Norm
KSchG §1 Abs1Kopf
SZ 54/58
Spruch
Schadensregulierungen des Haftpflichtversicherers mit einem geschädigten Kraftfahrer unterliegen dem KSchG, auch wenn sich letzterer eines Rechtsanwalts bedient Die Erklärung im Anbotschreiben des Versicherers, die Einlösung des übersandten Schecks gelte als Verzicht auf weitergehende Schadenersatzansprüche, ist für den Beschädigten, der den Scheck einlöst, gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 KSchG nicht verbindlich
OGH 9. April 1981, 8 Ob 9/81 (JBl. 1982, 313 (Iro))(KG Ried im Innkreis R 235/80; BG Braunau am Inn 1 C 78/80)
Text
Am 9. Jänner 1979 ereignete sich gegen 14.40 Uhr auf der Innviertler Bundesstraße 309 bei Kilometer 65.4 (Freilandstraße) ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker eines LKW-Zuges und Walter Z als Lenker eines PKW beteiligt waren. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Die beiden Fahrzeuge kollidierten im Begegnungsverkehr. Dabei wurde Walter Z getötet, der Kläger verletzt; beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Ein wegen dieses Verkehrsunfalles zu Z 28/79 des Bezirksgerichtes Braunau am Inn eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO eingestellt.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 20 000 S samt Anhang. Er stützte dieses Begehren auf die Behauptung, daß Walter Z den Verkehrsunfall allein verschuldet habe, weil er ohne Rücksicht auf den entgegenkommenden LKW-Zug einen PKW überholt habe, wodurch es zum Frontalzusammenstoß gekommen sei. Dabei habe der Kläger Verletzungen erlitten, die den Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 20 000 S rechtfertigten.
Die Beklagte bestritt nicht das Verschulden des Walter Z an der
Verletzung des Klägers und behauptete auch kein Mitverschulden des
Klägers. Sie wendete aber ein, daß die Ersatzansprüche des Klägers
durch die Annahme eines Barschecks vom 8. Jänner 1980 über die Summe
von 13 200 S und die damit im Zusammenhang stehende
Abfindungserklärung verglichen und bereinigt seien. Als Antwort auf
das Forderungsschreiben des Klägers sei diesem seitens der Beklagten
ein Anbotschreiben vom 8. Jänner 1980 zugegangen, dessen
vorgedruckter Text folgende Abfindungserklärung enthalte: "Diesen
Scheck können sie innerhalb von 8 Tagen ab dem Ausstellungsdatum bei
jedem österreichischen Kreditinstitut vorlegen ... Durch Einlösung
dieses Schecks erklären Sie auch namens Ihrer Rechtsnachfolger keine
weiteren Ansprüche aus diesem Schadensfall gegenüber jedermann,
besonders gegenüber unserem Versicherten, zu erheben ... Sollten Sie
mit dieser Regelung nicht einverstanden sein, teilen Sie uns dieses bitte unter Rückgabe des Schecks mit." Dieser Scheck sei vom Klagevertreter am 11. Jänner 1980 eingelöst worden, womit er die Abfindungserklärung angenommen habe; eine Übersendung der Erklärung, mit der Regelung nicht einverstanden zu sein, sei nicht fristgerecht erfolgt. Erst am 16. Jänner 1980 habe der Klagevertreter erklärt, daß er mit der Abfindungserklärung nicht einverstanden sei, da diese nicht schlüssig und bedenklich wäre; am 23. Jänner 1980 habe er den Betrag an die Beklagte zurücküberwiesen. Der Betrag stehe dem Kläger nach wie vor zur Verfügung. Der Kläger habe durch seinen ausgewiesenen Vertreter, der Rechtsanwalt und somit ein besonders qualifizierter Fachmann sei, die ihm zugeleitete Abfindungserklärung in Form einer Allonge zum Barscheck mit eindeutig lesbarem und klarem Inhalt auf der Vorderseite entgegengenommen und nicht innerhalb der noch unterstrichenen Fristen rückgeantwortet. Eine Irreführung oder Veranlassung eines Irrtums durch die Beklagte liege daher nicht vor. Aus dem Forderungsschreiben des Klagevertreters deutig hervor, daß nur Schmerzensgeld und Kosten begehrt worden seien, weshalb sich das Abfindungsanbot mit den Abkürzungen "S. Geld" und "Kosten" eindeutig lesbar nur auf diese Forderungen beziehen könne. Derartige Allongen mit Barschecks würden von verschiedenen Versicherungsgesellschaften üblicherweise verwendet. Im übrigen sei die geltend gemachte Schmerzensgeldforderung des Klägers überhöht.
