Norm
ABGB §1295Kopf
SZ 54/13
Spruch
Den (ausländischen) Produzenten trifft die Pflicht, seinen (inländischen) Repräsentanten (Vertragshändler) über alle die Vertriebstätigkeit wesentlichen Umstände zu informieren; der Kunde des Vertragshändlers kann erwarten, daß dieser das entsprechende besondere Wissen, insbesondere über Gefahrenträchtigkeit eines Produktes, besitzt; die Beweislast für unverschuldetes Nichtwissen trifft den Vertragshändler
OGH 28. Jänner 1981, 1 Ob 775/80 (OLG Wien 3 R 127/80; HG Wien 31 Cg 17/80)
Text
Die Firma B & Co. GesmbH, S-Kunststoffwerke, mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, die mit anderen Gesellschaften zur sogenannten B-Gruppe gehört, bearbeitete ursprünglich von dort aus den österreichischen Markt. In der Folge unterhielt die Firma unter der Bezeichnung S-Kunststoffwerke AG (in Österreich nicht protokolliert) ein Verkaufsbüro mit dem Sitz in Wien. Am 25. Feber 1974 wurde die beklagte Partei, die B Handelsgesellschaft mbH, zu HRB 16 000 des Handelsgerichtes Wien protokolliert.
Im Jahre 1973 erhielt der Kläger von der Marktgemeinde X den Auftrag, nach vorliegenden Architektenentwürfen die Eindeckung der Sporthalle durchzuführen. Der Kläger hatte bereits früher von der B-Gruppe Rhepanol- Haut f bezogen und war anläßlich dieser Bestellung in den Jahren 1972/1973 durch Lehrverleger der Lieferfirma eingeschult worden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei Ing. Robert A hatte von der Auftragserteilung an den Kläger erfahren, wandte sich an ihn und schlug ihm vor, auch die Eindeckung der Sporthalle X unter Verwendung von Dachhaut Rhepanol f durchzuführen.
Nach Rücksprache mit Architekten und Auftraggebern sowie Absprache, daß jedenfalls diese Eindeckungsart nicht teurer kommen dürfe als die vom Architekten geplante, einigte man sich auf diese Eindeckung. Der Auftrag wurde Ing. Robert A am 6. März 1974 erteilt. Ing. Robert A brachte hiebei nicht zum Ausdruck, daß er den Auftrag für die deutsche Gesellschaft entgegennehme. Der Kläger nahm an, daß Vertragspartner die beklagte Partei sei, die auch die Rechnung für die gelieferten Produkte ausstellte und Zahlungen entgegennahm. Das Material wurde von der deutschen Firma B & Co. GesmbH. aus deren Konsignationslager bei der Firma Franz L in P geliefert. Wirtschaftlich besteht eine enge Verflechtung der beklagten Partei mit der deutschen Firma (B-Gruppe). Der Geschäftsführer der beklagten Partei hatte in wesentlichen Fällen mit den deutschen Firmen Kontakt zu pflegen, was er auch im Falle von Leistungen nach Reklamationen des Klägers tat.
Die Arbeiten des Klägers an der Sporthalle umfaßten Arbeiten an der Haupthalle (an der eine Dampfsperre nicht errichtet wurde), der Attika sowie am abgesonderten Garderobentrakt. Streitgegenständlich sind nur mehr Mängel, die am Garderobentrakt aufgetreten sind. Die Verlegung der Rhepanol f Dachhaut im Jahre 1974 erfolgte gemäß den damaligen Richtlinien des Herstellerwerks vollflächig auf die Unterlage (Glasvliesbahn) verklebt. Die verwendete Dachhautentspricht in ihrer Reißfestigkeit nicht dem derzeitigen Stand der Technik gemäß DIN 16731, Ausgabe Mai 1976 (1. Ausgabe), wohl aber den in der DIN 16 935, Ausgabe Mai 1971, festgelegten Qualitätsanforderungen. Die beklagte Partei hat in der Folge, jedenfalls nach Durchführung der in Rede stehenden Arbeiten, die Verlegungsvorschriften für Rhepanolhaut geändert und in die Anleitung folgenden Text aufgenommen: "Erlaubt die Statik der oberen Geschoßdecke eine Kiesschüttung, so ist nach dem heutigen Stand der Technik die Flachdachdeckung im lose verlegten Schichtenaufbau vorzuziehen." Daß eine solche Verständigung dem Kläger vor den im Jahre 1974 ausgeführten Arbeiten am Garderobetrakt zugekommen wäre, konnte nicht festgestellt werden.
