Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1980
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rauchenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ingun A wegen des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 StGB über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 22.Juli 1980, GZ 11 Vr 1.343/79-79, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wegrostek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Melnizky zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten Ingun A wegen des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 StGB, demgemäß im Ausspruch nach dem § 12 Abs. 2 JGG sowie in dem diese Angeklagte betreffenden Kostenausspruch aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Ingun A wird von der Anklage, am 3.Juni 1979
an einem nicht festgestellten Ort in der Steiermark oder im Burgenland ein von Gerhard B gestohlenes Huhn, sohin eine Sache, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, indem sie es aß, an sich gebracht und hiedurch das Vergehen der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 StGB begangen zu haben, gemäß dem § 259 Z 4 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde (u a) die am 9.Mai 1962 geborene Ingun A (unter Punkt VI/1 des Urteilssatzes) des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil sie am 3.Juni 1979 an einem nicht näher festgestellten Ort in der Steiermark oder im Burgenland ein vom gesondert verfolgten Gerhard B aus dem Hühnerstall eines Bauernhofes im burgenländisch-steiermärkischen Grenzgebiet gestohlenes (und getötetes) Huhn, mithin eine Sache, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, an sich brachte, indem sie gemeinsam mit drei Mitangeklagten und Gerhard B dieses (gebratene) Huhn verzehrte. Das Jugendschöffengericht erteilte der Angeklagten wegen dieser Jugendstraftat gemäß dem § 12 Abs. 2 JGG eine Ermahnung. Die Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1
StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie für sich den ihr vom Erstgericht aus spezialpräventiven Erwägungen versagten (sachlichen) Strafausschließungsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat gemäß dem § 42 StGB reklamiert.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist begründet.
Daß hier die Heranziehung des § 42 StGB nach der Höhe der Strafdrohung (§ 164 Abs. 1 StGB) zulässig ist, bedarf keiner Erörterung. Schon das Erstgericht bejahte zutreffend drei (weitere) Anwendungsvoraussetzungen für die zitierte Gesetzesnorm, nämlich die geringe Täterschuld und die unbedeutenden Tatfolgen sowie - implicite - das Fehlen generalpräventiver Gründe für eine Bestrafung. Daneben ist aber entgegen der Meinung des Erstgerichtes auch aus Gründen der Spezialprävention eine gerichtliche Bestrafung der Angeklagten - und sei es auch nur in der Form einer Ermahnung gemäß dem § 12 Abs. 2 JGG - nicht geboten. Denn daß die zur Tatzeit siebzehnjährige, im Zeitpunkt der Urteilsfällung bereits im neunzehnten Lebensjahr stehende Ingun A, die bisher einen ordentlichen Lebenswandel führte, nach dem Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Jugenderhebungen (ON 48) im elterlichen Familienverband integriert lebt, die Bundesbildungsanstalt für Kindergärtnerinnen in Klagenfurt (erfolgreich) absolvierte und eine günstige Zukunftsprognose aufweist, nur durch gerichtliche Bestrafung bzw. den vom Erstgericht gewählten Ausspruch einer (urteilsmäßigen) Ermahnung (die eine geringe Geld- oder Freiheitsstrafe substituiert) von weiteren strafbaren Handlungen abgehalten werden könnte, ist bei lebensnaher Beurteilung der in Rede stehenden Tat und der Täterpersönlichkeit nicht anzunehmen (vgl. EvBl. 1980/7; 12 Os 67- 69/80; Kienapfel, BT II § 164 RN 148).
Es handelt sich vielmehr um eine erstmalige und für den Charakter der Angeklagten ersichtlich atypische Verfehlung von unbedeutender Sozialschädlichkeit und minimalem Störwert, auf deren strafgerichtliche Ahndung (auch in Anbetracht des geringen Schuldgehaltes) ohne Nachteil für die Rechtsordnung und die Angeklagte verzichtet werden kann.
Somit war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Anmerkung
E02896European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00162.8.1119.000Dokumentnummer
JJT_19801119_OGH0002_0110OS00162_8000000_000