Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Februar 1981
unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zeitler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter Emil Wladimir A und einen anderen wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 2 StGB über die von den Angeklagten Peter Emil Wladimir A und Gerhard B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 1980, GZ. 5 e Vr 1390/80-44, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Piffl-Lambert und Dr. Philipp und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 18. Jänner 1935 geborene beschäftigungslose Peter Emil Wladimir A und der am 25. Oktober 1942 geborene Versicherungsvertreter Gerhard B des Vergehens des versuchten schweren Diebstahles nach den §§ 15, 127 Abs. 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil sie in Wien versuchten, fremde bewegliche Sachen anderen in einem der Religionsausübung dienenden Raum mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem 1.) Peter Emil Wladimir A allein am 2. Dezember 1979 unter Mitnahme eines mit Klebestreifen präparierten Stabes die Malteserkirche betrat und dort unter Zuhilfenahme des Stabes Geldmünzen bzw. Geldscheine aus einem Opferstock herauszuholen trachtete;
2.) Peter Emil Wladimir A und Gerhard B in Gesellschaft eines namentlich nicht bekannten Mannes als Beteiligte am 4. Juni 1980 unter Mitnahme zweier Taschenlampen, einer Pinzette, zweier Tixo-Rollen, einer Spagatrolle, zweier Stricknadeln, eines Kupferbandstreifens, Klebstoffes und zweier Holzstäbchen die Kapuzinerkirche betraten und dort unter Zuhilfenahme der mitgebrachten Werkzeuge Geldscheine aus Opferstöcken herauszuholen trachteten bzw. Aufpasserdienste leisteten.
Die Angeklagten bekämpfen das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerden und mit Berufungen.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter Emil Wladimir A:
Der Sache nach nur den Punkt 2.) des Schuldspruchs bekämpfend, beruft sich dieser Beschwerdeführer auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Z 5 (richtig: § 281 Abs. 1 Z 4) StPO und macht geltend, durch die Abweisung seines Antrages auf Einvernahme des Ordensbruders Julius über die Herkunft der sichergestellten Geldscheine (Seite 229 d. A) in seinen Verteidigungsrechten verletzt worden zu sein. Der behauptete Verfahrensmangel ist jedoch nicht gegeben, weil auf Grund der vom Beschwerdeführer gar nicht angezweifelten Aussage des Polizeibeamten Gerhard C (Seiten 193 ff d.A) einwandfrei festgestellt wurde, daß das in Rede stehende, mit Klebstoff verunreinigte Geld aus jenem Opferstock in der Kapuzinerkirche stammt, dessen versuchte Plünderung dem Beschwerdeführer laut Punkt
2) des Schuldspruchs zur Last fällt (Seite 252 d.A). Durch das bezeichnete Zwischenerkenntnis wurden daher Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt. Soweit sich der Angeklagte A auch durch die Abweisung des vom Verteidiger des Mitangeklagten B gestellten Antrages auf Vornahme eines Lokalaugenscheines (Seite 228 d.A) beschwert erachtet, ist er zur Erhebung der Verfahrensrüge nicht legitimiert, weil hiefür ein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers oder seines Verteidigers erforderlich gewesen wäre. Da sich der Angeklagte A dem erwähnten Beweisantrag des Mitangeklagten auch nicht angeschlossen hatte, kann er aus der Abweisung des nur vom Verteidiger des Mitangeklagten gestellten Beweisantrages für sich den angerufenen Nichtigkeitsgrund nicht ableiten (vgl. Mayerhofer-Rieder II/2, Nummern 1 und 35 zu § 281 Z 4 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter Emil Wladimir A war daher zu verwerfen.
II. Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B:
Dieser Angeklagte macht in seiner Beschwerde die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend.
Verfahrensmängel im Sinne des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Angeklagte B in der Abweisung seiner Beweisanträge auf Durchführung eines Lokalaugenscheines zur Feststellung der Tiefe und der Konstruktion des in Rede stehenden Opferstockes in der Kapuzinerkirche (Seiten 228 bis 229 d.A) sowie auf Einvernahme des Ordensbruders Julius (auch) zur Klärung der Frage, ob ein eingeworfener Geldschein in einer Krümmung des Einwurfkanals hängen bleiben und mit den von den Angeklagten verwendeten Werkzeugen ein tauglicher Diebstahlsversuch unternommen werden konnte (Seite 230 d. A).
Das Erstgericht hatte den erstgenannten Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß hiezu kein Beweisthema genannt worden sei und der Antrag offensichtlich zur Verzögerung der Verhandlung diene, sowie daß sich aus der Aussage des Zeugen Josef D eindeutig ergebe, daß in der Schräge (des Einwurfkanals) Geld hängen bleiben kann (Seite 229 d. A). Die Abweisung des Antrages auf Einvernahme des Ordensbruders Julius wurde damit begründet, daß die Beurteilung der Frage des Vorliegens eines absolut untauglichen Versuchs Sache der Rechtsprechung sei (Seite 231 d. A).
Die gerügten Verfahrensmängel sind nicht gegeben.
Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, daß die Zielrichtung des Antrages auf Vornahme eines Augenscheins, nämlich die Feststellung der Voraussetzungen für die Annahme eines absolut untauglichen und somit straflosen Diebstahlsversuchs, auf der Hand lag und auch vom öffentlichen Ankläger dazu Stellung genommen wurde, doch wäre es zumindest erforderlich gewesen, die Gründe anzuführen, aus denen von der verlangten Beweisaufnahme neue über die Aussage des Zeugen D hinausgehende - für den Beschwerdeführer günstigere - Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären. Denn der Zeuge D, der den Opferstock durch Einlegen eines Pappendeckels adaptiert hatte, der die regelmäßige Entleerung des Opferstockes vornahm und dessen Aussage der Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegt wurde (Seite 252 d.A), hatte in der Hauptverhandlung ausdrücklich bestätigt, daß es vorkommt, daß im Knick der von ihm in einer - mit den von den Angeklagten mitgeführten Werkzeugen ohneweiters erreichbaren - Tiefe von 22
Zentimetern eingebauten Schräge Geldscheine hängen bleiben (Seite 227 d.A).
Als Begründungsmängel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5
StPO werden vom Angeklagten Gerhard B Unvollständigkeit und Undeutlichkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen, Angabe nur offenbar unzureichender Gründe und Aktenwidrigkeit geltend gemacht.
Auch die Ausführungen in der Mängelrüge, die zum Teil überhaupt nur auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung hinauslaufen, halten einer Überprüfung nicht stand.
Eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe liegt nicht vor, weil das Erstgericht in einer dem § 270 Abs. 2 Z 5 StPO gerecht werdenden Weise klarstellte, daß es die Verantwortung der leugnenden Angeklagten in ihrer Gesamtheit für unglaubwürdig erachtete, wofür auch entsprechende Gründe angegeben werden (Seite 249 d.A). Mit dem Umstand, daß eine zufällig in der Kirche anwesende Frau vom strafbaren Verhalten der Angeklagten nichts bemerkte, brauchte sich das Erstgericht nicht auseinanderzusetzen, weil die Täter der Frau die Sicht auf den Opferstock verstellten (Seite 246 und 196 d.A). Ob der Beschwerdeführer zuvor Touristen zur Kapuzinergruft geführt oder die Kirche aus sonstigen 'kulturellen Interessen' aufgesucht hatte, ist für die Beurteilung des inkriminierten Verhaltens belanglos. Die Urteilsannahme, daß die Angeklagten vom Ordensbruder Felix E bei der Tat beobachtet wurden (Seite 245 f d.A), findet Deckung in der Aussage des genannten Zeugen, der bekundete, durch das Verhalten der Angeklagten, von denen der eine beim Opferstock stand während der andere offenbar Aufpasserdienste leistete (Seiten 195 bis 197 d.A), auf diese aufmerksam geworden zu sein, wenngleich dem Zeugen die Sicht auf den Opferstock selbst durch eine Säule genommen war (Seite 57 d.A).
Zwar ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, daß dem Zeugen E nach dessen Angaben lediglich der Angeklagte A, nicht aber auch der Angeklagte B schon bei früheren Gelegenheiten in der Kirche aufgefallen ist (Seite 196 d.A). Die dem Erstgericht insoweit unterlaufene Aktenwidrigkeit stellt aber den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht her, weil diesem Umstand entscheidungswesentliche Bedeutung nicht zukommt; es spielt nämlich für die Beurteilung des inkriminierten Verhaltens keine Rolle, wer von den Angeklagten schon früher in der Kirche gesehen worden war. Daß es sich bei dem Klebstoff auf den Banknoten aus dem Opferstock um den gleichen Klebstoff wie auf dem sichergestellten Kupferband handelte, stellt eine zulässige Schlußfolgerung dar, die schon durch den örtlichen und zeitlichen Zusammenhang objektiviert erscheint (siehe Seiten 55, 194, 226 d.A).
Dem Beschwerdeführer kann auch darin nicht gefolgt werden, daß die sichergestellte Schnur (in Verbindung mit anderen Geräten) und die weiters sichergestellte Klebebandrolle zum Herausangeln von Geld aus Opferstöcken überhaupt nicht geeignet seien, weil erfahrungsgemäß schon kleine Auflageflächen eines Klebebandes zum Aufheben einer Banknote genügen können, selbst wenn sie miteinander nur leicht in Berührung kommen. Die objektive Eignung des weiters sichergestellten, mit Klebstoff bestrichenen Metallbandes für den vom Erstgericht angenommenen Zweck wird vom Beschwerdeführer gar nicht in Abrede gestellt.
Die vom Angeklagten Gerhard B geltend gemachten Begründungsmängel sind daher nicht gegeben.
In der auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, das Erstgericht unterliege einem Rechtsirrtum, wenn es darauf abstelle, ob die von den Angeklagten benützten Tatwerkzeuge überhaupt zur Verübung von Opferstockdiebstählen geeignet sein können, weil es bei der Beurteilung der Strafbarkeit eines Versuchs nicht auf eine abstrakte Eignung, sondern auf die Eignung der von den Tätern verwendeten Geräte im konkreten Einzelfall ankomme; die sichergestellten Geräte seien jedoch nicht ausreichend gewesen, um damit aus dem in Rede stehenden Opferstock in der Kapuzinerkirche Geld herauszuholen.