Bereits im Jahre 1975 traten Risse in der Rhepanol-Dachhaut auf. Mit Schreiben vom 2. Juni 1975 teilte der Kläger der beklagten Partei mit: "Wir haben im Frühjahr 1974 die Dacheindeckung mit Rhepanol unter Anleitung Ihres Herrn H ausgeführt. Im höhergelegenen Teil der Sporthalle (Trapezblechunterbau) hatten wir schon vor Ostern eine Reklamation. Wir haben am 27. 3. 1975 festgestellt, daß die Rhepanol-Dachhaut inmitten des Daches in einer Länge von 25 cm gerissen ist. Heute hat mich der Hauswart verständigt, daß es wieder zu einem Wassereintritt gekommen ist. Aufgrund unseres Telefonates habe ich Ihren sehr geehrten Herrn H ersucht, sich die Sache anzusehen und für eine endgültige Bereinigung zu sorgen. In der Zwischenzeit werden wir versuchen, den aufgetretenen Schaden zu beheben. Ich lege dieser Sache große Bedeutung zu, da es sich um eine Garantieverpflichtung handelt .... Ich nehme als sicher an, daß Sie mit dem verwendeten Rhepanol- Material entsprechende positive Erfahrungen haben, umso mehr, als wir nach Ihren Anweisungen die Arbeiten ausgeführt haben, werden Sie auch eine endgültige Behebung des Schadens vornehmen können. Mit dem Vorbehalt, die aufgelaufenen Kosten weiterzuverrechnen, hoffe ich, daß Sie sich um die endgültige Bereinigung dieser Misere tatkräftig bemühen werden."
Mit Schreiben vom 1. September 1975, nahm die beklagte Partei Stellung und teilte dem Kläger u. a. mit: "Wir haben bezüglich der Dachflächensanierung für das unter Betreff angeführte Objekt vor, folgende Maßnahmen durchzuführen bzw. zwischenzeitlich abgeführt:
1. Die Firma B stellt zur Neueindeckung der Dachfläche das notwendige Material im Umfang von zirka 1200 m2, und zwar Rhepanol FK 1.5 mm dick, kostenlos zur Verfügung. 2. Die Firma B stellt einen Verlegemeister für die Dauer der Sanierung ebenfalls kostenlos zur Verfügung, welcher mit dem von Ihnen beigestellten Personal die einzelnen Maßnahmen der Sanierung abspricht bzw. durchführt. 3. Die Sanierung wird nach dem System der losen Verlegung (daher Rhepanol FK) durchgeführt, wobei der vorhandene Kies als spätere Kiesauflast wiederverwendet wird. Die anfallenden Kosten durch Ihr Personal übernimmt ebenfalls die Firma B jedoch zu den nachgewiesenen Selbstkosten."
In der Folge wurde dann unter Anleitung eines Bediensteten der beklagten Partei die Sanierung des Hallenhochbaues in Angriff genommen.
