Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1980
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred A und andere wegen des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Serafedim B gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 12.Mai 1980, GZ. 6 d Vr 1979/80-63, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Berufungen der Angeklagten Helga C und Silvia D sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Silvia D, Gerhard E, Nasser F und Serafedim B nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider sowie der Ausführungen der Verteidiger Dr. Kreissl, Dr. Kremslehner, Dr. Krause und Dr. Gstettner, nach der Verlesung der Berufungsschrift der Angeklagten Helga C und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben und es werden die über Nasser F verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr, die über Serafedim B verhängte Zusatzstrafe auf 9 (neun) Monate erhöht.
Im übrigen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft nicht Folge gegeben.
Der Angeklagte Serafedim B wird mit seiner Berufung gegen das Strafmaß auf die obige Entscheidung verwiesen.
Den Berufungen der Angeklagten Helga C und Silvia D wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde das erstgerichtliche Urteil 1. in den die Angeklagten Günther C, Helga C und Karl G betreffenden Aussprüchen über die Anrechnung der Vorhaften gemäß dem § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. dahin ergänzt, daß zusätzlich folgende Haftzeiten auf die Freiheits- und Geldstrafen angerechnet werden:
bei Günther C vom 19.Februar 1980, 18 Uhr, bis 21.Februar 1980, 18 Uhr, und vom 10.Dezember 1979, 11 Uhr 55, bis 11.Dezember 1979, 14 Uhr 15;
bei Helga C vom 19.Februar 1980, 18 Uhr, bis 21.Februar 1980, 17 Uhr, und vom 10.Dezember 1979, 14 Uhr 40, bis 11.Dezember 1979, 14 Uhr 15;
bei Karl G vom 19.Februar 1980, 18 Uhr, bis 21.Februar 1980, 18 Uhr;
2. in dem den Angeklagten Nasser F betreffenden Ausspruch gemäß dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Gemäß dem § 12 Abs. 4 SuchtgiftG. i.d.F. des BGBl. 1980/319 wird über den Angeklagten Nasser F eine Geldstrafe in der Höhe von 106.500 (einhundertsechstausendfünfhundert) S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 1/2 (zweieinhalb) Monaten, verhängt.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Helga C, Silvia D, Nasser F und Serafedim B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden u.a. die Angeklagten Helga C, Silvia D, Gerhard E und Nasser F des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. sowie des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG., Serafedim B nur dieses Verbrechens schuldig erkannt und zu Freiheits- und Verfallsersatzstrafen verurteilt. Der Schuldspruch wegen des angeführten Verbrechens bezieht sich auf das Inverkehrsetzen von folgenden Heroinmengen:
Helga C - ca. 52 g Silvia D - ca. 200 g Gerhard E - ca. 10 g Nasser F - ca. 35 g, ferner 10 bis 15 Schüsse zu 0,05 g und eine weitere, nicht mehr feststellbare Anzahl von Schüssen, Serafedim B - ca. 70 g. Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte B mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Angeklagten Helga C und Silvia D sowie die Staatsanwaltschaft bezüglich der Angeklagten Silvia D, Gerhard E, Nasser F und Serafedim B mit Berufungen.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof von einer unvollständigen Anrechnung der von den Angeklagten Günther C, Helga C und Karl G erlittenen Vorhaften und einer sich zum Nachteil des Angeklagten Nasser F auswirkenden Verletzung der Bestimmung des § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. überzeugen, sodaß insoweit gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. vorzugehen war.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. wirft der Angeklagte B dem Erstgericht eine widersprüchliche Begründung der Urteilsfeststellung, er habe 70 g Heroin an den - rechtskräftig schuldiggesprochenen - Mitangeklagten Alfred A verkauft, vor. Diese Widersprüchlichkeit besteht nach Meinung des Beschwerdeführers darin, daß das Schöffengericht den (belastenden) Angaben AS einerseits vor dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien, nämlich über die Tatsache des Verkaufsgeschäfts, und andererseits gegenüber dem Untersuchungsrichter (über die Menge des vom Beschwerdeführer erworbenen Heroins) folgte.