Der Kläger replizierte, daß das Abfindungsanbot der Beklagten nicht angenommen worden sei. Unmittelbar nach Erhalt des Anbotschreibens habe der Klagevertreter der Beklagten mitgeteilt, daß das Abfindungsanbot höchstens als Akontozahlung zur Kenntnis genommen werden könnte. Gleichzeitig habe er Rücküberweisung angekundigt. Selbst wenn eine Annahme des Anbotes vorliegen sollte, wäre sie unwirksam, weil das Anbot bedenklich und nicht schlüssig sei. Die Beklagte verwende zur Abwicklung ihrer Schadensfälle verschiedene Formulare und Briefsorten, mit denen sie Barschecks, die regelmäßig nicht an Order gerichtet seien, übermittle. Bei allen übrigen Formularen werde separat eine Abfindungserklärung übersendet. Im vorliegenden Fall sei die Textierung des Schreibens der Beklagten so, daß ein Irrtum des Geschädigten von der Beklagten veranlaßt worden sei, zumal an sich unwesentliche Sätze zum Zweck der Erhöhung des Auffälligkeitswertes unterstrichen worden seien und ein unwesentliches Detail fett gedruckt worden sei. Der Klagevertreter habe den Scheck im Hinblick auf diese Umstände irrtümlich eingelöst; dieser Irrtum sei von der Beklagten veranlaßt worden und habe ihr auch auffallen müssen. Darüber hinaus sei das Bestehen auf der abgegebenen Verzichtserklärung sittenwidrig. Schließlich sei das Schreiben der Beklagten vom 8. Jänner 1980 unklar und undeutlich und könne nicht als Anbot angesehen werden, weil es dort wörtlich heiße:
"Im Entschädigungsbetrag nicht enthalten: S. Geld 12.000,-, Kosten 1.200,-."
Das Erstgericht entschied nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches mit Zwischenurteil, daß die Klagsforderung dem Gründe nach zu Recht besteht. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger richtete zunächst über seinen Rechtschutzversicherer mehrere Schreiben an die Beklagte, in denen er ein Schmerzengeld von 20 000 S forderte. Am 3. Oktober 1979 wendete er sich an seinen Rechtsanwalt Dr. Erhard H, legte ihm die Korrespondenz vor und beauftragte ihn, die Angelegenheit zu erledigen. Mangels einer Reaktion der Beklagten schaffte Dr. H den Strafakt Z 28/79 des Bezirksgerichtes Braunau am Inn bei und richtete sodann am 7. November 1979 ein Schreiben an die Beklagte, in dem er für seinen Klienten ein Schmerzensgeld von 20 000 S und Kosten von 1260.39 S begehrte. Zunächst erfolgte keine Reaktion der Beklagten; erst am 10. Jänner 1980 langte in der Kanzlei Dr. H das Anbotschreiben der Beklagten vom 8. Jänner 1980 ein, das eine Allonge zu einem auf den Betrag von 13 200 S ausgefertigten Barscheck darstellte. Dieses Schreiben enthielt im wesentlichen folgenden Text:
"Zur Erledigung dieses Schadensfalles bieten wir Ihnen den im Scheck ausgewiesenen Betrag.
Diesen Scheck können Sie innerhalb von 8 Tagen ab dem Ausstellungsdatum bei jedem österreichischen Kreditinstitut vorlegen. Wir weisen jedoch darauf hin, daß der Scheck nicht übertragbar ist und nur nach Legitimierung eingelöst werden kann. Sofern Sie über ein Giro- oder Gehaltskonto verfügen, genügt es, den Scheck mit Unterschrift und Kontonummer versehen Ihrem Institut zur Gutschrift zuzusenden.
Durch Einlösung dieses Schecks erklären Sie, auch namens Ihrer Rechtsnachfolger, keine weiteren Ansprüche aus diesem Schadensfall gegenüber jedermann, besonders gegenüber unserem Versicherten, zu erheben.
Gleichzeitig erklären Sie, daß im Zusammenhang mit Ihren Ansprüchen weder Abtretungen noch Leistungen durch Dritte erfolgt sind, von denen wir keine Kenntnis erhielten.
