TE OGH 1981/1/27 10Os173/80

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Veröffentlicht am 27.01.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Braitenberg-Zennenberg als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred A wegen des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 21. Mai 1980, GZ. 9 Vr 954/79-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Miksch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9. März 1941 geborene Landesangestellte Alfred A des Verbrechens der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 (erster Fall) StGB. (Punkt 1. des Urteilssatzes) und des Vergehens des versuchten Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 15, 212 Abs. 1 (erster Fall) StGB. (Punkt 2.) schuldig erkannt. Ihm wird angelastet, daß er im Juli und August 1978 in Jennersdorf den am 15. Mai 1967 geborenen Robert B, der seiner Ausbildung und Aufsicht als Sportlehrer unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versuchte, indem er ihn am Kopf und am Oberkörper streichelte und küßte, wobei er ihm ins Ohr flüsterte 'Ich habe Dich gern' und wiederholt trachtete, in seine Hose zu greifen und seinen Geschlechtsteil zu berühren. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9

lit. a (hilfsweise auch 9 lit. b und 10) des § 281 Abs. 1 StPO. Als durch das Beweisverfahren in keiner Weise gedeckt und (demnach) nur offenbar unzureichend begründet sowie mit inneren Widersprüchen behaftet im Sinne des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes bezeichnet der Beschwerdeführer die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Sachverhaltsfeststellungen, weil sich das Erstgericht nur auf die Zeugenaussage des Gendarmeriebeamten Johann C stütze, der in einer Art Aktennotiz festgehalten habe, was er aus den Angaben des - nicht ordnungsgemäß vernommenen - Robert B herauszuhören glaubte, und infolgedessen der (damaligen) ursprünglichen und nicht der bei späteren Vernehmungen gegebenen Darstellung des Minderjährigen Glauben schenkte.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge erweist sich als unbegründet. Nach § 258 Abs. 2 StPO. hat das Gericht alle für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft - einzeln und in ihrem inneren Zusammenhang - sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, letztlich nach seiner freien, aus eben dieser Prüfung gewonnenen Überzeugung zu entscheiden.

Beweismittel ist hiebei alles, was nach den Regeln des logischen Denkens geeignet ist, die Wahrheit zu ergründen. Der Umstand, daß die Angaben des Robert B vor der Gendarmerie am 29. Jänner 1980 nicht im Rahmen einer formellen Zeugenvernehmung gemacht und (dementsprechend) niederschriftlich festgehalten worden sind, sondern in Form eines vom Vernommenen unterfertigten 'Gedächtnisprotokolls' (S. 119 ff), nimmt jenem die Eigenschaft eines Beweismittels nicht und hindert (sonach) dessen Verwertung (als solches) in keiner Weise. Wenn das Erstgericht daher auf Grund der in diesem - bei der Hauptverhandlung verlesenen (S. 196) - Gedächtnisprotokoll beurkundeten Depositionen - des Robert B und der als glaubwürdig beurteilten Zeugenaussage des Johann C in Verbindung mit dem Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. Richard Zigeuner - wonach kein konkreter Hinweis dafür besteht, daß das Vorbringen des Minderjährigen bei seiner ersten Vernehmung am Gendarmeriepostenkommando Jennersdorf eine Falschbeschuldigung darstellen könnte (S. 171 ff, 191 ff) -

als erwiesen annahm, daß sich die inkriminierten Vorfälle so zutrugen, wie sie von Robert B zuerst geschildert und von Johann C im Gedächtnisprotokoll festgehalten wurden, so stellt dies einen der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entrückten Akt (schlüssig begründeter) freier Beweiswürdigung dar; und dies umso mehr, als das Erstgericht dabei in einleuchtender Weise dargelegt hat, warum es der schrittweisen Zurücknahme der belastenden Angaben durch Robert B (und der Aussage seiner Ziehmutter Maria D) keine Glaubwürdigkeit beimaß. Der vom Beschwerdeführer mit weitwendigen Ausführungen unternommene Versuch, die Beweiskraft der als Feststellungsgrundlage herangezogenen Beweise in Zweifel zu ziehen und darzutun, daß der Gendarmeriebeamte Johann C (unter dem Einfluß der vorangegangenen Ermittlungen gegen ihn und den abgesondert verfolgten Stefan E) auf den entwicklungsgestörten Robert B eingewirkt und solcherart eine Falschbeschuldigung des Genannten herbeigeführt habe, erschöpft sich mithin zur Gänze in einem unbeachtlichen Angriff gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, ohne damit formelle Begründungsmängel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nachweisen zu können.