Der behauptete Begründungsmangel liegt indes nicht vor. Das Schöffengericht konnte nämlich in Ausübung freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) ohne inneren Widerspruch seine Urteilsfeststellungen, A habe vom Beschwerdeführer Heroin käuflich erworben (S. 402), auf die Angaben AS bei der Polizei (S. 61 ff.) und beim Untersuchungsrichter (S. 81 a, 82), und er habe 70 g (nicht wie bei der Polizei angegeben, nur 30 bis 40 g) gekauft, auf die Verantwortung AS vor dem Untersuchungsrichter stützen. Der Ausspruch des Gerichts über (entscheidende) Tatsachen ist mit sich selbst nur dann im Widerspruch, wenn das Urteil verschiedene Tatsachen feststellt, die einander gegenseitig ausschließen, oder wenn die gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können. Im vorliegenden Fall begründete jedoch das Erstgericht denkrichtig (vgl. S. 401/402), aus welchen Gründen es in der Frage des Heroinerwerbs den - insoweit übereinstimmenden - Angaben AS bei der Polizei und beim Untersuchungsrichter und in der Frage der gekauften Menge (nur) der Verantwortung des Genannten gegenüber dem Untersuchungsrichter folgte.
Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, daß das Erstgericht bei Begründung der ihm auferlegten Verfallsersatzstrafe das gesamte Ausmaß der von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgiftmenge mit '40' g bezeichnete, ist ihm zu entgegnen, daß es sich hiebei um einen offenkundigen Schreibfehler (auf S. 408, letzter Absatz) handelt. Bei einem vom Schöffengericht angenommenen Marktwert des Heroins von 3.000 S pro Gramm und einer auferlegten Wertersatzstrafe von 210.000 S können nämlich richtigerweise - und in Übereinstimmung mit den übrigen, den Beschwerdeführer betreffenden Urteilsfeststellungen über die inkriminierte Heroinmenge - auch an dieser Stelle nur 70 g gemeint sein.
In der Berufungsausführung, der Sache nach jedoch unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs. 1
StPO., rügt der Angeklagte B die über ihn nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. verhängte Verfallsersatzstrafe als überhöht. Diese wäre seiner Meinung nach auf der Basis von (nur) 40 g und nicht - wie das Erstgericht annahm -
von 70 g nicht ergriffenen oder nicht beschlagnahmten Heroins bzw. hiefür erzielten Erlöses auszumessen gewesen.
Der geltendgemachte Rechtsirrtum liegt nicht vor:
Es ist zunächst auf die Ausführung bei Erledigung der Mängelrüge zu verweisen, wonach dem Angeklagten B das Inverkehrsetzen von 70 g Heroin - und nicht von 40 g, wie auf Grund eines offensichtlichen Schreibfehlers an einer Stelle der Urteilsbegründung (S. 408, letzter Absatz) angeführt - zur Last liegt. Auf der Basis eines Grammpreises von 3.000 S entspricht die Verhängung einer Verfallsersatzstrafe von 210.000 S den Vorschriften des § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. Diese Gesetzesstelle ist nämlich zufolge Art. VII StRAG. unverändert geblieben. Es ist daher (weiterhin) zwingend auf eine Geldstrafe in der Höhe des Werts der nicht ergriffenen oder nicht für verfallen erklärten Sachen bzw. ihres Erlöses zu erkennen. In diesem Sinne entschied das Schöffengericht im Falle des Rechtsmittelwerbers B rechtsrichtig. Für Billigkeitserwägungen verbleibt bei der Ausmessung der Verfallsersatzstrafe nach der in Rede stehenden Gesetzesstelle kein Raum (vgl. dazu u.a. LSK. 1975/108).
Aus den dargelegten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu
verwerfen.
Zur Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1 StPO.:
1. Das Ersturteil ist hinsichtlich der Angeklagten Günther C, Helga
C und Karl G mit dem sich zu deren Nachteil auswirkenden und vom Obersten Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Serafedim B von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. behaftet, weil entgegen der Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. bei diesen Angeklagten Vorhaftzeiten unberücksichtigt blieben:
Der Angeklagte Günther C befand sich (außer der ihm laut Ersturteil auf die über ihn verhängte Freiheitsstrafe angerechneten Vorhaftzeit vom 5.März 1980, 21 Uhr 40, bis zum 12.Mai 1980, 12 Uhr 30) im vorliegenden Verfahren auch schon vom 19.Februar 1980, 18 Uhr, bis zum 21.Februar 1980, 18 Uhr (vgl. S. 17 und 33 f.), und ferner nach dem Inhalt des in das vorliegende Verfahren gemäß dem § 56 Abs. 1 StPO. einbezogenen Akts 6 a E Vr 1595/80 des Landesgerichts für Strafsachen Wien (vgl. ON. 48) vom 10.Dezember 1979, 11 Uhr 55, bis zum 11.Dezember 1979, 14 Uhr 15
(vgl. S. 9, 23, 37 und 72 in ON. 48), in sicherheitsbehördlicher Verwahrungshaft.
Auch seine Ehegattin, die Angeklagte Helga C, bei der laut Ersturteil nur die Vorhaft vom 6.März 1980, 10 Uhr 30, bis zum 12. Mai 1980, 12 Uhr 30, gemäß dem § 38 (Abs. 1 Z. 1) StGB. Berücksichtigung fand, wurde überdies von der Sicherheitsbehörde auch in der Zeit vom 19.Februar 1980, 18 Uhr, bis zum 21.Februar 1980, 17 Uhr (vgl. S. 9 und 33 f.d.A.), und - wie aus dem gleichfalls mit dem vorliegenden Verfahren gemäß dem § 56 Abs. 1 StPO. vereinigten Akt 18 U 240/80 des Strafbezirksgerichts Wien (vgl. ON. 52) hervorgeht - überdies auch vom 10.Dezember 1979, 14 Uhr 40, bis zum 11.Dezember 1979, 14 Uhr 15 (vgl. S. 16 und 23 in ON. 52), in Verwahrungshaft gehalten.
Der Angeklagte Karl G befand sich - abgesehen von der im Ersturteil bei diesem Angeklagten berücksichtigten Vorhaft vom 6.März 1980, 8 Uhr 10 (richtig: 9 Uhr bzw. 9 Uhr 10; vgl. S. 123, 131, 133 und 168 d. A.), bis 12.Mai 1980, 12 Uhr 30 - auch noch vom 19.Februar 1980, 18 Uhr (vgl. S. 21 und 33 f.d.A.), bis zum 21.Februar 1980, 18 Uhr, bei der Polizei in Verwahrungshaft (S. 8 des Akts des Obersten Gerichtshofs 13 Os 137/80).
Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. war sohin der die Angeklagten Günther und Helga C sowie Karl G betreffende erstgerichtliche Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft dahin zu ergänzen, daß auch die vorerwähnten, von diesen Angeklagten in polizeilicher Verwahrungshaft zugebrachten Zeiten gemäß dem § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. jeweils auf die über sie verhängten Freiheitsstrafen und Verfallsersatzstrafen angerechnet werden. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, daß dem Angeklagten Serafedim B sämtliche Vorhaftzeiten zum AZ. 6 d Vr 9509/79 des Landesgerichts für Strafsachen Wien angerechnet wurden.
2. Dem Schuldspruch des Angeklagten Nasser F wegen Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. (nunmehr seit der am 1.September 1980 in Kraft getretenen Suchtgiftgesetznovelle 1980: § 12 Abs. 1 SuchtgiftG.) liegt der Verkauf von 35 g Heroin an den Mitangeklagten Karl G sowie das Überlassen einer nicht mehr feststellbaren Heroinmenge an Ingrid H und von 10 bis 15 Schüssen a 0,05 g Heroin an Andreas G zugrunde (vgl. Pkt. I/J des Urteilssatzes; S. 393 und 402).