In weiterer Folge traten auch Wassereinbrüche im Bereich der Attika auf, die auf eine mangelhafte Verlegung zurückzuführen waren. Nach ordnungsgemäßer Sanierung dieser Teile traten in diesen Bereichen keine neuen Wassereinbrüche auf; lediglich im Bereich der hohen Halle bildete sich Kondenswasser, was auf die mangelnde Dampfsperre in diesem Hallenteil zurückgeführt wird. Nach Übermittlung der Rechnung des Klägers für die eigenen Leistungen entsprechend der getroffenen Vereinbarung überwiesen sowohl die beklagte Partei als auch die deutsche Firma die entsprechenden Beträge an den Kläger, sodaß die beklagte Partei um Rückzahlung der irrtümlichen Überweisung ersuchen mußte.
Im Bereich des Garderobentraktes wurden Wassereinbrüche erstmalig 1976 registriert. Diese waren gleichfalls auf Risse in der Rhepanolhaut zurückzuführen. Deren Ursache lag nicht in der mangelnden Reißfestigkeit der Dachhaut, sondern in der Art der Verlegung (feste Verklebung). Durch die feste Verklebung entstand eine Verbindung zweier verschiedenartiger Werkstoffe mit unterschiedlichem Dehnungsverhalten. Während Polyisobutilen-Dachbahnen (wie Rhepanol f) über ein hohes Dehnvermögen verfügen, besitzt die Glasvliesbitumenbahn nur eine geringere Dehnfähigkeit. Wird die Verbindung der beiden Materialien etwa durch Temperatureinflüsse in hohem Maße beansprucht, reißt zunächst die Glasvliesbahn und als Folge auch die mit ihr festverbundene Dachhaut. Derartige temperaturbedingte Bewegungen rühren von den an sich ordnungsgemäß verlegten Wärmedämmplatten her und wirken sich somit im Falle fester Verklebung nachteilig auf die darüber aufgebrachte Dachabdichtung aus. Bedingt durch in den letzten Jahren neu gewonnene technische Erkenntnisse (erste nachweisbare Veröffentlichung in der Zeitschrift für Kunststoffe, Band 65, Heft 1, Jahrgang 1975) empfiehlt auch die Herstellerfirma nunmehr bei Verbindung mit Wärmedämmungen der gegenständlichen Art eine lose Verlegung. Die wegen des Fehlens einer festen Verklebung erforderliche Auflast hat durch Schüttung mit Kies zu erfolgen. Eine feste Verklebung ist nach wie vor nach dem heutigen Stand der Technik durchaus risikolos denkbar, jedoch nicht bei Verwendung sogenannter harter Wärmedämmplatten wie im vorliegenden Fall, sondern etwa bei Verwendung von Korkplatten oder beidseitig kaschierter Polystoplatte mit einem maximalen Raumgewicht von 25 kg pro m3.
Der Kläger führte mit eigenen Arbeitskräften die Abdichtung der Halle durch und bezahlte an die Gemeinde X die Kosten für Ausbesserungen der Malerei im darunter liegenden Trakt und der erforderlich gewordenen Installationsarbeiten.
Der Kläger begehrt den Betrag von 92 638.55 S für die von ihm durchgeführten Sanierungsarbeiten (48 912.47 S) und für die der Marktgemeinde X bezahlten Kosten der als Folge der Dachhautschäden erforderlich gewordenen Maler- und Elektroinstallationsarbeiten (43 726.08 S). Der Kläger grundet sein Begehren darauf, daß die von der beklagten Partei gelieferte Rhepanolhaut, die nach den ausdrücklichen Anweisungen der beklagten Partei verlegt worden sei, nicht der vereinbarten Qualität entspreche und nicht jene Eigenschaften besitze, die zur Abdeckung des Flachdaches einer Sporthalle erforderlich seien. Die beklagte Partei habe die Durchführung der erforderlichen Reparaturarbeiten auf ihre Kosten auch ausdrücklich zugesagt, diese Zusage in der Folge jedoch nicht eingehalten.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagsbegehrens und bestritt ihre Passivlegitimation. Vertragspartner des Klägers sei die Firma B & Co. GesmbH (in der Bundesrepublik Deutschland) gewesen; bei dieser Firma sei bestellt worden, diese Firma habe auch geliefert. Zu Sanierungsmaßnahmen habe sich die beklagte Partei nicht dem Kläger, sondern nur der Marktgemeinde X gegenüber verpflichtet. Die Ursache der aufgetretenen Schäden seien Ausführungsmängel, für die der Kläger verantwortlich sei; insbesondere sei die Verlegung einer Dampfsperre unterlassen worden. Allfällige Ansprüche des Klägers seien erloschen, weil die Gewährleistungsfrist abgelaufen sei. Es werde auch Verjährung des Anspruchs geltend gemacht. Zusagen der beklagten Parteien seien nur aus Kulanz gegeben worden, ein Anspruch könne daraus nicht abgeleitet werden. Ein allfälliges Anerkenntnis der Forderung des Klägers werde wegen Irrtums angefochten.
