Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 1981 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hartmann, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführers in der Strafsache gegen Stefan A wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs 1 StGB und anderer Delikte über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichtes vom 27. November 1980, GZ. 8 Vr 2158/80-43, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13. Jänner 1947 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Maurer Stefan A A) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs 1 und 15 StGB, B) des Verbrechens der versuchten Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1 StGB, C) des Vergehens des Hausfriedensbruches nach dem § 109 Abs 3 Z 1 StGB (im Urteilsspruch infolge eines offensichtlichen Schreibfehlers § 109 Abs 1 Z 3 StGB) sowie D) des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Ihm liegt zur Last, in Graz zu A) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) der Rosina B mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, I. am 14. Juli 1980 durch die Äußerung: 'Wenn du mir kein Geld gibst, wirst du auch nicht am Leben bleiben' einen Geldbetrag von 2.400 S abgenötigt zu haben;
II. am 6. August 1979 durch die Äußerung: 'Gib mir sofort 500 S, sonst würge ich dich und deine Verwandten in der Obersteiermark ab' einen Geldbetrag von 500 S abzunötigen versucht zu haben;
zu B) am 15. Juli 1980 Rosina B mit Gewalt, nämlich dadurch, daß er sie von 10.00 Uhr des Vortages bis 3.30 Uhr des 15. Juli 1980 in ihrer von ihm versperrten Wohnung gefangen hielt, zu einer Handlung, nämlich zur Vermögensübertragung bei Tod zu nötigen versucht zu haben, die die gesetzlichen Erben am Vermögen schädigen sollte, indem er Rosina B zur Abfassung und Unterfertigung eines Testamentes veranlaßte, in welchem sie ihm einen Geldbetrag von 50.000 S vermachte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten der Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern;
zu C) am 8. August 1980 mit Gewalt, nämlich durch Einschlagen einer Fensterscheibe, das Eindringen in die Wohnstätte der Rosina B erzwungen zu haben, wobei er gegen die dort befindliche genannte Person Gewalt zu üben beabsichtigte;
zu D) vorsätzlich Rosina B am Körper I. verletzt zu haben, und zwar:
1. am 6. August 1979 durch Versetzen mehrerer Faustschläge (stark gerötete Schwellung an der linken Wangenseite);
2. am 13. Mai 1980 durch Versetzen von Faustschlägen gegen Kopf und Gesicht sowie von Fußtritten gegen den Körper (Schädelprellung, Bluterguß in der Gegend des linken Auges und Nasenbluten);
3. am 8. August 1980 durch Versetzen von Faustschlägen (Kopfprellung);
II. zu verletzen versucht zu haben, indem er am 14. Juli 1980 Rosina
B an den Haaren riß und zu Boden warf (Kopfschmerzen). Daneben erging ein (unangefochten gebliebener) Teilfreispruch. Den Schuldspruch - ausgenommen jenen Teil, der das Vergehen der (teils versuchten) Körperverletzung betrifft (Punkt D des Urteilssatzes) - bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die (zur Hauptverhandlung nicht erschienene) Zeugin Rosina B vom erkennenden Senat nicht unmittelbar gehört, sondern lediglich deren vor dem Untersuchungsrichter abgelegte Aussage (ON 13) verlesen wurde (vgl S. 275). Die - Zustimmung eines Parteienvertreters nicht voraussetzende - Verlesung im Sinne des § 252 Abs 1 Z 1 StPO war deshalb zulässig, weil nach den Angaben der Zeugen Aloisia C (S. 265) und Dr. Rudolf D (S. 267) in absehbarer Zeit nicht mit dem Eintritt der Vernehmungsfähigkeit der schwer erkrankten Zeugin Rosina B gerechnet werden konnte. Nur der Vollständigkeit halber kann bemerkt werden, daß selbst ein - wie angeführt, hier gar nicht vorliegender - Verstoß gegen die Bestimmung des § 252 StPO nicht unmittelbar mit Nichtigkeit bedroht wäre (vgl. u.a. Mayerhofer-Rieder, Das Österreichische Strafrecht, II/1, Nr. 124 ff zu § 252
StPO). Bei dieser Rechtslage gehen die übrigen Ausführungen des Angeklagten zur Verfahrensrüge ins Leere.
In Ausführung des weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO bemängelt der Beschwerdeführer sodann, daß sich das Erstgericht im angefochtenen Urteil mit seiner Verantwortung, er habe mit Rosina B in Lebensgemeinschaft gelebt und zu dieser auch finanziell beigetragen (vgl. S. 264), nicht auseinandersetzte und keine Feststellungen darüber traf, wem das Geld, das er der Zeugin wegnahm, wirklich gehörte.
