75).
Daß durch die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Wissenschaft (Forschung) und ihrer Lehre - solange sich jene im Rahmen der Menschenrechte bewegt (vgl. dazu Ermacora, Handbuch für Grundfreiheiten und der Menschenrechte
474) - Eingriffe in die Rechte Dritter gerechtfertigt werden, ist unbestritten. Gerechtfertigt aus dem Grundrecht des Art. 17 StGG. kann allerdings nur ein Verhalten sein, das dem Begriff der wissenschaftlichen Tätigkeit (Forschung und/oder Lehre) entspricht. Dies hat im allgemeinen sowohl objektiv wissenschaftlichen Charakter der Betätigung, als auch subjektiv wissenschaftliches Streben des Verfassers zur Voraussetzung. Die Frage nach subjektiv wissenschaftlichem Streben kann daher dann nicht ins Spiel kommen, wenn schon nach der Form und Aufmachung der Darbietung (des Werks) sowie nach dem angesprochenen Personenkreis klar erkennbar ist, daß es sich um keine wissenschaftliche Veröffentlichung handelt, das Werk also (bereits) aus diesem Grund von vornherein keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben kann (vgl. i.d.S. 13 0s 14/80).
Schimpfworte und Schmähungen gehören sicherlich nicht zur Wissenschaft (vgl. dazu Ermacora, a.a.0. 469).
Sie können auch nicht im Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 13 StGG.) ihre Rechtfertigung finden; denn es darf dieses Recht nur innerhalb der gesetzlichen Schranken ausgeübt werden und es bleibt jedermann für die dabei etwa erfolgten Gesetzesverletzungen verantwortlich. Art. 13 StGG. bedeutet also nicht, daß der Herausgeber (Verfasser) eines Druckwerkes strafrechtlich nicht verfolgt werden darf, wenn er sich durch das Druckwerk einer Verletzung der Ehre eines anderen, einer Verletzung der Sittlichkeit oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht (VfSlg. 2283 u.a.).
Anders als die Beschwerde ersichtlich vermeint, besagt die aus der Zusammenschau erfolgte Bewertung eines aus mehreren Beiträgen bestehenden (Gesamt-)Werkes (in toto) als wissenschaftlich durchaus nicht, daß jeder Teil davon allein schon deswegen der Wissenschaft zuzuzählen ist. Es können vielmehr einzelne Teile davon ohneweiters (nur) Gegenstand einer Meinungsäußerung sein, deren Freiheit nach dem Gesagten nach anderen rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (vgl. dazu Ermacora a.a.0. 469 f.).
Ob eine gedankliche Stellungnahme als Wissenschaft oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, hängt, wie überhaupt die Frage, ob das, was man betreibt, Wissenschaft ist, von verschiedenen Kriterien, darunter auch vom subjektiven Urteil, vom Streben nach wissenschaftlicher Wahrheit ab (siehe dazu insbes. Ermacora a.a.0. 468). Insoferne reicht die der Rechtsfrage nach der Rechtfertigung eines inkriminierten Verhaltens aus dem Grunde der Freiheit der Wissenschaft und Lehre vorgeschaltete Frage nach einer wissenschaftlichen Zielsetzung und der Eignung des in diese Richtung Unternommenen, dieses Ziel zu erreichen, (schon) in den Bereich des Tatsächlichen, dessen Beurteilung im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes dem Obersten Gerichtshof allerdings entzogen ist.
Die Beschwerde übersieht, daß der von ihr erwähnte Verhältnismäßigkeitsgedanke im Pressegesetz nicht expressis verbis verankert ist. Er kommt daher nur bei der Auslegung des Gesetzes zum Tragen. Eine das berücksichtigende Gesetzesinterpretation kann allerdings niemals dazu führen, daß einem Privatankläger nur unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Einleitung des Provisorialverfahrens nach § 38 PresseG. (vgl. dazu Swoboda-Hartmann 126, 130) verweigert wird, das u.a. der Sicherung des Verfalles dient, dessen Anordnung im Falle eines Schuldspruches oder eines Ausspruches gemäß § 42 PresseG. - vom Umfang der Verfallserklärung abgesehen (SSt. 41/47) - auch nicht im Ermessen des Gerichtes liegt. Sinnvoll kann im übrigen die Anwendung des Verhältnisprinzips - wie es die Beschwerde sieht - nur in Bezug auf die Vorbehaltsklausel des Art. 13 StGG. sein (vgl. dazu Berka in ÖJZ. 1979, S. 372). In Ansehung des Grundrechtes der Freiheit der Wissenschaft (und ihrer Lehre) müßte sie (umgekehrt) zu einer Beschränkung dieses Rechtes führen, das seiner historischen Entwicklung nach verschiedentlich als ein subjektiv an die mit der Forschung und Lehre befaßten Personen gebundenes Recht angesehen wird (vgl. dazu Ermacora a.a.0. 470 ff., Stadler-Richter in EuGRZ 76, Seite 371).