Dieser Rechtsmeinung zuwider kann von einem absolut untauglichen und als solchem straflosen Versuch nur dann gesprochen werden, wenn die Verwirklichung des Deliktstypus auf die vorgesehene Art auch bei generalisierender Betrachtung, also unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles, geradezu denkunmöglich ist und der Erfolgseintritt daher unter keinen Umständen erwartet werden kann (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, RN 30 zu § 15). Dies kann aber von der Handlungsweise der Angeklagten schon nach Art der von ihnen zur Tatverübung mitgeführten Werkzeuge auf keinen Fall gesagt werden.
Davon abgesehen spricht die Auffindung von Klebstoff an mehreren im Opferstock befindlichen Banknoten (Seiten 53, 194, 226, 248 d.A) dafür, daß auch im konkreten Fall selbst ein Erfolgseintritt durchaus im Bereich des Möglichen gelegen war. Selbst wenn die von den Tätern benützten Geräte zu kurz gewesen sein sollten, um den Boden des Opferstocks zu erreichen, konnten damit doch Geldscheine, die allenfalls in dem in etwa 22 Zentimetern Tiefe befindlichen Knick des Einwurfkanals hängen blieben, unschwer herausgeholt werden.
Da somit der Annahme des Erstgerichtes, daß es sich bei der vom Punkt 2) des Schuldspruches erfaßten Tat um einen zwar im konkreten Fall erfolglos gebliebenen, seiner Art nach (generell) aber zur Herbeiführung des von den Angeklagten angestrebten strafgesetzwidrigen Erfolges geeigneten, somit höchstens relativ untauglichen und mithin jedenfalls strafbaren Diebstahlsversuch handelte, ein Rechtsirrtum nicht anhaftet, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B ebenfalls zu verwerfen.
III. Zu den Berufungen der Angeklagten:
Das Erstgericht verhängte nach § 128 Abs. 1 StGB über den Angeklagten A eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten und über den Angeklagten B eine solche in der Dauer von 15 Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend bei beiden Angeklagten die einschlägigen, auch die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden Vorstrafen, beim Angeklagten A überdies die Begehung zweier Diebstahlsversuche, als mildernd bei beiden Angeklagten, daß es beim Versuch blieb.
Die Angeklagten streben mit ihren Berufungen jeweils die Herabsetzung der Freiheitsstrafen an.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Der Angeklagte A vermochte keine Umstände aufzuzeigen, die zusätzlich als mildernd zu werten gewesen wären. Die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe sind vielmehr in bezug auf diesen Angeklagten noch dahin zu ergänzen, daß ihm als erschwerend auch ein überaus rascher Rückfall zur Last fällt: Er wurde am 23. November 1979 aus der letzten wegen Diebstahls verhängten Freiheitsstrafe entlassen und wurde bereits am 2. Dezember 1979 rückfällig.
Sein schwer getrübtes Vorleben, das dadurch gekennzeichnet wird, daß er - vorwiegend wegen Vermögensdelikten verhängte - Freiheitsstrafen im Ausmaß von mehr als sieben Jahren zu verbüßen gehabt hatte, läßt die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe als dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen erscheinen. Auch der Angeklagte B vermag in seiner Berufung keine, nicht bereits vom Erstgericht berücksichtigten Milderungsgründe aufzuzeigen. Von einem 'geringen Schadensbetrag' kann vorliegend deshalb nicht gesprochen werden, weil unter anderen eine 1.000 S-Note und eine 100 S-Note aus dem Opferstock Klebespuren aufwiesen (S 55 d.A) und demnach Gegenstand des Diebstahlsversuches waren.
Entgegen den Berufungsausführungen wurde eine mangelnde Schuldeinsicht keineswegs als erschwerend gewertet. Der im erstgerichtlichen Urteil enthaltene Hinweis darauf stellt der Sache nach nichts anderes dar als die Versagung der Annahme des Milderungsgrundes eines reumütigen Geständnisses, das allenfalls eine mildere Beurteilung ermöglicht hätte.
Wohl hat der Angeklagte B nur einen Diebstahlsversuch zu verantworten und sein Vorleben ist wesentlich weniger belastet als jenes des Mitangeklagten A.
Dennoch stehen die über beide Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen in einer ausgewogenen Relation zueinander, denn der Angeklagte B ist geradezu auf Diebstähle der vorliegenden Art spezialisiert. Seine drei Vorstrafen wurden ausnahmslos wegen auch nach § 128 Abs. 1 Z 2 StGB oder § 174 II lit. b StG qualifizierten Diebstählen verhängt.
Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes erscheint auch die über ihn verhängte Freiheitsstrafe seinem Verschulden und dem Unrechtsgehalt der Tat angepaßt.
Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02963European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0090OS00190.8.0210.000Dokumentnummer
JJT_19810210_OGH0002_0090OS00190_8000000_000