TE OGH 1980/10/23 13Os136/80

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Veröffentlicht am 23.10.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Oktober 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Georg A wegen des Verbrechens der Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 2, 86 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 8.Mai 1980, GZ. 1 c Vr 7730/79-54, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Theimer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.September 1955 geborene Verkäufer (im Altwarenhandel) Georg A des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs. 2, 86 StGB. schuldig erkannt, weil er am 1.September 1979 in Wien Franz B durch Stöße und einen Schlag in das Gesicht am Körper mißhandelte, wobei die Tat den Tod des Geschädigten (der durch die Mißhandlungen rückwärts stürzte, mit dem Kopf gegen eine Mauer schlug und einen Schädelbruch erlitt) zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht vor, für die Feststellung des Mißhandlungsvorsatzes nur offenbar unzureichende Gründe angegeben zu haben. Der von ihm hiebei vertretenen Auffassung zuwider konnte jedoch das Erstgericht die gerügte Konstatierung - die im übrigen auch mit der eigenen Verantwortung des Angeklagten, der im Grunde geständig war und nur die Vorhersehbarkeit der Todesfolge bestritt (vgl. S. 257-259), sowie mit den übrigen Ergebnissen des Beweisverfahrens im Einklang steht - in vollkommen denkrichtiger, ausreichender und überzeugender Weise (vgl. S. 268) sehr wohl aus der Art der Tathandlungen ableiten, die (wollte man nicht darüber hinausgehenden Verletzungsvorsatz annehmen) nach Lage des Falles füglich gar keine andere Deutung zulassen als jene, daß der Angeklagte das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen durch physische Einwirkung nicht ganz unerheblich beeinträchtigen, diesen also mißhandeln (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 9 zu § 83) wollte. Dagegen bleibt für die Annahme einer - wie der Beschwerdeführer meint - bloßen 'Beleidigung' kein Raum. Von einem (formalen) Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. kann daher keine Rede sein.

Es geht aber auch die Rechtsrüge fehl.

Soweit darin unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. behauptet wird, das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten sei nicht strafbar, weil nur 'Beleidigungsabsicht' vorliege, ermangelt sie einer gesetzmäßigen Darstellung. Denn nicht der - die ausdrückliche Feststellung, der Angeklagte habe mit Mißhandlungsvorsatz gehandelt, umfassende - Urteilssachverhalt, sondern urteilsfremde Annahmen werden mit dem Gesetz verglichen.

Soweit aber der Beschwerdeführer der Ansicht Ausdruck verleiht, es fehle an der für die Zurechnung der Todesfolge erforderlichen Fahrlässigkeit, ist ihm zunächst zu erwidern, daß die Verwirklichung des Grundtatbestands die (objektive und subjektive) Sorgfaltswidrigkeit in bezug auf die qualifizierende Tatfolge regelmäßig in sich schließt, weswegen die Prüfung der Fahrlässigkeitsfrage bei allen erfolgsqualifizierten Delikten auf die Beurteilung der Vorhersehbarkeit des (tödlichen) Erfolges beschränkt bleiben kann (Leukauf-Steininger, RN. 6 zu § 86 und die dort zitierte Judikatur). In letzter Hinsicht ist aber davon auszugehen, daß für den Täter ein (qualifizierender) Erfolg jedenfalls dann voraussehbar und er ihm deshalb subjektiv zuzurechnen ist, wenn er nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte, mithin nicht atypisch (oder doch wenigstens nicht ganz außergewöhnlich und deshalb außerhalb der menschlichen Erwartung gelegen), sondern dem Tatverhalten adäquat war und daher innerhalb des vom Täter durch die Tatverübung eingegangenen Gefahrenrisikos lag. Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Täter auch alle Einzelheiten des Kausalablaufes und des Erfolgseintrittes vorauszusehen vermochte.

Vielmehr genügt die Vorhersehbarkeit eines solchen Verlaufes im allgemeinen (vgl. SSt. 46/67, 47/58 u.a.).

Im vorliegenden Fall versetzte der Angeklagte nach den Urteilssannahmen seinem wesentlich älteren (66-jährigen) Opfer einen so gearteten Stoß, daß dieses mit dem Kopf zunächst gegen eine Mauer prallte (wobei es die tödlichen Verletzungen erlitt) und dann zu Boden stürzte. Dieses Tatverhalten barg die für jedermann ersichtliche Gefahr in sich, daß der Angegriffene schwere (Kopf-) Verletzungen erleiden könne. Die eingetretene (Todes-) Folge war keineswegs atypisch und der Angeklagte war auch nach seinen persönlichen Verhältnissen (§ 6 Abs. 1 StGB.) durchaus in der Lage, eine solche Entwicklung und demnach die besonderen Folgen seiner Tat (im oben aufgezeigten Sinn) vorherzusehen.

Da das Erstgericht mithin dem Angeklagten die eingetretene Todesfolge zutreffend und ohne Rechtsirrtum (in der Schuldform der Fahrlässigkeit) zurechnete, war dessen Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 86 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es den raschen Rückfall und die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, hingegen das Geständnis als mildernd. Während die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf das durch Vorstrafen und Trunksucht geprägte negative Persönlichkeitsbild des Angeklagten sowie das brutale Vorgehen gegen den 66-jährigen Franz B und mit der Behauptung, der vom Erstgericht angenommene Milderungsumstand liege nicht vor, eine wesentliche Erhöhung der Freiheitsstrafe anstrebt, zielt der Angeklagte mit seiner Berufung auf die Herabsetzung der Freiheitsstrafe ab. Er bringt dazu vor, nur einmal (und nicht wiederholt) wegen einer auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Tat, nämlich im Jahre 1972 (u.a.) wegen der Übertretung nach dem § 411 StG.

(ersichtlich gemeint: zum AZ. 1 a Vr 1243/72 des Jugendgerichtshofes Wien) vorbestraft zu sein. Darüber hinaus sei eine mittelgradige Alkoholisierung zur Tatzeit (als mildernd) zu berücksichtigen. Beiden Berufungen kommt Berechtigung nicht zu.

Das Schöffengericht stellte nämlich die Strafzumessungsgründe richtig fest und unterzog sie auf der Basis der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Vorschriften (§ 32 StGB.) einer zutreffenden Würdigung.

Entgegen dem Berufungsvorbringen des Angeklagten liegen fünf auf gleicher schädlicher Neigung im Sinne des § 71 StGB. beruhende Vorstrafen als Erschwerungsumstand in der Bedeutung des § 33 Z. 2 StGB. vor, nämlich neben der vom Angeklagten zugestandenen auch die Verurteilungen zu den Aktenzeichen 5 Vr 1388/71 und 21 U 532/73 des Jugendgerichtshofes Wien (u.a. wegen der Übertretung nach dem § 411 StG. - s.S. 248/249 des erstangeführten Aktes - bzw. nach dem § 523 StG. u.a. bezüglich § 411 StG.), zu 1 a Vr 225/73 (wegen des Vergehens nach dem § 523 StG.

in Beziehung auf § 81 StG.) und zu 9 a Vr 361/75 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt (u.a. wegen der Vergehen nach den §§ 15, 269 Abs. 1; 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB.).

Die Alkoholisierung des Berufungswerbers zur Tatzeit kommt als Milderungsumstand nicht in Frage, weil dem Angeklagten aus seiner bisherigen (kriminellen) Erfahrung bekannt war, daß er im Zustand der Berauschung zur Begehung von strafbaren Handlungen neigt (§ 35 StGB.). Im gegebenen Zusammenhang ist insbesondere darauf zu verweisen, daß der Genannte weiterhin alkohol- und drogenabhängig ist (vgl. dazu den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. April 1979, GZ. 1 c Vr 137/78-53, demzufolge die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher wegen Aussichtslosigkeit aufgehoben wurde, und das Gutachten des Sachverständigen Primarius Dr. Heinrich C vom 14.April 1980, ON. 51

des erstgerichtlichen Aktes, das in eine sehr negative Abschätzung der Entwicklungsaussichten der Täterpersönlichkeit ausklingt: Seite 251).

Zum Rechtsmittelvorbringen der Staatsanwaltschaft ist zu sagen, daß von einer besonderen Brutalität bei der Tatverübung, nämlich einer solchen, die das deliktsspezifische Maß übersteigt, (noch) nicht gesprochen werden kann. Das Geständnis des Angeklagten trug wesentlich zur Wahrheitsfindung bei, sodaß es zutreffend als Milderungsumstand angenommen wurde. Schließlich beurteilte das Erstgericht bei der Strafbemessung auch die - sich u.a. aus der Vorstrafenbelastung und der Neigung des alkohol- und drogenabhängigen Angeklagten zu Aggressionsdelikten ergebende - Täterpersönlichkeit richtig.

Mithin war beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E02845

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00136.8.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19801023_OGH0002_0130OS00136_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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