Der Erstrichter sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe. Der Erstrichter stellte noch fest, die beklagte Partei sei von den Anfang 1976 am Garderobentrakt festgestellten Schäden verständigt worden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei Ing. Robert A und deren Lehrverleger hätten die Baustelle besichtigt. Dabei habe Ing. Robert A erklärt, daß "die Firma B" gleiche Leistungen wie bei der Sanierung des Hochtrakts der Halle erbringen werde. In der Folge sei die Sanierung unterblieben; die beklagte Partei habe sich darauf berufen, daß sie noch die Kausalität der Undichte durch einen Augenschein überprüfen müsse, was erst nach dem 16. August 1976 möglich sei. Am 24. August 1976 sei es in Anwesenheit des Ing. Robert A, des Privatgutachters des Klägers Ing. S, des Schulwartes Arthur T, des Klägers und des VB Alfred D für die Marktgemeinde X zu einem Lokalaugenschein gekommen. Dabei habe sich der Geschäftsführer der beklagten Partei verpflichtet, wie bei der Sanierung des Hochtraktes das notwendige Material kostenlos beizustellen und die Kosten des Klägers für die Verlegung zu ersetzen. Ein Zusammenhang dieser Erklärung mit dem Vorhandensein einer Dampfsperre im Hochteil der Halle sei nicht feststellbar. In der Folge habe die beklagte Partei die Erfüllung der gemachten Zusage abgelehnt.
In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, der Kläger mache Mangelfolgeschäden geltend; das Klagebegehren umfasse Beträge, die der Kläger für die Behebung der aufgetretenen Schäden durch eigene Arbeitskräfte aufwenden bzw. an den Bauherrn habe leisten müssen, weil durch die Wassereinbrüche Malerarbeiten und Elektroinstallationsarbeiten erforderlich geworden seien. Dieser Anspruch auf Schadenersatz sei nicht verjährt, weil die Schäden erstmalig 1975 aufgetreten seien, die Schadenersatzforderung aber schon am 19. Juli 1977 erhoben worden sei. Wenn der Kläger sein Begehren auf die Produkthaftpflicht stütze, so komme dieser rechtliche Gesichtspunkt nicht zum Tragen, weil die Produkthaftpflicht in technischem Sinn noch nicht Gesetz geworden sei, andererseits aber auch nur einen Direktanspruch gegen den Produzenten gewähre; ein solcher sei die beklagte Partei nicht gewesen. Die beklagte Partei sei vielmehr bei der Verwendung des Kunststoffes als Sachverständiger im Sinne des § 1300 ABGB anzusehen. Die beklagte Partei hafte daher, wenn sie eine Rhepanolbahn verkaufe und durch Lehrverleger bzw. durch schriftliche Instruktionen eine Verlegungsart empfehle, die unter den konkreten Umständen falsch gewesen sei und zu den Mängeln, wie sie hier aufgetreten seien, geführt habe. Daß "die Firma B" eine feste Verklebung empfehle, sei ihr zumindest als Fahrlässigkeit zuzurechnen, da sie allein die Möglichkeit habe, das verkaufte Material im Rahmen der Entwicklung auf Verwendbarkeit und Verlegbarkeit zu testen. Wenn auch die Rhepanolbahnen zweifellos von der deutschen Firma produziert worden seien, hafte die beklagte Partei dennoch als Verkäuferin für