Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. König als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich und Gertrude A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. Juni 1980, GZ 29 Vr 1763/75-82, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Maria Christine Engelhardt und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gertrude A wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, zum Punkt A./
III./ 7./ des Schuldspruchs sowie demgemäß auch in dem sie betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde dieser Angeklagten (im übrigen) und jene des Angeklagten Erich A (zur Gänze) verworfen. Die Angeklagte Gertrude A wird mit ihrer Berufung auf die obige Entscheidung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten Erich A wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 7. Oktober 1949 geborene Vertreter Erich A und die am 4. Februar 1950 geborene Kellnerin Gertrude A (außer anderen strafbaren Handlungen auch) des in den Jahren 1972
bis 1977 in Innsbruck in 17 Fällen mit einem Gesamtschadensbetrag von S 591.662,60 von beiden Angeklagten im bewußten und gewollten Zusammenwirken (als Mittäter Pkt. A./ I./ des Urteilssatzes), in weiteren 9 Fällen mit einem Gesamtschadensbetrag von S 34.2l5,14 von Erich A als Alleintäter (Punkt A./ II./) und in anderen 9 Fällen mit einem Gesamtschadensbetrag von S 98.556,17 durch Gertrude A ebenfalls allein (Punkt A./ III./) verübten Verbrechens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 (im Urteil wird überflüssigerweise auch Abs. 1 zitiert) StGB schuldig erkannt.
Die Angeklagten bekämpfen das Urteil, und zwar Gertrude A ausdrücklich und Erich A der Sache nach (vgl Punkt a) des 'Berufungsantrages' in ON 88 S 70/III), lediglich in diesem Schuldspruch mit jeweils auf die Z 4, 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.
Rechtliche Beurteilung
Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund erblicken beide Beschwerdeführer darin, daß dem anläßlich der Einvernahme des (Buch-)Sachverständigen Dr. Michael B in der Hauptverhandlung - ersichtlich nur vom Verteidiger der Angeklagten Gertrude A (Erich A war in der Hauptverhandlung durch eine Verteidigerin vertreten) - gestellten Antrag, 'das Sachverständigengutachten einer Korrektur zu unterwerfen (vgl S 22/III), nicht entsprochen wurde. Das Erstgericht hat zwar nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls - der Anordnung des § 238 Abs. 2 StPO zuwider - über dieses Begehren in der Hauptverhandlung nicht mit einem Zwischenerkenntnis entschieden und eine Begründung für die unterbliebene Beweisaufnahme auch im Urteil in keiner Weise nachgetragen. Der angerufene Nichtigkeitsgrund kann trotzdem nicht zum Vorteil der Angeklagten Gertrude A geltend gemacht werden, weil unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen der Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO). Der oben wörtlich wiedergegebene Antrag folgte der auf Befragung durch den Verteidiger von der Angeklagten abgegebenen Erklärung nach, sie habe beim Tiroler Landestheater als Billeteurin - bei einer Sorgepflicht für vier Personen - monatlich S 15.000 (ohne Urlaubsgeld und Arbeitslosengeld) verdient, sei aber dennoch im Jahre 1972 nicht einmal zur Bezahlung der Miete in der Lage gewesen, zumal sie viel Geld für die Einrichtung gebraucht habe (III, S 22). Worüber der Sachverständige ergänzend befragt und was hiedurch gewonnen hätte werden sollen, ist unter diesen Umständen dem Begehren auch im Zusammenhang mit dem unmittelbar vorangegangenen Vorbringen der Angeklagten keineswegs zu entnehmen; ein Nachweis für die Richtigkeit ihrer Behauptungen war durch den Sachverständigenbeweis jedenfalls nicht zu erbringen. Bei Erich A, dessen Verteidigerin dem Antrag nicht beitrat, mangelt es schon an den formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Verfahrensmangels.
