TE OGH 1980/12/2 9Os163/80

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Veröffentlicht am 02.12.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.August 198O, GZ 3 b Vr 5911/80-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Riel und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 Z 5 StGB auf 4 (vier) Monate herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Dezember 1935 geborene (Justiz-)Oberkontrollor Karl A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 9.August 1979 in Krems an der Donau als Beamter des dortigen Bezirksgerichtes mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf gesetzmäßige Verwertung eingezogener Waffen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchte, indem er es unterließ, die im Strafverfahren U 670/78 des Bezirksgerichtes Krems an der Donau gemäß § 26 StGB eingezogene Waffe, Karabiner M 1886, Kaliber 11 mm, System Mannlicher, auf die im § 377 StPO angeordnete Weise zu veräußern und sie ohne Anordnung einer öffentlichen Versteigerung selbst erwarb.

Dieser Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht vor, das Urteil in mehrfacher Beziehung unzureichend und unvollständig begründet zu haben. Sein bezügliches Vorbringen erschöpft sich jedoch seinem Inhalt und seiner Zielsetzung nach - ohne formale Begründungsmängel aufzeigen zu können, wie sie zur Herstellung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO erforderlich wären - im wesentlichen nur in dem im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch, die gemäß § 258 Abs. 2

StPO auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse erfolgte freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes zu bekämpfen. Dieses hat zwar seine Beweiswürdigung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Beweistatsachen und entsprechend den Denkgesetzen (schlüssig) vorzunehmen und zu begründen, doch ist es nicht verhalten, in den Urteilsgründen alle Details aus den Verfahrensergebnissen zu erörtern, die (isoliert betrachtet) unter Umständen zu Gunsten des Angeklagten ausgelegt werden könnten. Nach dem Gesetz (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) hat es vielmehr lediglich in 'gedrängter Darstellung' anzugeben, welche (entscheidenden) Tatsachen aus welchen (denkrichtigen) Gründen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden.

Dieser Verpflichtung wurde vom Erstgericht im vorliegenden Fall durchaus entsprochen.

Es trifft insbesondere nicht zu, daß die Feststellung, wonach es der Beschwerdeführer (zur Sicherstellung des eigenen Erwerbs der Waffe) unterließ, den Akt dem vorgesehenen Verfahren (Ausschreibung eines Versteigerungstermins) zuzuführen, weil ihm das großteilige Interesse von Waffensammlern an gerichtlichen (Waffen-)Versteigerungen bekannt war (vgl. S 94), unbegründet geblieben wäre.

Denn das Erstgericht hat diese Annahme ohnedies (ausreichend) mit der - die Darstellung des Angeklagten, daß praktisch keine Interessenten kämen, widerlegenden - Zeugenaussage des Vorstehers des Bezirksgerichtes Krems an der Donau Dr. Ernst B (vgl. S 85) begründet (S 96).

Das Erstgericht hat sich in der Urteilsbegründung aber auch in vollkommen ausreichender Weise (vgl. S 96, 97) mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Waffenhändler C bei der telephonischen Schätzung des erwähnten Karabiners einen Schätzwert von nur 500 S oder einen solchen von 500 S bis 1.000 S nannte. Mit seinen diesen Punkt betreffenden Ausführungen zielt der Beschwerdeführer daher nur in unzulässiger Weise darauf ab, aus den bezüglichen (ohnehin vollständig berücksichtigten) Beweisergebnissen andere Schlüsse zu ziehen, als dies das erkennende Gericht in freier Beweiswürdigung getan hat.

Dies gilt auch für jenes Beschwerdevorbringen, mit dem die Argumentation des Erstgerichtes, daß unter anderem die Nichteintragung der Versteigerungssache in das Vollzugsbuch gegen die (ein bloß fahrlässiges Versehen behauptende) Verantwortung des Angeklagten spreche, aus dem Zusammenhang gerissen und kritisiert wird. Hat doch das Erstgericht auf die Unrichtigkeit dieser Verantwortung nicht etwa aus dem Unterbleiben der erwähnten Eintragung allein, sondern - der Vorschrift des § 258 Abs. 2 StPO, die Beweismittel auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen, entsprechend - aus dem Zusammentreffn mehrerer Umstände (darunter auch der Nichteintragung in das Vollzugsbuch) geschlossen, wobei es einräumte, daß nicht alle im gegebenen Zusammenhang festgestellten Unregelmäßigkeiten vom Angeklagten verursacht worden sein müssen (vgl. S 97).