Einzuräumen ist allerdings der Beschwerde, daß der Verhältnismäßigkeitsgedanke (auch) über das materielle Recht im Presseverfahren Eingang findet. Nach § 114 Abs. 1 StGB. ist nämlich straffrei, wer (in einem Druckwerk etwas behauptet, was die Ehre eines anderen verletzt, wenn er) in Ausübung einer Rechtspflicht oder in Verfolgung eines Rechtes notwendigerweise und nicht wider besseres Wissen handelt (9 0s 70, 71/76 und 10 0s 177, 178/77 = RZ. 1978, 35 = EvBl. 1978, 126). Ein Recht übt u.a. aus, wer berechtigte Interessen (anderer) wahrnimmt (siehe dazu Roeder 229 ff., Nowakowski in ÖJZ. 1974, S. 619, Proske in ÖJZ. 1977, S. 4, 5). Dies tut nach herrschender Lehre (Proske a.a.0., Hoffmann in NJW 1966, S. 1200, Uhlitz in NJW 1967, S. 129, Schönke-Schröder, 18.
Aufl., S. 1212 ff.) jedermann, der sich an der öffentlichen Auseinandersetzung über die Gestaltung von Angelegenheiten der Allgemeinheit in Form der kontroversiellen Diskussion oder der einseitigen Kritik (Stellungnahme) beteiligt. Wirkt er doch solcherart an der politischen Willensbildung und der öffentlichen Kontrolle von Personen und Personengruppen mit, die im politischen Leben stehen und unter Umständen die Macht haben, das öffentliche Wohl durch ihre Entscheidungen oder Maßnahmen zu beeinflussen. Und gerade diese Mitwirkung des einzelnen Bürgers an der staatlichen Willensbildung ist in einem liberalen und demokratischen Staat unabdingbar, weil sie das Funktionieren der demokratischen Staatsordnung gewährleistet, die diesem allenfalls drohenden Gefahren aufzeigt und darüber hinaus insoferne vor der Erstarrung des öffentlichen Lebens schützt, als sich in der Fülle der einzelnen Meinungen ein breites Spektrum an Möglichkeiten für die Lösung von Fragen des öffentlichen Interesses zeigt.
Straffreiheit wegen Wahrung berechtigter Interessen wird in der Regel aber nur dann zuzubilligen sein, wenn sich einerseits der Eingriff in jenen Schranken hält, die ein mit rechtlichen Werten verbundener Mensch von selbst zu wahren pflegt, und wenn andererseits der vom Täter erstrebte (und von der Rechtsordnung gebilligte) Zweck in einer vernünftigen Relation zum Gewicht des Eingriffes steht. Demzufolge dürfen zur Wahrung (fremder oder eigener) Interessen Rechte anderer nur in jenem Maß beeinträchtigt werden, das zur Erzielung des Erfolges unerläßlich ist. Darüber hinausgehende Rechtsbeeinträchtigungen sind nicht gerechtfertigt, sie können jedoch im Falle eines Irrtums über die Eignung zur Interessenswahrung entschuldbar sein (vgl. Schönke-Schröder a.a.0. 1217).