den von ihr erteilten Rat der festen Verklebung. Die Lehrverleger der beklagten Partei hätten keine Einwände gegen die feste Verklebung erhoben; die beklagte Partei habe auch immer wieder auf die seinerzeitige Einschulung Bezug genommen und diese als ausreichend und richtig erklärt. Die Zusagen des Geschäftsführers der beklagten Partei auf kostenlose Sanierung seien bei der geschilderten Rechtslage als Anerkenntnis zu werten. Das ausdrücklich auch auf dieses Anerkenntnis gestützte Klagebegehren des Klägers sei demnach gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteilerhobenen Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und bestätigte das Ersturteil, soweit es die Verpflichtung der beklagten Partei zur Bezahlung der vom Kläger erbrachten Reparaturleistungen dem Gründe nach feststellte, und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren auf Bezahlung von 43 726.08 S samt Anhang (Ersatz der Malerarbeiten und Elektroinstallationsarbeiten) ab.
Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Hinsicht aus, es sei dem Erstrichter darin beizupflichten, daß ein Händler, der einen bestimmten Kunststoff verkaufe, als Sachverständiger im Sinne der §§ 1299, 1300 ABGB anzusehen sei und über die Verwendung des Kunststoffes Bescheid wissen müsse. Daraus dürfe aber keine Erfolgshaftung abgeleitet werden. Die beklagte Partei sei nicht Herstellerin, sondern Händlerin der Rhepanol-Dachhaut gewesen. Es könne daher außer Betracht bleiben, welche Sorgfaltspflichten dem Hersteller des Materials obliegen. Wesentlich sei nur, ob der beklagten Partei als Händler ein Verschulden anzulasten sei. Dies müsse nach den getroffenen Feststellungen verneint werden. Der Rat zur festen Verlegung habe dem damaligen Wissensstand entsprochen.
Handle ein Sachverständiger im Sinne der §§ 1299 f. ABGB entsprechend dem jeweiligen Wissensstand, könne von einem Verschulden nicht gesprochen werden. Der Anspruch des Klägers könne demnach auch nicht auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt werden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei habe aber beim Lokalaugenschein vom 24. August 1976 ein konstitutives Anerkenntnis abgegeben und sich zur kostenlosen Beistellung des zur Durchführung der Sanierungsarbeiten notwendigen Materials sowie zum Ersatz der Kosten der Verlegung verpflichtet. Der Geschäftsführer der beklagten Partei habe aber nicht erklärt, daß auch die Kosten der Malerarbeiten und Elektrikerarbeiten ersetzt würden. Für ein Schuldanerkenntnis der beklagten Partei in Ansehung der für Maler- und Elektrikerarbeiten geforderten Beträge fehle es an einer entsprechenden Erklärung. Der Anspruch auf Ersatz dieser Kosten sei demnach nicht gerechtfertigt. Das konstitutive Schuldanerkenntnis schneide dem Schuldner hingegen auch alle verzichtbaren Einwände aus dem anerkannten Rechtsverhältnis ab; es könne demnach ein vom Gläubiger veranlaßter Irrtum nur im Falle der Arglist geltend gemacht werden; Arglist habe die beklagte Partei nicht behauptet.
