TE OGH 1981/4/9 7Ob538/81

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.1981
beobachten
merken

Norm

ABGB §1009
HGB §126 Abs2
HGB §161 Abs2

Kopf

SZ 54/57

Spruch

Der einzige Komplementär einer Kommanditgesellschaft kann sich nicht durch Selbstkontrahieren eine Forderung der Kommanditgesellschaft gegen den Kommanditisten ohne dessen Zustimmung zuwenden

OGH 9. April 1981, 7 Ob 538/81 (OLG Innsbruck 5 R 320/80; LG Innsbruck 9 Cg 551/79)

Text

Die Streitteile sind Gesellschafter der G Handel + Vertrieb + Service Ch. V Kommanditgesellschaft. Die Klägerin ist die einzige Komplementärin dieser Gesellschaft. Dem Beklagten kommt hingegen die Stellung eines Kommanditisten zu. Die Kommanditgesellschaft, deren Registrierung am 11. Feber 1976 erfolgte, begann mit 1. Jänner 1976. Zur Vertretung der Kommanditgesellschaft ist die Klägerin berufen. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 31. Mai 1978 wurde über das Vermögen der Kommanditgesellschaft das Ausgleichsverfahren eröffnet und am 6. September 1978 der zwischen der Ausgleichsschuldnerin und ihren Gläubigern am 21. August 1978 abgeschlossene Ausgleich bestätigt.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 94 900 S samt Anhang. Sie sei zu 60%, der Beklagte hingegen zu 40% an der Gesellschaft beteiligt. Zwischen den Streitteilen sei eine Teilung des Gewinnes und des Verlustes im Sinne der §§ 120, 167 HGB vereinbart worden. Obwohl die Bilanz für das Jahr 1977 einen Verlust der Gesellschaft von 162 349.70 S aufgewiesen habe, sei vom Beklagten in diesem Jahr ein Betrag von 94 900 S entnommen worden. Da sich der Beklagte in der Folge geweigert habe, den zu Unrecht bezogenen Gewinn zurückzuzahlen, habe die Klägerin allein den vorerwähnten Ausgleich erfüllen und insgesamt 109 455.94 S entrichten müssen. Sie habe nie einen Gewinn von der Gesellschaft erhalten, weshalb der vom Beklagten zu Unrecht bezogene Gewinn von 94 900 S zur Finanzierung des Ausgleiches zu verwenden gewesen wäre. Sollte zur Rückforderung der vom Beklagten getätigten Entnahmen die Kommanditgesellschaft berechtigt sein, sei dieser Anspruch auf die Klägerin übergegangen. Die Klagsforderung der Kommanditgesellschaft gegen den Beklagten sei nämlich der Klägerin im Wege des Selbstkontrahierens abgetreten worden.

Der Beklagte erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes, weil die Rechtssache vor das Arbeitsgericht gehöre. Im übrigen beantragt der Beklagte Klagsabweisung und behauptet, er sei bei der Kommanditgesellschaft als Angestellter mit einem vereinbarten Bruttolohn von 10 000 S monatlich beschäftigt gewesen. Er habe in die Geschäftsführung der Gesellschaft überhaupt keinen Einblick gehabt und habe alle von ihm kassierten Gelder der Klägerin als Geschäftsführerin abgeführt. Bei dem Klagsbetrag handle es sich daher nicht um Gewinnentnahmen des Beklagten, sondern um seinen Lohn für geleistete Dienste. Bei dem von der Klägerin behaupteten Aufteilungsverhältnis bestehe der Klagsanspruch außerdem bestenfalls mit 40% zu Recht. Dieser Zahlungspflicht habe der Beklagte bereits durch Gewährung eines Darlehens von 35 000 S entsprochen.