Seine Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) bezeichnet die Urteilsfeststellung über seinen Schädigungsvorsatz mit der Argumentation als unzureichend begründet, daß das Erstgericht mit der dieser Konstatierung zugrundeliegenden rechnerischen Gegenüberstellung (der Einkünfte einerseits sowie der eingegangenen und dann nicht erfüllten Verpflichtungen andererseits) nur Scheingründe angebe.
Die Beschwerde übergeht damit jedoch gänzlich wesentliche Teile des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts. Hienach lebten die Angeklagten von allem Anfang an weit über ihre Verhältnisse; Erich A wurde von Lohnpfändungen bis auf das Existenzminimum verfolgt (III, S 39); bereits im Jahre 1972 wie auch in den Folgejahren leisteten beide Angeklagten wiederholt den Offenbarungseid und bekundeten damit ihre Zahlungsunfähigkeit; ungeachtet der bereits bestehenden Schulden (und zahlreicher laufender Exekutionen) gingen sie neue Verpflichtungen in der Höhe von S 195.000,-- im Jahre 1973 und von S 56.000,-- im Jahre 1974 ein (III, S 40); eine Bezahlung der bei Pachtung von Gastgewerbebetrieben am 23. April 1975 und 1. Oktober 1975 in Innsbruck entstandenen Investitionsschulden (innerhalb angemessener Frist) war nach Überzeugung des Erstgerichts für die Angeklagten auch bei optimistischer Einschätzung der Sachlage nicht möglich (III S 41/42); angesichts ihrer bedrängten finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse, über die sie sich voll und ganz im klaren waren, haben die Angeklagten daher in jedem einzelnen Falle eine Schädigung der Gläubiger (zumindestens) für möglich gehalten und sich damit abgefunden (III, S 43). Die Annahme des Schädigungsvorsatzes erweist sich solcherart als schlüssig und lebensnah.
Das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. C (II ON 49) steht ihr - den Behauptungen der Beschwerdeführer zuwider - umso weniger entgegen, als es nur über die Prämissen für die Bejahung oder Verneinung des biologischen Schuldelements der Zurechnungsfähigkeit abspricht und daher mit der Frage nach dem 'Vorsatz' an sich nichts zu tun hat.
Eben in Bezug auf dieses Gutachten führt der Beschwerdeführer noch zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO sinngemäß ins Treffen, die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Heinz C, er (Beschwerdeführer) könne zwischen Gut und Böse unterscheiden, treffe (auf Grund der Äußerungen des Sachverständigen über seine - des Beschwerdeführers - Intelligenz) für Delikte nicht zu, zu deren Beurteilung ein besonderes Einschätzungsvermögen bzw. besondere kaufmännische Fähigkeiten (wie im gegenständlichen Falle) erforderlich seien. Damit macht dieser Angeklagte aber keinen materiellen Nichtigkeitsgrund geltend, sondern er bekämpft vielmehr - unzulässig - die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit dieses Gutachtens, das eine solche Einschränkung nicht vornimmt und aus dem sich daher für eine etwaige sogenannte partielle Zurechnungsunfähigkeit kein Anhaltspunkt ergibt. Was aber die vom genannten Beschwerdeführer letztlich relevierte, durch den Sachverständigen bei ihm festgestellte Charakterstruktur anlangt - derzufolge 'er sich etwas selbstherrlich verhält, zwar von seinen eigenen Rechten überzeugt ist, aber gleichzeitig wenig Neigung zeigt, auf andere Menschen, deren Probleme ihn eher gleichgültig lassen, Rücksicht zu nehmen' (II, S 173), was in der Rechtsrüge dahin umschrieben wird, daß er 'nicht imstande gewesen sei, sich in andere Menschen einzufühlen' - so genügt es, ihn darauf zu verweisen, daß bloße Charaktermängel, asoziale Züge, von denen der Sachverständige im gegebenen Zusammenhang ausdrücklich spricht (II S 173), von vornherein ungeeignet sind, eine die Schuldfähigkeit ausschliessende schwere (den übrigens im § 11 StGB genannten Zuständen gleichwertige) seelische Störung zu begründen, welche den Täter, der - in bezug auf den Angeklagten durch den Sachverständigen uneingeschränkt bejahten - Diskretionsund Dispositionsfähigkeit beraubt (vgl Leukauf-Steininger, Komm.2, RN 15 zu § 11 StGB und die dort zitierte Judikatur).