Über Revision des Klägers hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit es das Klagebegehren auf Zuspruch des Betrages von 43 726.08 S samt Anhang abwies, auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Vorinstanzen gingen zutreffend davon aus, daß die beklagte Partei, die dem Kläger den Kunststoff Rhepanol zum Zwecke der Eindeckung eines Flachdaches empfohlen und verkauft hat, bei der Beurteilung der Frage der Verwendung dieses Kunststoffes für den in Aussicht genommenen Zweck als Sachverständiger im Sinne der §§ 1299, 1300 ABGB anzusehen ist. Für die Haftung des Sachverständigen ist kennzeichnend, daß der Sorgfaltsmaßstab gegenüber der allgemeinen Regel des § 1297 ABGB verschärft ist. Während sonst auf den gewöhnlichen Grad der Aufmerksamkeit und des Fleißes abzustellen ist, ist nach § 1299 ABGB der für die übernommene Tätigkeit notwendige Grad des Fleißes entscheidend. Maßgebend ist nicht der Sorgfaltsmaßstab des Durchschnittsmenschen, sondern die übliche Sorgfalt jener Personen, die derartige Tätigkeiten ausüben (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 149). Während es sonst bei der Prüfung der Frage, ob jemandem ein Schuldvorwurf gemacht werden kann, auf die subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse ankommt, führt § 1299 ABGB für die vom Sachverständigen geforderten Fähigkeiten und Kenntnisse einen objektiven Maßstab ein (SZ 49/47; Koziol a.a.O. II, 149, I[2], 130; vgl. auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts[11], 233). Dennoch ist eine differenzierte Beurteilung notwendig. Der Sorgfaltsmaßstab wird nämlich durch die typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises und durch die differenzierten Erwartungen des Verkehrs bestimmt (Soergel - Reimer - Schmidt, BGB[10], § 276 RZ. 15). Entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe (Staudinger - Löwisch, BGB[12], § 276 RZ. 18). Vom Facharzt ist etwa ein höheres Maß an Sorgfalt zu verlangen als vom praktischen Arzt (JBl. 1960, 188).
Im vorliegenden Fall ist bei Anwendung der dargestellten Grundsätze zunächst davon auszugehen, daß die beklagte Partei die verkaufte Sache nicht hergestellt hat, sodaß ihr bei der Fabrikation keine Sorgfaltsverletzung unterlaufen sein kann, sondern nur bei der Kontrolle der gehandelten Ware (vgl. EvBl. 1980/202) oder bei der nötigen Aufklärung des Kunden (Instruktionsfehler; vgl. Purtscheller in Kramer - Mayrhofer, Konsumentenschutz, 76). Das Ausmaß der Sorgfaltspflichten, die einem Händler obliegen, hängt vom Einzelfall ab. Sie dürfen, wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nicht überspannt werden. Im allgemeinen kann der Käufer nicht erwarten, daß der Händler eigene kostspielige Versuche zur Prüfung der Tauglichkeit der Ware bei gewissen Verwendungen vornimmt. Der Händler muß sich insoweit regelmäßig auf die ihm vom Produzenten gegebenen Hinweise verlassen können, sofern er nicht auf Grund ihm bereits bekannt gewordener Schadensfälle Zweifel an deren Richtigkeit haben muß (vgl. JBl. 1979, 653; SZ 49/14; VersR 1962, 480; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 175; Purtscheller a.a.O., 74; Schmidt - Salzer, Produkthaftung, 122; Koziol, Grundfragen der Produkthaftung, 11 mit weiteren Hinweisen).
Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, daß die beklagte Partei die Repräsentanz des Produzenten, der Firma B & Co. GesmbH, ist. Die enge wirtschaftliche Verflechtung, die u.a. im den selben Namen enthaltenden Firmenwortlaut zum Ausdruck kommt, wird von der beklagten Partei auch eingeräumt, die selbst davon spricht, daß das Unternehmen in Deutschland das "Stammhaus" sei. Diese Verflechtung geht so weit, daß die beklagte Partei selbst noch im Revisionsverfahren den Standpunkt vertreten zu können meint, ihr Geschäftsführer Ing. Robert A habe die Aufträge vom Kläger namens der Firma B & Co. GesmbH entgegengenommen, ein Vertragsverhältnis bestehe nur mit dieser Firma, nicht mit der beklagten Partei. Anläßlich früherer Käufe von Rhepanol-Haut war der Kläger auch durch Lehrverleger des Produzenten eingeschult worden. Die bestehende enge wirtschaftliche Verflechtung rechtfertigt die Beurteilung der beklagten Partei als Vertragshändler des Produzenten, worunter verschiedene Erscheinungsformen vertraglich gebundener Händler verstanden werden. Dazu zählt vor allem der Werksvertreter, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung ausschließlich für den Absatz der Erzeugnisse eines Herstellers tätig und vertraglich verpflichtet ist, ihn durch Markenwerbung, Lagerhaltung und Kundendienst in seinem Gebiet nach Kräften zu fördern. Beim Auftreten im Geschäftsverkehr stellt der Werksvertreter das Herstellerzeichen in den Vordergrund. In seinen Funktionen steht er einer Verkaufsniederlassung des Herstellers gleich. Dem Werksvertreter kommt der Alleinvertreter nahe, der häufig ausschließlich den Vertrieb von Vertragswaren besorgt (Ulmer, Der Vertragshändler, 138, 139). Daneben findet sich der Typus des sogenannten Einfirmenhändlers, der ganz überwiegend für den Absatz der Erzeugnisse eines Herstellers tätig ist. Auch er stellt das Herstellerzeichen im Geschäftsverkehr in den Vordergrund und ist, wie der Werksvertreter, zur Förderung des Absatzes der Vertragswaren, zur Unterhaltung eines leistungsfähigen Kundendienstes und zur Betreuung auch der nicht bei ihm gekauften Waren des Herstellers verpflichtet. Dieser Händlertyp findet sich besonders im Vertrieb technisch komplizierter Serienprodukte (Ulmer a. a.O., 139). Dem Vertragshändler kommt vor allem für die Bearbeitung des Auslandsmarktes besondere Bedeutung zu. Der Vertragshändler als Alleinimporteur übernimmt dort viele Funktionen, die sich der Hersteller beim Inlandsabsatz über Vertragshändler selbst vorbehält. Dadurch wird der Vertragshändler weitgehend auf der Herstellerebene tätig (Ulmer a.a.O., 179). Der engen Bindung des Vertragshändlers entspricht eine Treuepflicht des Herstellers; er hat auf die Interessen des Vertragshändlers gebührend Rücksicht zu nehmen (Ulmer a.a.O., 411). Zu den Treuepflichten des Herstellers gehört insbesondere auch eine Informationspflicht über diejenigen Umstände auf der Herstellerebene, die für die Vertriebstätigkeit des Vertragshändlers wesentlich sind und deren Kenntnis ihn vor Nachteilen bei dieser Tätigkeit bewahren kann (Ulmer a.a.O., 433 f.). Wohl betrifft die dargestellte Eigenart des Vertragshändlervertrages nur das Innenverhältnis zwischen dem Hersteller und dem Vertragshändler. Auf das Bestehen eines solchen besonderen Innenverhältnisses und den damit verbundenen Informationsvorsprung kann aber auch ein Dritter vertrauen; und soll es auch nach den Intentionen von den selben Namen enthaltenden und auch sonst auf die Nahebeziehung hinweisenden Unternehmen. Der Vertragshändler ist damit kraft seiner Stellung auch gegenüber Dritten nicht irgendein Händler, der die gekaufte Ware neben vielen anderen Produkten vertreibt, sondern der auf die Produkte des Herstellers spezialisierte. Vom Vertragshändler, der wie im vorliegenden Fall als Repräsentant des Herstellers im Auslandsvertrieb eingesetzt ist, wird auf Grund seines Auftretens ein besonderes Wissen kundgetan und erwartet. Dies rechtfertigt es, den Sorgfaltsmaßstab für den Vertragshändler auf Auslandsmärkten besonders hoch anzusetzen. Vom Repräsentanten des Produzenten kann, auch wenn er ausschließlich als Händler auftritt, ein besonders hohes Maß an Wissen und entsprechender Sorgfalt bei der Aufklärung des Erwerbers eines Produktes des Herstellers vorausgesetzt und verlangt werden. Dies gilt umso mehr, wenn er noch dazu Einschulungen (wie hier durch Lehrverleger) vornimmt.