Das Erstgericht verwarf die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten und wies das Klagebegehren ab. Hinsichtlich der behaupteten Entnahmen stehe nur der Gesellschaft gegen den Beklagten ein Rückforderungsanspruch zu. Die Klägerin sei wohl berechtigt, diesen Anspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen, könne aber nur Leistung an die Gesellschaft begehren. Ein solcher Anspruch stelle jedoch gegenüber dem von der Klägerin erhobenen Begehren auf Zahlung an sich nicht ein minus, sondern ein aliud dar. Als geschäftsführende Gesellschafterin wäre überdies die Klägerin mangels einer anderslautenden Vereinbarung nur berechtigt gewesen, zum gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft gehörende Handlungen vorzunehmen. Außergewöhnliche Handlungen hätten nach § 164 HGB eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter und daher auch der Zustimmung des Beklagten als Kommanditisten bedurft. Bei der behaupteten Forderungsabtretung der Gesellschaft an die Klägerin handle es sich aber um eine außergewöhnliche Handlung, die der Beschlußfassung beider Streitteile bedurft hätte. Das von der Klägerin behauptete Selbstkontrahieren sei außerdem bei der Gefahr einer Interessenkollision unzulässig. Bei der von der Klägerin behaupteten Zession habe aber eine solche Interessenkollision bestanden, weil das Interesse der Gesellschaft naturgemäß darauf gerichtet gewesen sei, die Forderung gegen den Beklagten nicht aufzugeben, die Klägerin aber deren Erwerb angestrebt habe. Außerdem müsse der Abschlußwille des Selbstkontrahenten der vom ihm vertretenen Person (hier: Kommanditgesellschaft) gegenüber in einer entsprechenden, eine unkontrollierbare Rücknahme ausschließenden Form geäußert werden. Dies sei von der Klägerin nicht einmal behauptet worden und auch im Zuge des Verfahrens nicht hervorgekommen. Von einer wirksamen Forderungsabtretung könne somit keine Rede sein.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Klägerin die Leistung des Klagsbetrages nur an die Gesellschaft begehren könne. Im übrigen sei die von der Klägerin behauptete Zession der Klagsforderung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgegangen und hätte daher nach § 164 HGB eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter bedurft. Der im Protokoll über den Inhalt des mündlich abgeschlossenen Gesellschaftvertrages vom 5. November 1975 unter Punkt 3 aufscheinenden Bestimmung, daß Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Gesellschafter gefaßt werden, sei nicht zu entnehmen, daß damit der Klägerin als Inhaberin des Stimmrechtes für 60% auch das Recht zur alleinigen Vornahme jener Handlungen eingeräumt werden sollte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgingen. Eine Prozeßbehauptung, daß eine von den Bestimmungen des § 164 HGB abweichende Vereinbarung vorliege, sei von der Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt worden. Das Eingehen auf die Problematik des Selbstkontrahierens erübrige sich daher.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Revisionswerberin sei zur Geltendmachung des Klagsanspruches im eigenen Namen wohl berechtigt, könne jedoch nur Leistung an die Gesellschaft verlangen, wird in der Revisionsschrift nicht mehr bekämpft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die mit der Lehre (Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts[3], 64; Hueck, Das Recht der OHG[4], 259 f.; Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] II, 69; Fischer in HGB-RGRK[3] II/1, 237) übereinstimmende ständige Rechtsprechung des OGH (SZ 33/82; EvBl. 1978/204; 1 Ob 749/78, zuletzt 5 Ob 761/79) verwiesen.

Die Revisionswerberin beharrt auf ihrer Rechtsansicht, daß ihr von der Kommanditgesellschaft der Klagsanspruch wirksam abgetreten worden sei. Sie besitze nämlich nach dem Gesellschaftsvertrag in der Gesellschafterversammlung das Stimmrecht für 60% und könne alle die Gesellschaft betreffenden Beschlüsse mit ihrer Stimmenmehrheit allein fassen. Sie sei daher auch allein berechtigt gewesen, den der Gesellschaft gegen den Beklagten zustehenden Klagsanspruch an sich selbst abzutreten, nachdem sie die die Gesellschaft betreffenden Ausgleichszahlungen aus eigenen Mitteln geleistet habe. Punkt 3 des mündlich abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages enthalte somit eine von der nicht zwingenden Regelung des § 164 HGB abweichende Vereinbarung.

Die Ausführungen der Revisionswerberin vermögen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Von primärer Bedeutung ist die Frage, ob die von der Revisionswerberin behauptete Zession des Klagsanspruches durch Selbstkontrahieren zulässig war. Hiebei ist davon auszugehen, daß das Selbstkontrahieren in Österreich im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland (§ 181 BGB: Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, daß das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht) keine allgemeine gesetzliche Regelung erfahren (Stanzl in Klang[2] IV/1, 817; Wünsch in Hämmerle-FS, 451 ff.; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[5] I, 150; SZ 15/100; SZ 44/141) hat. Das Handelsgesetzbuch und die handelsrechtlichen Nebengesetze enthalten keine Vorschriften über die Zulässigkeit oder das Verbot des Selbstkontrahierens der Organe von Personengesellschaften. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch enthält hingegen das Verbot des Insichgeschäftes nur bei der gesetzlichen Stellvertretung (§§ 271, 272 ABGB). Die herrschende Lehre wendet jedoch dieses Verbot des Selbstkontrahierens auch auf die gewillkürte Vertretung und im Gesellschaftsrecht auf die organschaftliche Vertretungsmacht bei Personengesellschaften an (Koziol - Welser a.a.O., 150; Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 102; Wünsch a.a.O., 454). Auch der OGH vertrat diese Ansicht bereits in seinen Entscheidungen SZ 15/100 und EvBl. 1966/151 und erachtete daher auch für den österreichischen Rechtsbereich das Selbstkontrahieren im allgemeinen für unzulässig (aM SZ 44/141 mit kritischer Stellungnahme von Wünsch a.a.O., 453 Anm. 14, und von Doralt in Kastner - Stoll, Die GmbH & Co. KG im Handels-, Gewerbe- und Steuerrecht[2], 293 Anm. 225 a).

