TE OGH 1980/11/10 12Os151/80

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Veröffentlicht am 10.11.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Köck als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried (Innkreis) als Schöffengericht vom 13. Juni 1980, GZ. 7 Vr 327/80-12, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12. November 1935 geborene Tischlergeselle Johann A 1) des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB und 2) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche zur Last 1) am 21. Februar 1980 in Wernstein am Inn (seine Lebensgefährtin) Hildegard B durch Versetzen von Faustschlägen und Würgen, sohin mit Gewalt, zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen versucht zu haben und 2) am 14. November 1974 in Raab (Oberösterreich) Ernst C dadurch am Körper (vorsätzlich) verletzt zu haben, daß er ein Messer gegen dessen Bauch stieß, wobei er die Tat (mit einem solchen Mittel und) auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, beging, und Ernst C hiebei durch eine Abwehrbewegung eine Schnittwunde am rechten Daumen erlitt.

Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann A, mit der er (ziffernmäßig) die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO (der Sache nach aber auch den der Z 9 lit. b der vorzitierten Gesetzesstelle) geltend macht. Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Schon der auf den erstangeführten Nichtigkeitsgrund gestützten Mängelrüge kann Berechtigung nicht abgesprochen werden:

Zutreffend zeigt darin der Beschwerdeführer in Bekämpfung seines Schuldspruches wegen versuchter Nötigung zum Beischlaf (Urteilsfaktum 1) auf, daß die hiefür entscheidende Urteilsannahme, sein Vorhaben sei in der Nacht zum 21. Februar 1980, als er seiner Lebensgefährtin Hildegard B mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte und sie würgte, darauf gerichtet gewesen, sie solcherart zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen (S 57 und 60 d.A), in Wahrheit einer zureichenden Begründung entbehrt. Denn entgegen der im Ersturteil wiedergegebenen Auffassung läßt die darin als erwiesen angenommene Tatsache, daß die von dem Gendarmeriebeamten Herbert D anläßlich der Entgegennahme der Anzeige bei Hildegard B wahrgenommenen Verletzungsspuren am Hals und im Gesicht auf das Einwirken des Beschwerdeführers zurückzuführen seien, nach den Denkgesetzen noch keineswegs den vom Erstgericht gezogenen Schluß zu, der Beschwerdeführer habe die Tätlichkeiten (Faustschläge, Würgen) gegen seine Lebensgefährtin deshalb verübt, um sie dadurch zum außerehelichen Beischlaf zu zwingen (S 60 d.A). Eine Mißhandlung seiner Lebensgefährtin, weil sie ihm den Geschlechtsverkehr verweigerte, würde - bei Fehlen eines auf ihre Nötigung zum außerehelichen Beischlaf gerichteten Vorsatzes im Zeitpunkt dieser Tätlichkeiten - für einen Schuldspruch wegen versuchter Nötigung zum Beischlaf nicht ausreichen.

Ein solches, beim Angeklagten noch im Zeitpunkt der Tätlichkeit vorgelegenes Vorhaben läßt sich auch nicht aus den Angaben der Hildegard B ableiten, weil sie in der Hauptverhandlung von dem ihr als Lebensgefährtin des Angeklagten zustehenden Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht hatte und im Vorverfahren zur Sache niederschriftlich nicht vernommen worden war. Die in der Gendarmerieanzeige allenfalls in mißverständlicher Wiedergabe ihrer gegenüber dem Meldungsleger gemachten Angaben enthaltene Formulierung, der Angeklagte habe sie mißhandelt, um sie zu einem Geschlechtsverkehr zu nötigen (S 6 d. A), findet hingegen in der Aussage des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten Herbert D keine Deckung (vgl. S 46 und 47 d.A).