Sie verpflichten sich überdies, die auf der Rückseite des Schecks gestellten Fragen ordnungsgemäß zu beantworten.
Sollten Sie mit dieser Regelung nicht einverstanden sein, teilen Sie uns dies bitte unter Rückgabe des Schecks mit.
Wir hoffen, mit dieser Form der Schadenauszahlung Ihrem Interesse zu dienen."
Dr. H hatte am 11. Jänner 1980 morgens beim Bezirksgericht Bregenz eine Verhandlung zu verrichten, weshalb er am Vortag, also am 10. Jänner 1980, nach Vorarlberg fahren mußte. Ein Kollege, der ihm die Unterkunft besorgt hatte, hatte ihn ersucht, ihn noch vor 17 Uhr zu besuchen. Dr. H verließ deshalb bereits am Vormittag die Kanzlei, um die Reise mit seinem PKW anzutreten. Gerade als er im Begriff war, die Kanzlei zu verlassen, wurde er noch zurückgerufen, weil mit der Post ein an ihn ausgestellter Scheck gekommen sei. Dr. H sah den Scheck an, ohne vorher das Anbotschreiben selbst genauer durchzulesen. Da die Beklagte bis dahin keine Abfindungserklärungen in dieser Art verwendet, sondern Abfindungserklärungen immer als Beilagen zu normalen Schreiben mitgeschickt hatte, dachte Dr. H auch diesmal an keine Abfindungserklärung, sondern hielt den Scheck für eine Akontozahlung. Da die Einlösefristen immer sehr kurz sind, war er nicht sicher, ob nach seiner Rückkehr aus Vorarlberg in der nächsten Woche noch genügend Zeit zur Einlösung sein werde, weshalb er - sozusagen zwischen Tür und Angel - den Scheck noch vor Verlassen der Kanzlei unterschrieb. Am 15. Jänner 1980 wurde der Scheck von der Kanzlei eingelöst.
Nach seiner Rückkehr aus Vorarlberg hielt Dr. H mit seinem Kanzleikollegen Dr. N am 15. Jänner 1980 abends eine Postbesprechung ab. Dabei fiel ihm auf, daß das Schreiben der Beklagen vom 8. Jänner 1980 noch in der Post vorhanden war. Erst als er nun das Formular genauer durchlas, fiel ihm die darin enthaltene Abfindungserklärung auf. Er diktierte noch am selben Tag ein Schreiben an die Beklagte auf Band, in dem er feststellte, daß sein Mandant mit dem Vergleichsanbot nicht einverstanden sei und er mit gleicher Post den Betrag von 13 200 S zurücküberweise. Dieses Schreiben langte am 16. Jänner 1980 bei der Beklagten ein.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 KSchG bei einem Verbrauchergeschäft für den Verbraucher eine Vertragsbestimmung unverbindlich sei, wonach ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers (Einlösung des Schecks) als Abgabe oder Nichtabgabe einer Erklärung gelte (Annahme des Vergleichsanbotes, Verzicht auf alle weiteren Ansprüche), es sei denn, der Verbraucher werde bei Beginn der hiefür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und habe zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine - angemessene Frist. Die in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben, so daß grundsätzlich durch die Einlösung des Schecks nicht die Abfindungserklärung als gegeben gelte. Daß im vorliegenden Fall für den Kläger ein rechtskundiger Vertreter eingeschritten sei, ändere daran nichts. Das erste Hauptstück des Konsumentenschutzgesetzes gelte gemäß § 1 Abs. 1 KSchG für Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Das Gesetz stellte lediglich auf die Unternehmer- bzw. Verbrauchereigenschaft der Vertragspartner selbst und nicht etwa auf die unternehmer- oder Verbrauchereigenschaft allfälliger Vertreter ab. Auch wenn sich ein Verbraucher von einem Rechtsanwalt vertreten lasse, nehme dies dem Geschäft ebensowenig die Eigenschaft eines Verbrauchergeschäftes wie wenn er selbst rechtskundig sei. § 6 KSchG sei sohin auf den vorliegenden Fall anzuwenden, weshalb durch die Einlösung des Schecks keine Abfindungserklärung als abgegeben gelte. Der Kläger, für den der Vergleich nicht verbindlich sei, könne daher seine Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte geltend machen, soweit sie der Höhe nach gerechtfertigt seien.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, daß im vorliegenden Fall die vom Erstgericht herangezogene Bestimmung des Konsumentenschutzgesetzes nicht zur Anwendung kommen könne. Der Zweck dieses Gesetzes liege darin, bei Geschäften zwischen "Unternehmern" und "Verbrauchern" letztere zu schützen. Das wesentliche Kennzeichen des "Verbrauchers" sei in seiner "typischen Unterlegenheit" gegenüber dem Unternehmer zu sehen. Auch einem "Unternehmer" könne der Schutz dieses Gesetzes zukommen, wenn ihm gegenüber einem anderen "Unternehmer" eine typische Unterlegenheit zuerkannt werden müsse.