Zulässig ist das Selbstkontrahieren durch Organe von Personengesellschaften dann, wenn jede Gefährdung des Vertretenen (Gesellschaft) ausgeschlossen ist oder von ihm das Insichgeschäft des Vertreters gestattet wurde (Stanzl in Klang[2] IV/1, 818 f.; Ehrenzweig[2] I/1, 279; Wünsch a.a.O., 455 und 458 f.). Auch bei der Kommanditgesellschaft muß der Komplementär trotz seiner Dritten gegenüber unbeschränkbaren Vertretungsmacht (§§ 126 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) die für das Selbstkontrahieren bestehenden Beschränkungen beachten (Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes[2], 79; Wünsch a.a.O., 458). Ist ihm daher im Gesellschaftsvertrag das Selbstkontrahieren nicht grundsätzlich erlaubt, so muß er sich das Insichgeschäft von den anderen vertretungsbefugten Gesellschaftern genehmigen lassen (Wünsch a. a.O., 458; vgl. auch Doralt in Kastner - Stoll a.a.O., 292). Besteht hingegen - wie hier - die Kommanditgesellschaft nur aus einem Komplementär und einem Kommanditisten, so muß der letztere dem vom Komplementär beabsichtigten Insichgeschäft zustimmen (Doralt in Kastner - Stoll a.a.O., 294). Die Zustimmung des Beklagten zu der behaupteten Forderungsabtretung wurde von der für die Zulässigkeit des Selbstkontrahierens beweispflichtigen Revisionswerberin nicht behauptet (Stanzl in Klang[2] IV/1, 818 f.), die im Gegenteil zugestand, daß der Beklagte am Abschluß der Zessionsvereinbarung nicht beteiligt gewesen sei. Auch dem Gesellschaftsvertrag kann eine Bestimmung, die der Revisionswerberin das Selbstkontrahieren grundsätzlich gestatten würde, nicht entnommen werden.

Aber auch eine Gefährdung der Interessen der Gesellschaft durch das von der Revisionswerberin getätigte Insichgeschäft (Forderungszession) ist keineswegs auszuschließen. Eine Interessenkollision ist nämlich nicht erst dann anzunehmen, wenn durch das Insichgeschäft die Interessen des Vertretenen (hier: Kommanditgesellschaft) tatsächlich verletzt wurde, sondern auch dann, wenn ihre Verletzung auch nur wahrscheinlich ist (Stanzl in Klang[2] IV/1, 818). Die Gefahr einer solchen Interessenkollision wird bei Auftragsverhältnissen in der Regel leicht gegeben sein. Sie wird wohl dann nicht vorliegen, wenn das Insichgeschäft in der Erfüllung einer fälligen und unbestrittenen Schuld des Vertreters an den Vertretenen besteht (Stanzl in Klang[2] IV/1, 818) oder wenn das Insichgeschäft dem Vertretenen nur Vorteile bringt oder im Hinblick auf feststehende Geschäftsbedingungen eine Vereinbarung entbehrlich ist (Ehrenzweig[2] I/1, 279; Wünsch a.a.O.,455).

Im vorliegenden Fall diente das Insichgeschäft nicht der Erfüllung einer Verbindlichkeit der Revisionswerberin gegenüber der Gesellschaft, sondern enthält eine Verpflichtung derselben, weil im Hinblick auf die beabsichtigte Zession der Klagsforderung diese aus der Vermögensmasse der Gesellschaft ausscheiden und in das Vermögen der Revisionswerberin übergehen würde. Außerdem behauptet die Revisionswerberin ihrerseits eine der Höhe nach nicht ziffernmäßig bestimmte, vom Beklagten allerdings bestrittene "erhebliche" Forderung gegen die Gesellschaft. Schon aus dem Prozeßvorbringen der Revisionswerberin ist daher eine Gefährdung der Interessen der Gesellschaft durch das behauptete Insichgeschäft nicht auszuschließen. Hiezu genügt nämlich - wie bereits erwähnt - die bloße Gefahr, daß die Interessen der Gesellschaft durch das Eigeninteresse der Revisionswerberin verkürzt werden könnten (Stanzl in Klang[2] IV/1, 818). Beweisaufnahmen über die von der Revisionswerberin behauptete Zession sind somit entbehrlich. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Selbstkontrahierens ist nämlich die von der Revisionswerberin behauptete Forderungsabtretung ungültig (Stanzl in Klang[2] IV/1, 819). Ob die Revisionswerberin ihren Abschlußwillen auch in einer von Lehre und Rechtsprechung geforderten Form geäußert hat, die nicht nur ihre Erklärungen außer Zweifel setzt, sondern auch eine geheime unkontrollierbare Zurücknahme der einmal abgegebenen Willenserklärung ausschließt (Stanzl in Klang[2] IV/1, 819; Wünsch a.a.O., 457; SZ 15/100; SZ 44/141), ist daher nicht mehr zu prüfen.

Anmerkung

Z54057

Schlagworte

Kommanditist, s. a. Komplementär, Komplementär, einziger, Zuwendung einer Forderung der KG gegen, Kommanditisten, Selbstkontrahieren des einzigen Komplementärs zur Zuwendung einer, Forderung der KG gegen Kommanditisten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0070OB00538.81.0409.000

Dokumentnummer

JJT_19810409_OGH0002_0070OB00538_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten