Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 1980
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christine A und andere wegen des Verbrechens nach §§ 12, 15 StGB, 6 Abs. 1 SuchtgiftG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten Christine A sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Christine A und Heinrich B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Mai 1980, GZ. 6 e Vr 3580/80-24, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Schuppich und Dr. Weiss und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Christine A wird verworfen.
Den Berufungen dieser Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten Christine A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 7. Oktober 1952 geborene Studentin Christine A und der am 14. Jänner 1941 geborene Kellner Heinrich B des versuchten Verbrechens nach §§ 12 (erster Fall), 15 StGB, 6 Abs. 1 SuchtgiftG (Punkt I. des Urteilssatzes) und des Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG (Punkt II. des Urteilssatzes), Heinrich B überdies des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG (Punkt III. des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Zum Urteilsfaktum I. liegt ihnen zur Last, am 3. Oktober 1979 in Alkmaar und anderen Orten der Niederlande als Mittäter mit dem spanischen Staatsangehörigen Carlos C (richtig: D; siehe S 297) versucht zu haben, vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr zu setzen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem sie vom holländischen Staatsangehörigen Johannes E 3,9 kg Haschisch erwarben, dieses gemeinsam im PKW des Heinrich B verbargen und Anstalten trafen, diese Suchtgiftmenge an Carlos D zu übergeben, der dieses Suchtgift aus den Niederlanden ausführen, nach Spanien einführen und dort in Verkehr setzen wollte.
Diesen (von Heinrich B unangefochten gelassenen) Schuldspruch bekämpft die Angeklagte Christine A mit einer ziffernmäßig auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Sache nach (nur) aus dem Grunde der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO (vgl. Mayerhofer-Rieder II/2, Nr. 15 und 16 zu § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO) macht die Beschwerdeführerin geltend, daß ihre Verfolgung wegen der in den Niederlanden begangenen Tat ausgeschlossen sei, weil durch diese Auslandstat keine österreichischen Interessen konkret verletzt worden seien, die Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit demzufolge nicht nach § 64 Abs. 1 Z 4 StGB, sondern nach § 65 StGB zu beurteilen sei, wofür es aber an dem Erfordernis einer identen Norm mangle. Überdies entfalle ihre Strafbarkeit im Hinblick auf die Verfahrensbeendigung durch das zuständige Gericht in Alkmaar gemäß § 65 Abs. 4 Z 2 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Bei dieser Rüge übersieht die Beschwerdeführerin, daß nach der - in gleicher Weise auf In- und Ausländer zutreffenden - Bestimmung des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB eine im Ausland begangene, nach dem (im Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz geltenden und daher hier noch voll anwendbaren) § 6 Abs. 1 SuchtgiftG 1951 in der Fassung vor der Suchtgiftgesetznovelle 1980 (BGBl. 319/80), strafbare Handlung nach den österreichischen Strafgesetzen unabhängig von den Strafgesetzen des Tatortes zu bestrafen ist, wenn durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind oder - aus welchen Gründen immer - der Täter nicht ausgeliefert wird. Ist ein Täter österreichischer Staatsangehöriger, dessen Auslieferung generell ausgeschlossen ist (§ 12 Abs. 1 ARHG), so unterliegt seine im Ausland begangene, nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG strafbare Tat stets und unabhängig vom Tatortrecht den österreichischen Strafgesetzen. In einem solchen Fall bedarf es daher weder eines weiteren Eingehens auf die Frage des Vorliegens der Alternativvoraussetzung, ob durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind noch einer Prüfung, ob die Tat nach den Gesetzen des Tatortes mit Strafe bedroht ist. Ebenso ist es belanglos, ob der Täter von einem Gericht des Staates, in dem die Tat begangen wurde, verurteilt und bestraft oder freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt wurde (vgl. RZ 1976/ 23 = LSK 1975/104; Liebscher im Wiener Kommentar, RN 16 zu § 64 StGB; Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 15 und 16 zu § 64 StGB). Damit erübrigt es sich auch, zu dem - der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11
des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen - Beschwerdeeinwand Stellung zu nehmen, das Erstgericht hätte, soferne man das Tatverhalten der Angeklagten den Bestimmungen des holländischen Opiumgesetzes unterstellen könne, dieses mildere Strafgesetz bei der Bemessung der Strafe berücksichtigen müssen.
Mit der Behauptung, die Beweisergebnisse hätten keinerlei Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die Angeklagte A billigend in Kauf genommen und sich damit abgefunden habe, daß durch das Inverkehrsetzen der 3,9 kg Haschisch in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen könne, bringt die Beschwerdeführerin die in ihrer Rechtsrüge angerufenen Nichtigkeitsgründe, bei deren Ausführung von den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils auszugehen ist, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn entgegen diesem Beschwerdevorbringen umfaßte der Vorsatz der Angeklagten A nach den Urteilsfeststellungen (auch) den Umstand, daß das fragliche, zu diesem Zweck gekaufte Suchtgift von Carlos D aus den Niederlanden ausgeführt, nach Spanien eingeführt und dort einer großen unbestimmten Zahl von Menschen überlassen bzw. zum Gebrauch zugänglich gemacht werden sollte, mithin eine Gemeingefahr im Sinne des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG herbeigeführt werden konnte (siehe S 308 f d. A). Diese Annahme findet im übrigen in den vom Erstgericht dargelegten Erwägungen, auf Grund deren es die (insoweit) leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin als widerlegt erachtete, eine im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO mängelfreie Begründung. Schließlich zieht die Angeklagte die rechtliche Beurteilung ihrer Tat als versuchtes Verbrechen nach §§ 15
StGB, 6 Abs. 1 SuchtgiftG mit der Argumentation in Zweifel, daß ihr nur eine vermittelnde Tätigkeit angelastet werde, die weder als ein Inverkehrsetzen noch als ausführungsnahe Handlung in bezug auf die in Rede stehende Tat gewertet werden könne.
Damit vermag die Beschwerdeführerin eine Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO gleichfalls nicht aufzuzeigen. Vielmehr bringt sie auch damit diesen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie abermals die Tatsachenfeststellungen des Schöffensenates nicht beachtet, wonach sich ihre Tätigkeit keineswegs in der Vermittlung eines Suchtgifterwerbes erschöpfte, sondern sie darüber hinaus (aktiv) bei der Übernahme, Weiterbeförderung und Bezahlung des Haschisch mitwirkte und dessen Qualität prüfte (siehe S 307 f d.A). Ebenso versagt der weitere Einwand, mangels Ausführungsnähe zu der geplanten Ein- und Ausfuhr des Suchtgiftes (nach Spanien aus den Niederlanden) sei der Tatbestand des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG in der Erscheinungsform des Versuches rechtsirrig angenommen worden:
Denn ausgehend davon, daß durch diesen Tatbestand neben der illegalen Einfuhr und Ausfuhr von Suchtgift auch das vorschriftswidrige Erzeugen und Inverkehrsetzen von Suchtgift in solchen Mengen, daß daraus eine Gemeingefahr entstehen kann, pönalisiert wird und 'Inverkehrsetzen' nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (siehe SSt 48/46 ua) die Übertragung der Verfügungsgewalt an einen anderen mit dem Ergebnis, daß das Suchtgift ohne weiteres Zutun des Täters von Hand zu Hand wandern kann, bedeutet, stellt das konstatierte Verhalten der Angeklagten A eine sowohl nach ihrer aktionsmäßigen, als auch nach ihrer zeitmäßigen Beziehung zur Ausführung im unmittelbaren Vorfeld des Tatbildes liegende Handlung dar, bei der das deliktische Vorhaben (auch in subjektiver Hinsicht) bereits in jenes Stadium eingetreten ist, in welchem anzunehmen ist, daß die Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung überwunden haben. Nahm doch das Erstgericht an, daß das Haschisch bereits in den PKW des Angeklagten B 'gebracht' worden war, um es - alsbald - dem gleichfalls schon in die Niederlande eingereisten spanischen Käufer zum Zwecke der Ausfuhr aus den Niederlanden, Einfuhr nach Spanien und Verteilung an einen größeren unbekannten Personenkreis dortselbst zu übergeben (S 308 d.A). Damit war die Tat der beiden Angeklagten aber, wie das Erstgericht richtig erkannte, bereits in das Stadium eines strafbaren Versuches des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG getreten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Christine A war sohin zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte nach §§ 28 StGB, 6 Abs. 1 SuchtgiftG Christine A zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres und Heinrich B zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten.
Bei beiden Angeklagten waren mildernd das Geständnis, bei Christine A auch der untadelige Lebenswandel, erschwerend hingegen bei beiden Angeklagten die die Grenzmenge bei weitem übersteigende Suchtgiftmenge, bei Christine A das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und bei Heinrich B das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen sowie die einschlägige Vorstrafe.
Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte A eine Herabsetzung der Strafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung sowie bedingte Strafnachsicht an, während die Staatsanwaltschaft bei beiden Angeklagten eine schuldangemessene Erhöhung der über sie verhängten Freiheitsstrafen begehrt.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Auch wenn man berücksichtigt, daß bezüglich des Verbrechens nach § 6 SuchtgiftG als mildernd zu werten gewesen wäre, daß die Tat bloß beim Versuch geblieben ist (§ 34 Z 13 StGB), kann doch im Hinblick auf die verhältnismäßig große Suchtgiftmenge von einem Überwiegen der Milderungsgründe im Sinne des § 41 Abs. 1 StGB nicht gesprochen werden, weshalb vorliegend die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nicht in Betracht gezogen werden konnte. Im Hinblick auf die Art der Tat und unter Bedachtnahme auf die bei Suchtgiftdelikten in den Vordergrund tretenden Erfordernisse der General- und Spezialprävention lagen auch die Voraussetzungen für eine bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB nicht vor. Anderseits war aber auch die Berufung der Staatsanwaltschaft nicht begründet. Schon im Hinblick darauf, daß es beim Verbrechen nach § 6 SuchtgiftG beim Versuch geblieben ist, erscheint eine Erhöhung der über die Angeklagten vom Erstgericht schuldangemessen verhängten Freiheitsstrafen nicht gerechtfertigt.
Sämtlichen Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung bei Christine A stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02892European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00138.8.1028.000Dokumentnummer
JJT_19801028_OGH0002_0090OS00138_8000000_000