Von einem gemeinen Wert (Schwarzmarktpreis) des Heroins von 3.000 S pro Gramm (vgl. S. 408) ausgehend - die Höhe des insbesondere durch den Verkauf von 35 g Heroin an Karl G vom Angeklagten F erzielten Erlöses erachtete das Erstgericht ersichtlich als nicht mehr feststellbar - wurde dem Angeklagten F im Ersturteil gemäß dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. eine Verfallsersatzstrafe von 180.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe, auferlegt (vgl. S. 397, ferner ON. 85 und 89). Eine nähere Begründung für diese dem Angeklagten F auferlegte Verfallsersatzstrafe (insbesondere zu deren Höhe) läßt sich dem Ersturteil nicht entnehmen. Auch wenn mangels einer Feststellung im Ersturteil über die vom Angeklagten F beim Verkauf (insbesondere der 35 g Heroin an Karl G) erzielten Erlöse bei der Berechnung des ihm auferlegten Verfallsersatzes ein gemeiner Wert des Suchtgifts Heroin von 3.000 S pro Gramm zugrunde gelegt wird, errechnet sich unter Berücksichtigung der von diesem Angeklagten an Karl G verkauften 35 g Heroin und des weiteren, dem Andreas G überlassenen Heroins (10 bis 15 Schüsse a 0,05 g) ein Betrag in der Höhe von etwa 106.500 S. Die vom Angeklagten F seiner Freundin Ingrid H überlassene Suchtgiftmenge - in den Entscheidungsgründen des Ersturteils ist in diesem Zusammenhang nur von einer 'Anzahl von Schüssen Heroin' die Rede (vgl. S. 402) - erachtete das Erstgericht als nicht mehr feststellbar (S. 393). Unter diesen Umständen erscheint es aber unzulässig, für einen nach den Urteilsannahmen mengenmäßig völlig ungeklärt gebliebenen (nicht mehr greifbaren) Suchtgiftvorrat gemäß dem § 6 Abs. 4
SuchtgiftG. eine Verfallsersatzstrafe (hier in der Höhe von rund
73.500 S, d.i. der Differenzbetrag zwischen den vorerwähnten 106.500 S und der dem Angeklagten F auferlegten Verfallsersatzstrafe von 180.000 S) auszusprechen, weil in den Fällen, in denen die den Gegenstand der strafbaren Handlung nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. (nunmehr § 12 Abs. 1 SuchtgiftG.) bildenden Sachen oder ihr Erlös nicht ergriffen werden können oder in denen nicht auf Verfall erkannt wird, bei der Bemessung der Verfallsersatzstrafe nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 4
SuchtgiftG. (nunmehr § 12 Abs. 4 SuchtgiftG.) die Höhe des Werts dieser Sachen oder ihres Erlöses maßgebend ist. Der Ausspruch einer Verfallsersatzstrafe nach der vorzitierten Gesetzesstelle setzt demnach die Bestimmbarkeit des Werts des nicht mehr greifbaren Suchtgifts oder des (aus dessen Veräußerung) erzielten und nicht mehr greifbaren Erlöses voraus. Das Erstgericht überschritt somit insoweit die Grenzen seiner Strafbefugnis, als es (auch) für eine nicht mehr feststellbare Heroinmenge dem Angeklagten F gemäß dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG.
eine Verfallsersatzstrafe (hier in der Höhe von rund 73.500 S) auferlegte. In diesem Umfang ist daher das Ersturteil gleichfalls mit dem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet, der vom Obersten Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Mitangeklagten Serafedim B von Amts wegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. - wie aus dem Urteilsspruch ersichtlich - wahrzunehmen war.
Zu den Berufungen:
Das Schöffengericht verhängte über die vom Berufungsverfahren betroffenen Angeklagten nach dem § 6 Abs. 1
SuchtgiftG. unter Anwendung des § 28 StGB. (hievon ausgenommen nur B) bzw. nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG., bei B auch gemäß § 31 StGB. unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24.März 1980, GZ. 6 d Vr 9509/79-42, mit welchem der Genannte wegen des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1
SuchtgiftG. (Verkauf von insgesamt 55 g Heroin) und des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. nach der erstangeführten Gesetzesstelle zu zwei Jahren Freiheitsstrafe und nach § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. zu einer Geldstrafe von 18.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit 18 Tagen Freiheitsstrafe, (rechtskräftig) verurteilt worden war, folgende Freiheitsstrafen bzw. Verfallsersatzund Ersatzfreiheitsstrafen:
Helga C - 1 Jahr und 100.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit drei Monate) Silvia D - 2 Jahre und 400.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit acht Monate) Gerhard E - 1 Jahr bedingt, Probezeit drei Jahre, und 30.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit einen Monat) Nasser F - 8 Monate und 180.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit vier Monate) Serafedim B - 6 Monate und 210.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit sechs Monate).
Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung die Erhöhung der über die Angeklagten D, F und B verhängten Freiheitsstrafe und hinsichtlich des Angeklagten E die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht an. Hingegen begehren die Angeklagten Helga C die Gewährung der bedingten Strafnachsicht und die Angeklagten D sowie B die Herabsetzung der Freiheitsstrafen und der Verfallsersatzstrafen. Der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das über die Angeklagten F und B nach dem § 6 Abs. 1
SuchtgiftG. verhängte Strafausmaß kommt Berechtigung zu:
Bei F sind die Voraussetzungen zur - zwar nicht ausdrücklich angeführten und begründeten, der Sache nach jedoch vorgenommenen - Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung nach dem § 41 StGB. nicht gegeben.
Unter Zugrundelegung der vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe (erschwerend: Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, mildernd: Geständnis) kann nämlich von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsumstände, wie es § 41 StGB. als Grundvoraussetzung für die außerordentliche Strafmilderung verlangt, nicht gesprochen werden. In Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft erachtete der Oberste Gerichtshof die gesetzliche Mindeststrafe von einem Jahr für angemessen.
Aber auch die über den Angeklagten B verhängte zusätzliche Freiheitsstrafe ist zu niedrig bemessen. Von den vom Erstgericht hinsichtlich seiner Person zutreffend festgestellten und gewürdigten Strafzumessungsgründen (erschwerend: große Suchtgiftmenge, mildernd: bisheriger ordentlicher Lebenswandel) und der mit zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndeten (Suchtgift-)Vortat ausgehend, besteht Anlaß zu einer Änderung der vom Schöffengericht ausgemessenen Zusatzstrafe, weil bei gemeinsamer Aburteilung (§ 40 StGB.) eine Freiheitsstrafe im Ausmaße von zweidreiviertel Jahren zu verhängen gewesen wäre. B ging vor seiner Verhaftung drei bis vier Monate lang keiner geregelten legalen Beschäftigung nach (vgl. u.a. S. 363) und bestritt seinen Lebensunterhalt vom Suchtgifthandel. Dieser Umstand indiziert einen besonderen Schuldund Unrechtsgehalt der von ihm zu verantwortenden Tat(en).
Infolge Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft ergriffenen Berufung war jene des Angeklagten B, soweit sie sich auf das Strafmaß bezieht, auf die Erledigung der staatsanwaltschaftlichen Berufung zu verweisen. Das (Berufungs-)Vorbringen BS zur Verfallsersatzstrafe wurde bereits bei Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde erledigt.
Im übrigen kommt der Berufung der Staatsanwaltschaft (nämlich bezüglich der Angeklagten Helga C, D und E) ebensowenig Berechtigung zu wie diesen Rechtsmitteln der Angeklagten Helga C und D. Beim Angeklagten E liegen nämlich die Voraussetzungen zur Gewährung der bedingten Strafnachsicht nach dem § 43 Abs. 1 StGB. vor. Die vier Vorstrafen des Genannten, von denen zwei zueinander im Verhältnis des § 31 StGB.
stehen, beziehen sich auf Aggressions- und Eigentumsdelikte, nicht jedoch auf strafbare Handlungen nach dem Suchtgiftgesetz. Da der familiär integrierte Angeklagte E nach vorübergehender (unfreiwilliger) Arbeitslosigkeit in der Zeit zwischen Haftentlassung und Mitte Oktober 1980
wieder einer geregelten Beschäftigung (als Friseur) nachgeht und sich aus der Suchtgiftszene zurückzog (vgl. dazu insbesondere die vom Obersten Gerichtshof veranlaßten Erhebungen, mitgeteilt von der Bundespolizeidirektion Wien unter dem Datum 4.November 1980), können die vom Gesetz geforderten general- und spezialpräventiven Voraussetzungen zur Gewährung der bedingten Strafnachsicht (gerade noch) bejaht werden, zumal auch anzunehmen ist, daß die rund zweimonatige Untersuchungshaft nicht ohne Einfluß auf den Angeklagten E geblieben ist.