Im vorliegenden Fall habe ein Rechtsanwalt mit der beklagten Versicherungsgesellschaft einen Abfindungsvergleich geschlossen. Da ein Großteil der in einer Rechtsanwaltskanzlei anfallenden Rechtsfälle aus Verkehrsunfällen resultiere, die mit Versicherungsgesellschaften abgeklärt werden müßten, seien Schadensregulierungen keine außergewöhnlichen Geschäfte, so daß Anwälte in diesem Zusammenhang nicht als Verbraucher angesehen werden könnten. Anders läge der Sachverhalt dann, wenn der Kläger persönlich mit der Beklagten verhandelt hätte. Durch seinen mit dem Klagevertreter geschlossenen Bevollmächtigungsvertrag habe aber der Kläger diesen ermächtigt und verpflichtet, das ihm aufgetragene Geschäft seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß emsig und redlich zu besorgen, weshalb der Klagevertreter dem Kläger gegenüber in diesem Umfang auch hafte. Da der Beklagten keine Einschränkung der Bevollmächtigung bekanntgegeben worden sei, habe sie darauf vertrauen dürfen, daß der ihr gegenüber einschreitende Rechtsanwalt die in solchen Fällen übliche Handlungsbefugnis habe. Sollte der Klagevertreter durch die Annahme der Abfindungserklärung seine Vollmacht schuldhaft überschritten haben, was in erster Instanz bisher nicht erörtert worden sei, so sei der Kläger gemäß § 1016 ABGB im Rahmen der Überschreitung grundsätzlich nicht verpflichtet und berechtigt, so daß in diesem Fall zwischen den Streitteilen kein rechtsgeschäftliches Verhältnis bestehe. Es könne daher auch nicht unter Heranziehung der Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes beurteilt werden.
Allerdings sei noch zu prüfen, ob die vom Klagevertreter abgegebene Abfindungserklärung nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, da auch Irrtum und Sittenwidrigkeit eingewendet worden seien. Dabei sei auf die gleichzeitig mit dem Konsumentenschutzgesetz eingeführte allgemeine Vorschrift des § 864a ABGB Bedacht zu nehmen. Die Beklagte habe dem Klagevertreter ein mit einem Scheck verbundenes Vertragsformular übermittelt, von dem der Klagevertreter behauptet habe, daß solche Formulare bisher nicht üblich gewesen seien. Die Beklagte hingegen habe vorgebracht, daß ihre Vorgangsweise üblich sei und auch von anderen Versicherungsgesellschaften praktiziert werde. Dafür habe sie sich auf den Zeugen Kurt S berufen, den das Erstgericht nicht einvernommen habe. Durch die Einvernahme dieses Zeugen bzw. durch andere noch zu beantragende Beweismittel werde zu klären sein, inwieweit die von der Beklagten verwendeten Abfindungserklärungen ungewöhnlichen Inhaltes seien und ob der Klagevertreter mit solchen Formularen rechnen habe müssen. Erst danach werde beurteilt werden können, ob überhaupt eine wirksame Abfindungserklärung zustande gekommen sei ..
Über den Rekurs des Klägers hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Beklagte beruft sich darauf, daß zwischen ihr und dem Kläger durch die Annahme ihres Anbotes vom 8. Jänner 1980 eine vertragliche Vereinbarung zustande gekommen sei, mit der der Kläger gegen Zahlung eines Betrages von 13 200 S auf alle weiteren Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 9. Jänner 1979 verzichtet habe.
Das Berufungsgericht verneint zu Unrecht die Anwendbarkeit des I. Hauptstückes des am 1. Oktober 1979 in Kraft getretenen Konsumentenschutzgesetzes (BGBl. 140/1979) auf dieses Rechtsgeschäft.
Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG gilt das I. Hauptstück dieses Gesetzes für Rechtsgeschäfte, an denen 1. einerseits jemand, für den das Geschäft zum Betrieb eines Unternehmens gehört (Unternehmer) und 2. andererseits jemand, für den dies nicht zutrifft (Verbraucher) beteiligt ist. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist ein Unternehmen im Sinne des Abs. 1 Z. 1 jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.
Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der typischen Umstände, die einen
besonderen Schutz des Verbrauchers erforderlich machen, auf dessen
Unterlegenheit gegenüber dem Unternehmer an wirtschaftlicher Macht
und an Wissen durch die Spezialisierung auf eine besondere Art von
Geschäften hingewiesen. Zu diesem Wissen gehört auch die Erfahrung
aus der Vielzahl von Geschäften, das Wissen um die dabei
vorkommenden Zwischenfälle und die rechtlichen Möglichkeiten, wie
für solche Zwischenfälle die eigene rechtliche Stellung möglichst
günstig gestaltet werden kann. Der sachliche Geltungsbereich des
Konsumentenschutzgesetzes im Zusammenhang mit dem Unternehmer- und
Verbraucherbegriff wurde demnach auf objektive, einigermaßen genau
zu beschreibende und festzustellende Umstände abgestellt, bei denen
die Lage, die das Motiv der Regelung bildet, typischerweise gegeben ist (744 d. Blg. NR, XIV. GP, 15 f.). Es muß daher zur Beurteilung der Anwendbarkeit der Vorschriften über das Verbrauchergeschäft konkret geprüft werden, ob sich eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit einer Person in bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft mit einer bestimmten anderen Person, die nicht Unternehmer ist, als unternehmerische darstellt, weil die Beurteilung als Verbrauchergeschäft nur von dem funktionellen Verhältnis zwischen den Streitteilen abhängt (EvBl. 1981/5).
Voraussetzung der Anwendbarkeit des I. Hauptstückes des Konsumentenschutzgesetzes ist also erstens, daß auf der einen Seite ein Unternehmer und auf der anderen Seite ein Nichtunternehmer Partei ist. Geschäfte zwischen Unternehmern und solche zwischen Nichtunternehmern sind nicht erfaßt. Zweitens muß das Geschäft betriebsbezogen sein, das heißt im Rahmen der Unternehmertätigkeit geschlossen werden. Es muß sich dabei nicht unbedingt um Verträge handeln; unter den Anwendungsbereich des Konsumentenschutzgesetzes fallen bei Zutreffen der dort normierten Voraussetzungen auch etwa die Offerte und andere einseitige rechtsgeschäftliche Akte (Welser,
Die Beschränkung der Vertragsfreiheit beim Konsumentenschutzgeschäft, JBl. 1980, 1 f.).
Daß der Betrieb eines Versicherungsunternehmens schon seiner Natur als Massengeschäft nach dem Unternehmensbegriff des § 1 KSchG zu unterstellen ist, ist nicht zweifelhaft (s. dazu Fenyves, Die Auswirkungen des Konsumentenschutzgesetzes auf das Recht der Vertragsversicherung, VersRdSch 1979, 336 ff.). In gleicher Weise, wie der Abschluß von Versicherungsverträgen zum Betrieb eines solchen Unternehmens gehört, gehört dazu auch die vertragliche Regelung von Schadenersatzansprüchen geschädigter Dritter im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Die Beklagte ist daher in bezug auf das hier zu beurteilende Rechtsgeschäft als Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 KSchG anzusehen.
Die Qualifikation des Verbrauchers im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 KSchG ergibt sich nur daraus, daß er nicht Unternehmer ist (Welser a. a.O., 2). Der Kläger ist nach der Aktenlage Kraftfahrer- und machte gegenüber der Beklagten Schadenersatzansprüche aus einer Körperverletzung geltend. Es handelte sich dabei demnach auf seiner Seite um kein zum Betrieb eines Unternehmens gehöriges Geschäft, so daß der Kläger als Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 KSchG zu qualifizieren ist.