Nach dem insoweit nicht strittigen Sachverhalt wurde in der Nummer 1 des Jahrganges 1975 der Fachzeitschrift "Kunststoffe im Bau" erstmals auf die Nachteile der festen Verlegung von Polyisobutylen-Bahnen auf sogenannten harten Wärmedämmplatten hingewiesen. Die Untersuchung stützt sich auf Schadensfälle, die jedenfalls schon 1974 aufgetreten sein müssen. Sollten dem Produzenten bis zum März 1974 Schadensfälle bekannt geworden sein, die, ohne daß andere Schadensursachen nahe lagen, auf die auch beim Kläger vorgenommene Art der Verlegung zurückgeführt werden konnten, müßte es der beklagten Partei im Hinblick auf ihre enge Verbindung mit dem Produzenten als Organisationsmangel angelastet werden, wenn sie hievon, mag das Wissen auch nur in Erzeugerkreisen bestanden haben, nicht Kenntnis erlangt hätte. Von der beklagten Partei konnte der Kläger jedenfalls im Hinblick auf ihre kundgetane enge wirtschaftliche Verflechtung mit dem Produzenten erwarten, daß sie sich auch Insiderwissen des Produzenten verschaffte und es auch bei seiner Beratung verwertete. Da der eingetretene Schaden durch Schlechterfüllung des mit der beklagten Partei abgeschlossenen Vertrages, insbesondere auf die dem Kläger erteilten falschen Verlegeanweisungen, somit auf die Verletzung von Pflichten aus einem bereits bestehenden rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnis, zurückzuführen ist, trifft die beklagte Partei gemäß § 1298 ABGB die Beweislast dafür, daß sie die ihr obliegende, unter Anlegung des dargestellten strengen Maßstabes zu prüfende Sorgfaltspflicht nicht verletzt hat (SZ 49/66; ZVR 1977/105; SZ 34/50; Adler - Höller in Klang[2] V, 399; Koziol a.a.O. I[2], 332). Es obliegt demnach der beklagten Partei der Beweis dafür, daß sie von allfälligen bekannt gewordenen Schadensfällen ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangte. Im fortgesetzten Verfahren wird die beklagte Partei zur Stellung geeigneter Beweisanträge anzuleiten sein. Es käme insbesondere eine Einvernahme des Verfassers des in Rede stehenden Artikels in Betracht. Durch seine Einvernahme könnte geklärt werden, wann Schadensfälle der hier vorliegenden Art aufgetreten sind und ob in Produzentenkreisen diese Schadensfälle bekannt wurden. Erst nach Ergänzung des Verfahrens in der aufgezeigten Richtung wird die Berechtigung des Teilbegehrens von 43 726.08 S samt Anhang beurteilt werden können.
Anmerkung
Z54013Schlagworte
Erzeuger, s. Produzent, Produzent, Informationspflicht gegenüber Vertragshändler über, Gefahrenträchtigkeit des Produktes, Repräsentant, inländischer, Beweislast für unverschuldetes Nichtwissen, insbesondere der Gefahrenträchtigkeit eines Produktes, Repräsentant inländischer, Informationspflicht des ausländischen, Produzenten über Gefahrenträchtigkeit des Produktes, Vertragshändler, Beweislast für unverschuldetes Nichtwissen, insbesondere der Gefahrenträchtigkeit eines Produktes, Vertragshändler, Informationspflicht des Produzenten über, Gefahrenträchtigkeit des ProduktesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0010OB00775.8.0128.000Dokumentnummer
JJT_19810128_OGH0002_0010OB00775_8000000_000