Wiewohl hiedurch keine Nichtigkeit begründet wird, sondern der (demgemäß ungerügt gebliebene) Verstoß lediglich gemäß § 33 StPO. wahrgenommen werden könnte (wozu jedoch die Generalprokuratur keinen Anlaß gefunden hat), soll zumindestens (im gegebenen Zusammenhang) das - angesichts der ohne Rücksicht auf die erforderliche Einwilligung des Zeugen Robert B bzw. seines gesetzlichen Vertreters zur Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Zigeuner (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO., § 150, Entscheidungen 50, 56 und 57) an ihn und seine Ziehmutter Maria D mit Beschluß vom 3. März 1980 (ON. 13), gerichtete Aufforderung, der Ladung des Sachverständigen unbedingt Folge zu leisten - krass gesetzwidrige Zustandekommen von Befund und Gutachten des genannten Sachverständigen nicht unerwähnt bleiben; dabei kann schon im Hinblick auf das gänzliche Unterbleiben der zumindestens geboten gewesenen Belehrung der genannten Personen über ihre bezüglichen Rechte nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs - entgegen der von der Generalprokuratur anläßlich ihrer Äußerung zum Rechtsmittel des Angeklagten in einem Vermerk zum Ausdruck gebrachten Meinung - auch keine Rede davon sein, daß 'die Befundaufnahme durch den psychiatrischen Sachverständigen und die Exploration, soweit sie nicht direkt die Schilderung der inkriminierten Vorfälle betraf, mit zumindestens konkludenter Zustimmung des Untersuchten und der erziehungsberechtigten Pflegemutter erfolgte'; sie bedeutet (daher) sehr wohl einen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre dieser Personen. Mit der Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer - der Sache nach (nur) aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. - primär geltend, es hätte ihm freiwilliger Rücktritt vom Versuch gemäß § 16 Abs. 1 StGB. zugebilligt werden müssen, weil er die Vollendung der Taten unterlassen habe, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

Damit geht er jedoch nicht, so wie dies für die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich ist, von den Urteilsfeststellungen aus. Hienach ereigneten sich die inkriminierten Vorfälle nämlich so, wie Robert B sie am 29. Jänner 1980 beim Gendarmeriepostenkommando Jennersdorf geschildert hatte: Er wehrte die Versuche des Angeklagten, in seine Hose zu greifen und seinen Geschlechtsteil anzufassen, jeweils ab und verhinderte derart die Verwirklichung dessen Vorhabens (S. 202, 205 in Verbindung mit S 120 f). Die Abstandnahme von der weiteren Tatausführung erfolgte demnach seitens des Angeklagten nicht, aus freien Stücken also auf Grund innerer Erwägungen und im Bewußtsein, daß eine dem Tatplan entsprechende Tatvollendung noch möglich wäre. Die Deliktsvollendung scheiterte vielmehr daran, daß das Opfer gegen die vom Angeklagten erstrebte Unzuchtshandlung - unerwartet - Widerstand leistete und damit die nach den Vorstellungen des Täters erwartete Mitwirkung an der gleichgeschlechtlichen Unzucht verweigerte. Wird sohin der vom Erstgericht als erwiesen angenommene Sachverhalt der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt, so kommt dem Angeklagten Straflosigkeit wegen Rücktritts vom Versuch mangels des Elements der Freiwilligkeit nicht zustatten.

An sich richtig ist der weitere rechtliche (sachlich auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützte) Beschwerdeeinwand, von 'Unzucht' im Sinne eines geschlechtlichen Mißbrauchs, wie ihn die Tatbestände der §§ 207 und 212 Abs. 1 StGB. voraussetzen, könne nur gesprochen werden, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine - nicht bloß flüchtige und sexualsinnbezogene - Berühung gebracht werden, weshalb (indifferente) Handlungen, wie das Streicheln und Küssen an Kopf und Oberkörper für sich allein keinen Mißbrauch zur Unzucht im strafrechtlichen Sinn begründen und keine Ausführungshandlungen in Ansehung der in Rede stehenden Tatbilder sein können. Zur Annahme eines strafbaren Versuches im Sinne des § 15 StGB. genügt indes nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Betätigung eines auf die Herbeiführung eines strafgesetzwidrigen Erfolges gerichteten Täterwillens in Form einer in sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht stehenden und der Tatausführung unmittelbar vorangehenden Handlung. Diese Kriterien eines strafbaren Versuches treffen auf das festgestellte Vorgehen des Angeklagten voll zu, weil sowohl die oben genannten, an sich sexuell indifferenten Handlungsweisen (vgl. 9 0s 17/79), als auch insbesondere das Bemühen des Angeklagten, in die Hose des Robert B zu greifen und dessen Geschlechtsteil (nicht nur flüchtig) zu berühren, unter den gegebenen Verhältnissen (zumal sie zeitlich und örtlich jeweils unmittelbar - gleichsam in einem Zug - in die Ausführung der Übeltat übergehen sollte) ein ausführungsnahes, spezifisch tatbildbezogenes Verhalten darstellte, in dem der auf geschlechtlichen Mißbrauch durch gleichgeschlechtliche Unzucht mit einer seiner Ausbildung und Aufsicht unterstehenden Person gerichtete Wille des Angeklagten eine nach allgemeiner Lebenserfahrung klar erkennbare Darstellung fand (vgl. SSt. 46/24, 37; RZ. 1978/

65 u.a.).

Der Wertung der festgestellten Handlungsweise des Angeklagten als Verbrechen der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs. 1 (erster Fall) StGB. und (tateinheitlich damit verwirklichtes) Vergehen des versuchten Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 15, 212 Abs. 1 (erster Fall) StGB. haftet mithin ein Rechtsirrtum nicht an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Anmerkung

E02955

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00173.8.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19810127_OGH0002_0100OS00173_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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