Darauf, daß sich der Kläger im Rahmen seiner rechtsgeschäftlichen Beziehungen zur Beklagten durch einen Rechtsanwalt vertreten ließ, kommt es entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes nicht an. Die "Beteiligung" im Sinne des § 1 KSchG ist ausschließlich im Sinne der Beteiligung als Partei zu verstehen, weil sich das Ungleichgewicht nur zwischen den Parteien auswirkt. Es wäre mit dem Gesetzeszweck unvereinbar, wenn der unerfahrene Konsument, der vorsichtig seinen Anwalt beizieht, dafür den Preis zu zahlen hätte, nunmehr als Unternehmer zu gelten (Welser a.a.O., 3). Daß sich also der Kläger gegenüber der Beklagten durch einen Rechtsanwalt vertreten ließ, ändert nichts an seiner Qualifikation als Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 KSchG. Daß der Vertreter des Klägers bei seinem Auftreten gegenüber der Beklagten in irgendeiner Weise seine Vollmacht überschritten hätte, wurde von niemandem behauptet; diese Möglichkeit hat daher aus dem Kreis der anzustellenden Erwägungen auszuscheiden.
Unter diesen Umständen hat aber das Erstgericht mit Recht die zu beurteilende Vereinbarung zwischen den Streitteilen den Bestimmungen des I. Hauptstückes des Konsumentenschutzgesetzes unterstellt; der entgegengesetzten Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes kann nicht gefolgt werden.
Die Beklagte leitet nun den behaupteten Verzicht des Klägers auf weitere Schadenersatzforderungen daraus ab, daß sie in ihrem Anbotschreiben vom 8. Jänner 1980 dem Kläger mitgeteilt habe, er erkläre durch Einlösen des übersendeten Schecks, keine weiteren Schadenersatzansprüche aus dem in Frage stehenden Schadensfall zu stellen; in Kenntnis dieser Erklärung habe der Kläger bzw. sein Vertreter diesen Scheck eingelöst.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen im Sinne des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als Abgabe oder Nichtabgabe einer Erklärung gilt, es sei denn, der Verbraucher wird bei Beginn der hiefür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und hat zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist. Aus dieser Gesetzesstelle ist zunächst ganz allgemein die Wirkungslosigkeit vertraglicher "Erklärungsfiktionen" zu folgern. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn für die fragliche Äußerung eine Frist zur Verfügung steht und das Erfordernis des Hinweises eingehalten wird. Diese Vorgangsweise ist vor allem für die Verlängerung von Vertragsverhältnissen bedeutsam (Welser a.a.O., 73; s. dazu auch 744
d. Blg. NR, XIV. GP, 22 f.). Um eine solche Ausnahme handelt es sich im vorliegenden Fall nicht. Hier hat vielmehr die Beklagte in ihrem Anbotschreiben ohne diesbezügliche Vereinbarung mit dem Kläger bzw. dessen Vertreter eigenmächtig erklärt, einem bestimmten Verhalten seinerseits, nämlich dem Einlösen des übersendeten Schecks, einen Erklärungswert beizumessen, nämlich den des Verzichtes auf weitere Schadenersatzforderungen, der diesem Verhalten im Sinne des § 863 ABGB keinesfalls zukam. Unter diesen Umständen konnte aber im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 2 KSchG eine solche Vertragsbestimmung für den Kläger nicht verbindlich werden. Einer Rücktrittserklärung des Klägers bedurfte es entgegen der in der Berufung der Beklagten vertretenen Rechtsmeinung nicht.
Der Kläger hat sich im Verfahren erster Instanz zwar nicht ausdrücklich auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 2 KSchG berufen, aber alle erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, aus denen die Anwendbarkeit dieser Gesetzesstelle abzuleiten ist. Dies genügt für ihre Anwendung.
Hat somit der Kläger nicht für sich verbindlich auf die Geltendmachtung weiterer Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 9. Jänner 1979 verzichtet, dann erweist sich der diesbezügliche Einwand der Beklagten als unberechtigt. Da die Beklagte weitere Einwendungen gegen den Grund des Anspruches nicht erhoben hat, ist die Rechtssache spruchreif im Sinne der Bestätigung des Zwischenurteiles des Erstgerichtes, ohne daß es der vom Berufungsgericht angeordneten Verfahrensergänzung bedarf.
Anmerkung
Z54058Schlagworte
Haftpflichtversicherer, Schadensregulierungen des - unterliegen dem, KSchG, Kraftfahrer, Vertretung durch Rechtsanwalt und Schutz nach KSchG bei, Schadensregulierung, Versicherer, Anbot zum Verzicht anläßlich Übersendung eines Schecks an, den Beschädigten: Verbindlichkeit, Verzicht durch Einlösen eines Schecks: Verbindlichkeit gegenüber, VersichererEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0080OB00009.81.0409.000Dokumentnummer
JJT_19810409_OGH0002_0080OB00009_8100000_000