Vorliegend hat nun der Untersuchungsrichter in tatsächlicher Hinsicht (wegen der an vielen Stellen des Werkes vorgenommenen Gleichstellung von Rechtsextremismus, Nationalsozialismus, Faschismus und Neonazismus) angenommen, daß der Beschuldigte gegen den Privatankläger den Vorwurf erhoben hat, Rechtsextremist (im oben erwähnten Sinn) zu sein. Darin hat er das objektive Tatbild des § 111 Abs. 2 StGB. verwirklicht gesehen. In dieser (rechtlichen) Wertung des festgestellten Sachverhaltes, an den auch der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Rechtsfrage im Rahmen der vorliegenden Wahrungsbeschwerde gebunden ist, kann an sich ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden. Allerdings hat sich der Untersuchungsrichter in der angefochtenen Entscheidung überhaupt nicht damit auseinandergesetzt, daß der Privatankläger in den inkriminierten Stellen des Buches selbst keineswegs als Rechtsextremist bezeichnet wurde, sondern als (noch) rechtskonservativer Herausgeber eines konservativ-liberalen Monatsmagazins, der sich auf dem 'Weg zum Rechtsextremismus' befindet, sohin allenfalls rechtsextremistische Neigungen hat. Zum anderen hat sich der Untersuchungsrichter aber auch weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht mit der hier allein im Vordergrund stehenden Frage einer (allfälligen) Rechtfertigung aus den bezeichneten Gründen befaßt und demnach keine Feststellungen über eine (wissenschaftliche oder auf Wahrung berechtigter Interessen gerichtete) Zielsetzung der Publikation getroffen, die der Oberste Gerichtshof seiner Entscheidung zugrunde legen könnte. Erörterungen darüber wären erforderlich gewesen, weil sich einerseits die Autoren schon im Vorwort (S. 8 und 9) auf wissenschaftliche Ziele und einen Forschungsauftrag berufen und weil andererseits gegebenenfalls nach der Thematik und deren Aufbereitung ein wissenschaftlicher Anspruch nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
Durch das Unterlassen derartiger Erörterungen in der Begründung, hat der Untersuchungsrichter das Gesetz in den im Spruche angeführten Bestimmungen verletzt.
Dieser Mangel wurde allerdings von der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auf prozeßordnungsgemäße Weise (im Rechtsmittelverfahren) durch entsprechende Ausführungen in der über die Beschwerde ergangenen Entscheidung behoben, weshalb sich der Oberste Gerichtshof auf die Feststellung der in der Begründung des untersuchungsrichterlichen Beschlusses unterlaufenen Gesetzesverletzung beschränken kann. Der gegen den Beschluß der Ratskammer erhobenen Beschwerde mußte hingegen ein Erfolg versagt bleiben, weil die Ratskammer in ihrer Entscheidung eine richtige Rechtsansicht vertreten hat und ihr - nach dem Gesagten - ins Tatsächliche reichender Ausspruch, daß eine Feststellung darüber, ob der inkriminierte Textteil zur Wissenschaft zähle, im Provisorialverfahren mangels Klarstellung der für eine solche Beurteilung maßgeblichen Momente nicht möglich sei, als Tatfrage der Überprüfung des Obersten Gerichtshofes nicht unterliegt. Ausgehend davon, daß dem Privatankläger in den von ihm in der Privatanklage zitierten Textstellen (zumindest) rechtsextremistische Tedenzen vorgeworfen und daß weiters zur Entscheidung über die Privatanklage hinsichtlich der Frage einer allfälligen Rechtfertigung dieses Vorwurfes nach dem Gesagten - anders als im Verfahren zur (vorläufigen) Beschlagnahme nach § 38 PresseG. - auch Feststellungen zur subjektiven Tatseite erforderlich werden, die das Gericht erst nach Abführung eines Beweisverfahrens treffen kann, ist in der Einleitung der Voruntersuchung wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 2 StGB. kein Gesetzesverstoß zu erblicken. Mit ihrem Einwand, es sei das Verfahren wegen des Vergehens der Kreditschädigung nach § 152 StGB. schon deswegen zur Einstellung zu bringen, weil der Beschlagnahmeantrag bzw. die Privatanklage hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes keine substantiierte Darstellung enthalte, ist die Generalprokuratur lediglich darauf zu verweisen, daß die Behauptung, jemand habe durch das (vom Privatankläger in seiner Eingabe näher) beschriebene Verhalten (auch) das Vergehen nach § 152 StGB.
verwirklicht, das zur subjektiven Tatseite erforderliche Vorbringen inkludiert.
Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E02874European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00049.8.1014.000Dokumentnummer
JJT_19801014_OGH0002_0090OS00049_8000000_000