Hiemit vermag er jedoch einen (formalen) Begründungsmangel nicht darzutun. Denn das Erstgericht, das im Urteil keinen Zweifel daran aufkommen läßt, daß sich der Beschwerdeführer fremdes Geld aneignete, erörterte dessen Verantwortung ohnedies in vollkommen ausreichender Weise und erachtete seine Darstellung, soweit er leugnete, als durch die (verlesene) Aussage der Zeugin Rosina B widerlegt (vgl. S. 285, 286).
Unzutreffend ist aber auch die vom Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge aufgestellte Behauptung, im angefochtenen Urteil fehle jegliche Begründung dafür, er sei am 8. August 1980 mit Mißhandlungsabsicht - gemeint mit der Absicht, im Sinne des § 109 Abs 3 Z 1 StGB Gewalt zu üben - in die Wohnung der Rosina B eingedrungen.
Das Erstgericht folgte nämlich insoweit der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers (vgl. S. 286), der in der Hauptverhandlung zu diesem Punkt der Anklage voll geständig war (vgl. S. 262). Schließlich vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, der Umstand, daß das im Urteil (Punkt B des Urteilssatzes) erwähnte Testament in den Händen der Zeugin B verblieb, spreche im Zusammenhang mit dem psychiatrischen Gutachten, das auf seine außergewÄhnliche und abnorme Beziehung zu der Zeugin hinweise, eher für die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Papier freiwillig geschrieben (und nicht abgenötigt) worden sei. Hiemit unternimmt er jedoch nach Art einer Schuldberufung lediglich den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch, die gemäß dem § 258 Abs 2 StPO auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse vorgenommene (hinreichend und denkrichtig begründete) erstgerichtliche Beweiswürdigung zu bekämpfen, sodaß die Mängelrüge auch in dieser Beziehung versagt.
Ebenso geht die Rechtsrüge fehl, mit welcher der Beschwerdeführer unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 10 StPO eine Beurteilung des ihm als versuchte Erpressung angelasteten Tatverhaltens (Punkt B des Urteilssatzes) bloß als Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB anstrebt. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Beschwerdebehauptung, durch das (erzwungene) Verfassen eines (jederzeit widerruflichen) Testaments (richtig: Kodizills; S. 141) hätte niemals jemand an seinem Vermögen geschädigt werden können, ist nämlich keineswegs stichhaltig, weil der Angeklagte nach den Urteilsannahmen durch die geübte (gewaltsame) Einflußnahme auf den Willen der Rosina B eine (sonst nicht erreichbare) Vermögensübertragung zu seinen Gunsten bei Eintritt des Todes der Testaments(Kodizills-)Verfasserin - und demgemäß in durchaus denkbarer und möglicher Weise den (unwiderrufenen) Fortbestand des (abgenötigten) Kodizills bis dahin - anstrebte, in welchem Falle aber jenen Personen, die sonst Ansprüche auf den Nachlaß hätten, sehr wohl ein entsprechender Vermögensschaden zugefügt worden wäre.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war mithin zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 142 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es die Vorstrafen wegen verschiedener Körperverletzungsdelikte und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend, hingegen berücksichtigte es das Geständnis in einigen Fakten, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, das Wohlverhalten innerhalb des Zeitraumes von 1974 bis 1980 und die Enthemmung durch Alkohol bei Verübung einiger vom Schuldspruch erfaßter Taten als mildernd.
Der vom Angeklagten gegen das Strafausmaß erhobenen Berufung kommt im Ergebnis Berechtigung nicht zu:
Wohl ist dem Angeklagten die vom Sachverständigen Dr. E festgestellte gestörte Persönlichkeitsentwicklung und intellektuelle Unterbegabung (vgl. dazu S. 271 ff) als zusätzlicher Milderungsumstand zuzuerkennen. Demgegenüber fällt aber - entgegen der Meinung des Erstgerichtes - das (nur) zeitweise Wohlverhalten des (ansonsten vorbestraften) Angeklagten nicht als mildernd ins Gewicht.
Auf der Basis der sohin richtiggestellten Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Grundsätze des § 32
StGB erachtet der Oberste Gerichtshof die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe angemessen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03085European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0110OS00010.81.0408.000Dokumentnummer
JJT_19810408_OGH0002_0110OS00010_8100000_000