Der Beschwerde ist aber auch beizupflichten, daß der Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1 StGB (Urteilsfaktum 2) im Ausspruch über eine entscheidende Tatsache mit (formalen) Begründungsmängeln in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist. Anders als in dem unter Punkt 2) bezeichneten Urteilssatz, in welchem davon die Rede ist, daß der Angeklagte ein Messer gegen den Bauch des Ernst C stieß und dieser (hiebei) als Folge einer Abwehrbewegung eine Schnittwunde am rechten Daumen davontrug, begnügte sich in diesem Belang das Ersturteil in den Entscheidungsgründen mit der Feststellung, daß der Angeklagte, der mit dem Messer auf Ernst C losging, 'auch Anstalten machte', ihm das Messer in den Bauch zu stoßen. Diese Formulierung läßt aber letztlich offen, ob der Angeklagte mit dem Messer tatsächlich einen Stich gegen den Bauch seines Widersachers geführt hat. Damit ist das Ersturteil aber mit einer Undeutlichkeit im Sinne des vorzitierten Nichtigkeitsgrundes behaftet, die eine entscheidende Tatsache berührt. Denn allein die Benützung eines an sich lebensgefährlichen Mittels genügt zur Annahme der Qualifikation nach § 84 Abs. 2 Z 1 StGB noch nicht; hiezu ist außerdem noch die Verwendung dieses - abstrakt lebensgefährlichen - Mittels auch auf solche Weise erforderlich, daß damit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2, RN 9 zu § 84 StGB; ferner Foregger-Serini, StGB2, Anm. VI zu § 84 StGB).

Sollte aber das Erstgericht den lebensgefährlichen Gebrauch dieses Messers durch den Angeklagten aus einer - nach dem Vorgesagten im Ersturteil allerdings gar nicht eindeutig festgestellten - Stichführung gegen den Bauch des Ernst C ableiten, müßte es sich in bezug auf die hier entscheidungswichtige Feststellung eines tatsächlich solcherart geführten Messerstiches des Angeklagten den - auch in dessen Beschwerde erhobenen - Vorwurf einer offenbar unzureichenden Begründung gefallen lassen; kann doch selbst den in diesem Zusammenhang im Ersturteil als Feststellungsgrundlage genannten (S 58 d.A) Angaben des Zeugen Horst E vor der Gendarmerie nicht entnommen werden, daß es tatsächlich zu einer vom Angeklagten mit dem Messer gegen den Bauch des Ernst C geführten Stichbewegung gekommen ist. Dieser Zeuge hat nämlich damals bei der Schilderung des Vorfalles, demzufolge Ernst C den auf ihn mit dem Messer losgehenden Angeklagten diese Waffe zu entwinden versuchte, ersichtlich nur einer Vermutung Ausdruck gegeben, wenn er in diesem Zusammenhang erklärte, daß der Angeklagte dem Ernst C das Messer offensichtlich in den Bauch stoßen wollte (S 19 in ON 7 d.A). In diese Richtung weist auch die Darstellung des Zeugen E im gerichtlichen Vorverfahren; dort brachte er zum Ausdruck, (bloß) den Eindruck gewonnen zu haben, daß der Angeklagte auf C hinzustechen beabsichtigte (vgl. ON 8 in ON 7).

In der Hauptverhandlung bekundete dieser Zeuge über Befragen ausdrücklich, daß es zu einer Stichbewegung (gegen den Bauch des Ernst C) durch den Angeklagten nicht gekommen ist (S 50 d.A). Die für einen Schuldspruch nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1 StGB entscheidende Feststellung, daß der Angeklagte tatsächlich einen Messerstich gegen den Bauch des Ernst C geführt hat, konnte das Erstgericht aber auch nicht auf die Aussage des Verletzten stützen, weil dessen Einvernahme in der Hauptverhandlung, aber auch die Verlesung seiner im Vorverfahren gemachten Angaben nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls unterblieb, ganz abgesehen davon, daß Ernst C weder vor der Gendarmerie (S 22 in ON 7) noch im gerichtlichen Vorverfahren (ON 9 in ON 7) einen gegen seinen Bauch gerichteten Messerstich des Angeklagten behauptet hatte. Hingegen würde der weiters im Ersturteil als erwiesen angenommene Umstand, daß der Angeklagte mit dem Messer gegen Ernst C losging (S 57 und 58 d.A), für sich allein zur Annahme der Qualifikation der Tat nach § 84 Abs. 2 Z 1 StGB nicht ausreichen, weil diese Feststellung noch keine schlüssige Aussage über einen zur Verwirklichung der vorerwähnten Qualifikation überdies erforderlichen lebensgefährlichen Gebrauch des Messers enthält. Da sich sohin schon die gegen die Schuldsprüche wegen Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB und wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1 StGB gerichtete Mängelrüge des Angeklagten als berechtigt erweist, war seiner Nichtigkeitsbeschwerde, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere, formell auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Beschwerdevorbringen bedarf, im Hinblick darauf, daß eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst nicht möglich ist und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidbar erscheint, gemäß § 285 e StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben, das angefochtene Urteil (zur Gänze) aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Johann A auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E02867

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00151.8.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19801110_OGH0002_0120OS00151_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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