Die über die Angeklagte D auf der Grundlage der zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe (erschwerend: Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstraftaten, große Menge des vom Schuldspruch erfaßten Suchtgifts; mildernd: reumütiges und zur Wahrheitsfindung beitragendes Geständnis) verhängte Freiheitsstrafe ist trotz der beträchtlichen in Verkehr gesetzten Heroinmenge, auf welche die Staatsanwaltschaft als besonders gravierend verweist, (noch) angemessen. Unter den angeführten Umständen kann aber - entgegen dem Berufungsbegehren der Angeklagten D - der Herabsetzung der über die Genannte verhängten Freiheitsstrafe nicht nähergetreten werden, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des vom Erstgericht ohnehin hervorgehobenen Umstands, daß das Heroin im Verhältnis 1 : 3 gestreckt war. Die eigene Drogenabhängigkeit wurde (beim Suchtgifthandel) vom Erstgericht zutreffend nicht als mildernd angenommen.
Insoweit die Angeklagte D im Rahmen ihres Berufungsvorbringens die über sie gemäß dem § 6 Abs. 4
SuchtgiftG. verhängte Verfallsersatzstrafe im Betrage von 400.000 S als 'weit überhöht' bezeichnet und - von urteilsfremden Annahmen insbesondere über den Heroinwert ausgehend (s. S. 463) - (überdies) auf ihre schlechte wirtschaftliche Lage hinweist und meint, eine solche Strafe würde sie 'unbillig hart treffen' (vgl. abermals S. 463), verkennt sie das schon bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde dargestellte Wesen der Verfallsersatzstrafe gemäß § 6 Abs. 4 SuchtgiftG. In Anwendung dieser - für Billigkeitserwägungen keinen Raum bietenden - Gesetzesbestimmung wäre nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen (S. 408/409) eine Verfallsersatzstrafe von 440.000 S zu verhängen gewesen. Die Verhängung einer solchen von (nur) 400.000 S ist sohin mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. behaftet, welcher jedoch von der Staatsanwaltschaft nicht geltend gemacht worden ist. Da sich der aufgezeigte Rechtsirrtum des Erstgerichts zum Vorteil der Angeklagten D auswirkt, war unter den gegebenen Umständen eine Behebung desselben nicht möglich.
Aus den aufgezeigten Gründen war der Berufung sowohl der Angeklagten D als auch jener der Staatsanwaltschaft bezüglich dieser Angeklagten ein Erfolg zu versagen.
Schließlich kann auch dem Berufungsvorbringen der Helga C nicht gefolgt werden:
Da die Genannte - selbst schwer süchtig - bis zu ihrer Verhaftung tief in Suchtgiftkreise verstrickt war, sprechen - ungeachtet ihrer Erklärung, sich einer Behandlung unterziehen zu wollen (ON. 71) - spezial- und generalpräventive Gründe gegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht.
Obwohl die Angeklagte Helga C eine Überstellung in Strafhaft unter der Bedingung, daß sie dort ärztlich behandelt werde, beantragte (ohne jedoch die angemeldete Berufung zurückzuziehen), war ihre Berufung nicht zurückzuweisen. Aus den ON. 71 und 73 (Bericht über den 'vorläufigen' Strafantritt) ergibt sich lediglich der (berechtigte) Wunsch der genannten Angeklagten, schon vor Rechtskraft des Urteils ärztlich betreut zu werden, und zwar ohne Rücksicht auf den Ort der Unterbringung. Ein (konkludenter) Verzicht auf die mit der Berufung angestrebte bedingte Nachsicht der über sie verhängten Freiheitsstrafe, kann daraus nicht zwingend abgeleitet werden.
Anmerkung
E02904European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00137.8.1106.000Dokumentnummer
JJT_19801106_OGH0002_0130OS00137_8000000_000