Ebensowenig zielführend wie die Mängelrüge des Angeklagten Erich A ist auch jene der Angeklagten Gertrude A, die einen inneren Widerspruch des Urteils darin erblickt, daß ihr angelastet werde, das Verbrechen des schweren Betruges (auch) durch die zum Punkt A./ II./ des Urteilssatzes bzeichneten Tathandlungen begangen zu haben, obwohl inhaltlich jenes Punktes die bezüglichen Fakten von Erich A als Alleintäter verübt worden waren. Denn die Fassung des Urteilsspruchs in seiner Gesamtheit läßt klar und unzweifelhaft erkennen, daß dem Erstgericht im Ausspruch nach § 260 Abs. 1 Z 2 StPO lediglich ein Schreibfehler unterlaufen ist und es richtig heißen muß, Gertrude A habe 'zu A./ I./ und zu A./ III./ (statt A./ II./)' das Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 (nicht auch Abs. 1) StGB begangen.
Teilweise Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Gertrude A nur insofern zu, als mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO geltend gemacht wird, die im Punkt A./ III./ 7./ des Urteilssatzes angeführte Tat (Betrug zum Nachteil der Firma D) könnte verjährt sein.
Im Urteil wird als Tatzeit dieses zeitlich ersten, mit einem Schaden von S 1.790,-- verbundenen Betrugsfaktums lediglich das Jahr 1972 festgestellt. Ein genauerer Tatzeitpunkt ergibt sich auch nicht aus den Akten (vgl insbesondere I ON 2 a Beilage Nr 12 - rot - und S 85). Da die Beschwerdeführerin den ihr urteilsmäßig zur Last liegenden zeitlich nächstfolgenden Betrug (Punkt A./ I./ 1./) erst am 26. März 1973 verübt hat, ist nicht auszuschließen, daß die (1- jährige) Verjährungsfrist des § 57 Abs. 3 StGB bis dahin bereits abgelaufen war. Dies wird allerdings eindeutig nur in einem erneuerten Verfahren geklärt werden können, in dem neben der genauen Tatzeit der im Punkt A./ III./ 7./
des Urteilssatzes angeführten Tat auch festzustellen sein wird, ob allenfalls die in den Vorstrafverfahren abgeurteilten Taten (vgl insbesondere 9 U 671/73 des Bezirksgerichtes Innsbruck) zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist geführt haben (§ 58 Abs. 2 StGB). Es war somit über die Rechtsmittel der Angeklagten Gertrude A und über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich A spruchgemäß zu erkennen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Erich A nach §§ 28, 147 Abs. 3 StGB zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend vier Vorverurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen, die Wiederholung der Betrügereien und den hohen Schadensbetrag an (den es an dieser Stelle - unrichtig - mit fast 428.000 S anstatt - richtig - mit annähernd 626.000 S bezifferte), als mildernd hingegen sein Geständnis.
Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Bei den durch das Erstgericht im wesentlichen richtig erfaßten und auch zutreffend gewürdigten Strafzumessungsgründen - die vom Angeklagten behauptete 'völlige Überforderung mit der Neuordnung seiner finanziellen Situation' stellt (weil dem Gewicht nach einem der im § 34 StGB beispielsweise aufgezählten Milderungsgründe nicht gleichwertig) keinen (weiteren) Milderungsgrund dar - wird die in erster Instanz festgesetzte, ohnedies an der Untergrenze des (von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reichenden) gesetzlichen Rahmens liegende Strafe bei Bedachtnahme auf die große Zahl der Betrugsfakten, die Begehung über mehrere Jahre und der bedeutenden Schadenssumme der tatund persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) der Angeklagten durchaus gerecht.
Anmerkung
E03110European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00011.81.0407.000Dokumentnummer
JJT_19810407_OGH0002_0100OS00011_8100000_000