Fehl geht weiters auch der Beschwerdeeinwand, das Urteil enthalte keine Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Angeklagten, er habe nur infolge Arbeitsüberlastung übersehen, die normalerweise (bei einer Versteigerung) nötigen Schritte zu veranlassen, und sei bei Abgabe des Aktes an den VOO Erich E subjektiv überzeugt gewesen, daß alle formellen Erfordernisse für eine ordnungsgemäße Versteigerung gegeben seien. Denn das Erstgericht hat die Einlassungen des Angeklagten (sowohl zur objektiven wie) zur subjektiven Tatseite in vollkommen ausreichender Weise erörtert und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung (mithin mängelfrei) begründet, warum es dieser Verantwortung den Glauben versagte. Daß es dabei die Darstellung des Angeklagten nicht in allen Einzelheiten wiederholte, bedeutet (wie oben erwähnt) keine Nichtigkeit.

Die Urteilserwägung schließlich, daß dem Beschwerdeführer die Kenntnis des werterhöhenden Unterschieds zwischen den Kalibern 8 mm und 11 mm auf Grund seines Sammlerinteresses zuzutrauen sei (S 98), ist gleichfalls einleuchtend und lebensnah, und liegt um so näher, als der Angeklagte selbst angab, aus dem Akt (U 670/78 des Bezirksgerichtes Krems) - aus dem unter anderem auch dieser Unterschied hervorgeht (vgl. darin S 27) - entnommen zu haben, daß der Karabiner bei einem privaten Kauf einen Preis von 11.000 S erzielt hatte (vgl. S 12, 32, 84).

Die Mängelrüge versagt daher in jeder Richtung.

In Ausführung der Rechtsrüge behauptet der Beschwerdeführer zunächst neuerlich, die Anordnung eines Versteigerungstermins sei nur versehentlich unterblieben, weswegen auch kein wissentlicher Befugnismißbrauch im Sinne der §§ 302 Abs. 1, 5 Abs. 3 StGB vorliege. Insoweit hält er allerdings nicht an den (ganz anders lautenden) erstgerichtlichen Feststellungen (vgl. S 94, 99) fest und bringt daher den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Der Behauptung aber, bei den einschlägigen Bestimmungen der Strafprozeßordnung und der Exekutionsordnung (gemeint offenbar §§ 408 Abs. 2, 377 StPO, 272 ff EO) handle es sich nur um die Normierung abstrakter Aufsichtsrechte des Staates, weshalb der Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB nicht erfüllt sei, ist zu erwidern, daß der Staat im vorliegenden Fall sehr wohl in einem konkreten Recht, nämlich in seinem durch die erwähnten Bestimmungen gesicherten Recht auf bestmögliche (versteigerungsmäßige) Verwertung der in Rede stehenden, für eingezogen erklärten Waffe geschädigt wurde, womit der behauptete Rechtsirrtum nicht vorliegt.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten, wobei es diese Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen den bisherigen untadelhaften Wandel des Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe unter gleichzeitiger Herabsetzung des Strafausmaßes, in eventu die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung an.

Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafdrohung setzt voraus, daß die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und begründete Aussicht dafür besteht, daß der Täter auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde (§ 41 Abs. 1 StGB). Bei der Abwägung der Strafzumessungsgründe kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der mildernden Umstände an, wobei gegebenenfalls ein einziger Milderungsgrund so schwerwiegend sein kann, daß er eine außerordentliche Strafmilderung rechtfertigt; dies gilt umso mehr, wenn diesem Milderungsgrund kein erschwerender Umstand gegenübersteht, wie dies vorliegend der Fall ist. Dazu kommt, daß bei Prüfung der Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 StGB auch auf die allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung Bedacht zu nehmen ist, mithin auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle sonst darnach für die Strafbemessung bedeutsamen Momente zu berücksichtigen sind, welche die Tat gegebenenfalls als überdurchschnittlich leicht und damit schon für sich allein als derart weit unter der Norm liegend ausweisen, daß ein Unterschreiten des gesetzlichen Mindeststrafmaßes im Einzelfall gerechtfertigt ist (vgl. ÖJZ-LSK 1979/338). Wird in diesem Sinne vorliegend berücksichtigt, daß es sich um eine einmalige, in erster Linie aus (falsch verstandener) Sammlerleidenschaft begangene Verfehlung eines bisher korrekten Beamten gehandelt hat, wobei der entstandene Schaden nicht besonders ins Gewicht fällt, so sind die Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 Abs. 1 StGB gegeben. Insoweit konnte demnach der Berufung (teilweise) Folge gegeben und die über den Berufungswerber verhängte (bereits vom Erstgericht bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß herabgesetzt werden.

Soweit die Berufung hingegen die Anwendung des § 37 (Abs. 1) StGB anstrebt, konnte ihr kein Erfolg beschieden sein. Nach der Art der strafbaren Handlung bedarf es auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes der Verhängung einer Freiheitsstrafe, um vor allem der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02905

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00163.8.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19801202_OGH0002_0090OS00163_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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